BGH 9. Zivilsenat, Beschluss vom 19.06.2024, AZ IX ZA 22/23, ECLI:DE:BGH:2024:190624BIXZA22.23.0
Verfahrensgang
vorgehend BGH, 2. Mai 2024, Az: IX ZA 22/23, Beschluss
vorgehend BGH, 11. April 2024, Az: IX ZA 22/23, Beschluss
vorgehend Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, 14. September 2023, Az: 4 U 94/19
vorgehend LG Saarbrücken, 4. November 2019, Az: 9 O 186/17
nachgehend BGH, 24. Juni 2024, Az: IX ZA 22/23, Beschluss
Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schoppmeyer und die Richter am Bundesgerichtshof Röhl, Dr. Schultz, Dr. Harms und Kunnes wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 11. April 2024 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Der Kläger nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung wegen fehlerhafter Prozessführung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im nachfolgenden Berufungsverfahren hat der Kläger eine Vielzahl von Befangenheitsanträgen gestellt, von denen sich vier gegen den zum damaligen Zeitpunkt an dem Berufungsgericht tätigen Richter Weinland gerichtet haben. Sämtliche der Befangenheitsanträge blieben ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Gegen die in dieser Entscheidung unterbliebene Zulassung der Revision beabsichtigt der Kläger Beschwerde einzulegen und hat hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Ferner hat der Kläger den Richter am Bundesgerichtshof Weinland wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit Beschluss vom 11. April 2024 hat der Senat in der Vertretungsbesetzung ohne den Richter am Bundesgerichtshof Weinland das Ablehnungsgesuch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Am 2. Mai 2024 hat der Senat in der geschäftsplanmäßigen Besetzung mit Richter am Bundesgerichtshof Weinland den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nachfolgend hat der Kläger den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schoppmeyer und die Richter am Bundesgerichtshof Röhl, Dr. Schultz, Dr. Harms, Weinland und Kunnes wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und eine mit Gründen versehene Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 11. April 2024 erhoben.
II.
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1. Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schoppmeyer und die Richter am Bundesgerichtshof Röhl, Dr. Schultz, Dr. Harms und Kunnes wegen Besorgnis der Befangenheit ist als unzulässig zu verwerfen. Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 11. April 2024 wird zurückgewiesen.
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2. Der Senat ist in der eingangs genannten Besetzung zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen, nachdem der Kläger mit seinen Anträgen sein ursprüngliches Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesgerichtshof Weinland weiterverfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2010 – XI ZB 33/09, NJW-RR 2011, 427 Rn. 15 ff). Dabei kann der Senat mit den abgelehnten Richtern über das Ablehnungsgesuch gegen die Vertretungsbesetzung entscheiden, weil das Ablehnungsgesuch unzulässig ist.
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a) Der Kläger meint, eine Besorgnis der Befangenheit ergebe sich aus dem Umstand, dass der Senat den Gegnern entgegen § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe, ob sie die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben erachteten. Eine andere Erklärung für die Weigerung des Senats, als diejenige, dem Kläger von vornherein die beantragte Prozesskostenhilfe versagen zu wollen, sei nicht ersichtlich. Gleiches gelte für den Umstand, dass dem Kläger nicht die Frage beantwortet worden sei, ob trotz der per DE-Mail übermittelten Schriftsätze noch eine Unterschrift des Klägers notwendig (gewesen) sei.
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Die abgelehnten Richter hätten dadurch das rechtliche Gehör des Klägers in besonders grober und entscheidungserheblicher Weise verletzt und damit die durch den Kläger in dem Ablehnungsgesuch gerügten Grundrechtsverletzungen von Richter am Bundesgerichtshof Weinland perpetuiert. Hinzu komme, dass sich die abgelehnten Richter zu Lasten des Klägers grob willkürlich über Recht und Gesetz gestellt hätten, nur um den abgelehnten Kollegen von verfassungsrechtlich relevantem Fehlverhalten freizusprechen.
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Zudem beruhe der Beschluss des Senats vom 2. Mai 2024, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, auf einer Verletzung des gesetzlichen Richters, da dieser Beschluss noch innerhalb der Frist zur Einlegung einer Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 11. April 2024 und damit unter willkürlichem Verstoß gegen die Wartepflicht gemäß § 47 ZPO erlassen worden sei.
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b) Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Vertretungsbesetzung ist unzulässig.
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aa) Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn seine Begründung völlig ungeeignet ist, eine Befangenheit des abgelehnten Richters aufzuzeigen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2011 – I ZB 41/09, juris Rn. 3 mwN). Ein in dieser Weise begründetes Ablehnungsgesuch steht rechtlich einer Richterablehnung gleich, die überhaupt keine Begründung aufweist. In diesem Sinne völlig ungeeignet ist eine Begründung, wenn sie die angebliche Befangenheit ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls von vornherein nicht zu belegen vermag, mithin für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens oder das eigene Verhalten des abgelehnten Richters selbst entbehrlich ist (vgl. BVerfG, NJW 2006, 3129, 3131 f mwN). Bei der Ablehnung eines Richters müssen ernsthafte Umstände angeführt werden, die die Befangenheit des einzelnen Richters aus Gründen rechtfertigen, die in persönlichen Beziehungen dieses Richters zu den Parteien oder zu der zur Verhandlung stehenden Streitsache stehen (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2013 – IV ZA 1/13, BeckRS 2013, 10414 Rn. 1).
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bb) Solche Umstände zeigt der Kläger nicht auf, sondern begründet das Ablehnungsgesuch lediglich mit einer seiner Ansicht nach offensichtlichen Häufung von Verfassungs- und Rechtsverstößen der abgelehnten Richter. Das genügt nicht zur Glaubhaftmachung eines Befangenheitsgrundes (vgl. BVerfG, NJW 2005, 3410, 3412; BGH, Beschluss vom 5. September 2012 – XII ZB 18/12, juris Rn. 1).
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(1) Entgegen der Rüge des Klägers liegt ein Verstoß gegen § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vor. In dem der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnenden Prozesskostenhilfeverfahren stehen sich als Beteiligte nur der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüber; der Gegner ist nicht Beteiligter (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 1983 – VI ZR 100/83, BGHZ 89, 65 ff). Die Anhörung des Gegners nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO steht zwar nicht im Ermessen des Gerichts, sie ist aber dann entbehrlich, wenn Prozesskostenhilfe dem Antragsteller bereits nach seinem eigenen Vorbringen zu verweigern ist; die Anhörung erscheint dann „aus besonderen Gründen unzweckmäßig“. Hiervon wird der Gegner nicht betroffen. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt nicht, ihn zu hören.
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(2) Ebenso wenig vermag der Umstand, dass dem Kläger nicht die Frage beantwortet worden ist, ob trotz der per DE-Mail übermittelten Schriftsätze noch eine Unterschrift des Klägers notwendig (gewesen) ist, einen Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen. Die dem Gericht nach § 139 ZPO obliegenden Erörterungs- und Hinweispflichten bemessen sich nach der Erforderlichkeit. Nachdem die durch den Kläger per DE-Mail übermittelten Schriftsätze eine Unterschrift des Klägers aufweisen, war die Beantwortung der Frage vorliegend nicht erforderlich. Ein erheblicher Verfahrensfehler des Senats liegt insoweit nicht vor.
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(3) Schließlich wird ein Ablehnungsgrund auch nicht durch den Umstand glaubhaft gemacht, dass der Senat innerhalb der Frist zur Einlegung einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO gegen den Beschluss vom 11. April 2024 dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe versagt hat. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich § 321a ZPO keine Wartefrist entnehmen. Die offene Frist für die Erhebung einer Anhörungsrüge steht der Erledigung des Ablehnungsgesuchs im Sinne des § 47 Abs. 1 ZPO nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2012 – AnwZ (B) 13/10, juris Rn. 11 f; BFH, Beschluss vom 8. Juli 2013 – III B 149/12, juris Rn. 15; BSG, Beschluss vom 3. Februar 2020 – B 14 AS 302/19 B, juris Rn. 5; BAG, Beschluss vom 21. April 2020 – 7 ABN 79/19, juris Rn. 41; BSG, Beschluss vom 22. Juli 2021 – B 14 AS 95/20 BH, juris Rn. 11). Die Gehörsrüge einer Partei hindert nicht den Eintritt der Rechtskraft. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus dem von ihm in Bezug genommenen Beschluss des XI. Zivilsenats vom 15. Juni 2010 (XI ZB 33/09, NJW-RR 2011, 427) nichts Anderes. Der Fall betraf eine gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bereits erhobene Anhörungsrüge. Auf Grund des gegen sie gerichteten Ablehnungsgesuchs waren diese Richter gemäß § 47 Abs. 1 ZPO an einer Mitwirkung gehindert (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2010, aaO Rn. 15 f). Bei Erlass des Beschlusses des Senats vom 2. Mai 2024 war das Ablehnungsgesuch des Klägers mit dem Beschluss vom 11. April 2024 erledigt und eine Anhörungsrüge nicht erhoben. Es liegt insoweit kein Verstoß gegen das einfache Recht oder das Verfassungsrecht vor, so dass der durch den Kläger geltend gemachte Umstand nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit glaubhaft zu machen.
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cc) Der Kläger hat in dem Berufungsverfahren 12 nahezu inhaltsgleiche und sämtlich erfolglose Befangenheitsanträge als Reaktion auf nachteilige Entscheidungen gestellt, von denen sich vier gegen den zum damaligen Zeitpunkt an dem Berufungsgericht tätigen Richter Weinland gerichtet haben. Nach einem wiederkehrenden Muster hat der Kläger die Anträge jeweils mit seiner Ansicht nach vorliegenden Verletzungen des einfachen Rechts und des Verfassungsrechts begründet. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist mithin auch rechtsmissbräuchlich, denn er verfolgt damit verfahrensfremde Zwecke. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der Kläger bei den nunmehr geltend gemachten Ablehnungsgründen nicht berücksichtigt, dass der von ihm abgelehnte Richter am Bundesgerichtshof Dr. Harms an der Entscheidung über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht mitgewirkt hat.
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c) Die Anhörungsrüge des Klägers gemäß § 321a ZPO ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers in seinen weiteren Schreiben, insbesondere dem Schreiben vom 7. Mai 2024, jedenfalls unbegründet. Der Senat hat das als übergangen gerügte Vorbringen bei seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berücksichtigt, aber nicht für durchgreifend erachtet.
- Schoppmeyer
- Röhl
- Schultz
- Harms
- Kunnes