BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 09.04.2025, AZ XII ZB 1/25, ECLI:DE:BGH:2025:090425BXIIZB1.25.0
Verfahrensgang
vorgehend LG Bamberg, 19. Dezember 2024, Az: 43 T 113/24
vorgehend AG Bamberg, 28. November 2024, Az: 5 XVII 932/18
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bamberg vom 19. Dezember 2024 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufgehoben, soweit ihre Beschwerde gegen die vom Amtsgericht Bamberg mit Beschluss vom 28. November 2024 ausgesprochene Genehmigung der Unterbringung durch den Betreuer über den 12. November 2025 hinaus zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Eine Wertfestsetzung (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
1
Die Betroffene wendet sich gegen die gerichtliche Genehmigung ihrer Unterbringung.
2
Die Betroffene leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Auf Antrag ihres Betreuers hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und eines Ergänzungsgutachtens sowie nach Anhörung der Betroffenen deren Unterbringung bis zum 12. November 2026 genehmigt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen ohne erneute persönliche Anhörung zurückgewiesen. Hiergegen wendet diese sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen über den 12. November 2025 hinaus richtet, und ist im Übrigen unbegründet.
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1. Die getroffenen Feststellungen tragen zwar die Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB für die Dauer eines Jahres. Denn unter Bezugnahme auf die vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachten hat das Landgericht für diesen Zeitraum die Situation rechtsbeschwerderechtlich beanstandungsfrei als für die Betroffenen lebensbedrohlich erachtet und damit die für eine Genehmigung der Unterbringung erforderliche ernstliche und konkrete Gefahr für deren Leib und Leben bejaht (vgl. Senatsbeschluss vom 7. August 2024 – XII ZB 69/24 – FamRZ 2024, 1820 Rn. 8 mwN). Die von der Rechtsbeschwerde hiergegen allein erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend befunden.
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2. Zutreffend beanstandet die Rechtsbeschwerde indessen, dass es an einer tragfähigen Begründung für die Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen fehlt, soweit diese die Dauer von einem Jahr übersteigt.
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a) Gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist nach der Rechtsprechung des Senats diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben. Dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der
„Offensichtlichkeit“, dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten (Senatsbeschluss vom 13. November 2024 – XII ZB 282/24 – FamRZ 2025, 383 Rn. 20 mwN).
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b) Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht.
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Konkrete Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass mangels Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung auch nach Ablauf der gesetzlichen Regelhöchstdauer von einem Jahr noch eine Unterbringungsbedürftigkeit bestehen wird, lassen sich den Beschlüssen der Vorinstanzen jedoch nicht entnehmen.
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Das Beschwerdegericht führt hierzu nur aus, bei der Festsetzung der Fristen über die Dauer der Entscheidungen hinsichtlich der freiheitsentziehenden Maßnahmen habe das Gericht die Ausführungen der Sachverständigen berücksichtigt und gehe davon aus, dass sich der Gesundheitszustand aufgrund des Krankheitsbildes bis zur erneuten Überprüfung nicht wesentlich verbessern werde. In dem vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Sachverständigengutachten wird zur Unterbringungsdauer lediglich ohne weitere Begründung ausgeführt, dass aus fachärztlicher Sicht eine Unterbringung der Betroffenen für drei Jahre sinnvoll und nötig sei und nach dieser Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung bezüglich der geschlossenen Unterbringung erfolgen solle. Weshalb durch Therapiemaßnahmen während einer zunächst auf ein Jahr begrenzten Unterbringung eine Verbesserung des Krankheitsbildes der Betroffenen nicht zu erwarten ist, erschließt sich aus den Entscheidungsgründen nicht. Auch das Sachverständigengutachten verhält sich hierzu nicht. Schließlich wird auch in der vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Entscheidung des Amtsgerichts zur Unterbringungsdauer allein ausgeführt, dass das Gericht bei der Festsetzung der Dauer der Maßnahme die Ausführungen der Sachverständigen berücksichtigt habe. Dies vermag die vom Gesetz geforderte
„offensichtlich“ lange, mehr als ein Jahr währende Unterbringungsbedürftigkeit nicht zu rechtfertigen.
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3. Die angefochtene Entscheidung kann somit im Umfang der Aufhebung keinen Bestand haben. Der Senat kann insoweit nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Die Sache ist daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur Nachholung der notwendigen Feststellungen über die Unterbringungsdauer an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
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- RiBGH Prof. Dr. Klinkhammer ist
wegen Urlaubs an der
Signatur gehindert.Guhling - Günter
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