Beschluss des BVerwG 10. Senat vom 15.07.2025, AZ 10 B 20.24

BVerwG 10. Senat, Beschluss vom 15.07.2025, AZ 10 B 20.24, ECLI:DE:BVerwG:2025:150725B10B20.24.0

Verfahrensgang

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 24. Juli 2024, Az: 14 B 22.2247, Urteil
vorgehend VG Würzburg, 8. März 2022, Az: W 4 K 20.679, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Kläger begehren eine naturschutzrechtliche Erlaubnis für die Errichtung eines im „Landschaftsschutzgebiet Spessart“ gelegenen landwirtschaftlichen Fahrsilos, hilfsweise eine Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Sie sind gemeinsam Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Das Fahrsilo soll auf einem im Eigentum des Klägers zu 1 stehenden Grundstück errichtet werden.

2

Das Landratsamt versagte die beantragte Erlaubnis. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab. Auf die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage als unbegründet abgewiesen, weil weder die Erlaubnisvoraussetzungen nach der Landschaftsschutzgebietsverordnung noch die Voraussetzungen einer Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG vorlägen. Die Revision gegen sein Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

II

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Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder beruht das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel (1.) noch greift die Divergenzrüge durch (2.). Die Rechtssache hat auch nicht die von den Klägern angenommene grundsätzliche Bedeutung (3.).

4

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

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Die Ablehnung eines Beweisantrags verstößt nur dann gegen die Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen (§ 86 Abs. 1 VwGO) und dem Kläger rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), wenn die Ablehnung – auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Sicht des Tatsachengerichts, selbst wenn sie verfehlt sein sollte – im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2021 – 7 C 8.20 – Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 11 Rn. 32 und vom 25. April 2023 – 4 CN 9.21 – NVwZ 2023, 1581 Rn. 36, jeweils m. w. N.). Das ist bei den in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bedingt – also nur für den Fall der Klagabweisung – gestellten Beweisanträgen nicht der Fall.

6

a) Die Kläger haben zum Beweis ihres Vortrags, dass der Standort des Fahrsilos auf der Fläche FlNr. … für ihren landwirtschaftlichen Betrieb die einzig vernünftige Lösung und die Verweigerung eine unzumutbare Belastung darstelle, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

7

Entgegen der Auffassung der Kläger hat das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei diesen Antrag abgelehnt, weil schon das Beweisthema unzulässig ist (UA Rn. 87). Zur Begründung führt der Verwaltungsgerichtshof zutreffend aus, dass die Bewertung, ob die Verweigerung der naturschutzrechtlichen Erlaubnis eine „unzumutbare Belastung“ darstellt – sowohl im Kontext von § 26 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 BNatSchG als auch im Kontext von § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG -, ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung nach § 108 VwGO und einer sachverständigen Begutachtung deshalb nicht zugänglich ist. Die Unzumutbarkeit ist keine dem Beweis zugängliche Tatsache, sondern Teil des normativen Bewertungsmaßstabs. Hinzu kommt, worauf die Vorinstanz ebenfalls hinweist, dass die Kläger in ihrem Beweisantrag mit der bloßen Behauptung der „einzig vernünftigen Lösung“ keine Tatsachen darlegen, etwa jeweilige Kostenbelastungen und Fragen der Rentabilität, die einem Sachverständigenbeweis zugänglich wären. Soweit die Beschwerde anführt, die „Unzumutbarkeit“ sei in früheren Schriftsätzen auch an Tatsachen festgemacht und vorgetragen worden, lässt die Formulierung des Beweisantrags allerdings jegliche Bezugnahme darauf vermissen.

8

Selbständig tragend hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass der bedingte Beweisantrag – auch wenn man ihn zugunsten der Kläger sowohl auf den Erlaubnis- als auch auf den Befreiungsantrag beziehe – zudem inhaltlich zu unbestimmt sei (UA Rn. 88). So ergebe sich daraus insbesondere nicht eindeutig, ob er die Fragen einer „Wickelballenlösung“ und des Wasserrechts überhaupt miteinbeziehe. Mit dieser eigenständigen weiteren Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Sie beschränkt sich vielmehr auf den pauschalen Hinweis, die Kläger hätten in den vorbereitenden Schriftsätzen zu diesen Fragen vorgetragen, so dass dem Darlegungserfordernis nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt ist.

9

Soweit die Kläger meinen, das Berufungsgericht habe auf eine Klarstellung bzw. Ergänzung des Beweisantrags hinwirken müssen, ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs schon deshalb nicht im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, weil die Beschwerde nicht ausführt, dass und welche Tatsachen auf einen solchen Hinweis noch vorgetragen worden und diese weiteren Tatsachen zur Klärung der Rechtslage im Sinne der Kläger geeignet gewesen wären (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/​Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 133 Rn. 17). Abgesehen davon hat der Verwaltungsgerichtshof sowohl vor als auch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits naturschutzrechtliche Kriterien maßgeblich seien.

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b) Weiter haben die Kläger zum Beweis ihres Vortrags, dass das Fahrsilo ihrem landwirtschaftlichen Betrieb diene, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

11

Diesen ebenfalls bedingt gestellten Beweisantrag hat die Vorinstanz in dem angefochtenen Urteil mit der Begründung abgelehnt, es komme auf dieses Beweisthema nicht an, weil das „Dienen“ zugunsten der Kläger als wahr unterstellt worden sei (UA Rn. 91). Die Ablehnung des zweiten Beweisantrags durch das Berufungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit ist nicht zu beanstanden.

12

Der Verwaltungsgerichtshof hat zugunsten der Kläger unterstellt, dass das Fahrsilo als solches dem landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB „dient“ (UA Rn. 73). Trotz der Annahme eines „Dienens“ im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB hat das Berufungsgericht weder eine Erlaubnisfähigkeit nach der Landschaftsschutzgebietsverordnung noch eine Befreiungslage nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG erkannt (UA Rn. 91). Der Ausgang des Rechtsstreits hängt – nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs – mithin von der bauplanungsrechtlichen Voraussetzung des „Dienens“ nicht entscheidend ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Februar 1988 – 2 BvR 1324/87 – BayVBl. 1988, 268 <269 f.>). Die Auffassung der Kläger, das Berufungsgericht habe für den Fall, dass das Fahrsilo ihrem Betrieb „diene“, eine Befreiungslage annehmen müssen, betrifft die von ihnen beanstandete inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung. Dies vermag einen Verfahrensmangel nicht zu begründen.

13

c) Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist nicht dargelegt. Entgegen dem Vortrag der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit dem in den Akten befindlichen und im Urteil in Bezug genommenen Fotomaterial festgestellt, dass sich das Vorhabengrundstück der Kläger – wie auch der Nachbarhof – auf der Kuppe einer Anhöhe befindet (UA Rn. 51, 63). Dies ergibt sich insbesondere aus den von den Klägern eingereichten Fotos (Bl. 31 und 32, 35, 73 und 74 der papiergebundenen Berufungsakten). Die Annahme einer aktenwidrigen Tatsache durch das Berufungsgericht haben die Kläger daher nicht dargelegt. Die genehmigte nachbarliche Hofstelle, insbesondere das Bildmaterial einschließlich der bei der Augenscheinnahme des Berichterstatters davon gefertigten Fotos (Bl. 129 und 130 der papiergebundenen Berufungsakten), wurde bei der Beurteilung der „Vorprägung“ des Landschaftsschutzgebiets durch die Vorinstanz berücksichtigt (UA Rn. 61 f.). Die angegriffene Entscheidung beurteilt die behauptete „Vorprägung“ lediglich rechtlich anders als die Kläger, indem sie nach wie vor in der Umgebung des Nachbarhofs eine unberührte Landschaft annimmt.

14

2. Dass das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), haben die Kläger nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

15

Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder Bundesverfassungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 3 m. w. N.). Nach diesem Maßstab machen die Kläger eine Abweichung nicht geltend. Sie beanstanden lediglich, dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die von ihnen umfangreich zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung den Anspruch auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Erlaubnis fehlerhaft verneint habe. Die unrichtige Anwendung höchstrichterlicher Rechtssätze, so sie denn vorläge, begründet jedoch keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 3). Sie genügt auch nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Grundsatzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328), die die Beschwerde im Hinblick auf die Antragsauslegung erhebt.

16

Soweit die Beschwerde die Abweichung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln und des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts rügt, handelt es sich bereits nicht um divergenzfähige Gerichte im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

17

3. Den von der Beschwerde formulierten Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.

18

a) Die Frage,

„Bedingt eine naturschutzrechtlich veranlasste Schutzgebietsverordnung eine Strategische Umweltprüfung oder eine Entscheidung des Mitgliedstaates über die Durchführung einer solchen Prüfung?“,

ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach setzt eine Schutzgebietsausweisung einen Rahmen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30) und bedarf deshalb dann einer Strategischen Umweltprüfung oder Vorprüfung, wenn sie eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung von Projekten aufstellt, insbesondere hinsichtlich des Standorts, der Art, der Größe und der Betriebsbedingungen solcher Projekte oder der mit ihnen verbundenen Inanspruchnahme von Ressourcen (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2022 – C-300/20 [ECLI:​EU:​C:​2022:​102], Bund Naturschutz in Bayern – Rn. 62; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2023 – 10 CN 1.23 – BVerwG 177, 350 Rn. 14). Gründe, die eine erneute Klärung dieser Rechtsfrage erfordern könnten, legt die Beschwerde nicht dar.

19

b) Die von den Klägern als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage,

„ob solche Vorratsspeicher wie Silos von der Landwirtschaftsklausel umfasst sind oder nicht und wo die Grenze zu ziehen ist“,

wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie sich – soweit überhaupt ersichtlich – auf die Auslegung und Anwendung von Vorschriften der Landschaftsschutzgebietsverordnung und mithin auf nicht revisibles Landesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) bezieht.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i. V. m. § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

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