BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 31.03.2022, AZ 1 WB 16/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:310322B1WB16.21.0
Leitsatz
Der Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes der Reserve steht nicht im Ermessen des Dienstherren.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Tatbestand
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Der Antragsteller begehrt den Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes.
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Der … geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit; seine zuletzt auf 13 Jahre festgesetzte Dienstzeit endet mit Ablauf des … Juni 2031. Er wurde am … Juli 2021 zum Leutnant befördert und ist seit 1. April 2021 bei der … in … eingesetzt.
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Der Antragsteller war am … Juli 2018 als Offiziersanwärter in der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Ausbildungsgang ohne Studium eingestellt worden. Er gehörte zunächst der … an und wurde auf seinen Antrag mit Bescheid vom 6. Juni 2019 der …truppe zugeordnet.
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Mit Schreiben vom 16. Juni 2019 beantragte er den Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Laufbahn der Reserveoffiziere. Zur Begründung verwies er darauf, dass seine mehrfachen Anträge auf Studium endgültig abgelehnt worden seien. Am Wohnsitz seiner Familie in …/Österreich habe er erfolgversprechende Aussichten auf einen gewünschten Studienplatz.
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Mit Bescheid vom 20. Dezember 2019 – ausgehändigt am 21. Januar 2020 – lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag ab. Der Antragsteller sei aufgrund seiner Bewerbung bedarfsgerecht als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Ausbildungsgang ohne Studium eingestellt und der …truppe zugeordnet worden. Der Ergänzungsbedarf des Heeres in dem für den Antragsteller maßgeblichen 88. Offizieranwärterjahrgang betrage insgesamt 1 151 Offizieranwärter, davon in der …truppe 12 Offizieranwärter. Da dieser Ergänzungsbedarf unterschritten werde, bestehe kein dienstliches Interesse daran, den Antragsteller im Rahmen einer Einzelfallentscheidung in die Laufbahn der Reserveoffiziere wechseln zu lassen.
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Auf die Beschwerde vom 26. Januar 2020 erließ das Bundesamt für das Personalmanagement unter dem 10. März 2020 eine korrigierte Fassung des Bescheids, die den Antrag aus unveränderten Gründen ablehnte. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 1. April 2020 erneut Beschwerde.
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Nach Anhörung der zuständigen Vertrauensperson wies das Bundesministerium der Verteidigung mit Bescheid vom 25. Mai 2020 die Beschwerden vom 26. Januar 2020 und 1. April 2020 zurück. Für den beantragten horizontalen Laufbahnwechsel bedürfe es keiner normativen Grundlage. Er stehe im Ermessen des Dienstherrn. Dieser habe das Ermessen am Bedarf orientiert und rechtmäßig ausgeübt. Der Bedarf im Bereich der …truppe von 12 Offizieranwärtern sei sowohl im Zeitpunkt der Bescheidung als auch aktuell unterschritten, weil voraussichtlich nur 9 Offizieranwärter in die …truppe nachrücken würden. Ein Laufbahnwechsel des Antragstellers würde das Fehl an aktiven Soldaten in der …truppe vergrößern. Für die Berechnung sei unverändert die Personalbedarfsplanung des 88. Offizieranwärterjahrgangs maßgeblich. Auch handele es sich bei den zweimaligen Korrekturen des Ablehnungsbescheids um Berichtigungen offensichtlicher Unrichtigkeiten, ohne dass sich an der Begründung mit dem Bedarf in der …truppe etwas geändert hätte.
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Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 9. Juni 2020 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Es sei ermessensfehlerhaft, ausschließlich auf den 88. Offizieranwärterjahrgang abzustellen. Er sei erst im Jahre 2019 der …truppe zugeordnet worden, weshalb nicht die Bedarfsplanung des 88., sondern die des 89. Offizieranwärterjahrgangs maßgeblich sei. Außerdem werde die Betrachtung innerhalb nur eines Offizieranwärterjahrgangs der Sache nicht gerecht, weil er die Ausbildungsabschnitte oft gemeinsam mit Anwärtern des 84. bis 89., zum Teil auch des 90. Jahrgangs absolviere.
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Der Antragsteller beantragt,
seinem Antrag auf Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes der …truppe in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes stattzugeben und die entgegenstehende Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 25. Mai 2020 aufzuheben.
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Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Die Zuordnung zu einem Offizieranwärterjahrgang bleibe vom Wechsel der Truppengattung grundsätzlich unberührt. Der Antragsteller sei zum Juli 2018 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Ausbildungsgang ohne Studium eingestellt und dem in diesem Jahr begonnenen 88. Offizieranwärterjahrgang zugeordnet worden. Die Jahrgangszuordnung werde nur verändert, wenn sich im Verlauf der Ausbildung herausstelle, dass ein Offizieranwärter den Ausbildungsstand in seinem Ausbildungsgang nicht erreicht habe, was beim Antragsteller nicht der Fall sei. Er stehe deshalb mit seinen Kameraden des 88. Offizieranwärterjahrgangs im Ausbildungsgang ohne Studium in ihren jeweiligen Truppengattungen ab April 2021 zur Bedarfsdeckung zur Verfügung. Demgemäß sei auch nur der für diesen Zeitpunkt absehbare personelle Bedarf innerhalb der Truppengattung maßgeblich. Soweit der Antragsteller zum Teil gemeinsam mit Soldaten anderer Offizieranwärterjahrgänge an Ausbildungsabschnitten teilnehme, sei dies den unterschiedlichen Verläufen der jeweiligen Ausbildungsgänge der Offizieranwärter mit und ohne Studium geschuldet, habe jedoch auf die Bedarfsplanung keine Auswirkung. Aus Bedarfsgründen komme auch eine Dienstzeitverkürzung nicht in Betracht. Der Antragsteller könne deshalb erst mit Ablauf seiner dreizehnjährigen Dienstzeit in die Reservelaufbahn überwechseln.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung seines Antrags auf Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung sind im Ergebnis rechtmäßig.
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1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur ein Antrag auf Laufbahnwechsel im Sinne des § 27 Abs. 1 SG in Verbindung mit der Soldatenlaufbahnverordnung. Der auch im Wehrbeschwerderecht nach § 23a Abs. 2 i.V.m. § 121 VwGO geltende zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff besteht aus der erstrebten Rechtsfolge, die im Klageantrag zum Ausdruck kommt, und dem Klagegrund, d.h. dem Sachverhalt, aus dem sie sich ergeben soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 C 17.15 – BVerwGE 156, 159 Rn. 10 m.w.N.). Hier ergibt sich aus dem Wortlaut des im gerichtlichen Verfahren vom anwaltlich vertretenen Soldaten gestellten Antrags, dass ein Laufbahnwechsel als Rechtsfolge erstrebt wird. Dies folgt auch aus der dazu gegebenen Begründung, die einen Wechsel des Antragstellers in die Reservelaufbahn im Rahmen des Ermessens des Dienstherrn für möglich hält und eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag einfordert. Der Antragsteller hat hingegen weder vorgerichtlich noch gerichtlich eine Entlassung aus dem Dienstverhältnis wegen einer persönlichen Härte (§ 55 Abs. 3 SG) oder eine Verkürzung seiner Dienstzeit auf einen bestimmten Zeitraum (§ 40 Abs. 7 SG) beantragt. Die Wesensgrenze der Auslegung nach § 88 VwGO würde überschritten, wenn das Gericht an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das setzte, was ein Beteiligter zur Verwirklichung seines Bestrebens wollen sollte (BVerwG, Beschluss vom 29. August 1989 – 8 B 9.89 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17).
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2. Für die Begründetheit des gestellten Verpflichtungsantrags ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung entscheidend, weil sich hier aus dem materiellen Recht nicht anderes ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1999 – 2 C 4.98 – juris Rn. 18). Daher kommt es auf die aktuell geltende Soldatenlaufbahnverordnung (SLV) in der Fassung der Verordnung zur Änderung des Dienstrechts der Soldatinnen und Soldaten vom 28. Mai 2021 (BGBl. I S. 1228) an. Danach hat der Antragsteller als Soldat auf Zeit mit einer festgesetzten Dienstzeit von 13 Jahren keinen Anspruch auf den beantragten Laufbahnwechsel.
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a) Die Soldatenlaufbahnverordnung eröffnet den Zugang zur Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes in allgemeiner Form nur den in § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SLV genannten Soldaten (§ 48 Abs. 2 SLV), also nicht den Berufssoldaten und den Soldaten auf Zeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 SLV). Aus der letztgenannten Statusgruppe ist der Aufstieg in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes nur denjenigen Soldaten auf Zeit eröffnet, die für nicht mehr als drei Jahre in ihr Dienstverhältnis berufen worden sind (§ 9 Abs. 4 Nr. 2 SLV).
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Im Übrigen ist ein Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes für Berufssoldaten und für Soldaten auf Zeit, die – wie der Antragsteller – für mehr als drei Jahre in ihr Dienstverhältnis berufen sind, während der Dauer ihres aktiven Dienstverhältnisses nicht vorgesehen. Vielmehr wechseln diese mit der Beendigung ihres Wehrdienstverhältnisses kraft Gesetzes in die ihrer Laufbahn entsprechende Reservelaufbahn (§ 9 Abs. 8 Satz 1 SLV). Der vom Antragsteller angestrebte Wechsel in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes tritt damit grundsätzlich erst mit dem Ablauf der Zeit ein, für die er in das Dienstverhältnis berufen ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SG), also mit dem Ablauf seiner dreizehnjährigen Dienstzeit am 30. Juni 2031.
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b) Ein über die vorstehend dargelegten Rechtsgrundlagen hinausgehender „Laufbahnwechsel nach Ermessen des Dienstherrn“ kommt für den Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes nicht in Betracht. Zwar enthält § 9 Abs. 2 und 3 SLV allgemeine Vorgaben für einen Laufbahnwechsel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jedweder Laufbahnwechsel unter den dort genannten Bedingungen im Ermessen des Dienstherrn stünde und bei einem entsprechenden Bedarf (zu diesem Kriterium Dolpp/Weniger, SLV, 8. Aufl. 2014, § 6 Rn. 612) zulässig wäre. Eine solche Option lässt sich insbesondere nicht dem Beschluss des Senats vom 30. Januar 2014 (1 WB 1.13 – Buchholz 449.2 § 6 SLV 2002 Nr. 6) entnehmen, auf den sich der Beschwerdebescheid stützt. Der in dem Beschluss vom 30. Januar 2014 entschiedene Fall betraf den Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes. Diese Fallkonstellation unterscheidet sich von der hier gegenständlichen grundlegend dadurch, dass es sich um einen Laufbahnwechsel handelt, für den keine spezifischen normativen Regelungen vorhanden waren.
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Im Falle des Wechsels von der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Laufbahn der Offiziere der Reserve des Truppendienstes würde hingegen eine über die genannten normativen Regelungen hinausgehende Ermessenspraxis die Vorschriften der Soldatenlaufbahnverordnung über den Zugang zu dieser Reserveoffizierslaufbahn (§ 9 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 8 SLV) aber auch die soldatengesetzlichen Vorschriften über die Beendigung des Dienstverhältnisses (§ 40 Abs. 7, § 55 Abs. 3 SG) umgehen bzw. unterlaufen. Das ist rechtlich nicht zulässig.
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3. Die Voraussetzungen einer Verkürzung der Dienstzeit (§ 40 Abs. 7 Satz 1 SG) oder einer Entlassung aus persönlichen Gründen (§ 55 Abs. 3 SG) sind nicht zu prüfen. Sie setzen jeweils einen diesbezüglichen statusrechtlichen Antrag voraus, der nicht Gegenstand des vorgerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahrens war. Im Falle der Ablehnung eines solchen Antrags wäre gerichtlicher Rechtsschutz zudem nur vor den Verwaltungsgerichten zu erlangen (§ 82 Abs. 1 SG), weil statusrechtliche Streitigkeiten über die Begründung und Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zu den Gegenständen zählen, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt und damit den Wehrdienstgerichten zugewiesen sind (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WBO).
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Eine Notwendigkeit der Überprüfung dieser Fragen ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung des Gerichts nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Denn dies setzt voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die gesonderte Rechtswegzuständigkeit zu beachten (BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2014 – 9 B 63.13 – Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 8 Rn. 13). Die Frage, ob der Antragsteller Anspruch auf eine vorzeitige Beendigung seines Wehrdienstverhältnisses (durch Verkürzung der Dienstzeit oder vorzeitige Entlassung) hat, ist jedoch ein anderer prozessualer Streitgegenstand als der beantragte Laufbahnwechsel, so dass § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG keine Anwendung findet.