1. Bei Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen gebietet das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2… (Urteil des BGH 8. Zivilsenat)

BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 01.06.2022, AZ VIII ZR 287/20, ECLI:DE:BGH:2022:010622UVIIIZR287.20.0

§ 134 BGB, § 306 BGB, § 24 Abs 4 S 1 AVBFernwärmeV, § 24 Abs 4 S 2 AVBFernwärmeV, Art 6 Abs 1 EWGRL 13/93

Leitsatz

1. Bei Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen gebietet das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV eine Erläuterung der Zusammensetzung der Bezugspreise des Fernwärmeversorgungsunternehmens, also insbesondere der diesen zugrundeliegenden vertraglichen und preislichen Bestimmungen oder auch die namentliche Bezeichnung des Bezugslieferanten, nicht. Diese Gesichtspunkte können allerdings für die Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit von gegenüber den Endkunden verwendeten Preisänderungsklauseln nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV von Bedeutung sein.

2. Anders als eine Preisänderungsklausel zum Grund- oder Bereitstellungspreis, mit dem die langfristigen Investitions- und Vorhaltekosten des Versorgers abgegolten werden, die sich grundsätzlich unabhängig von den Verhältnissen am Wärmemarkt entwickeln, muss eine Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis, mit dem die vom Kunden abgenommene Wärmemenge vergütet wird, nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV zwingend auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 29 f.).

3. Die in Energieversorgungsstreitigkeiten entwickelte sogenannte Dreijahreslösung des Senats vermeidet die bei einer Gesamtnichtigkeit des Versorgungsvertrags für den Kunden eintretenden nachteiligen Folgen einer bereicherungsrechtlichen (Rück-)Abwicklung, indem sie entsprechend den auch nach der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Zielsetzungen von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG darauf angelegt ist, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Heranziehung und Gewichtung ihrer Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und auf diese Weise ein Gleichgewicht der Rechte und Pflichten tatsächlich wiederherzustellen (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 33 ff. und VIII ZR 52/12, juris Rn. 31 ff.; vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 23, 38).

Verfahrensgang

vorgehend LG Berlin, 11. September 2020, Az: 3 S 7/20
vorgehend AG Schöneberg, 30. Januar 2020, Az: 107 C 76/19

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Berlin – Zivilkammer 3 – vom 11. September 2020 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 34,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. November 2019 abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 30. Januar 2020 zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im Wohngebiet „Neues Schweizer Viertel“ in Berlin über etwa 725 Abnahmestellen Kunden mit Fernwärme beliefert. Die Beklagte bezieht die Fernwärme ihrerseits von der V.                   AG (ab 2018 umfirmiert in V.                 AG; nachfolgend: V.       AG).

2

Die Kläger waren Eigentümer eines Gebäudes in dem vorgenannten Wohngebiet und wurden auf der Grundlage eines mit der Beklagten am 28. August 2002 geschlossenen Wärmelieferungsvertrags ab dem 8. August 2002 von dieser mit Fernwärme versorgt. In einem weiteren zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit wurde (rechtskräftig) festgestellt, dass dieser Wärmelieferungsvertrag am 8. August 2017 endete (Kammergericht, Urteil vom 25. März 2020 – 25 U 36/19, nicht veröffentlicht). Die Kläger bezogen jedoch noch bis zum 27. Juni 2018 Fernwärme von der Beklagten.

3

Die jährlichen Abrechnungen für die von den Klägern abgenommene Fernwärme erstellte die Beklagte unter Zugrundelegung der in § 8 des Wärmelieferungsvertrags enthaltenen Preisbestimmung („Wärmepreis“), die in Absatz 1 als auf das Jahr 2000 bezogene Basistarife einen Bereitstellungspreis für das Gebäude in Höhe von 0,38 € pro m2 beheizte Fläche und Monat, einen Arbeitspreis für die gelieferte Wärme in Höhe von 0,054 € pro kWh sowie einen Messpreis von 98 € pro Wohnung im Gebäude und Jahr, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, vorsah. Nach § 8 Abs. 5 des Wärmelieferungsvertrags war der Preis für die gelieferte Wärme nach Maßgabe der folgenden Vorschriften veränderlich und sollten etwaige Änderungen jährlich zum vereinbarten Abrechnungszeitpunkt vorgenommen werden:

„Preisänderungsklausel

Die jeweils gültigen Bereitstellungs- und Messpreise berechnen sich nach folgender Formel:

P = P
2000(0,4 I/I
2000 + 0,6 L/L
2000)

  • P
  • der jeweils gültige Preis gemäß vorstehender Berechnungsformel
  • P
    2000
  • der Basispreis
  • I
  • der jeweilige Jahresindex der Erzeugerpreise für gewerbl. Produkte, veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden, Fachserie 17 Reihe 2
  • I
    2000
  • der Basisindex
  • L
  • die jeweils gültige Jahreslohnindexziffer für die Arbeiter der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme-, Wasserversorgung, veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden, Fachserie 16, Reihe 4.3
  • L
    2000
  • der Basislohnindex

Der jeweils gültige Arbeitspreis ergibt sich nach folgender Formel:

AP = AP
2000 x E/E
2000

  • AP
  • der jeweils gültige Arbeitspreis gemäß vorstehender Berechnungsformel
  • AP
    2000
  • der Basisarbeitspreis
  • E
  • der jeweilige Energiepreis des Fernwärmeversorgers in DM/MWh als effektiver Fernwärmepreis
  • E
    2000
  • der Basisenergiepreis

Bezugsjahr für alle Basisindizes ist 2000.“

4

Die Kläger zahlten für die von ihnen abgenommene Fernwärme die ihnen von der Beklagten jährlich in Rechnung gestellten – nach Maßgabe der Preisänderungsklausel angepassten – Entgelte. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 teilten die Kläger der Beklagten mit, sie würden den monatlichen Abschlag ab dem 1. August 2012 nur noch unter Vorbehalt zahlen, da insbesondere die Kosten für die Bereitstellung und die Messkosten dem Grunde, der Höhe und der jährlichen Erhöhung nach nicht nachvollziehbar und gerechtfertigt seien. Sodann reduzierten die Parteien mit einer Nachtragsvereinbarung zum Wärmelieferungsvertrag vom 17. September 2012 den Messpreis auf 80 € pro Jahr und legten fest, dass es im Übrigen bei den Vereinbarungen im Wärmelieferungsvertrag bleiben solle.

5

Für das Abrechnungsjahr 2014 legte die Beklagte einen Arbeitspreis von 0,0768 €/kWh und einen Bereitstellungspreis von 0,529 €/m
2/Monat zugrunde. In den Folgejahren reduzierte sich der berechnete Arbeitspreis geringfügig, während sich der Bereitstellungspreis erhöhte. Für das Abrechnungsjahr 2015 (mit Rechnung vom 5. Juli 2016) setzte die Beklagte einen Arbeitspreis von 0,0766 €/kWh und einen Bereitstellungspreis von 0,539 €/m
2/Monat an, für das Abrechnungsjahr 2016 legte sie einen Arbeitspreis von 0,0764 €/kWh und einen Bereitstellungspreis von 0,545 €/m
2/Monat, für das Abrechnungsjahr 2017 einen Arbeitspreis von 0,0761 €/kWh und einen Bereitstellungspreis von 0,557 €/m
2/Monat sowie für das Abrechnungsjahr 2018 einen Arbeitspreis von 0,0766 €/kWh und einen Bereitstellungspreis von 0,57 €/m
2/Monat (jeweils netto) zugrunde.

6

Mit Schreiben vom 4. Februar 2019 rügten die Kläger unter Hinweis auf eine zu Lasten der Beklagten ergangene – und ebenfalls Preisänderungen bei Fernwärmelieferungen in dem besagten Wohngebiet betreffende – Entscheidung des Kammergerichts vom 10. Januar 2019 (20 U 146/17, nicht veröffentlicht) die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel in § 8 des Wärmelieferungsvertrags, widersprachen den bis einschließlich 2017 erstellten Jahresabrechnungen und forderten rückwirkend für die Abrechnungsjahre bis zum Vertragsbeginn, ausgehend von den im Wärmelieferungsvertrag genannten Basistarifen für das Jahr 2000, die Rückzahlung des insoweit überzahlten Wärmeentgelts. Auch den Preisanpassungen in der Jahresabrechnung für 2018 widersprachen die Kläger vorsorglich.

7

Das Amtsgericht hat der zuletzt auf Rückerstattung im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 10. Juli 2018 überzahlter Arbeits- und Bereitstellungspreise in Höhe von insgesamt 1.350,24 € nebst Zinsen gerichteten Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat lediglich in geringem Umfang Erfolg.

I.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

10

Den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) wegen überzahlten Wärmeentgelts nicht zu, auch wenn – entsprechend dem Urteil des Kammergerichts vom 10. Januar 2019 (20 U 146/17, nicht veröffentlicht) – die Preisänderungsformel für den Arbeitspreis gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam sei, da sich die Ermittlung des Faktors „E“ aus dem Vertrag nicht transparent ergebe.

11

Damit werde die im Wärmelieferungsvertrag enthaltene Preisanpassungsklausel jedoch nicht insgesamt unwirksam. Denn nach § 8 Abs. 1 des Vertrags bestehe der Wärmepreis aus drei getrennt abzurechnenden Bestandteilen (Bereitstellungs-, Arbeits- und Messpreis) und enthalte in § 8 Abs. 5 bezüglich des Bereitstellungspreises und des Arbeitspreises voneinander getrennte und keinen rechnerischen Zusammenhang aufweisende Preisänderungsformeln. Die Kläger hätten gegen die Formel zum Bereitstellungspreis keine Einwände erhoben. In dieser Konstellation sei die Preisänderungsklausel nicht insgesamt unwirksam, weil anzunehmen sei, dass die Parteien die Anpassung des Bereitstellungspreises auch bei erkannter Unwirksamkeit der Formel zum Arbeitspreis vorgenommen hätten (§ 139 BGB). Dabei sei auf den mutmaßlichen Parteiwillen abzustellen; maßgebend sei, welche Entscheidung die Parteien im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses bei Kenntnis der Sachlage nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung der beiderseitigen Interessen getroffen hätten. Unter diesen Umständen hätten die Parteien jedenfalls die Anpassung eines einzelnen Preisbestandteils vereinbart. Denn sie seien sich grundsätzlich darüber einig gewesen, dass der vereinbarte Anfangspreis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses habe gelten sollen. Zudem bestehe ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer möglichst weitgehend im Gleichgewicht zu halten.

12

Auch wenn die Preisänderungsklausel hinsichtlich des Arbeitspreises unwirksam sei, liege gleichwohl bezüglich der von der Beklagten abgerechneten Arbeitspreise im streitgegenständlichen Zeitraum keine Überzahlung vor, da insoweit – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht auf die Basispreise des Jahres 2000 abzustellen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24. September 2014 – VIII ZR 350/13) sei vielmehr im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) anzunehmen, dass die Kläger die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führten, nicht geltend machen könnten, soweit sie diese nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstandet hätten. Vorliegend hätten die Kläger den Abrechnungen erst im Februar 2019 widersprochen, so dass ein rechtzeitiger Widerspruch erst für die Abrechnungsjahre ab 2015 (wegen des Abrechnungsdatums 5. Juli 2016) vorliege und mithin der Arbeitspreis des Jahres 2014 maßgebend sei. Auf den Widerspruch vom 12. Juli 2012 komme es dagegen nicht an, weil ein solcher nicht „auf Vorrat“ erklärt werden könne, dieser sich nicht ausdrücklich auf den Arbeitspreis bezogen habe und die Parteien dem damaligen Streit über die Angemessenheit der Preise bereits durch den Nachtrag vom 17. September 2012 Rechnung getragen hätten.

13

Soweit ab dem festgestellten Vertragsende am 8. August 2017 durch die weitere Entnahme von Fernwärme ein neuer Vertrag begründet worden sei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 AVBFernwärmeV), sei ebenfalls der Arbeitspreis des Abrechnungsjahres 2014 maßgeblich. Denn bezüglich des Inhalts des neuen Vertrags komme es im Rahmen von § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV in erster Linie auf die Versorgungsverträge mit anderen Kunden im Versorgungsgebiet Schweizer Viertel an, die im wesentlichen Teil dem ursprünglichen Vertrag der Kläger entsprächen. Dass die übrigen Kunden den Preiserhöhungen der Beklagten in nennenswertem Umfang bereits für frühere Abrechnungszeiträume widersprochen hätten, behaupteten die Kläger aber selbst nicht.

14

Nach diesen Maßstäben sei die Beklagte bezüglich der streitgegenständlichen Abrechnungszeiträume nicht überzahlt worden, da die abgerechneten Arbeitspreise in den streitgegenständlichen Jahren 2015 bis 2018 nicht über dem Arbeitspreis des Jahres 2014 gelegen hätten.

II.

15

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung ganz überwiegend stand. Zwar verstößt die von der Beklagten verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis in § 8 Abs. 5 des Wärmelieferungsvertrags – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – nicht gegen das Transparenzgebot des § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV. Sie ist jedoch mangels inhaltlicher Angemessenheit nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam. Demgegenüber ergibt sich – wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist und was der Senat für dieselbe Klausel der Beklagten kürzlich bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 24 ff.) – eine Unwirksamkeit der Anpassungsklausel zum Bereitstellungspreis weder unmittelbar aus § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB noch – anders als die Revision meint – in Folge der Unwirksamkeit der den Arbeitspreis betreffenden Änderungsklausel. Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht zudem weiter angenommen, dass die Kläger die Unwirksamkeit der Erhöhungen des Arbeitspreises nur geltend machen können, wenn sie diese innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die betreffende Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet haben. Diese vom Senat in ständiger Rechtsprechung im Wege ergänzender Vertragsauslegung zur Anwendung gebrachte sogenannte Dreijahreslösung fügt sich – entgegen der Auffassung der Revision – unverändert in die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) ein und hat vorliegend zur Folge, dass den Klägern ein Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Arbeitspreise aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allein für das Abrechnungsjahr 2018 und insoweit nur in geringfügiger Höhe (0,39 €) zusteht. Überdies können die Kläger Rückzahlung des von ihnen geleisteten Bereitstellungspreises in Höhe von weiteren 34,59 € verlangen, soweit die Beklagte diesen über das Ende des Lieferverhältnisses hinaus fehlerhaft abgerechnet hat.

16

1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis über den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und die Versorgung mit Fernwärme im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AVBFernwärmeV zunächst aufgrund des schriftlich abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrags vom 28. August 2002 bestand und dass nach dessen Beendigung am 8. August 2017 durch die seitens der Kläger erfolgte weitere Entnahme von Fernwärme konkludent ein neuer Versorgungsvertrag zu den für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preisen gemäß § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV zustande kam (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 268/15, NJW-RR 2017, 1200 Rn. 16; vom 18. Dezember 2019 – VIII ZR 209/18, NJW 2020, 1205 Rn. 17; vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 22, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN), welcher mit der Trennung vom Netz der Beklagten am 27. Juni 2018 endete. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Versorgungsgebiet Schweizer Viertel jedenfalls mit dem wesentlichen Teil der anderen Kunden ebenfalls Versorgungsverträge vergleichbaren Inhalts geschlossen worden waren, wurde die in § 8 Abs. 5 der schriftlichen Vereinbarung vom 28. August 2002 enthaltene Preisänderungsklausel auch im Rahmen des neuen Versorgungsvertrags der Parteien Bestandteil des Versorgungsverhältnisses.

17

2. Beide Verträge und damit auch die von den Klägern jeweils beanstandete Preisänderungsklausel unterfallen dem Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV. Gemäß § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV werden die §§ 2 bis 34 AVBFernwärmeV dabei in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil des Versorgungsvertrags, soweit – wie hier – ein Fernwärmeversorgungsunternehmen für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und die Versorgung mit Fernwärme Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwendet, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (Allgemeine Versorgungsbedingungen; vgl. auch Senatsurteile vom 25. Juni 2014 – VIII ZR 344/13, BGHZ 201, 363 Rn. 17 f.; vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, aaO Rn. 23). Dementsprechend sind die von der Beklagten verwendeten Preisänderungsklauseln und die im streitgegenständlichen Zeitraum von 2015 bis 2018 auf ihrer Grundlage vorgenommenen Preisanpassungen an den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in der vom 12. November 2010 bis zum 4. Oktober 2021 gültigen Fassung zu messen.

18

3. Nach dieser Vorschrift ist – wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat – allein die Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis, nicht jedoch auch – wie die Revision meint – diejenige zum Bereitstellungspreis unwirksam.

19

a) Die Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis in § 8 Abs. 5 des schriftlichen Wärmelieferungsvertrags, auf welche die Beklagte sowohl bis zum 8. August 2017 als auch nachfolgend bis zum 27. Juni 2018 ihre Abrechnungen für von den Klägern entnommene Wärme gestützt hat, war – wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist – gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam.

20

aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ergibt sich diese Unwirksamkeit allerdings nicht aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV.

21

(1) Das Transparenzgebot gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV bestimmt, dass in einer Preisanpassungsklausel die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in verständlicher Form ausgewiesen werden müssen. Damit verlangt diese Regelung, dass der Kunde den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerungen aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung einer vom Klauselverwender vorgenommenen Erhöhung an der zu Preisänderungen ermächtigenden Klausel selbst messen kann (Senatsurteile vom 6. April 2011 – VIII ZR 66/09, WM 2011, 1042 Rn. 33 mwN; vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 268/15, NJW-RR 2017, 1200 Rn. 21).

22

(2) Diese Anforderungen und Zielsetzungen hat das Berufungsgericht missverstanden, wenn es – unter Bezugnahme auf ein Urteil des Kammergerichts vom 10. Januar 2019 in einem dieselbe Preisänderungsklausel der Beklagten betreffenden Parallelverfahren (20 U 146/17, nicht veröffentlicht) – eine Intransparenz der den Arbeitspreis betreffenden Anpassungsklausel in § 8 Abs. 5 des Wärmelieferungsvertrags („AP = AP
2000 x E/E
2000„) annimmt, da sich aus dem Vertrag nicht ergebe, auf welche Art und Weise sich der variable Faktor „E“ ermittele, etwa durch Verwendung einer mathematischen Formel, und aus welchen Komponenten er sich zusammensetze; den Vertragsunterlagen lasse sich noch nicht einmal entnehmen, dass die Beklagte die Fernwärme ihrerseits von der V.       AG beziehe.

23

Hierdurch wird die Transparenz der Preisanpassungsbestimmung jedoch nicht in Frage gestellt. Denn ihr Regelungsgehalt – die Art und Weise der Berechnung und der periodischen Anpassung des Arbeitspreises – ist für den Kunden aus sich heraus hinreichend klar und verständlich (vgl. Senatsurteile vom 24. März 2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 Rn. 17, und VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793 Rn. 23; vom 14. Mai 2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 Rn. 13 [jeweils zu § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB]; vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 268/15, NJW-RR 2017, 1200 Rn. 22). Aus der Klausel und ihren Erläuterungen ergibt sich, dass sich der für das abzurechnende Jahr rückwirkend zugrunde zu legende Arbeitspreis (AP) gegenüber dem Arbeitspreis des gewählten Basisjahres 2000 (AP
2000) im gleichen Verhältnis erhöht oder senkt, in dem sich der für das betreffende Jahr von der Beklagten ihrerseits an den Vorlieferanten für den Wärmebezug zu leistende Energiepreis (E) gegenüber dem Energiebezugspreis des Basisjahres 2000 (E
2000) verändert hat.

24

Der Umstand, dass aus der Wahl eines derartigen Parameters grundsätzlich die Notwendigkeit folgt, dem Kunden – wie vorliegend im Rahmen der Jahresabrechnungen jeweils geschehen – spätestens mit Vornahme der Preisanpassungen auf Verlangen Auskunft und gegebenenfalls Nachweis über die jeweiligen Wärmebezugskosten des Energieversorgers zu erteilen, berührt nicht die Transparenz einer solchen Klausel. Denn diese Angaben dienen nicht dazu, die Wirksamkeit der Klausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV als solche zu beurteilen, sondern erfüllen allein den Zweck, die vom Versorger unter Berufung auf die betreffende Anpassungsklausel vorgenommene Preisänderung auf ihre Berechtigung zu überprüfen.

25

Auch eine Erläuterung der – im Lauf einer langfristigen Versorgungsbeziehung erwartbar Änderungen unterworfenen – Zusammensetzung des Bezugspreises, also insbesondere der diesem seinerseits zugrunde liegenden vertraglichen und preislichen Bestimmungen (wie etwa Preisänderungsklauseln) oder auch die namentliche Bezeichnung des Bezugslieferanten, gebietet das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht (vgl. Senatsurteile vom 24. März 2010 – VIII ZR 178/08, aaO, und VIII ZR 304/08, aaO [jeweils zu § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB]). Diese Gesichtspunkte können allenfalls für die Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit der Preisänderungsklausel von Bedeutung sein (siehe etwa Senatsurteil vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 268/15, aaO Rn. 32 ff.).

26

Die gegenteiligen Auffassungen des Kammergerichts im vorgenannten Urteil (20 U 146/17) und ihm nachfolgend auch des Berufungsgerichts im hiesigen Rechtsstreit beruhen demgegenüber offenbar auf einem Missverständnis des Senatsurteils vom 6. April 2011 (VIII ZR 66/09, WM 2011, 1042 Rn. 35). Dort hatte der Senat eine von einem Versorgungsunternehmen in einem Fernwärmelieferungsvertrag verwendete Preisanpassungsklausel als mit den Transparenzanforderungen des § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV (§ 24 Abs. 3 Satz 2 AVBFernwärmeV aF) nicht vereinbar und unwirksam angesehen, weil für die Berücksichtigung der Kostenentwicklung beim Erdgasbezug des die Fernwärme selbst herstellenden Wärmeversorgers auf einen variablen „Preisänderungsfaktor im Gasbezug“ („fEG“) abgestellt worden war, bei dem der Kunde bereits nicht nachvollziehen konnte, in welchem Umfang und über welche Zeitspanne hinweg Änderungen bei den Preisen im Gasbezug des Versorgers in seine Ermittlung einflossen, und der Kunde deshalb letztlich darauf angewiesen war, die Angaben des Versorgers zu diesem Faktor ungeprüft zu übernehmen (Senatsurteil vom 6. April 2011 – VIII ZR 66/09, aaO). So liegt der Fall hier aber gerade nicht, da den Erläuterungen zur Preisänderungsklausel unmittelbar zu entnehmen ist, dass es sich bei dem Faktor „E“ um den „jeweilige[n] Energiepreis des Fernwärmeversorgers in DM/MWh als effektiver Fernwärmepreis“ handelt, so dass der Kunde ohne weiteres erkennen kann, dass prozentuale Änderungen bei den Wärmebezugskosten der Beklagten zu einer Änderung des von ihren Kunden zu entrichtenden Arbeitspreises im identischen prozentualen Umfang führen.

27

bb) Die von der Beklagten verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis ist indes wegen inhaltlicher Unangemessenheit nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam.

28

(1) Um den gesetzlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV zu genügen, müssen Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme durch das Unternehmen (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen. Hierdurch soll zum einen eine kostenorientierte Preisbemessung gewährleistet werden, zum anderen aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die Gestaltung der Fernwärmepreise „nicht losgelöst von den Preisverhältnissen am Wärmemarkt vollziehen kann“ (BR-Drucks. 90/80, S. 56 [zu § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF]). Mit diesen Vorgaben wollte der Verordnungsgeber den wirtschaftlichen Bedürfnissen in der Fernwärmeversorgung Rechnung tragen und zugleich die Interessen von Versorgungsunternehmen und Wärmekunden in einen angemessenen Ausgleich bringen (Senatsurteile vom 6. April 2011 – VIII ZR 273/09, BGHZ 189, 131 Rn. 33; vom 25. Juni 2014 – VIII ZR 344/13, BGHZ 201, 363 Rn. 19 ff.; vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 44, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

29

(2) Diesen Anforderungen wird die vorliegend von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel zum Arbeitspreis nicht gerecht, weil sie ein entsprechendes Marktelement nicht enthält, sondern Anpassungen des Arbeitspreises ausschließlich anhand eines die Kostenentwicklung der Beklagten abbildenden Parameters vollzieht.

30

Zwar hat der Senat entschieden, dass es bei einer Preisänderungsklausel zum Grund- oder Bereitstellungspreis ausreichend sein kann, wenn diese ausschließlich die Kostenentwicklung betreffende Anpassungsparameter enthält, weil mit diesem Bestandteil des Wärmepreises regelmäßig Investitions- und Vorhaltekosten abgegolten werden, die sich unabhängig von den Verhältnissen am Wärmemarkt entwickeln (siehe hierzu Senatsurteile vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 339/10, NJW 2011, 3222 Rn. 32; vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 30; vgl. auch nachfolgend unter II 3 b aa). Demgegenüber muss eine Anpassungsklausel zum Arbeitspreis, mit dem – wie vorliegend – die konkret abgenommene Wärmemenge vergütet wird, zwingend ein solches Marktelement aufweisen. Denn mit dieser fernwärmerechtlichen Besonderheit wollte der Verordnungsgeber angesichts der häufig monopolartigen Stellung von Versorgungsunternehmen gegenüber einer rein kostenorientierten Preisanpassung (wie etwa nach § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV) gewährleisten, dass Versorger durch Anpassungen des Wärmepreises nicht beliebig ihre Kosten weiterreichen können, sondern sich aufgrund der Einbeziehung der Verhältnisse am Wärmemarkt – womit der allgemeine, das heißt der sich auch auf andere Energieträger erstreckende Wärmemarkt gemeint ist (Senatsurteile vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 339/10, aaO Rn. 21; vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 58; vgl. auch BT-Drucks. 16/4391, S. 27) – dem Vergleich mit anderen Energieanbietern stellen müssen und so einen Anreiz haben, die Wärmeversorgung effizient zu gestalten (vgl. BR-Drucks. 90/80, S. 32, 56; Hempel/Franke/Fricke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand: Mai 2014, § 24 AVBFernwärmeV Rn. 53, 106).

31

(3) Ohne Belang ist dabei, ob und inwieweit die Beklagte – wie von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht – ihrerseits beim Bezug der Fernwärme von ihrem Vorlieferanten einer Preisänderungsklausel unterworfen war, die einen Anpassungsparameter aufweist, der allein oder zusammen mit anderen Indizes für eine Abbildung der Verhältnisse am Wärmemarkt in Betracht käme. Ein von der Revisionserwiderung damit in den Blick genommenes „automatisches Durchreichen“ des in der Preisänderungsklausel eines Vorlieferanten (möglicherweise) enthaltenen Marktelements würde nämlich voraussetzen, dass diese indirekte Übernahme uneingeschränkt dieselbe Funktion erfüllte wie ein unmittelbar in der Preisänderungsklausel des Versorgers gegenüber seinen Endkunden berücksichtigtes Marktelement. Die Bestimmung in § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV legt dem Versorgungsunternehmen im Verhältnis zum Endkunden die Verpflichtung auf, in eigener Verantwortung sicherzustellen, dass sich die Fernwärmepreisgestaltung nicht allein an der Kostenentwicklung des Versorgers orientiert, sondern sich zugleich unter angemessener Berücksichtigung der Preisverhältnisse am Wärmemarkt vollzieht. Hierbei steht dem Versorger zwar grundsätzlich auch ein eigener Gestaltungsspielraum zu. Er muss allerdings gewährleisten, dass die gegenüber seinen Kunden verwendete Preisänderungsklausel (jedenfalls im Ergebnis)dauerhaft – und unabhängig von einer etwaigen Änderung der Zusammensetzung seines eigenen Bezugspreises beziehungsweise der diesem zugrundeliegenden vertraglichen und preislichen Bestimmungen – ein angemessenes Marktelement (zum Arbeitspreis) enthält. Diesen Anforderungen wird die Anpassungsklausel der Beklagten zum Arbeitspreis nicht gerecht.

32

b) Demgegenüber entspricht die in § 8 Abs. 5 des Wärmelieferungsvertrags enthaltene Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis, auf welche die Beklagte in den hier streitgegenständlichen Jahresabrechnungen 2015 bis 2018 Erhöhungen des den Klägern in Rechnung gestellten Wärmepreises gestützt hat, den Anforderungen in § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV.

33

aa) Dies gilt, wovon auch das Berufungsgericht – wenngleich ohne nähere Begründung in der Sache – ausgegangen ist, zunächst unmittelbar für die Klausel zum Bereitstellungspreis als solche. Insoweit bewegt sich die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung der Änderungsklausel zum Bereitstellungspreis – wie der Senat zuletzt für eben diese Klausel der Beklagten bereits entschieden hat (Urteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 26 ff.) – noch innerhalb des ihr vom Verordnungsgeber eingeräumten Spielraums (vgl. BR-Drucks. 90/80, S. 56), obwohl es sich sowohl beim Erzeugerpreisindex gewerblicher Produkte als auch beim Index für Tarifverdienste der im Wirtschaftszweig der Energieversorgung tätigen Arbeitnehmer (jeweils herausgegeben vom Statistischen Bundesamt) um Änderungsparameter handelt, die weder die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt noch die konkreten Kosten der Beklagten abbilden (vgl. auch Senatsurteil vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 339/10, NJW 2011, 3222 Rn. 31). Denn mit dem Grund- oder Bereitstellungspreis werden regelmäßig und auch vorliegend (vgl. § 8 Abs. 1 des Wärmelieferungsvertrags) die langfristigen Investitions- und Vorhaltekosten des Energieversorgers abgegolten, die sich grundsätzlich unabhängig von den Verhältnissen am Wärmemarkt entwickeln und aufgrund deren vielschichtiger Zusammensetzung die Verwendung der vorgenannten Indizes trotz der damit verbundenen Pauschalierung eine hinreichende Kostenorientierung gewährleistet. Im Übrigen wird zur näheren Begründung auf das genannte Senatsurteil vom 6. April 2022 (VIII ZR 295/20, aaO Rn. 26 ff.) Bezug genommen.

34

bb) Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass – entgegen der Auffassung der Revision – auch die Unwirksamkeit der Anpassungsklausel zum Arbeitspreis nicht zur Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis führt. Es handelt sich insoweit um inhaltlich voneinander trennbare Vertragsklauseln, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sind.

35

(1) Dies folgt aus der – auch auf Allgemeine Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV anwendbaren – AGB-spezifischen Rechtsfolgenbestimmung in § 306 Abs. 1 BGB (hierzu Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 37 ff.). Soweit die Revision demgegenüber – wie auch das Berufungsgericht – die allgemeine Auslegungsvorschrift des § 139 BGB für einschlägig hält, hat sich der Senat mit ihren diesbezüglichen Argumenten auseinandergesetzt, diese aber nicht für durchgreifend erachtet (siehe hierzu bereits ausführlich Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, aaO Rn. 39 ff., 43).

36

(2) Der Senat hat mit seinem Urteil vom 6. April 2022 für dieselbe Klausel der Beklagten bereits entschieden, dass es sich bei den in § 8 Abs. 5 des Wärmelieferungsvertrags vorgesehenen Preisanpassungsklauseln zum Arbeitspreis einerseits und zum Bereitstellungspreis andererseits nicht, wie die Revision meint, um eine einheitliche Bestimmung zur Anpassung des Wärmepreises, sondern vielmehr um inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Vertragsklauseln handelt, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sind (VIII ZR 295/20, aaO Rn. 44 ff., 47 ff.).

37

(a) Denn beide Klauseln beziehen sich auf unterschiedliche Komponenten des Wärmepreises und sehen anknüpfend daran jeweils unabhängig voneinander wirkende Preisanpassungsparameter und -mechanismen vor. Während die Anpassung des verbrauchsabhängigen Arbeitspreises allein von der jährlichen Entwicklung der Wärmebezugskosten der Beklagten abhängig ist (E/E
2000), passt die Beklagte den Bereitstellungspreis, mit dem verbrauchsunabhängig ihre Investitions- und Vorhaltekosten abgegolten werden sollen, pauschaliert nach dem Erzeugerpreisindex (0,4 x I/I
2000) und dem Jahreslohnindex für Arbeiter der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgung (0,6 x L/L
2000) an (zum Ganzen ausführlich Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, aaO Rn. 47 ff.).

38

(b) Diese Selbständigkeit der Anpassungsklauseln wird auch nicht durch den von der Revision hervorgehobenen Umstand in Frage gestellt, dass beide in § 8 Abs. 5 des Wärmelieferungsvertrags unter der gemeinsamen Überschrift „Preisänderungsklausel“ aufgeführt sind und die Beklagte ihren Kunden letztlich den aus beiden Preiskomponenten gebildeten Gesamtpreis als „Wärmepreis“ in Rechnung stellt. Weder ein solch äußerer sprachlicher Zusammenhang noch die rein rechnerische Addition einzelner Preisbestandteile zu einem einheitlichen Betrag vermögen einen inhaltlichen Wirkungszusammenhang der einzelnen Preisänderungsklauseln zu begründen, zumal die Beklagte in ihren jährlichen Wärmekostenabrechnungen den Arbeits- und Bereitstellungspreis nebst den dazugehörigen Preisanpassungen stets gesondert aufgeschlüsselt hat (hierzu bereits Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, aaO Rn. 51).

39

(c) Entgegen der Auffassung der Revision steht der Trennbarkeit der Änderungsklauseln insbesondere auch das vom Verordnungsgeber mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV verfolgte Regelungsziel nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt, ist die Vorschrift darauf angelegt, eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung unter Verhinderung unangemessener Preisgestaltungsspielräume der Versorgungsunternehmen zu sichern und über das so zu wahrende Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung während der gesamten Dauer des Versorgungsvertrags die Interessen von Versorgungsunternehmen und Wärmekunden angemessen auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 25. Juni 2014 – VIII ZR 344/13, BGHZ 201, 363 Rn. 35; vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 46, 56, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Vor diesem Hintergrund ist es vielmehr gerade geboten, dass die Unwirksamkeit einer nur eine Preiskomponente betreffenden Preisänderungsklausel in einem Fernwärmelieferungsvertrag nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht automatisch die Unwirksamkeit auch der übrigen – ihrerseits den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechenden – Anpassungsklauseln nach sich zieht, um sicherzustellen, dass eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung wenigstens in deren Regelungsbereich gewährleistet und somit ein Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung zumindest „so weit wie möglich“ erreicht wird. Demgegenüber würde die von der Revision befürwortete umfassende Nichtigkeit sämtlicher Preisanpassungsklauseln das bereits durch die Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel entstandene Ungleichgewicht noch weiter verstärken, was letztlich den Interessen beider Vertragsparteien zuwiderliefe (siehe zum Ganzen bereits Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, aaO Rn. 52 ff.).

40

(d) Schließlich geht auch die Überlegung der Revision fehl, der Fortbestand eines angemessenen Verhältnisses zwischen Arbeits- und Bereitstellungspreis stehe einer getrennten Beurteilung der Wirksamkeit beider Preisanpassungsklauseln entgegen. Denn dies übersieht, dass sich die Gewichtung der einzelnen Preiskomponenten auch bei Wirksamkeit beider Klauseln jederzeit ändern kann (vgl. auch dazu Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, aaO Rn. 56).

41

4. Hinsichtlich der hiernach allein unwirksamen Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der gefestigten Senatsrechtsprechung angenommen, dass auch bei Fernwärmelieferungsverträgen der Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nur geltend machen kann, wenn er diese innerhalb von drei Jahren beanstandet hat. Dieser sogenannten Dreijahreslösung steht entgegen der Auffassung der Revision und Teilen des Schrifttums auch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie nicht entgegen. Dementsprechend ist auch eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV an den Gerichtshof nicht veranlasst.

42

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist auch bei Fernwärmelieferungsverträgen, bei denen der Kunde längere Zeit Preiserhöhungen unbeanstandet hingenommen hat und nun auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB entstandene planwidrige Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) dahingehend zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (siehe hierzu etwa Senatsurteile vom 24. September 2014 – VIII ZR 350/13, NJW 2014, 3639 Rn. 16; vom 18. Dezember 2019 – VIII ZR 209/18, NJW 2020, 1205 Rn. 40 ff.; vom 10. März 2021 – VIII ZR 200/18, NJW-RR 2021, 626 Rn. 28 f.; vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Diese sogenannte Dreijahreslösung hat zur Folge, dass statt des wegen der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau des bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-)Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, als vereinbart gilt und mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (vgl. Senatsurteile vom 15. April 2015 – VIII ZR 59/14, BGHZ 205, 43 Rn. 27, 37; vom 28. Oktober 2015 – VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 87, und VIII ZR 13/12, juris Rn. 89; vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 21 [jeweils zu Gaslieferungsverträgen]).

43

Ohne diese auf der Grundlage einer objektiv-generalisierenden Abwägung der Interessen der Parteien vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung bestünde aufgrund des Wegfalls des die Vertragsstruktur prägenden und für den Vertragsbestand essentiellen Preisanpassungsrechts ein auch nach objektiven Maßstäben regelmäßig schlechterdings untragbares Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trüge, sondern das Preisgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschöbe (vgl. Senatsurteil vom 24. September 2014 – VIII ZR 350/13, aaO Rn. 18; siehe zudem [jeweils zu Gaslieferungsverträgen] Senatsurteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 35 ff., und VIII ZR 52/12, juris Rn. 33 ff.; vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 33 ff.; vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15, WM 2017, 974 Rn. 25). Dabei hat es gerade der Verordnungsgeber der AVBFernwärmeV angesichts der den Besonderheiten der Fernwärmeversorgung geschuldeten Langfristigkeit der Versorgungsverträge für erforderlich erachtet, dass sich im Lauf der Versorgungsverhältnisse notwendige Preisanpassungen im Rahmen entsprechender Änderungsklauseln und dadurch ohne Kündigung der Vertragsverhältnisse vollziehen können (BR-Drucks. 90/80, S. 56), um unter Einhaltung der Vorgaben des § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung zu sichern und während der gesamten Dauer des Versorgungsvertrags die Interessen von Versorgungsunternehmen und Wärmekunden angemessen auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 25. Juni 2014 – VIII ZR 344/13, BGHZ 201, 363 Rn. 35; vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 46, 56, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

44

Schließlich vermag auch (allein) die sich aus § 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV ergebende Berechtigung des Fernwärmeversorgers zur einseitigen Änderung unwirksamer Preisänderungsklauseln (siehe hierzu grundlegend Senatsurteil vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, aaO Rn. 46 ff., sowie Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 64 ff.) die durch die Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel bei einem langjährigen Fernwärmeversorgungsverhältnis entstandene Regelungslücke nicht hinreichend auszufüllen, da eine solche Änderung der Anpassungsklausel keine Rückwirkung entfaltet, sondern lediglich für die Zukunft wirksame Preisanpassungen gewährleistet (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, aaO Rn. 68).

45

b) Diese seit vielen Jahren gefestigte Senatsrechtsprechung ist auch vor dem Hintergrund der von der Revision angeführten jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs weiterhin mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95, S. 29; im Folgenden: Klausel-Richtlinie) vereinbar. Dementsprechend ist auch eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV an den Gerichtshof nicht veranlasst.

46

aa) Denn der Gerichtshof geht unverändert davon aus, dass Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie ein nationales Gericht nicht daran hindert, eine missbräuchliche Klausel wegfallen zu lassen und sie in Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts – wie dies in § 306 Abs. 2 BGB vorgesehen ist – zu ersetzen, wenn die Ungültigkeitserklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht andernfalls zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass dieser hierdurch geschädigt würde (vgl. etwa EuGH, C-26/13, NJW 2014, 2335 Rn. 80 – Kásler und Káslerné Rábai;C-260/18, WM 2019, 1963 Rn. 48 – Dziubak; C-269/19, NJW 2021, 611 Rn. 32 – Banca B.; C-125/18, RIW 2021, 141 Rn. 61 – Gómez del Moral Guasch; jeweils mwN).

47

(1) Wie der Senat bereits mehrfach erläutert hat, zählt zum dispositiven innerstaatlichen Recht im Sinne dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs auch die Möglichkeit der Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung, falls – wie hier im Fall eines unwirksamen Preisanpassungsrechts – dispositives Gesetzesrecht im Sinne materiell-rechtlicher Regelungen nicht zur Verfügung steht (vgl. hierzu bereits Senatsurteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 34, und VIII ZR 52/12, juris Rn. 32; vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 29). Entgegen der unter Hinweis auf die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts Pitruzzella in der Rechtssache C-260/18 (veröffentlicht bei juris, Rn. 71 ff. – Dziubak) vertretenen Auffassung der Revision beschränkt sich das dispositive nationale Recht dabei nicht auf gesetzliche Vorschriften, die ihrerseits bereits eine vertragstypspezifische gesetzgeberische Wertung enthalten und sich nicht allein als das Ergebnis richterrechtlicher Gestaltung darstellen. Denn der Entscheidung des Gerichtshofs in der genannten Rechtssache ist eine derartige (weitgehende) Einschränkung nicht zu entnehmen. Auf die Schlussanträge des Generalanwalts hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang nur insoweit Bezug genommen, als er die Ersetzung unwirksamer Klauseln durch „allgemeine“ nationale Vorschriften, die „nicht Gegenstand einer besonderen Prüfung durch den Gesetzgeber“ (im Hinblick auf das vom Gesetzgeber intendierte Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge) gewesen seien und deshalb nicht unter die Vermutung fielen, dass sie selbst nicht missbräuchlich seien, als unzulässig erachtet hat (vgl. EuGH, C-260/18, aaO Rn. 60 f. – Dziubak; dazu nachfolgend unter II 4 b bb). Dass sich der Gerichtshof darüber hinaus die von der Revision hervorgehobenen Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts zu eigen machen wollte, ist hingegen nicht erkennbar.

48

Überdies ergäbe sich selbst dann, wenn man der gegenteiligen Sichtweise der Revision folgte, kein anderes Ergebnis. Denn in diesem Fall fehlte es zwar an einer dispositiven Vorschrift in dem von der Revision angenommenen Sinne, es würden dann jedoch die vom Gerichtshof in seinem – ebenfalls von der Revision in Bezug genommenen – Urteil vom 25. November 2020 (C-269/19) aufgestellten Grundsätze greifen, nach denen das gemäß der Klausel-Richtlinie zu gewährleistende hohe Verbraucherschutzniveau verlangt, dass das nationale Gericht zur Wiederherstellung des tatsächlichen Gleichgewichts zwischen den gegenseitigen Rechten und Pflichten der Vertragspartner unter Berücksichtigung seines gesamten innerstaatlichen Rechts „alle erforderlichen Maßnahmen ergreift“ beziehungsweise „alle Konsequenzen [zieht]“, um den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung der missbräuchlichen Klausel (und des diese enthaltenen Vertrags; vgl. hierzu nachfolgend unter II 4 b aa (2) und (3)) nach sich ziehen könnte (siehe EuGH, C-269/19, NJW 2021, 611 Rn. 41, 43 – Banca B.). Diesbezüglich hat es der Gerichtshof sogar als mit Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie vereinbar angesehen, dass ein nationales Gericht die Parteien zu Verhandlungen auffordert, um die Modalitäten zur Schließung einer infolge einer unwirksamen Zinsanpassungsklausel entstandenen Vertragslücke festzulegen, solange das Gericht den Rahmen für diese Verhandlungen vorgibt und diese darauf abzielen, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien herzustellen (vgl. EuGH, C-269/19, aaO Rn. 42 – Banca B.). Um nichts anderes aber handelt es sich der Sache nach bei der ergänzenden Vertragsauslegung nach deutschem Recht, sofern man hierin nicht bereits (zutreffend) eine dispositive Vorschrift im Sinne der Rechtsprechung des Gerichthofs sehen wollte.

49

(2) Betreffend die Notwendigkeit einer Lückenschließung im Fall unwirksamer Preisanpassungsbestimmungen in Energiebezugsverträgen hat der Senat – was die Revision im Rahmen ihrer Ausführungen teilweise nicht hinreichend bedenkt – bereits wiederholt dargelegt, dass sich ein Energieversorger ohne die vom Senat insoweit durchgeführte ergänzende Vertragsauslegung darauf berufen könnte, dass die Versorgung des Kunden zu dem Ausgangspreis für ihn eine unzumutbare Härte darstelle, wenn der bei dem lange Zeit zurückliegenden Vertragsabschluss vereinbarte Preis seit vielen Jahren nicht mehr kostendeckend ist. Dies hätte gemäß der – auch auf Allgemeine Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV anwendbaren (vgl. hierzu Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 39 ff.) – Bestimmung in § 306 Abs. 3 BGB die Unwirksamkeit des gesamten Liefervertrags zur Folge, so dass das Vertragsverhältnis für die Vergangenheit nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln wäre, wodurch der Verbraucher im Regelfall deutlich schlechter gestellt würde als bei Zugrundelegung der sogenannten Dreijahreslösung (vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 80/12, aaO Rn. 37, und VIII ZR 52/12, aaO Rn. 35; vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, aaO Rn. 35 ff.; vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15, WM 2017, 974 Rn. 24 f.). Demgegenüber wird durch die vom Senat vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung in Einklang mit der – vom Gerichtshof stets ausdrücklich hervorgehobenen (siehe etwa EuGH, C-260/18, aaO Rn. 39 – Dziubak; C-125/18, aaO Rn. 62 – Gómez del Moral Guasch; C-19/20, WM 2021, 1035 Rn. 83 – Bank BPH) – Zielsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so deren Gleichheit [im Sinne des ursprünglichen vertraglich intendierten Gleichgewichts] wiederhergestellt (vgl. zum Ganzen ausführlich Senatsurteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 80/12, aaO Rn. 33 ff., und VIII ZR 52/12, aaO Rn. 31 ff.; vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, aaO Rn. 23, 27, 38; siehe auch BGH, Urteil vom 15. Februar 2019 – V ZR 77/18, WM 2019, 2210 Rn. 18 [Wiederkaufsrecht]).

50

(3) Ohne Erfolg wendet die Revision (unter Bezugnahme auf Fervers/Gsell, NJW 2019, 2569) hiergegen ein, dass bereits die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen von einer drohenden Gesamtnichtigkeit des Vertrags (nach § 306 Abs. 3 BGB) auszugehen sei, wenn durch den Wegfall der Preisanpassungsklausel eine Störung der Vertragsparität lediglich zu Lasten des Unternehmers entstünde, einer Beantwortung durch den Gerichtshof bedürfe (ähnlich MünchKommBGB/Fornasier, 9. Aufl., § 306 Rn. 11; BeckOK-BGB/H. Schmidt, Stand: 1. Februar 2022, § 306 Rn. 23; BeckOGK-BGB/Bonin, Stand: 1. März 2022, § 306 Rn. 103; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 306 BGB Rn. 4e; Graf von Westphalen, EuZW 2019, 121, 127).

51

Insoweit übersieht die Revision bereits im Ausgangspunkt, dass nach Auffassung des Gerichtshofs die Regelung in Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie nicht selbst die Kriterien dafür bestimmt, wann ein Vertrag ohne missbräuchliche Klauseln fortbestehen kann, sondern vielmehr grundsätzlich anhand der im nationalen Recht vorgesehenen Kriterien zu prüfen ist, ob im jeweiligen Fall ein Vertrag aufrechterhalten werden kann, wenn eine oder mehrere seiner Klauseln für unwirksam erklärt wurden (vgl. EuGH, C-118/17, NJW 2019, 1663 Rn. 51 – Dunai; C-70/17 und C-179/17, NJW 2019, 3133, Rn. 60 – Abanca Corporación Bancaria und Bankia; C-260/18, WM 2019, 1963 Rn. 40 – Dziubak; C-932/19, WM 2021, 2136 Rn. 49 – OTP Jelzálogbank u.a.). Als „unionsrechtlich vorgegebene Grenze“ weist der Gerichtshof in diesem Zusammenhang bei Anwendung des nationalen Rechts allein darauf hin, dass sowohl der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie als auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeiten für einen objektiven Ansatz bei der Auslegung dieser Bestimmung sprechen, so dass die Lage einer der Vertragsparteien nicht als das maßgebende Kriterium angesehen werden kann, das über das weitere Schicksal des Vertrags entscheidet (vgl. EuGH, C-260/18, aaO Rn. 41 – Dziubak; C-453/10, NJW 2012, 1781 Rn. 32 – Pereničová und Perenič; C-19/20, WM 2021, 1035 Rn. 56 f. – Bank BPH; C-932/19, aaO – OTP Jelzálogbank u.a.).

52

Dem entspricht es aber gerade, dass der Senat hinsichtlich der vorbezeichneten Frage der Unwirksamkeit des Energielieferungsvertrags ausdrücklich einen objektiv-generalisierenden Maßstab zugrunde legt und maßgeblich darauf abstellt, dass der Wegfall des – für den Vertragsbestand essentiellen und die Vertragsstruktur prägenden – Preisanpassungsrechts ein auch nach objektiven Maßstäben schlechterdings untragbares Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung zur Folge hat (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 33 bis 35, 38). Denn hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass der Vertrag ohne die vom Senat befürwortete ergänzende Vertragsauslegung nicht nur für den Versorger eine unzumutbare Härte im Sinne von § 306 Abs. 3 BGB darstellt, sondern mangels formaler wie materieller Ausgewogenheit auch im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 der Klausel-Richtlinie nicht bestehen kann (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15, WM 2017, 974 Rn. 25). Demgegenüber blendet die Revision mit ihrer Sichtweise, es komme „nach Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie ausschließlich auf die Wahrung der Belange des Verbrauchers und auf die Realisierung einer zielgerichteten Abschreckungswirkung gegenüber dem Verwender und zu dessen Nachteil an“ (unter Bezugnahme auf Graf von Westphalen, aaO S. 127), die auf Schaffung materieller Ausgewogenheit und damit auf Wiederherstellung des im Sinne des ursprünglichen vertraglich intendierten Gleichgewichts gerichtete Zielsetzung der Klausel-Richtlinie gerade aus (vgl. bereits Senatsurteil vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, aaO Rn. 27).

53

bb) Entgegen einer von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und auch in Teilen des Schrifttums (BeckOK-BGB/H. Schmidt, Stand: 1. Februar 2022, § 306 Rn. 10; BeckOGK-BGB/Bonin, Stand: 1. März 2022, § 306 Rn. 101; Graf von Westphalen, ZIP 2021, 1885, 1890 f.; Gsell/Graf von Westphalen, ZIP 2021, 1729, 1738; Husemann, JR 2022, 1; anders insbesondere Herresthal, NJW 2021, 589) vertretenen Ansicht handelt es sich bei der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung auch nicht – wie die Revisionserwiderung zutreffend erkannt hat – um eine nach jüngerer Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht mit Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie zu vereinbarende (siehe EuGH, C-260/18, juris Rn. 62 – Dziubak; C-269/19, WM 2020, 2366 Rn. 35 – Banca B.) Schließung von Vertragslücken „allein auf der Grundlage von allgemeinen nationalen Vorschriften, die die in einem Rechtsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Wirkungen auch nach den Grundsätzen der Billigkeit oder der Verkehrssitte bestimmen und bei denen es sich weder um dispositive Bestimmungen noch um Vorschriften handelt, die im Falle einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar sind“ (vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 – XI ZR 234/20, WM 2021, 2234 Rn. 53, zur Veröffentlichung in BGHZ 231, 215 bestimmt [Zinsanpassungsklausel]).

54

Denn die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermittelnden Regelungen werden gerade nicht allein anhand der (allgemeinen) Verkehrssitte oder anhand von Billigkeitserwägungen bestimmt, sondern knüpfen vielmehr anhand eines objektiv-generalisierenden Maßstabs an die typischen Vorstellungen und das Interesse der typischerweise an einem solchen Vertrag beteiligten Verkehrskreise an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Juli 1989 – VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115 unter III 1; vom 14. April 2005 – VIII ZR 56/04, NJW-RR 2005, 1040 unter II 3; vom 12. Oktober 2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 317; vom 6. Oktober 2021 – XI ZR 234/20, aaO). Dementsprechend berücksichtigt die vom Senat entwickelte Dreijahreslösung konkret für langjährige Energielieferungsverträge deren Massencharakter sowie das damit einhergehende Bedürfnis nach verallgemeinernden Regelungen und nimmt die ergänzende Vertragsauslegung aufgrund einer objektiv-generalisierenden Abwägung der zugleich an einer Vertragsstabilität und -praktikabilität ausgerichteten Interessen der an diesen Verträgen beteiligten Parteien vor (vgl. hierzu etwa Senatsurteile vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 33 ff.; vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15, WM 2017, 974 Rn. 25). Die Schließung der durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel entstandenen Vertragslücke erfolgt damit nicht aufgrund allgemeiner Billigkeitsgrundsätze, sondern – im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs – aufgrund einer vertragstypbezogenen Regelung, mithilfe derer die formale Ausgewogenheit der nach dem Vertrag bestehenden Rechte und Pflichten der Parteien durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so ihre Gleichheit wiederhergestellt wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 – XI ZR 234/20, aaO [Zinsanpassungsklausel]; Herresthal, aaO S. 590 f.).

55

cc) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision, die sogenannte Dreijahreslösung führe in der Sache zu einer unzulässigen zeitlichen Befristung der sich aus der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ergebenden Rechtsfolgen (so wiederum auch Fervers/Gsell, NJW 2019, 2569, 2572 f.; Graf von Westphalen, ZIP 2021, 1885, 1893 f.). In der von ihr insoweit in Bezug genommenen Entscheidung hat der Gerichtshof eine nationale Rechtsprechung als mit Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie unvereinbar erachtet, welche die aus der Missbräuchlichkeit einer Klausel zugunsten der Verbraucher folgenden Restitutionswirkungen zeitlich auf diejenigen Beträge beschränkte, die ab dem Tag der Verkündung der gerichtlichen Entscheidung über die Missbräuchlichkeit dieser Klausel rechtsgrundlos gezahlt wurden (EuGH, C-154/15, C-307/15 und C-308/15, WM 2017, 76 Rn. 46 ff., 75 – Gutiérrez Naranjo/Cajasur Banco). Auch wenn die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung (wie etwa Verjährungsfristen) im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Unionsrecht vereinbar sei, habe allein der Gerichtshof über die zeitliche Beschränkung der Wirkungen einer Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts – hier also des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie – zu entscheiden (EuGH, C-154/15, C-307/15 und C-308/15, aaO Rn. 69 f. mwN – Gutiérrez Naranjo/Cajasur Banco).

56

Die vom Senat vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung bewirkt jedoch keine derartige zeitliche Beschränkung des dem Verbraucher aus Art. 6 Abs. 1 Klausel-Richtlinie zuerkannten Rechts, an missbräuchliche Klauseln nicht gebunden zu sein (so auch Staudinger/Mäsch, BGB, Stand: 12. Oktober 2020, § 306 Rn. 41a). Vielmehr kann dieser sich auf ihm günstige Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel – im Rahmen der allgemeinen (Verjährungs-)Vorschriften – grundsätzlich uneingeschränkt auch für vergangene Abrechnungszeiträume berufen. Soweit der Kunde nach der sogenannten Dreijahreslösung die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nicht geltend machen kann, wenn er diese nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigenden Jahresabrechnungen beanstandet hat, wird damit lediglich – wie bereits dargestellt – auf der Grundlage einer objektiv-generalisierenden Abwägung der Parteiinteressen die durch die (zeitlich unbeschränkte) Unwirksamkeit der Preisanpassungsbestimmung entstandene Vertragslücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen, ohne die der Energielieferungsvertrag nicht bestehen könnte, was sich insbesondere für den Verbraucher nachteilig auswirken würde (siehe unter II 4 b aa (1)).

57

dd) Soweit die Revision (vgl. erneut Fervers/Gsell, NJW 2019, 2569, 2573) bezweifelt, dass die mit der sogenannten Dreijahreslösung einhergehende „Rügeobliegenheit“ des Verbrauchers mit der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs zu vereinbaren sei, wonach das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Klausel-Richtlinie fällt, prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt (vgl. etwa EuGH, C-421/14, NZM 2018, 130 Rn. 43 – Banco Primus; C-51/17, NJW 2019, 207 Rn. 87 – OTP Jelzálogbank u.a.; jeweils mwN), beruht dies wiederum auf einem Fehlverständnis der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung.

58

Denn diese bewirkt gerade nicht, dass – in Widerspruch zu der vorgenannten Rechtsprechung des Gerichtshofs – eine unwirksame Preisanpassungsklausel (teilweise) aufrechterhalten wird, wenn der Verbraucher den betreffenden Preiserhöhungen nicht rechtzeitig widerspricht. Vielmehr setzt die Anwendung der ergänzenden Vertragsauslegung in Gestalt der Dreijahreslösung die – als Rechtsfrage durch das Gericht stets von Amts wegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022 unter II 1 [zu § 9 AGBG]; Staudinger/Wendland, BGB, Neubearb. 2019, Vorbem. zu §§ 307 ff. Rn. 25) und insbesondere auch unabhängig von einer etwaigen Rüge des Verbrauchers zu prüfende – unabänderliche Unwirksamkeit der den Verbraucher benachteiligenden Klausel voraus, da nur dann eine dem Regelungsplan der Parteien widersprechende Lücke im Vertragsgefüge besteht, die durch (ergänzende) Auslegung geschlossen werden kann (vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 30, und VIII ZR 52/12, juris Rn. 28). Erst im Rahmen der hierbei nach objektiven Maßstäben vorzunehmenden Abwägung der Parteiinteressen findet es Berücksichtigung, wenn der Verbraucher entsprechenden Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat. Dies dient aber – wie bereits ausgeführt – im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Wahrung der materiellen Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Parteien und gewährleistet, dass der Vertrag auch ohne die missbräuchliche Klausel bestehen kann.

59

ee) Schließlich folgt eine unionsrechtliche Unzulässigkeit der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung entgegen einer vereinzelt im Schrifttum vertretenen Ansicht (Graf von Westphalen, NJW 2021, 2328) auch nicht daraus, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verjährungsfrist für Ansprüche eines Verbrauchers auf Rückerstattung von Beträgen, die aufgrund einer im Sinne der Klausel-Richtlinie missbräuchlichen Klausel gezahlt wurden, nur dann mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sein kann, wenn der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen, bevor diese Frist zu laufen beginnt oder abgelaufen ist (vgl. etwa EuGH, C-698/18 und C-699/18, WM 2020, 1409 Rn. 67 – Raiffeisen Bank; C-224/19 und C-259/19, WM 2020, 1477 Rn. 91 – Caixabank; C-776/19 bis C-782/19, WM 2021, 1882 Rn. 46 – BNP). Die sogenannte Dreijahreslösung schafft weder eine Verjährungsfrist (so unzutreffend aber Graf von Westphalen, aaO S. 2330) noch hat sich der Senat diesbezüglich – wie die Revisionserwiderung meint – „erkennbar an die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB angelehnt“, sondern ist das danach bestehende Widerspruchserfordernis vielmehr an den Vorbildern in den Vorschriften des Energierechts ausgerichtet (vgl. etwa § 18 GasGVV oder §§ 21, 30 AVBFernwärmeV; siehe hierzu bereits Senatsurteile vom 14. März 2012 – VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 32 ff.; vom 24. September 2014 – VIII ZR 350/13, NJW 2014, 3639 Rn. 25 f.; vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15, WM 2017, 974 Rn. 28 f.). Vor allem aber wird auch insoweit übersehen, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht der Beschränkung der dem Verbraucher zustehenden Rechte, sondern der – für den Fortbestand des Versorgungsvertrags erforderlichen – Wahrung der materiellen Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Parteien dient.

60

ff) Davon ausgehend ist der Senat – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht gehalten, den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie vorzulegen. Wie gezeigt, ist die Auslegung dieser Richtlinienbestimmungen, soweit für die Beurteilung des vorliegenden Falls von Bedeutung, durch die dargestellte (umfangreiche) Rechtsprechung des Gerichtshofs im Sinne eines acte éclairé geklärt und vorliegend lediglich auf den Einzelfall anzuwenden (vgl. hierzu etwa EuGH, C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 33, 39 ff. – Consorzio Italian Management; BVerfGE 149, 222 Rn. 143; Senatsurteil vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 80/18, BGHZ 224, 302 Rn. 47; jeweils mwN).

61

c) Unter Anwendung der sogenannten Dreijahreslösung ist das Berufungsgericht jedenfalls für das bis zum 8. August 2017 – aufgrund des (schriftlich abgeschlossenen) Wärmelieferungsvertrags vom 28. August 2002 – zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass den Klägern in Bezug auf die seit 2015 gezahlten Arbeitspreise ein Rückforderungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht zusteht, weil die Arbeitspreise in diesem Abrechnungszeitraum den maßgeblichen Arbeitspreis des Jahres 2014 jeweils unterschritten haben.

62

aa) Für die Bestimmung des endgültig an die Stelle des Anfangspreises tretenden Arbeitspreises ist dabei allein der Widerspruch der Kläger vom 4. Februar 2019 gegen die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen und nicht bereits – wie die Revision meint – das Schreiben der Kläger vom 12. Juli 2012 maßgebend, nach welchem diese die monatlichen Vorauszahlungen ab 1. August 2012 nur noch unter Vorbehalt leisten wollten, da „insbesondere die Kosten der Bereitstellung und die Messkosten dem Grunde, der Höhe und der jährlichen Erhöhung nach nicht nachvollziehbar und gerechtfertigt“ seien.

63

(1) Zwar hat die Revision diesbezüglich noch zu Recht darauf hingewiesen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf die Gründe für einen Widerspruch gegen die Preiserhöhung nicht ankommt und es für einen solchen Widerspruch deshalb ausreichend ist, wenn der Kunde zum Ausdruck bringt, dass er mit der Preiserhöhung nicht einverstanden ist. Insofern muss der Kunde weder Gründe für den Widerspruch mitteilen noch führte deren Nennung dazu, dass sich der Widerspruch auf diese beschränken würde (vgl. etwa Senatsurteile vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15, NJW-RR 2017, 557 Rn. 28; vom 10. März 2021 – VIII ZR 200/18, NJW-RR 2021, 626 Rn. 30 f.; jeweils mwN). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hatten die Kläger mithin auch im Schreiben vom 12. Juli 2012 zunächst sämtlichen von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen – also insbesondere auch betreffend den Arbeitspreis – widersprochen.

64

(2) Auf dieses Schreiben kommt es vorliegend für die Bestimmung des nach der sogenannten Dreijahreslösung maßgeblichen Preises aber bereits deshalb nicht an, weil die Kläger ihren insoweit erklärten Widerspruch nicht aufrechterhalten haben. Denn im Rahmen einer „Nachtragsvereinbarung zum Wärmelieferungsvertrag“ vom 17. September 2012 vereinbarten die Parteien nicht nur, dass der Messpreis fortan 80 € (netto) pro Jahr betragen, sondern außerdem ausdrücklich, dass es „im Übrigen […] bei den Vereinbarungen mit dem Wärmelieferungsvertrag [bleiben]“ solle.

65

Diese Nachtragsvereinbarung hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgelegt, dass die Parteien den damaligen Streit über die Angemessenheit der Preise durch Vereinbarung eines niedrigeren Messpreises insgesamt beigelegt hätten. Dabei ist die tatrichterliche Auslegung von Individualvereinbarungen und -erklärungen (§§ 133, 157 BGB) vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 13. Januar 2021 – VIII ZR 66/19, NJW-RR 2021, 329 Rn. 29; vom 28. April 2021 – VIII ZR 6/19, NZM 2021, 597 Rn. 22; vom 10. November 2021 – VIII ZR 187/20, NJW 2022, 686 Rn. 35, zur Veröffentlichung in BGHZ 232, 1 vorgesehen; jeweils mwN). Gemessen hieran begegnet die Auslegung des Berufungsgerichts entgegen der Auffassung der Revision nicht nur keinen Bedenken, sondern wird vielmehr dadurch gestützt, dass die Parteien die Aufrechterhaltung der übrigen Klauseln des Wärmelieferungsvertrags – also insbesondere auch der Preisänderungsklauseln zum Arbeits- und Bereitstellungspreis – ausdrücklich vereinbart haben.

66

bb) Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass ausgehend von dem Schreiben der Kläger vom 4. Februar 2019 der für das Jahr 2014 von der Beklagten verlangte Arbeitspreis in Höhe von 0,0768 €/kWh den nach der sogenannten Dreijahreslösung maßgeblichen Preis bildet, da die Kläger der nachfolgenden Jahresabrechnung für 2015 vom 5. Juli 2016 sowie allen weiteren Abrechnungen rechtzeitig binnen drei Jahren widersprochen haben. Allerdings hat die Beklagte den Arbeitspreis hiernach bis einschließlich 2017 jedes Jahr gesenkt (für 2015 auf 0,0766 €/kWh, für 2016 auf 0,0764 €/kWh und für 2017 auf 0,0761 €/kWh). Diesbezüglich ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen, dass redliche, auf eine Ausgewogenheit der Vertragsbeziehungen bedachte Parteien, wenn sie diesen Umstand bei Vertragsschluss bedacht hätten, allein schon aus Gründen der Fairness übereingekommen wären, dass ein Kunde für die Zeiträume der Preisunterschreitungen nur die geringeren Entgelte hätte entrichten müssen (Senatsurteile vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 40; vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15, NJW-RR 2017, 557 Rn. 27 mwN). Wie vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt, kommen dementsprechend Rückzahlungsansprüche der Kläger für diesen Zeitraum (vom 1. Januar 2015 bis zum 8. August 2017) nicht in Betracht.

67

d) Etwas anderes gilt indes, soweit das ursprünglich zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis zum 8. August 2017 beendet wurde und aufgrund der fortgesetzten Entnahme von Fernwärme durch die Kläger konkludent ein neuer Versorgungsvertrag nach § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV zustande kam (siehe hierzu bereits unter II 1). Denn insoweit kommt der von der Beklagten im Jahr 2014 von ihren Kunden verlangte Arbeitspreis – was das Berufungsgericht übersehen hat – als aufgrund des Widerspruchs der Kläger gegen die Preiserhöhungen maßgeblicher Preis von vornherein nicht in Betracht, sondern vielmehr allein der bei Vertragsbeginn im August 2017 (konkludent) vereinbarte Anfangspreis.

68

aa) Im Fall eines Vertragsschlusses durch Entnahme bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV, dass die Versorgung nach den für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preisen erfolgt, wobei vorrangig darauf abzustellen ist, ob der Versorger diesem Vertragsverhältnis vergleichbare Versorgungsverhältnisse mit anderen Kunden in nennenswertem Umfang unterhält oder unterhalten hat (vgl. Senatsurteile vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 292/11, BGHZ 195, 144 Rn. 13; vom 15. Februar 2006 – VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 Rn. 29). Vorliegend hatte die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls mit dem wesentlichen Teil der anderen Kunden im Versorgungsgebiet Verträge mit Inhalten geschlossen, die dem ursprünglichen Vertrag der Kläger entsprechen (siehe dementsprechend auch Senatsurteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20, juris Rn. 2). Da die Beklagte hiernach ihre Wärmepreise immer erst rückwirkend für das betreffende Abrechnungsjahr anpasste, erfolgte die Versorgung ihrer Kunden im August 2017 mithin zunächst auf Grundlage des Arbeitspreises für 2016 – den sie ausweislich der am 24. Mai 2017 erstellten Jahresabrechnung 2016 auch bereits ermittelt hatte – in Höhe von 0,0764 €/kWh. Ob dieser Ausgangspreis seinerseits (auch) auf vorherigen unwirksamen Preiserhöhungen beruhte, ist für die Bestimmung des nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV geltenden Preises ohne Belang (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 292/11, aaO Rn. 15 ff.). Da die Kläger den aufgrund der unwirksamen Anpassungsklausel zum Arbeitspreis erfolgten Erhöhungen dieses Anfangspreises im Rahmen der Jahresabrechnungen für 2017 und für 2018 nachfolgend allerdings jeweils rechtzeitig widersprochen haben, bleibt dieser Arbeitspreis (2016) der nach der sogenannten Dreijahreslösung maßgebliche Preis.

69

bb) Für das Abrechnungsjahr 2017 ergibt sich zwar auch insofern kein Rückzahlungsanspruch der Kläger, da die Beklagte den Arbeitspreis gegenüber dem Vorjahr senkte (von 0,0764 €/kWh auf 0,0761 €/kWh; jeweils netto). Für das Abrechnungsjahr 2018 erhöhte sich der Arbeitspreis ausweislich der von den Tatgerichten in Bezug genommenen Jahresabrechnung jedoch auf 0,0766 €/kWh, so dass die Beklagte den Klägern einen gegenüber dem maßgebenden Preis (0,0764 €/kWh) überhöhten Preis für gelieferte Wärme in Rechnung stellte. Dies führte angesichts der von ihnen im Jahr 2018 abgenommenen Wärme (1.639 kWh) zu einer geringfügigen Überzahlung von (149,40 € – 149,01 € =) 0,39 € (brutto), deren Rückzahlung die Kläger aufgrund ihres (fortwirkenden beziehungsweise neu erhobenen) Widerspruchs gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (nebst Prozesszinsen gemäß §§ 288, 291 BGB) von der Beklagten verlangen können. Insoweit war das Berufungsurteil aufzuheben und die amtsgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.

70

5. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der in § 8 Abs. 5 des Wärmelieferungsvertrags vorgesehenen Preisänderungsklauseln rügt die Revision mit Erfolg, dass die Beklagte gegenüber den Klägern ausweislich der Jahresabrechnung 2018 Bereitstellungskosten bis zum 10. Juli 2018 angesetzt hat, obwohl die Übergabestation für die Fernwärme nach den tatgerichtlichen Feststellungen bereits am 27. Juni 2018 getrennt wurde. Daraus ergibt sich eine Überzahlung von 34,59 € (brutto), deren Rückerstattung die Kläger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen können. Auch in diesem Umfang war das Berufungsurteil aufzuheben und die Entscheidung des Amtsgerichts wiederherzustellen.

III.

71

Nach alledem kann das Berufungsurteil lediglich in dem im Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten stehen und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

72

Die Revision der Kläger ist überwiegend zurückzuweisen. Das Berufungsurteil ist nur in geringem Umfang aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil insoweit zurückzuweisen.

73

Eine Abänderung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts war aufgrund der Wertung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht veranlasst. Auch bezüglich der Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren macht der Senat von der Möglichkeit des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Gebrauch.

  • Dr. Fetzer
  • Dr. Bünger
  • Dr. Fetzer
  • RiBGH Kosziol ist wegen
    Urlaubs an der Unterschrifts-
    leistung gehindert.
  • Dr. Matussek
  • Dr. Reichelt