Verhandlungstermin am 15. Januar 2026 um 10:00 Uhr in Sachen I ZR 106/25 (Altersüberprüfung beim Verkauf von unbefüllten Ersatztanks für E-Zigaretten) (Pressemeldung des BGH)

Verhandlungstermin am 15. Januar 2026 um 10:00 Uhr in Sachen I ZR 106/25 (Altersüberprüfung beim Verkauf von unbefüllten Ersatztanks für E-Zigaretten)

Ausgabejahr2025
Erscheinungsdatum03.11.2025

Nr. 200/2025

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob beim Verkauf und Versand von unbefüllten Ersatztanks für E-Zigaretten eine Überprüfung des Alters des Bestellers beziehungsweise des Empfängers der Lieferung erfolgen muss.

Sachverhalt:

Die Klägerin vertreibt sowohl über das Internet als auch über stationäre Ladenlokale unter anderem E-Zigaretten sowie Zubehör und Ersatzteile hierfür. Die Beklagte vertreibt ebenfalls Ersatzteile und Zubehör für E-Zigaretten über das Internet. Im Juni 2023 bot die Beklagte auf der Internetplattform Amazon einen unbefüllten Tank als Ersatzteil für ein bestimmtes E-Zigaretten-Modell an. Erwerber dieses Produkts können es mit einer in einer E-Zigarette zu verdampfenden Flüssigkeit, einem sogenannten E-Liquid, befüllen. Bei einer von der Klägerin veranlassten Testbestellung eines solchen Ersatztanks bei der Beklagten erfolgte weder bei der Bestellung selbst noch bei der Auslieferung durch die Post eine Überprüfung des Alters des Bestellers beziehungsweise des Empfängers der Lieferung.

Die Klägerin meint, die Beklagte verstoße mit dem Verkauf und dem Versand von unbefüllten Ersatztanks für E-Zigaretten ohne Altersüberprüfung gegen das Jugendschutzgesetz (JuSchG). Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme des auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Antrags stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte weit überwiegend keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil nur insoweit abgeändert und die Klage abgewiesen, als die Klägerin Auskunftserteilung über den von der Beklagten erzielten Gewinn und die Erstattung von Abmahnkosten begehrt hat.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Beklagte habe mit dem Angebot des unbefüllten Ersatztanks im Internet und dessen anschließender Auslieferung ohne Überprüfung des Alters des Bestellers beziehungsweise des Empfängers der Lieferung gegen § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 JuSchG verstoßen. Der Begriff der „elektronischen Zigaretten“ im Sinne von § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG sei im tabakerzeugnisrechtlichen Sinne entsprechend der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 16 der Richtlinie 2014/40/EU auszulegen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden und das vom Gesetzgeber angestrebte besonders hohe Schutzniveau für Kinder und Jugendliche zu erreichen. Auch nicht befüllte Ersatztanks für E-Zigaretten gehörten deshalb zu den von § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG erfassten Produkten. Deren Angebot und Versand ohne Altersüberprüfung sei unzulässig.

Die Klägerin könne allerdings keine Auskunft über die von der Beklagten erzielten Gewinne verlangen, weil ihr nach § 9 Abs. 1 UWG kein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns zustehe. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten sei ebenfalls unbegründet, weil die Abmahnung nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspreche. Sie enthalte keine ausreichenden Angaben zur Anspruchsberechtigung der Klägerin, weil ihr nicht zu entnehmen sei, in welcher Größenordnung die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ vertrieben habe.

Beide Parteien haben die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie jeweils ihre im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiterverfolgen.

Vorinstanzen:

LG Bochum – Urteil vom 16. Januar 2024 – I-12 O 66/23

OLG Hamm – Urteil vom 3. April 2025 – I-4 U 29/24

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 Abs. 4 JuSchG

Versandhandel im Sinne dieses Gesetzes ist jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, vollzogen wird.

§ 10 Abs. 3 und 4 JuSchG

(3) Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse dürfen Kindern und Jugendlichen weder im Versandhandel angeboten noch an Kinder und Jugendliche im Wege des Versandhandels abgegeben werden.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für nikotinfreie Erzeugnisse, wie elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet werden, sowie für deren Behältnisse.

Art. 2 Nr. 16 der Richtlinie 2014/40/EU

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

(…)

16. „elektronische Zigarette“ ein Erzeugnis, das zum Konsum nikotinhaltigen Dampfes mittels eines Mundstücks verwendet werden kann, oder jeden Bestandteil dieses Produkts, einschließlich einer Kartusche, eines Tanks, und des Gerätes ohne Kartusche oder Tank. Elektronische Zigaretten können Einwegprodukte oder mittels eines Nachfüllbehälters oder eines Tanks nachfüllbar sein oder mit Einwegkartuschen nachgeladen werden;

§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

(…)

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt

§ 9 Abs. 1 UWG

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG

(2) In der Abmahnung muss klar und verständlich angegeben werden:

(…)

2. die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3

Karlsruhe, den 3. November 2025

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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