EU-Westbalkan-Ministerforum für Justiz und Inneres (Pressemeldung des BMJV)

Gemeinsame Pressemitteilung

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht und der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Prof.
Dr. Günter Krings, die den Ratsvorsitz der
EU vertreten, sowie die Europäische Kommission, vertreten durch den
EU-Kommissar für Justiz, Verbraucherrechte und Gleichstellung und den
EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, kamen gestern in einer Videokonferenz mit ihren Kolleginnen und Kollegen des westlichen Balkans zum jährlichen
EU-Westbalkan-Ministerforum für Justiz und Inneres zusammen. Auch Vertreterinnen und Vertreter der kommenden Präsidentschaften aus Portugal und Slowenien haben an dem Treffen teilgenommen.

Folgende Themen wurden erörtert:

JUSTIZ

Die
EU und die westlichen Balkanstaaten in der COVID-19-Pandemie: Auswirkungen auf die Justizsysteme und Grundrechte

Die Ministerinnen und Minister haben erörtert, wie sich die Eilmaßnahmen zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie auf die Funktionsfähigkeit der Justiz auswirken. Sie erkannten an, wie wichtig es ist, zwischen der Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit der Justiz weiterhin zu gewährleisten, und der Verpflichtung, die Achtung der Grundrechte sicherzustellen, einen angemessenen Ausgleich zu erzielen.

Die verbürgten Freiheits-, Grund- und Bürgerrechte sichern persönliche Freiheiten und ermöglichen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie politische und demokratische Debatten und demokratische Entscheidungen. Daher stimmen die
EU und die westlichen Balkanstaaten darin überein, dass die Maßnahmen zur Abmilderung der Krise notwendig, verhältnismäßig und zeitlich befristet sein sollten und in nichtdiskriminierender Weise, unter gerichtlicher und demokratischer Kontrolle sowie insgesamt im Einklang mit europäischen Standards durchgeführt werden sollten. Es sollte alles getan werden, um den Rechtsstaat krisenfester zu machen.

Die Ministerinnen und Minister erkannten an, dass die Verfahrens- und Verteidigungsrechte von Verdächtigen und Angeklagten auch in Krisenzeiten beachten werden sollten. Sie wiesen darauf hin, dass die häusliche Gewalt während der Pandemie zugenommen hat, und erkannten an, dass die Unterstützung und der Schutz der Opfer häuslicher Gewalt besondere Aufmerksamkeit und gezielte Maßnahmen erfordern.

Die Kommission betonte, dass die Achtung der Grundrechte entscheidend dafür ist, dass Menschen dazu angehalten werden können, die Maßnahmen zu akzeptieren und ihren eigenen Beitrag zu leisten. Dem Schutz personenbezogener Daten und der Notwendigkeit, die Ausübung der Meinungsfreiheit zu gewährleisten und Desinformation möglichst zu verhindern, sollte besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Zugang zum Recht im Zeitalter der Digitalisierung

Die Ministerinnen und Minister haben die Bedeutung der Digitalisierung für die Qualität, Effizienz und Zugänglichkeit der Justiz und auch ihre Resilienz anerkannt. Die
EU und die westlichen Balkanstaaten haben bekräftigt, dass Justizgrundrechte und Verfahrensgrundsätze, wie beispielsweise das Recht auf ein faires Verfahren, bei der Nutzung digitaler Lösungen sichergestellt sein müssen, und über die nächsten Schritte zur weiteren Digitalisierung der Justizsysteme beraten. Die Ministerinnen und Minister haben betont, dass es im Rahmen dieses Prozesses wichtig ist, eine Reihe digitaler Werkzeuge wie
Online-Datenbanken und computergestützte Fallverwaltungssysteme aufzusetzen, um diese ab Ende 2021 nutzen zu können. Die
EU brachte zum Ausdruck, dass sie die Westbalkanpartner bei der Weiterentwicklung digitaler Werkzeuge für das Justizsystem technisch und finanziell weiter unterstützen wird. Die
EU und die westlichen Balkanstaaten regten eine verstärkte Zusammenarbeit in diesem Bereich an. Die Kommission betonte erneut, wie wichtig es ist, über einen soliden strategischen und gesetzgeberischen Rahmen zu verfügen und angemessene Ressourcen bereitzustellen.

Die
EU und die westlichen Balkanstaaten erörterten auch, wie digitale Lösungen rechtsstaatliche Grundsätze sicherstellen und einen gleichberechtigten Zugang zur Justiz fördern können. Beide Seiten haben konkrete Lösungen und Beispiele vorgestellt.

Rechtsstaatlichkeit und Justizreformen: wesentliche Entwicklungen

Die Kommission hat einen aktualisierten Bericht über den ersten Zyklus zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in der
EU vorgelegt und betont, dass sie hinsichtlich ihrer internen Rechtsstaatlichkeitspolitik und der Art und Weise der Einbettung der Rechtsstaatlichkeit in den Beitrittsprozess weiterhin einen starken und kohärenten Ansatz verfolgen wird.

Die Ministerinnen und Minister haben die Vorstellung der wichtigsten aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur richterlichen Unabhängigkeit durch die Kommission zur Kenntnis genommen, die ein wichtiger Bestandteil des
EU-Besitzstands in diesem Bereich ist.

Die
EU hat darauf aufmerksam gemacht, dass der am 6. Oktober verabschiedete Wirtschafts- und Investitionsplan für den Westbalkan darauf verweist, dass die Westbalkanpartner grundlegende Reformen und insbesondere die Rechtsstaatlichkeit entschiedener voranbringen müssen. Die
EU betonte auch, wie wichtig es ist, einen Rahmen für eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft zu schaffen, die ihre Arbeit voraussichtlich bald aufnehmen wird. Die Kommission hat die Westbalkanpartner aufgefordert, einen solchen Rahmen in den kommenden Monaten zu schaffen.