BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 24.04.2025, AZ III ZR 435/23, ECLI:DE:BGH:2025:260325UIIIZR435.23.0
§ 4 Abs 1 Anlage Nr 441 GOÄ, § 4 Abs 1 Anlage Nr 1345 GOÄ, § 4 Abs 1 Anlage Nr 5855 GOÄ, § 4 Abs 2a GOÄ, § 6 Abs 2 GOÄ
Leitsatz
Die zur Behandlung eines Astigmatismus mittels Femtosekundenlasers vorgenommene Korrektur einer Hornhautverkrümmung (Laser-Keratotomie) ist nach Nummer 1345 GOÄ, zu welcher der Zuschlag nach Nummer 441 GOÄ für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen gegebenenfalls hinzukommt, zu honorieren und nicht zusätzlich nach Nummer 5855 GOÄ analog abrechenbar (Fortführung BGH, Urteil vom 14. Oktober 2021 – III ZR 350/20, RuS 2022, 35).
Verfahrensgang
vorgehend LG Hagen (Westfalen), 15. August 2023, Az: 9 S 8/22
vorgehend AG Schwelm, 8. September 2022, Az: 22 C 297/20
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 15. August 2023 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Kosten einer Astigmatismus-Operation unter Verwendung eines Femtosekundenlasers.
2
Der Kläger unterhält bei der Beklagten einen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag. Am 20. Februar 2020 unterzog er sich in einer Augenarztpraxis einem operativen Eingriff an seinem linken Auge, der unter Einsatz eines Femtosekundenlasers durchgeführt wurde. Es wurden eine Katarakt-Operation (Behandlung des Grauen Stars) sowie eine Astigmatismus-Operation (Korrektur einer Hornhautverkrümmung) ausgeführt.
3
Der behandelnde Augenarzt rechnete beide Operationen getrennt ab. Für die Katarakt-Operation stellte er dem Kläger 1.096,84 € in Rechnung, den die Beklagte dem Kläger vollständig erstattete. Für die Astigmatismus-Operation berechnete der Arzt 1.333,94 €. Dabei brachte er neben der Nummer 1345 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (im Folgenden: Nummer … GOÄ) für eine „Hornhautplastik mittels Femto Laser“ und einer weiteren Position die Nummer 5855 GOÄ analog mit einem Teilbetrag in Höhe von 723,93 € für den „Femtosekundenlasereinsatz“ in Ansatz.
4
Der Kläger hat geltend gemacht, die Astigmatismus-Operation sei separat abrechenbar. Für den Einsatz des Femtosekundenlasers habe der behandelnde Augenarzt zutreffend die Nummer 5855 GOÄ analog in Ansatz gebracht.
5
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1.333,94 € nebst Prozesszinsen zu verurteilen. Nachdem die Beklagte, die eine Analogberechnung der Nummer 5855 GOÄ als nicht gerechtfertigt ansieht, ihm unter Zubilligung eines Zuschlags in Höhe von 67,69 € für die ambulante Laseranwendung nach Nummer 441 GOÄ auf die Rechnung vom 14. Juli 2020 einen Teilbetrag in Höhe von 677,50 € erstattet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Das Amtsgericht hat der (restlichen) Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
7
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Dem Kläger stehe kein über die bereits vorgenommene Zahlung der Beklagten hinausgehender Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zu. Soweit die Beklagte von der Erstattung abgesehen habe, sei der Kläger keiner Verbindlichkeit ausgesetzt gewesen, weil die Abrechnung des behandelnden Augenarztes insoweit nicht zulässig gewesen sei. Die Nummer 5855 GOÄ analog sei vorliegend nicht abrechenbar gewesen. Es könne offenbleiben, ob die durchgeführte Femtosekundenlaserbehandlung und die in Nummer 5855 GOÄ geregelte „intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen“ gleichwertig seien. Für eine analoge Anwendung dieser Gebührennummer fehle es an einer selbständigen Leistung durch den Einsatz des Femtosekundenlasers. Dieser habe lediglich der Zielleistung „Hornhautplastik“ gedient, welche nach Nummer 1345 GOÄ abgerechnet worden sei.
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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich des Einsatzes des Femtosekundenlasers bei einer Katarakt-Operation (Hinweis auf Senat, Urteil vom 14. Oktober 2021 – III ZR 350/20, RuS 2022, 35) sei auf den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Astigmatismus-Operation vollständig zu übertragen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Hornhautplastik mittels Femtosekundenlaser oder aber manuell-chirurgisch durchgeführt werden könne. Insoweit gehe die Kammer davon aus, dass unter „Hornhautplastik“ im Sinne von Nummer 1345 GOÄ nicht nur die ursprüngliche, manuell-chirurgische Ausführungsweise zu fassen sei, sondern auch die Operation mittels Femtosekundenlaser. Selbst bei Unterstellung der Ausführungen des Klägers, wonach der Einsatz des Lasers eine berührungsfreie Glättung der Hornhaut ermögliche, sei keine andere Wertung vorzunehmen. Denn eine Hornhautplastik sei eine Operation der Hornhaut, bei der entweder erkranktes Hornhautgewebe durch geeignetes Spendermaterial ersetzt (Transplantation) oder durch lokalisierte physikalische Einwirkung auf Hornhautgewebe eine Veränderung der Hornhautbrechkraft angestrebt werde. Eine physikalische Einwirkung bestehe aber nicht nur dann, wenn im Sinne der manuell-chirurgischen Vorgehensweise Entlastungsschnitte mittels Skalpell gesetzt würden, sondern auch, wenn eine Einwirkung durch die Hitze des Lasers erfolge. Insoweit bleibe die Zielleistung dieselbe, nämlich die Hornhautplastik.
11
Eine Selbständigkeit der Leistung folge nicht daraus, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers präziser und sicherer sei als die manuell-chirurgische Vorgehensweise. Weder eine präzisere Schnittführung noch der Umstand, dass die Operation mittels Lasers für die Gewebestrukturen im Nahbereich der getrübten Linse schonender sei, stellten eine eigenständige Indikation für eine Laserverwendung dar. Eine eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers begründende Umstände seien nicht ersichtlich.
II.
12
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand. Die zur Behandlung eines Astigmatismus mittels Femtosekundenlasers vorgenommene Korrektur einer Hornhautverkrümmung (Laser-Keratotomie) ist nach Nummer 1345 GOÄ, zu welcher der Zuschlag nach Nummer 441 GOÄ für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen gegebenenfalls hinzukommt, zu honorieren und nicht zusätzlich nach Nummer 5855 GOÄ analog abrechenbar. Da der behandelnde Augenarzt die zuletzt genannte Gebührennummer nicht hätte in Rechnung stellen dürfen, hat der Kläger gegen die Beklagte aus dem Krankheitskostenversicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 Satz 1, § 192 Abs. 1 VVG keinen über die bereits geleistete Zahlung hinausgehenden Erstattungsanspruch.
13
1. Auf die von dem behandelnden Augenarzt durchgeführte Astigmatismus-Operation findet – wie in seiner Rechnung vom 14. Juli 2020 mit dem Zusatz „Hornhautplastik mittels Femto Laser“ in Ansatz gebracht – die Nummer 1345 GOÄ Anwendung. Ohne Erfolg rügt die Revision, ausgehend von seiner Definition einer Hornhautplastik hätte das Berufungsgericht dem Klägervortrag zur berührungsfreien Wirkungsweise des Femtosekundenlasers nachgehen müssen, weil dessen Einsatz demzufolge nicht mehr unter die vorgenannte Gebührennummer zu subsumieren sei.
14
a) Die rechtliche Bewertung der Berechtigung einer Gebührenforderung obliegt dem Gericht. Dazu gehört die Auslegung des Leistungsinhalts einer Gebührenvorschrift (zB Senat, Urteil vom 13. Juni 2024 – III ZR 279/23, NJW 2024, 3517 Rn. 25 mwN), die der Senat hier unter geringfügiger Abweichung vom Begriffsverständnis des Berufungsgerichts selbst vornimmt.
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Nummer 1345 GOÄ enthält als Beschreibung der zu vergütenden Leistung allein den Begriff „Hornhautplastik“. Aus dem Sinngehalt dieses zusammengesetzten Wortes sowie der systematischen Stellung in der Gebührenordnung in Abschnitt L Augenheilkunde ergibt sich, dass von der Gebührennummer – im Sinne einer Zielleistung – die funktionsbezogene operative Wiederherstellung oder Änderung der Hornhautform erfasst wird (siehe zur medizinischen Bedeutung des Wortes „Plastik“ Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 269. Auflage; Duden, Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe, 10. Auflage; Brockhaus, Gesundheit; Roche-Lexikon Medizin, 5. Auflage, jeweils Stichwort „Plastik“). Sonstige sich aus der Systematik, dem Telos oder der Gesetzgebungsgeschichte ergebene Aspekte, die zu einer anderen Auslegung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
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Die Revision meint zu Unrecht, „Pschyrembel“ kenne unter dem Stichwort „Plastik“ nur Resektion, Implantation und Transplantation. Diese operativen Verfahren werden, wie sich aus dem vorangestellten „z.B.“ unzweideutig ergibt, lediglich beispielhaft für die als Plastik beschriebene „Wiederherstellung oder Verbesserung der Form oder Funktion von Organen und Organteilen“ genannt (vgl. Pschyrembel aaO). Soweit unter dem Fachausdruck „Keratoplastik“ ausschließlich die Transplantation der Hornhaut beschrieben wird (Kerato als Wortbildungselement mit der Bedeutung Horn oder Hornhaut; vgl. dazu Pschyrembel; Brockhaus; jeweils aaO zum Stichwort „Keratoplastik“), steht einem entsprechend engen Verständnis vom Leistungsinhalt der Nummer 1345 GOÄ entgegen, dass die „Hornhauttransplantation“ unter Nummer 1346 GOÄ durch eine eigene Gebührennummer abgebildet wird. Umgekehrt ist ein weites Verständnis des Leistungsinhalts von Nummer 1345 GOÄ entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb „schief“, weil es begrifflich die Hornhauttransplantation einschließt. Eine ärztliche Leistung kann auch unter mehrere Gebührennummern zu subsumieren sein (vgl. zB Senat aaO Rn. 26).
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b) Gemessen daran ist die zur Behandlung eines Astigmatismus vorgenommene Korrektur einer Hornhautverkrümmung auch dann unter die Nummer 1345 GOÄ zu subsumieren, wenn sie nicht manuell-chirurgisch durch Klingenschnitt, sondern – wie hier – unter Verwendung eines Femtosekundenlasers durch (berührungsfreien) Energieeintrag in das Hornhautgewebe (sogenannte Laser-Keratotomie, vgl. dazu Gedigk/Zach, MPR 2024, 30, 32 f) erfolgt (vgl. Senat, Urteil vom 14. Oktober 2021 aaO Rn. 17; Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Nr. 1345 Rn. 3, Stand: 1. Oktober 2022; Hermanns/Schwartz/von Pannwitz, GOÄ 2025, 19. Aufl., S. 314 f; so auch LG Hildesheim, Urteil vom 21. Januar 2020 – 3 S 8/19, juris Rn. 20; AG Köln, Urteil vom 26. Januar 2022 – 146 C 92/20, juris Rn. 33 ff; aA Gedigk/Zach aaO). Dem Eingriff liegt in beiden Fällen als Zielleistung eine funktionsbezogene operative Änderung der Hornhautform zugrunde.
18
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Hornhautplastik gemäß Nummer 1345 GOÄ als selbständige ärztliche Leistung neben der Durchführung der Katarakt-Operation abrechenbar ist (vgl. Senat aaO; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2021, 109 Rn. 100). Dies zieht die Beklagte, die dem Kläger dementsprechend einen Teilbetrag auf die Rechnung des behandelnden Arztes vom 14. Juli 2020 erstattet hat, in der Revisionsinstanz nicht in Zweifel. Für den Zuschlag nach Nummer 441 gilt dies entsprechend.
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3. Der Einsatz des Femtosekundenlasers bei der Korrektur der Hornhautverkrümmung ist nicht zusätzlich nach Nummer 5855 GOÄ analog abrechenbar.
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a) Dem steht allerdings nicht schon entgegen, dass das Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Ärzte für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei der Durchführung einer Hornhautplastik im Sinne von Nummer 1345 GOÄ keinen eigenen Vergütungstatbestand vorsieht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der mit der Bereitstellung einer solchen Technik verbundene Aufwand bei der Bewertung der Hornhautplastik nach Nummer 1345 GOÄ berücksichtigt worden ist (vgl. Senat aaO Rn. 10 mwN zum Einsatz eines Femtosekundenlasers bei Durchführung einer Katarakt-Operation nach Nummer 1375 GOÄ).
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b) Eine gesonderte Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers durch die analoge Anwendung der Nummer 5855 GOÄ oder eines anderen im Gebührenverzeichnis enthaltenen Gebührentatbestands kommt jedoch nicht in Betracht, weil es insoweit an einer selbständigen ärztlichen Leistung fehlt.
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aa) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ kann der Arzt Gebühren, die nach Abs. 1 Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen sind, nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen. Auch soweit das Gebührenverzeichnis eine bestimmte Leistung nicht aufführt, ist die in § 6 Abs. 2 GOÄ vorgesehene Analogberechnung, das heißt die Heranziehung einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses, nur für selbständige ärztliche Leistungen eröffnet (Senat, Urteile vom 13. Mai 2004 – III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, 143 und vom 14. Oktober 2021 aaO Rn. 12).
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Die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung ist danach zu beurteilen, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht. Dies lässt sich nicht ohne Einbeziehung wertender Gesichtspunkte bestimmen. Hierbei ist neben Berechnungsbestimmungen im Gebührenverzeichnis selbst vor allem das in § 4 Abs. 2a GOÄ niedergelegte Zielleistungsprinzip in den Blick zu nehmen (vgl. Senat, Urteil vom 14. Oktober 2021 aaO Rn. 13). Nach Satz 1 dieser Bestimmung kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet.
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bb) Der Einsatz des Femtosekundenlasers bei der Behandlung des Astigmatismus stellt danach keine selbständige ärztliche Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 2 GOÄ dar.
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(1) Bei der Korrektur einer Hornhautverkrümmung mittels Femtosekundenlaser handelt es sich um keine eigenständige Methode zur Behandlung eines Astigmatismus, sondern um eine „besondere Ausführung“ im Sinne von § 4 Abs. 2a Satz 1 Alt. 2 GOÄ einer Hornhautplastik. Wie bereits ausgeführt (siehe vorstehend unter II 1 a), wird von der Gebührennummer 1345 GOÄ unter diesem abstrakten Begriff als Zielleistung die funktionsbezogene operative Wiederherstellung oder Änderung der Hornhautform erfasst. Da das methodische Vorgehen insoweit nicht näher spezifiziert wird, ist es im Rahmen dieser Zielleistung unerheblich, ob die Verkrümmung der Hornhaut manuell-chirurgisch durch Klingenschnitt oder – wie hier – unter Verwendung eines Femtosekundenlasers durch einen „berührungsfreien Energieeintrag“ in das Hornhautgewerbe korrigiert wird (vgl. Senat aaO Rn. 19). Dass die Lasertechnologie bei der Bewertung der unter der Nummer 1345 GOÄ erfassten Leistung durch den Verordnungsgeber noch nicht bekannt war, steht der Annahme einer (unselbständigen) Ausführungsart einer Hornhautplastik nicht entgegen (vgl. Senat aaO).
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(2) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, die Kommentierung von Brück (Hinweis auf Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Nr. 1345 Rn. 4, Stand: 1. Oktober 2022) zur analogen Anwendbarkeit der Gebührennummer 5855 für refraktiv-chirurgische Eingriffe mit dem Excimer lasse den Rückschluss zu, dass bei manuellen Eingriffen die Form der Hornhaut nicht in Richtung der gewünschten Brechkraft des Auges verändert werden könne. Soweit die Revision damit die Möglichkeit einer manuell-chirurgischen Astigmatismus-Korrektur in Abrede stellen will, steht dem bereits die gegenteilige Feststellung des Berufungsgerichts gemäß § 559 Abs. 2 ZPO entgegen. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Korrektur einer Hornhautverkrümmung auch manuell-chirurgisch durch sogenannte Entlastungsschnitte erfolgen kann (Berufungsurteil S. 6; so unter anderen auch Gedigk/Zach, MPR 2024, 30, 32
[2], unter Hinweis auf Kommission Refraktive Chirurgie [KCR], Bewertung und Qualitätssicherung refraktiv-chirurgischer Eingriffe durch die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft und den Berufsverband der Augenärzte e.V., Stand: Juni 2011, Punkt 3, jetzt: Stand Mai 2024, Punkt 3). Eine auf diese Feststellung bezogene Verfahrensrüge hat die Revision nicht erhoben. Abgesehen davon würde es sich bei der Behauptung, eine Hornhautverkrümmung könne ausschließlich „femto-sekundenlaser-assistiert“ korrigiert werden, gegebenenfalls um neuen Sachvortrag des Klägers handeln, der nach § 559 Abs. 1 ZPO im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich des Verhandlungsprotokolls noch erklärt, es sei durchaus so, dass der Astigmatismus auch per Hand operiert werde.
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Soweit der Einwand der Revision auf eine bessere Steuerbarkeit des Lasers abzielt, kann damit eine selbständige ärztliche Leistung nicht begründet werden. Denn Nummer 1345 GOÄ enthält in Bezug auf Technik und Methode der Ausführung einer Hornhautplastik keine spezifischen Vorgaben (vgl. Senat, Urteile vom 21. Januar 2010 – III ZR 147/09, VersR 2010, 1042 Rn. 10 f und vom 14. Oktober 2021 aaO Rn. 20, jeweils mwN).
28
(3) Der Beschluss des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer zur Abrechnung der Refraktionschirurgie mit Excimerlaser (Deutsches Ärzteblatt 2002, 99, A 144, vgl. auch Brück/Klakow-Franck aaO) führt zu keiner anderen Beurteilung. Gegenstand des Beschlusses sind Abrechnungen einer „Laser-in-situ-Kertomileusis (Lasik) mit Excimer-Laseranwendung“ nach Nummer 1345 GOÄ analog und Nummer 5855 GOÄ analog sowie einer „Photorefraktäre[n] Keratektomie (PRK) mit Excimer-Laseranwendung“ nach Nummer 5855 GOÄ analog. Damit dürfte sich der Beschluss nicht zu der hier in Rede stehenden Durchführung einer Astigmatismus-Korrektur beziehungsweise einer Hornhautplastik mittels Femtosekundenlasers (Laser-Keratotomie) verhalten, so dass der Ausschuss insoweit bislang keinen Beschluss zu einer Analogiebewertung gefasst haben dürfte. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde ein solcher Beschluss mit dem Regelungsgehalt von Nummer 1345 GOÄ und dem Zielleistungsprinzip im Widerspruch stehen.
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cc) Wie der Senat bereits mehrfach betont hat, ist es grundsätzlich Sache des Verordnungsgebers, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von nach Erlass der Verordnung eingetretenen Veränderungen des medizinisch-technischen Standards oder der Fortentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse, die im Gebührenverzeichnis aufgeführten ärztlichen Leistungen zu bewerten (vgl. Senat, Urteile vom 18. September 2003 – III ZR 389/02, NJW-RR 2003, 1639, 1641; vom 5. Juni 2008 – III ZR 239/07, BGHZ 177, 43 Rn. 9 und vom 13. Juni 2024 aaO Rn. 31). Eine Bindung an die Verordnung besteht nur dann nicht, wenn sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht – etwa Art. 3 oder Art. 12 GG – nichtig ist. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Honorierung der Korrektur einer Hornhautverkrümmung bei Einsatz eines Femtosekundenlasers nach den Nummern 441, 1345 GOÄ selbst bei Ausschöpfung des Gebührenrahmens gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 2 GOÄ das Grundrecht des behandelnden Arztes aus Art. 12 GG verletzen würde (vgl. Senat, Urteil vom 14. Oktober 2021 aaO Rn. 27).
Herrmann Kessen Herr
Liepin Ostwaldt