BVerwG 10. Senat, Beschluss vom 13.02.2025, AZ 10 VR 2/25, ECLI:DE:BVerwG:2025:130225B10VR2.25.0
§ 123 VwGO
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1
Der Antragsteller ist Redakteur einer Tageszeitung. Er begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Auskünfte vom Bundesnachrichtendienst (BND). Diese betreffen die etwaige Durchführung von und Details zu vertraulichen Hintergrundgesprächen von BND-Mitarbeitern mit Journalisten bei der Münchner Sicherheitskonferenz vom 14. bis 16. Februar 2025.
2
Der Antragsteller hat entsprechende Auskunftsbegehren zunächst am 10. und 11. Februar 2025 an die Antragsgegnerin gerichtet. Diese hat mit E-Mail vom 11. Februar 2025 mitgeteilt, dass Auskünfte hinsichtlich zukünftiger, noch nicht stattgefundener, geplanter oder nicht geplanter Termine nicht unter den presserechtlichen Auskunftsanspruch fielen.
3
Mit dem Antrag vom selben Tag beantragt der Antragsteller,
ihm Auskunft zu den folgenden Fragen zu erteilen:
1. Liegen dem Bundesnachrichtendienst (BND) Informationen einschließlich dienstliche Kenntnisse sachlich zuständiger BND-Mitarbeiter vor, wonach der BND im Zusammenhang mit der vom 14. Februar bis zum 16. Februar 2025 stattfindenden „Münchner Sicherheitskonferenz“ (MSC) die Durchführung von vertraulichen Hintergrundgesprächen mit Journalisten in München plant bzw. dies beabsichtigt?
2. Wann und wo sollen die unter 1. bezeichneten Hintergrundgespräche nach den dem BND vorliegenden Informationen stattfinden? (Datum/Uhrzeit/genaue Ortsangabe)
3. Wie viele Einzelgespräche und wie viele Gruppengespräche mit mehreren beteiligten Journalisten sind nach den dem BND vorliegenden Informationen jeweils geplant?
4. Ist bei den zu 1. bezeichneten Hintergrundgesprächen nach den dem BND vorliegenden Informationen die militärische Situation in der Ukraine als Thema vorgesehen?
5. Stellt der BND nach den dem BND vorliegenden Informationen Mitarbeiter des BND bereit, die in München zu dem unter 4. bezeichneten Thema fachliche Auskünfte an Journalisten erteilen können?
6. Wie viele und welche Journalisten welcher Medien hat der BND anlässlich der „Münchner Sicherheitskonferenz“ nach den dem BND vorliegenden Informationen zu einem Hintergrundgespräch im kleinen Kreis (Gruppengespräch) in München eingeladen?
4
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
5
Sie macht geltend, dass weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht seien.
II
6
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
7
Das gemäß § 123 Abs. 2 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zuständige Bundesverwaltungsgericht kann die begehrte einstweilige Anordnung erlassen, wenn der Antragsteller insoweit einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO).
8
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestattet dem Gericht, eine vorläufige Regelung in Bezug auf ein Rechtsverhältnis zu erlassen, wenn dies u. a. zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes muss der Antragsteller eine besondere Eilbedürftigkeit der Sache deutlich machen, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbar macht. Da das Gesetz nur eine vorläufige Regelung durch das Gericht erlaubt, sind Regelungen, die die Hauptsache vorwegnehmen und nicht umkehrbar sind, dem Grunde nach ausgeschlossen. Etwas Anderes kann nur gelten, wenn dies etwa zur Wahrung der Grundrechte des Antragstellers erforderlich erscheint. In presserechtlichen Auskunftsverfahren führt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Wege der einstweiligen Anordnung regelmäßig zur Vorwegnahme der Hauptsache. Dies ist gleichwohl mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, zulässig, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Der Verweis auf das Hauptsacheverfahren darf nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2024 – 10 VR 1.24 – NVwZ 2024, 1773 Rn. 15).
9
Der Antragsteller hat ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Berichterstattung nicht glaubhaft gemacht. Die von ihm erbetenen Auskünfte betreffen weitgehend organisatorische und nicht inhaltliche Fragen der Pressearbeit der Antragsgegnerin. Es ist aufgrund der Darlegungen des Antragstellers und auch auf sonstiger Grundlage nicht erkennbar, inwiefern hieran ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht, zumal die etwaigen Gespräche mit Journalisten noch nicht stattgefunden haben, sondern in der nahen Zukunft vom Antragsteller vermutet werden.
10
Soweit allein Frage 4 auch einen inhaltlichen Gegenstand hat, ist ebenfalls kein gesteigertes öffentliches Interesse glaubhaft gemacht. Unterstellt, es finden die vom Antragsteller vermuteten Pressekontakte auf der Münchner Sicherheitskonferenz statt, ist es mehr als naheliegend, dass hierbei auch die militärische Situation in der Ukraine ein Thema sein wird. Allein an dieser Information kann kein gesteigertes öffentliches Interesse bestehen, beschreibt sie doch eine Selbstverständlichkeit ohne maßgeblichen Informationsgewinn.
11
Der Antragsteller versucht zudem ein gesteigertes öffentliches Interesse dadurch zu begründen, dass er eine Rechercheabsicht beschreibt, die „darauf abzielt herauszufinden, ob der BND in Hintergrundgesprächen auf entsprechende Darstellungen in den Medien einwirkt bzw. diese durch vertrauliche Informationserteilung mitbeeinflusst, um im Sinne des Bundeskanzleramts zu suggerieren, dass die militärische Situation in der Ukraine aussichtslos sei und eine militärische Unterstützung nichts mehr bringe“. Auskünfte hierzu hatte der Antragsteller zum Gegenstand des oben zitierten Verfahrens (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2024 – 10 VR 1.24 – NVwZ 2024, 1773) gemacht. Diesbezüglich hatte der Senat auch vor dem Hintergrund aktueller Berichterstattung, die Hinweise auf ein solches Informationsverhalten des BND lieferte, einen Anordnungsgrund bejaht. Wegen des engen Sachzusammenhangs zu dieser inhaltlichen Frage, welche weltweit höchste Aufmerksamkeit genoss, hatte der Senat auch einen Anordnungsgrund bezüglich vermeintlich zugehöriger Pressehintergrundgespräche bejaht.
12
Mit dem vorliegenden Antrag werden jedoch allein organisatorische Fragen möglicher Pressehintergrundgespräche zum Streitgegenstand erhoben. Eine Verbindung zu inhaltlichen Fragen, die ein gesteigertes öffentliches Interesse unter Umständen begründen könnten, ist nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere würden die erbetenen Auskünfte keinen Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die vom Antragsteller behauptete inhaltliche Beeinflussung der Medienberichterstattung liefern, namentlich dass eine militärische Unterstützung der Ukraine nichts mehr brächte.
13
Schließlich ist auch nicht davon auszugehen, dass die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes im o. g. Sinne dazu führt, dass die begehrten Auskünfte für den Antragsteller nur noch von historischem Interesse sind. Es ist gerichtsbekannt, dass der Antragsteller seit Jahren zu Pressehintergrundgesprächen der Antragsgegnerin recherchiert. Anzunehmen, dass die erbetenen Auskünfte für ihn allein bei sofortigem Erhalt einen Wert haben, ist schon aus diesem Grund nicht naheliegend.
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
15
Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstands beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Von der regelmäßigen Halbierung dieses Werts im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde abgesehen, weil der Antragsteller der Sache nach eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.