BGH 13. Zivilsenat, Beschluss vom 05.04.2022, AZ XIII ZB 18/21, ECLI:DE:BGH:2022:050422BXIIIZB18.21.0
§ 77 Abs 3 S 1 AufenthG, § 77 Abs 3 S 2 AufenthG, § 77 Abs 3 S 3 AufenthG, § 77 Abs 3 S 5 AufenthG
Leitsatz
Ist der Ausländer unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist oder auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden, ist die Ausländerbehörde nicht verpflichtet, dem Ausländer die Abschiebungsandrohung in Form eines Standardformulars mit Erläuterungen gemäß § 77 Abs. 3 Satz 5 AufenthG zu übergeben. Sie kann auch nach § 77 Abs. 3 Satz 1 bis 3 der Vorschrift vorgehen. In diesem Fall hat die Ausländerbehörde dem Ausländer auf einen entsprechenden Antrag eine mündliche oder schriftliche Übersetzung der Abschiebungsandrohung zur Verfügung zu stellen.
Verfahrensgang
vorgehend LG Münster, 8. März 2021, Az: 5 T 685/20
vorgehend AG Rheine, 9. Dezember 2020, Az: 42 XIV (B) 261/20
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 8. März 2021 wird auf Kosten der Person des Vertrauens des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe
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I. Der Betroffene, ein albanischer Staatsangehöriger, reiste 2016 ohne gültigen Nationalpass in das Bundesgebiet ein. Mit Ordnungsverfügung der beteiligten Behörde vom 4. Juli 2018 wurde dem Betroffenen die Abschiebung nach Albanien angedroht. Mit weiterer Ordnungsverfügung der beteiligten Behörde vom 11. Oktober 2018 wurde der Betroffene zum Verlassen der Bundesrepublik binnen 30 Tagen aufgefordert. In der Folge war der Betroffene unbekannten Aufenthalts. Nach seiner vorläufigen Festnahme ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. Oktober 2020 Sicherungshaft zum Zwecke der Abschiebung des Betroffenen bis einschließlich 20. November 2020 an.
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Durch seine Person des Vertrauens (nachfolgend: Vertrauensperson) hat der Betroffene am 18. Oktober 2020 einen Antrag auf Aufhebung der Haft gestellt und für den Fall der Haftentlassung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft beantragt. Nach der am 19. November 2020 erfolgten Abschiebung des Betroffenen hat das Amtsgericht den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen von der Vertrauensperson eingelegte Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Vertrauensperson den Feststellungsantrag weiter.
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II. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Haftanordnung sei auf der Grundlage eines zulässigen Haftantrags ergangen. Aus der Angabe, eine Einzelmaßnahme sei wegen der notwendigen Sicherheitsbegleitung nicht in Betracht gekommen, folge im Umkehrschluss, dass es sich bei dem Flug am 19. November 2020 um eine sicherheitsbegleitete Sammelmaßnahme gehandelt habe und dies der nächstmögliche Termin für eine Abschiebung des Betroffenen gewesen sei. Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG habe vorgelegen. Die Einreise sei gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unerlaubt, und der Betroffene daher nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Die Abschiebungsandrohung sei dem Betroffenen zugegangen. Eine Übersetzung der Verfügung sei nicht erforderlich gewesen. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung habe ausweislich des in der Ausländerakte befindlichen Schreibens der zuständigen Staatsanwaltschaft vorgelegen. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei nicht festzustellen. Dass eine sicherheitsbegleitete Rückführung auf einem Linienflug als Einzelmaßnahme nicht schneller zu organisieren gewesen wäre als eine von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex organisierte sicherheitsbegleitete Sammelmaßnahme, leuchte ohne Weiteres ein.
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2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
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a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlt es nicht an einem zulässigen Haftantrag. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrages ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Diesen Anforderungen wird der Haftantrag vom 6. Oktober 2020 der beteiligten Behörde (noch) gerecht.
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aa) Die beteiligte Behörde hat in dem Haftantrag ausgeführt, die Sicherungshaft beschränke sich auf die kürzest mögliche Dauer. Vorliegend werde die Abschiebung laut Mitteilung der Zentralstelle für Flugabschiebungen am 19. November 2020 durchgeführt, so dass eine Haft von 44 Tagen beantragt werde. Es sei eine Sicherheitsbegleitung notwendig, so dass keine Einzelmaßnahme gebucht werden könne. Mit dem Widerstand des Betroffenen sei zu rechnen. Angesichts der erfolgten Flugbuchung seien keine Zeiten der Überstellungsvorbereitung mehr notwendig. Das reichte aus, denn die Haftdauer erklärte sich – wie auch das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat – nach diesen Angaben daraus, dass die Abschiebung mit dem nächsterreichbaren Nationalcharter erfolgen sollte und ermöglichte dem Haftgericht daher konkrete Nachfragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2021 – XIII ZB 47/20, juris Rn. 13; vom 31. August 2021 – XIII ZB 87/20, juris Rn. 10). Sie fand zudem – auch wenn es darauf nicht ankommt – ihre Bestätigung in der dem Amtsgericht zusammen mit dem Haftantrag vorgelegten Ausländerakte des Betroffenen, die nach dem Protokoll des Anhörungstermins auch Gegenstand der Anhörung war. Danach war die Anmeldung des Betroffenen für den Sammelcharter am 19. November 2020 bestätigt worden. Ob die Dauer der Haft verhältnismäßig ist, ist demgegenüber keine Frage der Zulässigkeit des Haftantrags, sondern im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.
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bb) Der Haftantrag enthält die Angabe, dass für die Taten vom 5. Oktober 2020 das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Münster nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG vorliege und weitere Ermittlungsverfahren bei einer anderen Staatsanwaltschaft nicht anhängig seien. Damit wird den Anforderungen an die Begründung des Haftantrags nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 – XIII ZB 15/19, BGHZ 224, 344, Rn. 9) entsprochen. Soweit der Ausländerakte zu entnehmen ist, dass gegen den Betroffenen wegen des Verdachts des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a Abs. 1 StPO in drei Fällen ein Ermittlungsverfahren durch die Bundespolizei geführt und das Verfahren im Oktober 2017 an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden war, musste der Haftantrag sich zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach den genannten Grundsätzen nicht verhalten. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde handelt es sich bei dem Beteiligungserfordernis des § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG – wie der Senat bereits ausführlich begründet hat (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020, aaO Rn. 14 ff.) – nicht um eine freiheitsschützende Verfahrensvorschrift nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.
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b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht das Vorliegen einer wirksamen Abschiebungsandrohung zu Recht bejaht. Die Wirksamkeit der dem Betroffenen am 9. Juli 2018 sowie 11. Oktober 2018 in der Haft sowie anlässlich der Hauptverhandlung im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens vor dem Amtsgericht übergebenen Ordnungsverfügungen vom 4. Juli 2018 und 11. Oktober 2018 wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die beteiligte Behörde kein Standardformular gemäß § 77 Abs. 3 Satz 5 AufenthG verwendet hat. Dazu war sie nicht verpflichtet. Sie konnte vielmehr auch gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG vorgehen.
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aa) Gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 bis 3 AufenthG ist dem Ausländer auf Antrag eine Übersetzung der Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und der Rechtsbehelfsbelehrung kostenfrei in einer Sprache zur Verfügung zu stellen, die der Ausländer versteht oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht; die Übersetzung kann mündlich oder schriftlich zur Verfügung gestellt werden. Nach Satz 4 der Regelung muss dem Ausländer eine Übersetzung dann nicht vorgelegt werden, wenn er unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist ist oder auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist. In den Fällen des Satzes 4 erhält der Ausländer gemäß § 77 Abs. 3 Satz 5 AufenthG ein Standardformular mit Erläuterungen, die in mindestens fünf der am häufigsten verwendeten oder verstandenen Sprachen bereitgehalten werden. Diese Regelungen sind schon nach dem Wortlaut dahin auszulegen, dass die Ausländerbehörde entweder – wie auch hier – nach Absatz 3 Satz 2 und 3 der Vorschrift vorgehen kann und auf Antrag eine mündliche oder schriftliche Übersetzung zur Verfügung zu stellen hat, oder sie nach Satz 5 ein Standardformular mit Erläuterungen verwenden darf (vgl. § 77 Abs. 3 Satz 4: „muss … nicht“; Hofmann in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., § 77 AufenthG Rn. 31; Samel in Bergmann/Dienelt/Samel, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 77 AufenthG Rn. 4, 8; vgl. auch Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Dezember 2021, § 77 AufenthG Rn. 25 – 29).
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bb) Eine andere Auslegung ist auch nicht aufgrund richtlinienkonformer Auslegung geboten. Nach Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) stellen die Mitgliedstaaten den betreffenden Drittstaatsangehörigen auf Wunsch eine schriftliche oder mündliche Übersetzung der wichtigsten Elemente einer Rückkehrentscheidung einschließlich von Informationen über mögliche Rechtsbehelfe in einer Sprache zur Verfügung, die die Drittstaatsangehörigen verstehen oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie sie verstehen. Nach Art. 12 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie können die Mitgliedstaaten beschließen, diese Regelung nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die illegal in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eingereist sind. In solchen Fällen ergehen Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr anhand eines nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Standardformulars. Die Mitgliedstaaten halten allgemeine Informationsblätter mit Erläuterungen zu den Hauptelementen des Standardformulars in mindestens fünf der Sprachen bereit, die von den illegal in den betreffenden Mitgliedstaat eingereisten Migranten am häufigsten verwendet oder verstanden werden. Diese Regelungen sind sowohl nach dem Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck und nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81, NJW 1983, 1257, 1258 – C.I.L.F.I.T.; vom 1. Oktober 2015 – C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 mwN – Doc Generici) zweifelsfrei dahin auszulegen, dass die Ausnahmeregelung für illegal eingereiste Drittstaatsangehörige angewendet werden kann, aber nicht muss. Bei anderer Auslegung würde sich die als Erleichterung intendierte Ausnahme in ihr Gegenteil verkehren. Art. 12 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie fordert nicht, dass dem Drittstaatsangehörigen die Entscheidung auch ohne entsprechenden Antrag in einer Sprache mitgeteilt wird, die er versteht oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht (EuGH, Urteil vom 14. September 2017 – C-184/16, juris Rn. 66 ff. zu Art. 30 der für Unionsbürger geltenden Richtlinie 2004/38).
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cc) Nach alledem hätte es eines Antrags des Betroffenen bedurft, um die Pflicht zur Übersetzung gemäß § 77 Abs. 3 AufenthG zu begründen. Ein solcher Antrag lag nicht vor. Er ist entgegen der Rechtsbeschwerde auch nicht – vorab – dem Schreiben des Betroffenen vom 30. Mai 2018 zu entnehmen. Daraus ergibt sich im Gegenteil, dass der Betroffene in der Haft eine Betreuerin hatte, die ihm den Inhalt des Anhörungsschreibens verdeutlicht hatte, und er sich für das weitere Verfahren eines Dolmetschers und eines Rechtsbeistands versichern wollte. Aus diesen Gründen gab es vorliegend auch keine Hinweise darauf, dass der Betroffene das Schreiben nicht werde verstehen oder sich anderweitig übersetzen lassen könne.
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c) Die angeordnete Dauer der Haft war im vorliegenden Fall auch in der Sache nicht zu beanstanden.
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aa) Die – dem Haftantrag zu entnehmende – Entscheidung der beteiligten Behörde zur Erforderlichkeit einer Sicherheitsbegleitung bei der Vollziehung der Abschiebung unterliegt grundsätzlich keiner Nachprüfung im Verfahren der Haftanordnung (BGH, Beschluss vom 23. März 2021 – XIII ZB 3/20, juris Rn. 14). Im Übrigen ist im Haftantrag dargelegt, dass die Rückführung des Betroffenen mit Sicherheitsbegleitung erfolgen sollte, weil er sich der polizeilichen Kontrolle am 5. Oktober 2020 durch Flucht entzogen und in der Vergangenheit im Rahmen einer Kontrolle gezielt nach einer Polizeibeamtin geschlagen hatte. Dem tritt die Rechtsbeschwerde nicht entgegen.
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bb) Die Rückführung von Ausländern durch Sammelcharter kann dazu führen, dass die Sicherungshaft im Einzelfall länger dauert als bei einer Rückführung etwa im Rahmen eines Linienflugs. Ob und unter welchen Umständen dies im Widerspruch zu dem Gebot steht, die Sicherungshaft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Rückführung sollte nämlich während der Coronavirus-Pandemie erfolgen. Jedenfalls in einer solchen Sondersituation kann sich die für die Rückführung zuständige Behörde ermessensfehlerfrei für die Rückführung mit Sammelchartern entscheiden, schon um ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den mit dem Transport und der Sicherheitsbegleitung der abzuschiebenden Ausländer befassten Bediensteten Rechnung zu tragen (BGH, Beschluss vom 31. August 2021 – XIII ZB 87/20, juris Rn. 12). Es tritt hinzu, dass der Zeitraum von sechs Wochen, für den sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich ohne Weiteres erschließt, dass er für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung als angemessen angesehen werden kann (BGH, Beschluss vom 23. März 2021 – XIII ZB 3/20, juris Rn. 17 mwN), vorliegend lediglich um zwei Tage überschritten worden ist.
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d) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde haben weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht in der Sache etwaige Abschiebungshindernisse rechtsfehlerhaft übergangen. Ergibt sich ein (weiteres) laufendes Ermittlungsverfahren weder aus dem Haftantrag noch aus den ihm beigefügten Unterlagen, führt allein das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG etwaigen erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht zur Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung. Ein solches Ermittlungsverfahren stellt jedoch ein im Rahmen der Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zu berücksichtigendes mögliches Hindernis für die Abschiebung dar, wenn zu erwarten ist, dass die Abschiebung an dem fehlenden Einvernehmen der Staatsanwaltschaft scheitern wird. Dies wird regelmäßig nur bei Straftaten von gewissem Gewicht in Betracht kommen und war hier bei dem bereits drei Jahre zurückliegenden Vorwurf der Leistungserschleichung in drei Fällen nicht gegeben. Ergibt sich wie im vorliegenden Fall weder aus dem Antrag noch aus den ihm beigefügten Unterlagen ein (weiteres) laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren, so braucht das Gericht das bei der von ihm durchzuführenden Prognose auch nicht in Rechnung zu stellen (BGH, Beschlüsse 12. Februar 2020 – XIII ZB 15/19, BGHZ 224, 344 Rn. 12 ff., 19 f.; vom 23. Februar 2021 – XIII ZB 113/19, juris Rn. 14). Auf das Ermittlungsverfahren wegen Leistungserschleichung hat die Vertrauensperson erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren und damit nach der Abschiebung des Betroffenen hingewiesen, so dass auch weitere Ermittlungen der Vordergerichte nicht erforderlich waren (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 – XIII ZB 113/19, juris Rn. 16).
17
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
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