BGH 3. Strafsenat, Urteil vom 13.01.2022, AZ 3 StR 318/21, ECLI:DE:BGH:2022:130122U3STR318.21.0
§ 261 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO
Verfahrensgang
vorgehend LG Düsseldorf, 16. März 2021, Az: 1 Ks 17/20
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16. März 2021 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
2
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte – oder sein Bruder aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in seiner Gegenwart – der Mutter von hinten in deren Wohnung mit einem schweren, stumpfen Gegenstand mindestens drei wuchtig ausgeführte Schläge gegen die rechte Schläfe, infolge derer sie verstarb. Im Anschluss verbrachte der Angeklagte ihren Leichnam in die Badewanne, entkleidete ihn und trennte den linken Arm, beide Beine und den Kopf ab. Sodann verstaute der Angeklagte den Torso sowie die abgetrennten Gliedmaßen und die blutige Kleidung der Getöteten in mehrere Müllsäcke, die er in einen zur Wohnung gehörenden Kellerverschlag verbrachte und dort deponierte. Anschließend reinigte er die Wohnung gründlich und setzte sich nach Serbien ab. Die Strafkammer hat nicht ausschließen können, dass der Angeklagte alle vorgenannten Handlungen in arbeitsteiligem Zusammenwirken mit seinem Bruder vornahm.
II.
3
Der Angeklagte beanstandet ohne Erfolg, dass die Strafkammer den in der Hauptverhandlung im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO eingeführten Tatortbefundbericht des Polizeipräsidiums D. bei ihrer Überzeugungsbildung unberücksichtigt gelassen habe. Der gerügte Rechtsfehler liegt zwar vor. Jedoch beruht das Urteil hierauf nicht.
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1. Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit einer Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht werden, dass eine verlesene Urkunde oder Erklärung oder ein in Augenschein genommenes Lichtbild unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei, wenn der Nachweis ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung geführt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 1 StR 442/20, juris Rn. 21; Urteil vom 13. Juli 2017 – 3 StR 148/17, NStZ 2018, 158; Beschluss vom 10. Juli 2018 – 3 StR 204/18, StraFo 2019, 38). Dies ist hier der Fall, weil mit der Inbegriffsrüge nach § 261 StPO allein beanstandet wird, dass der durch das Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführte Tatortbefundbericht in den Urteilsgründen nicht gewürdigt worden sei. Ob dies zutreffend ist, kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung allein durch Vergleich des Inhalts des Berichts mit den Urteilsgründen geprüft werden.
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2. Der gerügte Verfahrensfehler liegt vor.
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Die Feststellung der Strafkammer, wonach „in der Wohnung zum Zeitpunkt der Tatortaufnahme keine aufgehäuften Textilien oder Schuhe aufgefunden wurden, was nach Entleerung von insgesamt neun … zuvor anderweitig befüllten Müllsäcken nahegelegen hätte“, widerspricht dem Inhalt des Tatortbefundberichts. Danach befanden sich im Schlafzimmer der Getöteten vor dem dortigen Kleiderschrank etliche Kleidungsstücke, die „ca. hüfthoch übereinander gestapelt“ waren. Hiermit setzen sich die Urteilsgründe nicht auseinander.
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3. Auf diesem Verfahrensmangel beruht das Urteil indes nicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist auszuschließen, dass sich die fehlende Würdigung des in die Hauptverhandlung eingeführten Tatortbefundberichts bei der Überzeugungsbildung der Strafkammer zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
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Aus Sicht der Strafkammer haben „ganz maßgeblich für die Täterschaft des Angeklagten“ die von ihm in großer Menge verursachten DNA-Spuren an den Zugbändern der Müllsäcke gesprochen, in denen die Leichenteile verpackt waren. Soweit sich der bestreitende Angeklagte dahin eingelassen habe, er könne sich die vorgenannten DNA-Spuren nur in der Weise erklären, dass seine Mutter Kleidung in Müllsäcke verstaut habe, die er zuvor von einer Rolle gerissen und ihr übergeben habe, hat die Strafkammer eine solche Ursache ausgeschlossen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine derartige Tätigkeit des Angeklagten nicht erkläre, weshalb sich die Zellspuren des Angeklagten in großer Menge gerade an den Zugbändern der Säcke befanden. Auch habe der Angeklagte angegeben, es seien fünf Säcke durch seine Mutter mit Kleidung befüllt worden; die Leichenteile hätten sich aber in neun sichergestellten Säcken befunden. „Schließlich“ hat es die Strafkammer auch für überwiegend wahrscheinlich gehalten, dass ein Täter auf die sichtbar in der Küche liegende Rolle mit unbenutzten Müllsäcken zurückgegriffen hätte. Der im Folgenden dargestellte weitere – insoweit rechtsfehlerhaft festgestellte – Umstand, dass in der Wohnung zum Zeitpunkt der Tatortaufnahme keine aufgehäuften Textilien oder Schuhe aufgefunden worden seien, war sowohl nach seiner inhaltlichen Bedeutung als auch nach dem Aufbau und dem Wortlaut der Urteilsgründe („Hinzu kommt …“) für die Strafkammer ersichtlich nur ein ergänzender Aspekt von untergeordneter Bedeutung, der auch mit den zuvor aufgeführten Indizien in keinem unmittelbaren Zusammenhang stand.
9
Überdies hat die Strafkammer die Täterschaft des Angeklagten auf zahlreiche weitere Indizien gestützt. Danach hatte er aufgrund des seit Jahren konfliktbeladenen Verhältnisses zu seiner Mutter ein Tatmotiv. Auch war er während des Tatzeitraums am Tatort und hatte ein Interesse an der Beseitigung des Leichnams. Daneben reiste er kurz nach der Tat spontan und ohne nachvollziehbaren Grund nach Serbien und kehrte trotz des Todes seiner Mutter sowie eines für ihn bedeutsamen arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits über Jahre nicht nach Deutschland zurück.
III.
10
Die umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere ist die tatrichterliche Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten nicht zu beanstanden. So schließt die Strafkammer eine Alleintäterschaft des Bruders des Angeklagten mit tragfähiger Begründung sicher aus. Soweit die Revision des Angeklagten darüber hinaus die Bewertung einzelner Indizien durch das Landgericht in Frage stellt, nimmt sie eine eigene Beweiswürdigung vor, die revisionsrechtlich nicht beachtlich ist.
- VRiBGH Prof. Dr. Schäfer
ist erkrankt und deshalb
an der Unterschrift
gehindert. - Anstötz
- Erbguth
- Anstötz
- Kreicker
- Voigt