Verhandlungstermin am 19. Februar 2025 um 10.00 Uhr in Sachen VIII ZR 138/23 (Musterfeststellungsklage – bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten) (Pressemeldung des BGH)

Verhandlungstermin am 19. Februar 2025 um 10.00 Uhr in Sachen VIII ZR 138/23 (Musterfeststellungsklage – bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten)

Ausgabejahr2025
Erscheinungsdatum24.01.2025

Nr. 013/2025

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage, ob eine Inkassovergütung einen ersatzfähigen Verzugsschaden darstellt, wenn es sich bei dem von dem Gläubiger mit der Einziehung der jeweils gegen Verbraucher gerichteten Forderung beauftragten Inkassodienstleister um ein mit ihm im Sinne von § 15 AktG verbundenes Unternehmen handelt (sogenanntes Konzerninkasso) und die zwischen diesen beiden Gesellschaften getroffenen Vereinbarungen dazu führen, dass eine (unmittelbare) Zahlung der Vergütung durch den Gläubiger an den Inkassodienstleister im Regelfall ausscheidet.

Sachverhalt:

Der Musterkläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 28 weiterer Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland. Die Musterbeklagte ist ein Konzernunternehmen, dessen Geschäftsgegenstand unter anderem der Erwerb von Forderungen ist.

Mit der Einziehung ihrerseits erworbener Forderungen beauftragt die Musterbeklagte regelmäßig eine Schwestergesellschaft, die Inkassodienstleistungen erbringt. Nach der zwischen diesen beiden Gesellschaften getroffenen Rahmenvereinbarung macht die Inkassodienstleisterin die – bis zur erfolgreichen Einziehung beim Schuldner im Verhältnis zu der Musterbeklagten gestundete – Inkassovergütung als Verzugsschaden gegenüber dem jeweiligen Schuldner geltend und behält den entsprechenden Betrag ein, wenn der Schuldner die Forderung erfüllt, während andernfalls – wenn der Schuldner die Forderung nicht erfüllt – die Musterbeklagte ihren entsprechenden Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schuldner an die Inkassodienstleisterin an Erfüllungs statt abtritt. Die Höhe der Vergütung richtet sich dabei vereinbarungsgemäß nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

In dem Zeitraum von Februar 2020 bis einschließlich April 2021 machte die Inkassodienstleisterin im Auftrag der Musterbeklagten gegenüber zahlreichen Verbrauchern Forderungen geltend, mit deren Erfüllung der jeweilige Schuldner bereits zuvor in Verzug geraten war. Neben der Hauptforderung verlangte die Musterbeklagte von den Schuldnern jeweils Verzugszinsen sowie – für die Einziehungstätigkeit der Inkassodienstleisterin – die Erstattung einer Inkassovergütung in Höhe einer 1,3-fachen Gebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (VV RVG).

Der Musterkläger begehrt die Feststellung, dass die gegenüber Verbrauchern für die Beauftragung der Inkassodienstleisterin als Vergütung geltend gemachten Kosten keinen ersatzfähigen Verzugsschaden der Musterbeklagten darstellen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das im Musterfeststellungsverfahren erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben.

Ein Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten scheide vorliegend aus. Denn die gegenüber den Verbrauchern geltend gemachte „Inkassovergütung“ stelle nicht einen im Sinne der §§ 249 ff. BGB ersatzfähigen Verzugsschaden dar. Rechtsverfolgungskosten seien grundsätzlich nämlich nur dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte im Innenverhältnis zu dem für ihn tätigen Rechtsdienstleister zur Zahlung der dem Schuldner in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet sei. Das sei hier nicht der Fall, da es gemäß den zwischen der Musterbeklagten und der Inkassodienstleisterin getroffenen Abreden letztlich ausgeschlossen sei, dass die Musterbeklagte die vereinbarte Inkassovergütung an die Inkassodienstleisterin zu bezahlen habe.

Bei einem solchen Vergütungsmodell trage der die Abtretung des die Inkassokosten betreffenden Schadensersatzanspruchs an Erfüllungs statt annehmende Inkassounternehmer das Risiko, den geltend gemachten Vergütungsanspruch auch tatsächlich beim Schuldner realisieren zu können. Hierbei werde die Tätigkeit des Inkassodienstleisters faktisch durch die Zahlungen der leistenden Schuldner vergütet, die damit zugleich die gescheiterte Rechtsdurchsetzung gegenüber den nicht zahlenden Schuldnern finanzierten.

Das vereinbarte Vergütungsmodell bewirke außerdem, dass der durch die Inkassodienstleisterin gegenüber den Verbrauchern konkret geltend gemachte Schaden bei der Musterbeklagten nicht entstanden sei. Denn es fehle an einer Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese. Da sich die Musterbeklagte der Belastung mit der (zugleich gestundeten) Vergütungsforderung durch die Erfüllungsabrede innerhalb derselben Vereinbarung wieder entledige, entstehe ihr in schadensrechtlicher Hinsicht kein Nachteil.

Auch die Grundsätze der schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung, die dazu dienten, eine ansonsten eintretende unbillige Entlastung des Schädigers durch Leistungen eines Dritten zu vermeiden, seien hier nicht zu Gunsten der Musterbeklagten zur Anwendung zu bringen. Denn eine etwaige Unbilligkeit sei durch die gewählte Vergütungsstruktur widerlegt; der Musterbeklagten sei es ohne weiteres möglich, eine andere, rechtlich zulässige Vergütungsstruktur zu wählen.

Für eine Verneinung eines Anspruchs der Musterbeklagten auf Zahlung eines Verzugsschadensersatzes sprächen schließlich auch die Wertungen des Wettbewerbsrechts. Dort stelle es ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch dar, wenn der beauftragte Anwalt das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ betreibe, insbesondere den Auftraggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise freistelle. Zwar werde die Verwerflichkeit in jenen Fällen in erster Linie damit begründet, dass die Geltendmachung von Ansprüchen vorwiegend dazu diene, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Demgegenüber gehe es der Musterbeklagten um die Reduzierung eigener Forderungsausstände. Da die Kosten der Rechtsverfolgung jedoch einem konzernverbundenen Unternehmen zu Gute kämen, seien die Wertungen des Wettbewerbsrechts in der vorliegenden Konstellation durchaus in den Blick zu nehmen.

Mit ihrer Revision verfolgt die Musterbeklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Vorinstanz:

OLG Hamburg – 3 MK 1/21 – Urteil vom 15. Juni 2023

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

[…]

§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

[…]

§ 286 Verzug des Schuldners

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. […]

[…]

Rechtsdienstleistungsgesetz

§ 2 Begriff der Rechtsdienstleistung

(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

[…]

(3) Rechtsdienstleistung ist nicht:

[…]

6. die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes).

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz

§ 4 Vergütung der registrierten Personen

(in der bis zum 30. September 2021 geltenden Fassung)

[…]

(5) Die Inkassokosten von Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes), für außergerichtliche Inkassodienstleistungen, die eine nicht titulierte Forderung betreffen, sind nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehenden Vergütung erstattungsfähig.

Karlsruhe, den 24. Januar 2025

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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