Beschluss des BVerwG 1. Senat vom 09.09.2025, AZ 1 C 1.25

BVerwG 1. Senat, Beschluss vom 09.09.2025, AZ 1 C 1.25, ECLI:DE:BVerwG:2025:090925B1C1.25.0

Verfahrensgang

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 6. Dezember 2024, Az: 2 A 1902/24.A, Beschluss
vorgehend VG Gießen, 28. August 2024, Az: 2 K 2532/24.GI.A, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2024 wird unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1

Der Kläger, ein in Griechenland als international schutzberechtigt anerkannter afghanischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit dem im Wesentlichen sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Griechenland angedroht wurde.

2

Während die hiergegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Erfolg hatte, hat der Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 78 Abs. 8 AsylG zugelassen, da es in der Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Griechenland für männliche anerkannte Schutzberechtigte, die allein nach Griechenland zurückkehren und jung, gesund und arbeitsfähig sind, von der Beurteilung durch andere Oberverwaltungsgerichte abgewichen ist.

3

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten am gleichen Tag zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2024 hat der Kläger fristgerecht Revision eingelegt. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht die Frist zur Begründung der Revision bis einschließlich 6. März 2025 verlängert. Die Revisionsbegründungsschrift des Klägers ist am 7. März 2025 um 23:54 Uhr über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

4

Zur Begründung seines mit der Revisionsbegründung hilfsweise für den Fall einer vom Gericht angenommenen Fristversäumnis gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz am 4. März 2025 bereits erstellt und für den 6. März 2025 ein persönliches Mandantengespräch zwischen ihm und dem Kläger geplant gewesen sei, in dem der Begründungsschriftsatz abschließend abgestimmt und noch am gleichen Tag bei Gericht eingereicht werden sollte. Aufgrund einer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ab dem 5. März 2025 habe das geplante Treffen am 6. März 2025 nicht stattfinden und der Anwalt auch nicht im Kanzleibüro anwesend sein können, weshalb die Revisionsbegründung erst am 7. März 2025 habe eingereicht werden können.

5

Die angekündigte zeitnahe Nachreichung einer entsprechenden Glaubhaftmachung ist in der Folgezeit unterblieben. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 28. August 2025, hinreichende Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht vorgetragen worden, hat der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 29. August 2025 weiter vorgetragen, er sei am 5. März 2025 überraschend und akut an einem grippalen Infekt mit Fieber, Schüttelfrost und starken Kopf- sowie Gliederschmerzen erkrankt. Aufgrund der plötzlich eintretenden schweren Krankheitssymptome sei es ihm gesundheitlich unmöglich gewesen, seine beruflichen Pflichten auszuüben. Er habe unverzüglich ärztliche Hilfe aufgesucht; ein entsprechendes ärztliches Attest vom 5. März 2025 werde „erneut“ vorgelegt. Das für den 6. März 2025 anberaumte persönliche Gespräch mit dem Mandanten zur abschließenden Abstimmung habe wegen seiner Erkrankung weder vor Ort noch digital erfolgen können, da er sich krank und bettlägerig zu Hause aufgehalten habe. Obwohl er die Fristwahrung stets sorgfältig organisiere, sei aufgrund der Schwere der Erkrankung und seiner Alleinvertretung in der Kanzlei eine Vertretung durch Mitarbeitende und Kollegen nicht möglich gewesen. Er habe zu diesem Zeitpunkt weder einen Kanzleimitarbeitenden noch eine Vertreterin oder einen Vertreter gehabt. Zugang zum besonderen behördlichen Anwaltspostfach habe aus technischen sowie gesundheitlichen Gründen vom Krankenbett aus nicht bestanden. Die Verzögerung sei trotz höchstmöglicher anwaltlicher und organisatorischer Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen. Bei Auftreten erster Krankheitssymptome sei die Fristwahrung noch als möglich eingeplant gewesen, erst durch den akuten Verlauf sei auch eine kurzfristige Beauftragung eines Vertreters ausgeschlossen gewesen. Nach Wegfall der Krankheitssymptome und sobald es ihm gesundheitlich möglich gewesen sei, habe er die Revisionsbegründung am 7. März 2025 unverzüglich übermittelt.

6

Zur Glaubhaftmachung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine eidesstattliche Versicherung sowie ein am Sonntag, dem 9. März 2025, um 21:58 Uhr über eine Telemedizin-Plattform ausgestelltes ärztliches Attest über eine vom 6. bis zum 7. März 2025 bestehende Arbeitsunfähigkeit wegen einer akuten Infektion der oberen Atemwege (J06.9 G) eingereicht.

II

7

Die Revision des Klägers ist unzulässig und nach den §§ 143, 144 Abs. 1 VwGO zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 3 VwGO, der mangels einer abweichenden Regelung in § 78 Abs. 8 AsylG im vorliegenden Verfahren Anwendung findet, begründet worden ist (1.) und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO nicht gewährt werden kann (2.).

8

1. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. Dezember 2024 zugestellt worden. Die Frist für die Begründung der Revision endete nach antragsgemäß gewährter Fristverlängerung nach § 139 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 3 VwGO am 6. März 2025. Die Revisionsbegründung ist erst am 7. März 2025 und damit verspätet beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

9

2. Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO konnte nicht stattgegeben werden, weil sein Prozessbevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 3 VwGO einzuhalten.

10

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 60 Abs. 1 VwGO voraus, dass der Betroffene ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war. Verschuldet im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ist eine Fristversäumnis dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2021 – 2 C 11.19 – juris Rn. 6 m. w. N.). Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (§ 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die „Beweislast“ für die Umstände, die dafür sprechen, dass die Fristversäumnis unverschuldet war, liegt bei dem Betroffenen, der die Wiedereinsetzung begehrt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2010 – 7 B 18.10 – juris Rn. 4 m. w. N.). Der Wiedereinsetzungsantrag erfordert eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht und auf welche Weise es zur Versäumung der Frist gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2022 – VIII ZB 24.21 – juris Rn. 18 m. w. N.). Gelingt die Glaubhaftmachung nicht oder bleibt nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten oder seinem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, so kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2023 – 1 C 10.23 – juris Rn. 12 m. w. N.).

11

2.1 Gemessen hieran hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seinem Vorbringen zu seinem krankheitsbedingten Ausfall ab dem 5. März 2025 nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen ist, die versäumte Frist einzuhalten.

12

Zwar kann die plötzliche Erkrankung oder eine familiäre Notlage eines als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich als unverschuldeter Hinderungsgrund für die Einhaltung einer Frist anzusehen sein. Ein Einzelanwalt ist aber verpflichtet, schon vor Eintritt eines Vertretungsfalles zumutbare Maßnahmen wie zum Beispiel die Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen zu ergreifen, die sicherstellen, dass bei einem unerwarteten Ausfall etwa infolge einer Erkrankung oder eines Unfalls unaufschiebbare Prozesshandlungen vorgenommen werden können (BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 2008 – 6 B 22.08 – juris Rn. 15, vom 29. November 2023 – 6 B 10.23 – juris Rn. 16 f. und vom 11. Juni 2024 – 9 B 7.24 – juris Rn. 20 ff. jeweils m. w. N.; BGH, Beschlüsse vom 26. September 2013 – V ZB 94/13 – juris Rn. 7 ff. und vom 24. April 2025 – III ZB 81.24 – juris Rn. 8). Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorhersehen kann. Wird er unvorhergesehen krank, muss er nur das unternehmen, was ihm zur Fristwahrung dann noch möglich und zumutbar ist. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Rechtsanwalt die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft und daher wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (BGH, Beschluss vom 24. April 2025 – III ZB 81.24 – juris Rn. 8).

13

Die fristwahrenden Maßnahmen eines unvorhergesehen erkrankten Einzelanwalts ohne eigenes Personal können sich darin erschöpfen, die Vertretung, für die er zuvor im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Vorkehrungen für Verhinderungsfälle Vorsorge zu treffen hatte, zu kontaktieren und um die Beantragung einer Fristverlängerung zu bitten. Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss ein Rechtsanwalt aber alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. An einem dem Verfahrensbeteiligten zurechenbaren Verschulden fehlt es nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. September 2003 – 7 B 74.03 – juris Rn. 13; zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom 18. September 2008 – V ZB 32/08 – juris Rn. 9 ff., vom 26. September 2013 – V ZB 94/13 – juris Rn. 7 ff. und vom 24. April 2025 – III ZB 81.24 – juris Rn. 8 f. m. w. N.).

14

Hier fehlt es bereits an einer hinreichend konkreten, schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Schilderung, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich so plötzlich und schwer erkrankt war, dass er nicht mehr in der Lage war, mit zumutbaren Vorsorgemaßnahmen der Fristversäumnis entgegenzuwirken. Er hat lediglich vorgetragen, am 5. März 2025 überraschend und akut an einem grippalen Infekt mit Fieber, Schüttelfrost und starken Kopf- und Gliederschmerzen erkrankt zu sein; es sei ihm aufgrund der plötzlich eintretenden, schweren Krankheitssymptome gesundheitlich unmöglich gewesen, seine beruflichen Pflichten auszuüben. Er habe unverzüglich ärztliche Hilfe aufgesucht, hierzu werde ein entsprechendes ärztliches Attest erneut vorgelegt, wobei der Prozessbevollmächtigte auf ein Attest vom 5. März 2025 Bezug nimmt. Nähere Einzelheiten, insbesondere zum zeitlichen Eintritt und Verlauf der Erkrankung werden nicht geschildert; auch wird an anderer Stelle und dem eigenen Vorbringen einer plötzlich und unerwartet aufgetretenen Erkrankung widersprechend ausgeführt, dass bei Auftreten erster Krankheitssymptome die Fristwahrung noch als möglich eingeplant gewesen sei. Hiernach war es bereits nicht unzumutbar, sich in dieser Situation Gedanken über die vorsorgliche Unterrichtung eines Vertreters zu machen und durch dessen rechtzeitige und ausreichende Information dafür Sorge zu tragen, dass dieser gegebenenfalls den nach eigenem Vorbringen bereits erstellten Revisionsbegründungsschriftsatz einreicht oder einen (weiteren) Fristverlängerungsantrag stellt. Dass der Klägerbevollmächtigte, wie er selbst vorträgt, in dem hier maßgeblichen Zeitraum keine Maßnahmen für einen unvorhergesehenen Verhinderungsfall, insbesondere keine Vertretungsregelung, getroffen hat, geht als schuldhaftes Versäumnis zu seinen Lasten (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 26. September 2013 – V ZB 94/13 – juris Rn. 11).

15

Im Unklaren bleibt in diesem Zusammenhang zudem, wie er den bereits anberaumten Termin am 6. März 2025 mit seinem Mandanten hat absagen können, wenn er gleichzeitig aufgrund der behaupteten plötzlichen Erkrankung und ohne einen Kanzleimitarbeitenden nicht mehr imstande gewesen sein will, noch irgendwelche Vorkehrungen zur Verhinderung der Fristversäumnis zu treffen. Widersprüchlich erscheinen des Weiteren die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers zur behaupteten ärztlichen Behandlung und dem eingereichten ärztlichen Attest. So erweckt sein Vorbringen, er sei am 5. März 2025 überraschend und akut erkrankt und habe unverzüglich ärztliche Hilfe aufgesucht, zusammen mit seinem Hinweis auf ein „erneut“ eingereichtes Attest vom 5. März 2025 den Anschein, er habe sich bereits an diesem Tag in ärztliche Behandlung begeben. Das – erstmals und nicht erneut – bei Gericht eingereichte ärztliche Attest mit einer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit für den 6. und 7. März 2025 ist aber nicht auf den 5. März 2025 datiert, sondern ist am Sonntag, den 9. März 2025 um 21:58 Uhr über eine Telemedizin-Plattform ausgestellt worden. Diese Umstände widersprechen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten, unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Vielmehr hat er sich hiernach lediglich rückwirkend ein ärztliches Attest ausstellen lassen. Hinzu kommt, dass der Klägerbevollmächtigte in seiner eidesstattlichen Versicherung selbst angegeben hat, den Schriftsatz „nach Wegfall der Krankheitssymptome“ am 7. März 2025 eingereicht zu haben; in dem ärztlichen Attest vom 9. März 2025 kann daher rückwirkend nur das bescheinigt worden sein, was er selbst gegenüber dem Arzt angegeben hat. Eine eigene ärztliche Begutachtung der Symptome auch mittels Videokonferenz, die zu der attestierten akuten Erkrankung der oberen Atemwege (Jo6.9 G) für den 6. und 7. März 2025 geführt hat, dürfte hiernach nicht mehr möglich gewesen sein (vgl. zum Beweiswert der Attestierung nicht selbst wahrgenommener Umstände OVG Münster, Beschluss vom 18. November 2014 – 12 B 1191/14 – juris Rn. 3). Die aufgezeigten Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten werden durch das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nicht aufgelöst.

16

Nach alledem hat der Prozessbevollmächtigte nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, so plötzlich und unerwartet erkrankt zu sein, dass ihm spätestens nach dem Auftreten erster Krankheitssymptome keine Zeit verblieben sei, vorsorgliche Vorkehrungen zur Wahrung der Frist zu ergreifen.

17

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die vorgenannten, im Wesentlichen erst auf richterlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 29. August 2025 und damit weit nach Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergangenen weiteren Ausführungen zum Wiedereinsetzungsantrag überhaupt noch als (zulässige) Ergänzungen des bisherigen Vorbringens gewertet werden oder angesichts des erheblich erweiterten Vortrags zu der plötzlich aufgetretenen Erkrankung und ihres akuten Verlaufs als nach Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nachgeschobene Umstände ohnehin keine Berücksichtigung mehr hätten finden können (vgl. zur Abgrenzung BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 21.11 – juris Rn. 25 m. w. N.).

18

2.2 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, über deren Gewährung erst nach Ablauf dieser Frist entschieden worden ist. Zwar liegt regelmäßig ein Grund zur Wiedereinsetzung vor, wenn die unterlegene Partei, die sich für bedürftig halten durfte, innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe eingereicht hat, um abhängig von der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe darüber zu befinden, ob das Rechtsmittel durchgeführt werden soll, das Gericht – wie hier – über diesen Antrag aber nicht innerhalb der Frist für die Rechtsmittelbegründung entschieden hat. Wiedereinsetzung ist indessen nur dann zu gewähren, wenn die fristgemäße Einlegung oder Begründung des Rechtsmittels gerade „wegen“ der ausstehenden Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag unterblieben ist. Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher, dass zwischen dem unverschuldeten Hindernis und der Fristversäumung ein Kausalzusammenhang besteht. Die fehlende Begründung des Rechtsmittels muss gerade auf die Bedürftigkeit der Partei zurückzuführen sein. Die Kausalität kann verneint werden, wenn der Rechtsmittelführer nicht zu erkennen gegeben hat, dass der Rechtsanwalt, der das Rechtsmittel eingelegt hat, nur dann zu einem weiteren Tätigwerden im Rechtsmittelverfahren bereit ist, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. August 2016 – 1 B 93.16 – juris Rn. 5 f. unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 290/10 – juris Rn. 14 ff., insbesondere Rn. 18 m. w. N. und vom 5. Juni 2009 – 5 B 28.09 – juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 29. März 2012 – IV ZB 16/11 – juris Rn. 15 ff. und vom 6. August 2024 – IX ZB 26.23 – juris Rn. 10 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 25. Mai 2016 – 18 A 2206/12 – juris Rn. 29 ff.; VGH München, Beschluss vom 31. März 2022 – 13a B 22.30123 – juris Rn. 17; OVG Weimar, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 4 ZKO 269/18 – juris Rn. 13).

19

Einen kausalen Zusammenhang zwischen der geltend gemachten Mittellosigkeit und der Fristversäumnis hat die Klägerseite nicht zu erkennen gegeben; ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter hat vielmehr in der Revisionsbegründung selbst vorgetragen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz bereits am 4. März 2025 und damit unabhängig von der Gewährung von Prozesskostenhilfe erstellt gewesen sei und am 6. März 2025 nur noch mit dem Kläger final habe abgestimmt werden sollen. Auch hat der Prozessbevollmächtigte die Fristversäumnis allein auf seine Erkrankung gestützt. Gegen die erforderliche Kausalität spricht auch der bisherige Gang des Revisionsverfahrens. Der Klägerbevollmächtigte hat die Revision ohne Abwarten einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag begründet und zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent angekündigt, eine Begründung der Revision von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig zu machen.

20

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert für das Revisionsverfahren ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

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