Beschluss des BGH 2. Zivilsenat vom 11.03.2025, AZ II ZR 120/24

BGH 2. Zivilsenat, Beschluss vom 11.03.2025, AZ II ZR 120/24, ECLI:DE:BGH:2025:110325BIIZR120.24.0

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 7. September 2022, Az: 9 U 108/21
vorgehend LG Lübeck, 22. Juni 2021, Az: 13 HKO 63/20

Tenor

Das Verfahren ist weiterhin unterbrochen.

Gründe

I.

1

Die Kläger sind Gesellschafter der Beklagten zu 1, einer GmbH, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Sie wenden sich gegen einen Gesellschafterbeschluss vom 26. August 2020 über die Abberufung des Klägers zu 1 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 31. Januar 2023 die Unterbrechung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens im Verhältnis zur Beklagten zu 1 festgestellt, nachdem dieser ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZR 169/22, WM 2023, 525).

2

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2024 haben die Kläger das Verfahren unter Vorlage einer Erklärung des Insolvenzverwalters, die Aufnahme des Rechtsstreits abzulehnen, aufgenommen.

II.

3

Das Verfahren ist durch die Erklärung der Kläger nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.

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1. Über einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der von dem Kläger erklärten Aufnahme ist im Beschwerdeverfahren entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 5; Beschluss vom 10. Mai 2016 – XI ZR 46/14, ZIP 2016, 1655 Rn. 8; Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZR 169/22, WM 2023, 525 Rn. 8).

5

2. Das Verfahren ist mit der Erklärung der Kläger vom 24. Oktober 2024 nicht wirksam aufgenommen worden.

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a) Es handelt sich nicht um einen Rechtsstreit über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen, § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO, so dass das Verfahren nicht nach § 85 Abs. 2 InsO aufgenommen werden kann.

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aa) Die Frage, ob ein Aktivprozess im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO oder ein nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallender Passivprozess vorliegt, ist nicht nach der formellen Parteirolle zu beantworten, sondern danach, ob in dem anhängigen Rechtsstreit über die Pflicht zu einer Leistung gestritten wird, die in die Masse zu gelangen hat (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 – VII ZR 101/14, BGHZ 217, 103 Rn. 14 mwN). Für die Einordnung als Aktivprozess kommt es darauf an, ob ein Vermögensrecht für den Schuldner und damit zu Gunsten der späteren Teilungsmasse in Anspruch genommen wird (BGH, Urteil vom 27. März 1995 – II ZR 140/93, ZIP 1995, 643 f.; Beschluss vom 10. Mai 2016 – XI ZR 46/14, ZIP 2016, 1655 Rn. 10).

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bb) In dem Rechtsstreit, in dem die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses über die Abberufung des Klägers zu 1 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 festgestellt werden soll, wird kein Vermögensrecht zu Gunsten der späteren Teilungsmasse in Anspruch genommen. Die Betroffenheit der Insolvenzmasse beruht im Streitfall darauf, dass die Kläger geltend machen, es seien im Fall der Feststellung der Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses Ansprüche des Klägers zu 1 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und auch als Gesellschafter gegen die Beklagte zu 1 in Betracht zu ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZR 169/22, WM 2023, 525 Rn. 14 f.).

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b) Eine Aufnahme des Rechtsstreits nach § 86 Abs. 1 InsO kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um einen Rechtsstreit im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsO handelt. Die Betroffenheit der Insolvenzmasse beruht auf Ansprüchen, die vom Kläger zu 1 als Insolvenzforderungen nach §§ 174 ff. InsO geltend gemacht werden können. Der Kläger zu 1 berühmt sich auf Schadensersatz gerichteter Ansprüche, die einheitlich auch hinsichtlich etwaiger künftiger Nachteile mit dem haftungsbegründenden Ereignis zur Entstehung gelangen und damit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet i.S.v. § 38 InsO sein würden (vgl. RGZ 87, 82, 84 f.; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 11 Rn. 143). Aus der von den Klägern angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 – VII ZR 101/14, BGHZ 217, 103 Rn. 14) lässt sich keine weiter reichende Befugnis zur Aufnahme eines Passivprozesses ableiten.

10

c) Entgegen der Sicht der Kläger bezieht sich der Rechtsstreit angesichts der Ansprüche, derer sich der Kläger zu 1 berühmt, nicht auf einen insolvenzfreien Verfahrensgegenstand. Der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1 hat im Übrigen keine auf die Freigabe des streitbefangenen Gegenstands gerichtete Erklärung abgegeben, sondernlediglich mitgeteilt, die Aufnahme des Rechtsstreits abzulehnen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – XI ZR 46/14, ZIP 2016, 1655 Rn. 13).

Born                         Wöstmann                         Bernau

            Sander                                Adams

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