Testa Rossa1. Es liegt keine bösgläubige Markenanmeldung vor, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer neuen Fallgruppe… (Beschluss des BPatG München 29. Senat)

BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 15.01.2025, AZ 29 W (pat) 14/21, ECLI:DE:BPatG:2025:150125B29Wpat14.21.0

Leitsatz

Testa Rossa

1. Es liegt keine bösgläubige Markenanmeldung vor, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer neuen Fallgruppe der „funktionswidrigen Anmeldung“.

2. Zum Verhältnis der bösgläubigen Markenanmeldung und dem Sonderschutz bekannter Marken.

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundespatentgerichts:
Rechtsbeschwerde eingelegt: I ZB 6/25 –

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 070 212

(Löschungsverfahren S 40/17 Lösch)

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2024 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Lachenmayr-Nikolaou und den Richter Posselt beschlossen:

1. Die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenbeschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin zu 1 und Beschwerdegegnerin zu 2 (im Folgenden als „Beschwerdeführerin“ bezeichnet) wendet sich gegen die Zurückweisung ihres auf die Bösgläubigkeit der Markenanmeldung gestützten Löschungsantrags gegen die Marke 30 2013 070 212 „Testa Rossa“ durch die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), während sich die Beschwerde des Beschwerdegegners zu 1 und Beschwerdeführers zu 2 (im Folgenden als „Beschwerdegegner“ bezeichnet) gegen die Zurückweisung seines Kostenantrags richtet.

2

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine bekannte italienische Herstellerin von Sportwagen und Formel-1-Fahrzeugen, die bereits in den 1950er Jahren die Marke „Testa Rossa“ für einen Frontmotor-Rennwagen benutzt hat. Von 1984 bis 1991 hat sie das Serienmodell „Testarossa“, von 1991 bis 1994 das Modell „512 TR“ und von 1994 bis 1996 den „F 512 M“ produziert. Insgesamt wurden mehr als 7.000 Modelle der Serie gebaut.

3

Der Beschwerdegegner ist Vorstand der X … AG und seit ca. 50 Jahren u. a. in der Spielzeug- und Modellautobrancheunternehmerisch tätig. Seit Jahrzehnten finden juristische Auseinandersetzungen insbesondere wegen Lizenzforderungen aufgrund der Wiedergabe von Herstellermarken auf Modellspielzeug zwischen ihm – teilweise gemeinsam mit dem Y … e.V. und anderen Herstellern von Spielzeug- und Modellautos – auf der einen Seite und Automobilherstellern auf der anderen Seite statt.

4

Gegen mehrere zugunsten der Beschwerdeführerin eingetragener „Testarossa“-Marken hat der Beschwerdegegner in der Vergangenheit Löschungsanträge wegen Verfalls gestellt. Diesbezüglich werden zwischen den Beteiligten diverse Rechtsstreitigkeiten geführt:

5

Die Wortmarke IR 910 752 „TESTAROSSA“ mit Zeitrang vom 6. Oktober 2006, die u. a. in der EU Schutz genießt, wurde zugunsten der Beschwerdeführerin eingetragen für Waren der Klassen 12 und 28. Auf zwei Löschungsanträge des Beschwerdegegners wegen Verfalls vom 14. November 2014 (bzgl. Waren der Klasse 28) und vom 7. September 2015 (bzgl. Waren der Klasse 12) hat das EUIPO die Marke IR 910 752 mit Benennung der Europäischen Union in der Beschwerdeinstanz für sämtliche Waren gelöscht (vgl. Entscheidung der 5. BK des EUIPO vom 29.08.2023, Az. R 334/2017-5 und R 343/2017-5 bzgl. Waren der Klasse 12 sowie Entscheidung der 5. BK des EUIPO vom 29.8.2023 – R 887/2016-5 bzgl. Waren der Klasse 28). In beiden Verfahren hat die hiesige Beschwerdeführerin Klage zum EuG erhoben (EuG T-1103/23 und EuG T-1104/23), mit dem Ziel des Fortbestands des Markenschutzes für die Waren der Klasse 12 „
vehicles; structural and replacement parts, components and accessories therefor all included in this class; engines“ und der Klasse 28 „
scale toy land motor vehicles“. Über die Klagen war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch nicht entschieden.

6

Ebenso ist die Beschwerdeführerin Inhaberin zweier Wort-/Bildmarken
Abbildung, gegen die der Beschwerdeführer im Jahr 2015 ebenfalls Löschungsanträge wegen Verfalls gestellt hat, nämlich der Wort-/Bildmarke DE1158448
AbbildungAbbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen mit Zeitrang 22. Juli 1986 und der Wort-Bildmarke IR 515 107
Abbildung mit Zeitrang 22. Juli 1987, die jeweils für Waren der Klasse 12 eingetragen wurden. In zweiter Instanz hat das Oberlandesgericht Düsseldorf – unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich auf seinen Vorlagebeschluss ergangenen Entscheidung des EuGH (GRUR 2020, 1301 – testarossa) – die erstinstanzlichen Entscheidungen des Landgerichts Düsseldorf insoweit abgeändert, als die Beschwerdeführerin zur Einwilligung in die Schutzentziehung der Wort-Bildmarke IR 515107 auch für die Waren in Kl. 12 „automobiles et leur parties“ (OLG Düsseldorf I-20 U 131/17, Urteil vom 24.02.2022, Bl. 112 Rücks. ff. d. A.) bzw. zur Einwilligung in die Löschung der Wort-/Bildmarke DE 1158448 auch für die Waren in Klasse 12 „Automobile und Teile davon“ (OLG Düsseldorf I-20 U 132/17, Urteil vom 24.02.2022, Bl. 119 Rücks. ff. d. A.) verurteilt worden war. Insoweit wurden die Klagen des hiesigen Beschwerdegegners abgewiesen und die weitergehenden Berufungen wurden zurückgewiesen. Die gegen die beiden Urteile des OLG Düsseldorf vom 24. Februar 2022 gerichteten Nichtzulassungsbeschwerden des hiesigen Beschwerdegegners hat der Bundesgerichtshof mit Beschlüssen vom 10. November 2022 verworfen (Az. I ZR 38/22 und I ZR 39/22, Bl. 145 f. d. A.) sowie die hiergegen gerichteten Anhörungsrügen mit Beschlüssen vom 7. Februar 2023 verworfen. Gegen die Beschlüsse des BGH vom 10. November 2022 und 7. Februar 2023 hat der Beschwerdegegner Verfassungsbeschwerden eingelegt, über die jeweils noch nicht entschieden wurde (Bl. 197 ff. d. A. + Bl. 203 Rücks. ff. d. A.).

7

Der Beschwerdegegner hat zudem sieben weitere „Testa Rossa“-Marken für verschiedene Waren der Klassen 3, 7, 9, 8, 12, 14, 16, 18, 21, 25, 28 und Dienstleistungen der Klasse 37 beim EUIPO und beim DPMA angemeldet bzw. eintragen lassen. Zwischen den Beteiligten sind laut Register weitere Widerspruchsverfahren bzgl. „Testarossa“- bzw. „Testa Rossa“-Marken anhängig, zum Teil bereits in der Beschwerdeinstanz (Widerspruch des hiesigen Beschwerdegegners gegen die Anmeldung der Wortmarke UM 016 413 478 „TESTAROSSA“ der Beschwerdeführerin; Widerspruch der hiesigen Beschwerdeführerin gegen die Anmeldungen der Marken „Testa Rossa“ UM 017 750 589, UM 017 750 605 und UM 017 750 613 des Beschwerdegegners; Widersprüche und Löschungsanträge der hiesigen Beschwerdeführerin gegen die Marken des Beschwerdegegners DE 30 2017 030 193 „Testa Rossa“ (Beschwerdeverfahren 28 W (pat) 37/21), DE 30 2017 108 126 „Testa Rossa“ (Beschwerdeverfahren 30 W (pat) 48/21) und DE 30 2017 225 703 Testa Rossa (Beschwerdeverfahren 30 W (pat) 46/21). Gegen die Anmeldung der Marke „Testa Rossa“ UM 013 019 047 durch den Beschwerdegegner wurde von einem Dritten Widerspruch eingelegt.

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Das am 27. Dezember 2013 angemeldete verfahrensgegenständliche Zeichen

9

Testa Rossa

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ist am 2. März 2015 zugunsten des Beschwerdegegners für die nachfolgend genannten Waren unter der Nr. 30 2013 070 212 als Wortmarke in das beim DPMA geführte Markenregister eingetragen worden:

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Klasse 07: Elektrische Bohnergeräte; elektrische Bohnermaschinen; elektrische Bohnerapparate; elektrische Bohrmaschinen; Brotschneidemaschinen; Bügelmaschinen; Dynamos für Fahrräder; Gemüse-Raspelmaschinen; nicht handbetriebene Handwerkzeuge; Hochdruckreiniger; nicht handbetriebene Kaffeemühlen; Kettensägen; Klebepistolen; elektrische Küchenmaschinen; Staubsaugerschläuche; Staubsaugerzubehör zum Versprühen von Duftstoffen und Desinfektionsmitteln; Waschapparate; Wäschewaschmaschinen; Waschmaschinen; Waschanlagen für Fahrzeuge; Müll-Zerkleinerer; elektrische Zerkleinerungsgeräte für den Haushalt; Zentrifugen;

12

Klasse 08: Nicht elektrische Handwerkzeuge aus Eisen; elektrische und nicht elektrische Epiliergeräte; Messerschmiedewaren; Essbesteck; Etuis für Rasierapparate; Farbenspatel; Hämmer; Feilen; nicht elektrische handbetätigte Frisiergeräte; kleine Gartenmesser; Gartenscheren; handbetätigte Gartenwerkzeuge; Gemüsehobel; handbetätigte Handwerkzeuge; Haarbrenneisen; elektrische und nicht elektrische Haarentfernungsgeräte; elektrische und nicht elektrische Haarschneidemaschinen; Hacken; Hackmesser; Handbohrer; Handpumpen; Handsägen; Harken; handbetätigte Heckenscheren; Hobel; Jagdmesser; Laubsägen; elektrische und nicht elektrische Maniküre-Necessaires; Messer; elektrische und nicht elektrische Nagelfeilen; Nagelhautzangen; elektrische und nicht elektrische Fingernagel-Polierer; Pediküre-Necessaires; Rasier-Necessaires; Ohrlochstechgeräte; Pinzetten; Pinzetten zum Epilieren; handbetätigte Rasenmäher; elektrische oder nicht elektrische Rasierapparate; Rasierklingen; Rasiermesser;

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Klasse 12: Fahrräder; Elektrofahrräder; E-Bikes; Elektrofahrzeuge; Fahrradbremsen; Zweiradbremsen; Fahrtrichtungsanzeiger für Fahrräder; Fahrradfelgen; Fahrradglocken; Fahrradketten; Fahrradklingeln; Fahrradkörbe; Fahrradlenkstangen; Fahrradmotoren; Fahrradnaben; Fahrradnetze; Fahrradpedale; Fahrradpumpen; Fahrradräder; Fahrradrahmen; Fahrradreifen; schlauchlose Fahrradreifen; Fahrradsättel; Bezüge für Fahrradsättel; Fahrradschläuche; Fahrradspeichen; alle vorbezeichneten Waren auch für Elektrofahrräder;

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Klasse 18: Badetaschen;

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Klasse 21: Haushaltsgeräte;

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Klasse 28: Angelgeräte; Angelhaken; Angeln; Angelrollen; Angelruten; Angelschnüre [Vorfächer]; Autorennbahnen; Bobs; Bodybuilding-Geräte; Bögen zum Bogenschießen; Boxhandschuhe; Eislaufstiefel; Ellbogenschützer; Expander; Fahrrad-Heimtrainer; Rollen für Fahrrad-Heimtrainer; Federballspiele; Gesellschaftsspiele; Golfhandschuhe; Golfschläger; Golftaschen [mit oder ohne Räder]; Hanteln; Haspeln für Drachen; Modell-Fahrzeuge, Modell-Schiffe, Modell-Hubschrauber, Modell-Raketen und Modell-Flugzeuge, alles mit oder ohne elektrischen Antrieb; Netze; Wurf-Pfeile; Reusen; Rodelschlitten; Roller; Rollschuhe; Saiten für Schläger; Schläger; Schlittschuhe; Schlittschuhstiefel; Schienbeinschützer; Skibeläge; Skibindungen; Snowboards; Schwimmer [Angelzubehör]; Schwimmflossen; Skateboards; Skier; Spielwaren; Surfbretter.

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Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdeführerin am 1. Juli 2015 zunächst Widerspruch eingelegt sowohl aus einer Benutzungsmarke „Testa Rossa“ mit Zeitrang 1. Januar 1957 als auch aus der IR-Marke 910 752 „TESTAROSSA“.

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Am 28. Februar 2017 hat die Beschwerdeführerin sodann die vollständige Löschung der Marke DE 30 2013 070 212 wegen Nichtigkeit gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. beantragt. Zudem hat sie angeregt, die angegriffene Marke wegen offensichtlich bösgläubiger Anmeldung von Amts wegen zu löschen.

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Die Markenstelle für Klasse 28 des DPMA hat den Beteiligten mit Schreiben vom 2. März 2017 mitgeteilt, dass das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf den zwischenzeitlich gestellten Löschungsantrag zurückgestellt werde, und die Antragstellerin mit Schreiben vom 15. März 2017 darüber unterrichtet, dass eine Löschung von Amts wegen nicht in Betracht komme.

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Zur Begründung ihres Löschungsantrags hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin vorgetragen, der Antragsgegner habe die angegriffene Marke in Kenntnis der älteren Rechte der Antragstellerin bewusst mit dem Ziel angemeldet, den ausgezeichneten Ruf und die Bekanntheit der Marke „Testarossa“ in unlauterer Weise für seine eigenen geschäftlichen Interessen auszubeuten und von ihrer Wertschätzung zu profitieren. Zugleich beabsichtige der Antragsgegner, den Besitzstand der Antragstellerin zu stören und die Antragstellerin selbst an der weiteren Verwendung ihrer älteren Marken zu hindern.

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Ein die Bösgläubigkeit begründendes parasitäres Schmarotzen am guten Ruf sei selbst dann zu bejahen, wenn die Benutzung einer Marke eingestellt werde und nur noch eine gewisse Restbekanntheit vorliege (Verweis auf EuG GRUR Int. 2014, 1047 – Simca). Die Marke „Testarossa“ der Antragstellerin sei demgegenüber weiterhin weltberühmt. Sie kennzeichne eines der erfolgreichsten Automodelle der Antragstellerin, welches zu einer Ikone der Automobilgeschichte geworden sei. „Testarossa“ sei regelmäßig Thema in den Massenmedien und stehe ungebrochen für höchsten Luxus und Exklusivität, gleichsam symbolhaft für Ferrari. Bei den von 1984 bis 1991 gebauten Serienmodell „Testarossa“ sei die Marke am Heck der Fahrzeuge, bei den folgenden Modellen „512 TR“ (1991 bis 1994) und „F 512 M (1994 bis 1996) auf dem Motor angebracht worden. Mit mehr als 7.000 produzierten Fahrzeugmodellen dieser Serie gehöre der „Testarossa“ zu den meistgebauten Ferraris überhaupt. Die Zahl von 7.000 Stück sei hoch, da die Beschwerdeführerin die Produktion und den Verkauf von Fahrzeugen absichtlich limitiere. Die Marke „Testarossa“ genieße in der öffentlichen Wahrnehmung, insbesondere bei Liebhabern von Sportwagen und Rennsportbegeisterten, Berühmtheit und nach wie vor allerhöchste Wertschätzung. Sie sei in den 1980er Jahren durch die Verwendung in der Serie „Miami Vice“ zur Ikone und weltbekannt geworden. In den Jahren vor Stellung des Löschungsantrags (2011-2017) sei auch in Massenmedien (Spiegel, Spiegel online, Focus Online, Bild, Auto Bild, Focus, Welt, Süddeutsche Zeitung, Duden) immer wieder über den Ferrari „Testarossa“ und dessen Kultstatus berichtet worden, beispielsweise anlässlich diverser Versteigerungen (Anlagen rop 5 bis 14 zum Löschungsantrag). Die Marke „Testarossa“ sei nicht nur in Deutschland bekannt, sondern genieße weltweit höchste Wertschätzung (Verweis auf Entscheidungen des spanischen Markenamts aus 2013, Anlage rop 15 zum Löschungsantrag).

22

Neben den eingetragenen „Testarossa“-Marken IR 910 752, DE 1158448 und IR 515 107 habe die Beschwerdeführerin durch Benutzung und Verkehrsgeltung die Marke „Testa Rossa“ bzw. „Testarossa“ mit Zeitrang vom 1. Januar 1957 (jedenfalls bzgl. Klasse 12) erworben, die Schutz für folgende Waren und Dienstleistungen genieße:

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Klasse 9: Brillen und Sonnenbrillen;

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Klasse 12: Fahrzeuge; Fortbewegungsmittel zur Fortbewegung auf dem Land; Kraftfahrzeuge; Autoteile und Autozubehör, soweit in Klasse 12 enthalten; Zubehörteile von Kraftfahrzeugen, soweit in Klasse 12 enthalten;

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Klasse 28: Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Spielzeug- und Modellautos; Modellfahrzeuge; Autorennbahnen;

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Klasse 37: Reparatur, Pflege, Wartung und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen und deren Teilen; Einbau von Kraftfahrzeugersatzteilen und -zubehör; Montage von Kraftfahrzeugteilen.

27

Die durch Benutzung kraft Verkehrsgeltung erworbene Marke genieße solange Schutz, wie die Verkehrsgeltung andauere.Automodelle, die über einen längeren Zeitraum produziert wurden, würden mindestens bis zu einem Generationenwechsel im Bewusstsein der angesprochenen Verkehrskreise bleiben und auch darüber hinaus als „Oldtimer“ oder „Classic cars“ ihren Stellenwert im allgemeinen Bewusstseinbehalten. Gerade der „Testarossa“-Sportwagen habe durch seine Gestaltung eine außerordentliche Aufmerksamkeitswirkung. Die Verkehrsgeltung werde belegt durch die Präsenz, welche die „Testarossa“-Sportwagen noch heute in den Medien und im allgemeinem Bewusstsein der Bevölkerung hätten. Schließlich stehe der Antragstellerin auch eine nichteingetragene Marke infolge Verkehrsgeltung an dem Kombinationszeichen „FERRARI TESTAROSSA“ zu. Diese durch Benutzung und Verkehrsgeltung erworbene Marke habe ebenfalls einen Zeitrang vom 1. Januar 1957 (jedenfalls für Klasse 12) und genieße wiederum Schutz für Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 28 und 37.

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Die „Testarossa“-Marken würden von der Antragstellerin weiterhin rechtserhaltend benutzt, und zwar vor allem für Waren in Klasse 12 (insbes. Landfahrzeuge sowie Teile davon und Zubehör) durch Wartung, Reparatur, Restauration, Vertrieb von Ersatzteilen, durch Bewerbung der „Testarossa“-Fahrzeuge auf der Internetseite der Antragstellerin, durch die Echtheitszertifizierung von „Testarossa“-Fahrzeugen und durch den Vertrieb von echtheitszertifizierten „Testarossa“-Gebrauchtfahrzeugen mit besonderer Herstellergarantie. Des Weiteren würden die Marken rechtserhaltend benutzt für Waren in Klasse 28 (Spielzeugautos)durch den Vertrieb von „Testarossa“-Spielzeugautos durch Lizenznehmer, ferner für Sonnenbrillen in Klasse 9 sowie für die Wartungs- und Reparaturdienstleistungen in Klasse 37. Das Urteil des EuGH (GRUR 2020, 1301 – testarossa) bestätige die Auffassung der Antragstellerin zur rechtserhaltenden Benutzung der Marke „Testarossa“.

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Der Antragsgegner wolle für sein Unternehmen, die X … AG, die vor allem Spielzeugautos und Rennbahnen anbiete und vertreibe, Vorteile aus dem guten Ruf ziehen, den die Antragstellerin für ihre Marke aufgebaut und erworben habe, und trachte unter Ausschluss der rechtmäßigen Markeninhaberin die Wertschätzung der Marke parasitär für seine eigenen Geschäftsinteressen auszunutzen. Der Antragsgegner stelle sich als Verfechter der Interessen der Spielwarenhersteller gegenüber der Automobilindustrie dar (Anlagen rop 21 und 22 zum Löschungsantrag). Mit der Markenanmeldung in zahlreichen Warenklassen zeige der Antragsgegner, dass er die Marke nicht alleine maßstabsgetreu auf Modellautos anbringen wolle, sondern dass er eine darüberhinausgehende Markennutzung unter Ausschluss der Antragstellerin und ihrer Lizenznehmer beabsichtige. Dies ergebe sich auch aus dem Verhalten des Antragsgegners nach Anmeldung der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke. Mit den gegen die Marken der Antragstellerin gerichteten Verfallsverfahren habe der Antragsgegner gezeigt, dass er zum einen die Marken der Antragstellerin widerrechtlich für sich monopolisieren und zum anderen sowohl die Antragstellerin als auch deren rechtmäßige Lizenznehmer bei der weiteren Verwendung ihrer eigenen älteren Marken und bei einer berechtigten künftigen Verwendung behindern wolle. Die Marke „Testarossa“ sei Teil des „Mythos Ferrari“, der teilweise zerstört würde, wenn die Marke dem Antragsgegner zur beliebigen Verwendung überlassen würde. Die „Testarossa“-Marke stelle für die Antragstellerin nach wie vor einen wertvollen Besitzstand dar und biete enormes Potenzial für eine Neuauflage bzw. Fortsetzung der „Testarossa“-Modellreihe. Es sei branchenüblich und entspreche der Verkehrserwartung, dass erfolgreiche Automodelle für einen längeren Zeitraum nicht produziert, dann jedoch nach etlichen Jahren, anknüpfend an die frühere Serie, als Nachfolgemodell die Reihe fortsetzen würden. So habe es auch die Antragstellerin mit ihrer „Testarossa“-Serie gemacht.

30

Zum Beleg der Verkehrsgeltung der Marke „Testarossa“ und des Vorliegens eines schutzwürdigen Besitzstandes hat die Beschwerdeführerin im Rahmen des Löschungsverfahrens u. a. ein Verkehrsgutachten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) vom 19. Juni 2017 vorgelegt (Anlage rop 23 zum Löschungsantrag). Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Bekanntheit der Marke gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG ergebe sich aus der erforderlichen Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verkehrsbefragung, der Berichte in den Medien über die Marke einschließlich des Medienechos auf Urteile des Landgerichts Düsseldorf in Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten, den Entscheidungen des spanischen Markenamts (Anlage rop 15 zum Löschungsantrag) und des Potentials der Marke für Lizenzierungen. Die Bekanntheit und der gute Ruf der „Testarossa-Marke“ der Antragstellerin in der Gesamtbevölkerung sei des Weiteren vom EUIPO in einem anderweitigen Widerspruchsverfahren anerkannt worden (vgl. Anlage rop 36 zum Löschungsantrag, Entscheidung vom 6. August 2019, Widerspruch B 3 049 448).

31

Die Bösgläubigkeit des Antragsgegners sei zu bejahen, da es ihm darum gehe, von der außerordentlichen Aufmerksamkeitswirkung und dem exzellenten Ruf der „Testarossa“-Marke für seine eigenen wirtschaftlichen Zwecke und zum Schaden der Antragstellerin zu profitieren. Der Antragsgegner habe das Markenrecht als Betätigungs- und Geschäftsfeld für sich entdeckt und versuche es nunmehr zweckfremd unter gezielter Ausnutzung der mit den Gerichtsverfahren gegen namhafte Hersteller zu erzielenden Medienaufmerksamkeit für seine eigenen Geschäftsziele einzusetzen, weshalb er auch regelmäßig eine mediale Berichterstattung zu den von ihm geführten Rechtsstreitigkeiten initiiere (Anlagen rop 27 bis 29 d zum Löschungsantrag). Das Schmarotzen am fremden Ruf sei ein klassischer Fall der Unlauterkeit. Der Eingriff in den schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin sei daher mit Behinderungsabsicht erfolgt. Dies sei anzunehmen, wenn der Markenanmelder die streitige Marke bewusst anmelde, um eine gedankliche Nähe zu älteren Marken herzustellen, um von ihrer Wertschätzung zu profitieren oder ihnen gar Konkurrenz zu machen, falls sie in der Zukunft wieder benutzt werden sollten.

32

Ein weiterer Beleg für die Bösgläubigkeit des Markeninhabers und Antragsgegners seien auch die exzessiven Markenanmeldungen von „Testarossa-Marken“ beim DPMA und beim EUIPO in zahlreichen unterschiedlichen Klassen mit zahlreichen unterschiedlichen Waren. Dem Antragsgegner gehe es unabhängig von der Nutzung für eine konkrete Ware offenbar nur darum, das Zeichen „Testa Rossa“ als Marke zu registrieren, weil er wisse, dass er damit von dem nach wie vor schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin und dem auf ihre Anstrengungen zurückgehenden herausragenden Ruf der „Testarossa“-Marke profitieren könne.

33

Dem ihm am 7. April 2017 zugegangenen Löschungsantrag hat der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdegegner mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Mai 2017, beim DPMA eingegangen am selben Tag, widersprochen.

34

Zur Begründung seines Widerspruchs gegen den Löschungsantrag hat er vorgetragen, die Anmeldung der angegriffenen Marke ziele weder auf eine gedankliche Nähe zur Antragstellerin ab, noch gehe es dem Markeninhaber darum, die Antragstellerin zu behindern oder die Verkehrskreise in die Irre zu führen. Nicht von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass er sich für die Spielwarenindustrie engagiere und seit Jahrzehnten gegen die Lizenzforderungen der Automobilindustrie vorgehe, da es bei der vorliegenden Anmeldung gar nicht um die lizenzfreie Markenbenutzung für Spielzeug- und Modellautos gehe.Der angegriffenen Marke stehe nicht entgegen, dass die Antragstellerin früher einen Sportwagen „Ferrari Testarossa“ produziert habe. Dieser werde seit über 30 Jahren nicht mehr von der Antragstellerin vermarktet, die seitdem auch die Marke „Testarossa“ nicht mehr nutze – in dieser Zeit habe die Antragstellerin weder Sportwagen noch Teile hiervon mit der Bezeichnung „TESTAROSSA“ produziert oder vertrieben –, so dass diese dem Verfall unterliege. Auch wenn andere Autohersteller die Namen früherer Modellreihen gelegentlich wieder aufgreifen würden, so habe die Antragstellerin dies jedoch nicht getan und das Markengesetz sei nicht dazu da, ein etwaiges „Potenzial“ der Marke „Testarossa“ zu schützen. Bereits die Tatsache, dass die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO die nicht benutzte „Testarossa“-Wortmarke IR 910 752 für das Gebiet der Europäischen Union in den Klassen 12 und 28 nahezu vollständig gelöscht habe und dass das Landgericht Düsseldorf in erster Instanz (Az. 2a 0 166/16 und 2a 0 174/16) die Antragstellerin zur Einwilligung in die vollständige Löschung der eingetragenen Wort-/Bildmarken „testarossa“ IR 515 107 und DE 1158448 verurteilt habe, entziehe dem Vorwurf der Bösgläubigkeit der vorliegenden Anmeldung jegliche Grundlage, unabhängig vom weiteren Fortgang dieser Verfahren. Außerdem habe die Antragstellerin gegen die hier angegriffene Marke Widersprüche eingelegt und es sei nicht ansatzweise überzeugend, dem Markeninhaber zwei Jahre später auch noch Bösgläubigkeit bei der Anmeldung vorwerfen zu wollen. Dies gelte umso mehr, als zahlreiche weitere Anmelder unbehelligt von der Antragstellerin die Marken „Testarossa“ und „Testa Rossa“ mit Geltung in der Europäischen Union angemeldet und genutzt hätten beziehungsweise nutzen würden, z. B.:

AbbildungAbbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

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Dass der Inhaber der angegriffenen Marke auch andere Marken anmelde und erfolgreich entsprechende Löschungsverfahren wegen Nichtbenutzung betreibe, sei nicht zu beanstanden und nicht relevant. Zwischen den Auseinandersetzungen um die Marken „Carrera“ und „Panamericana“ einerseits und der angegriffenen Anmeldung bestehe kein Zusammenhang. Der Inhaber der angegriffenen Marke sei seit Jahren Inhaber mehrerer „Carrera“- und „Pan Americana“-Marken und benutze die Marke Carrera auch für verschiedene Waren (wie Arbeitsschuhe, Beregnungsanlagen, Bohrmaschinen, Graviermaschinen und Werkzeuge). Auch Vorbereitungen zur Benutzung der Marke „Testa Rossa“ würden bereits laufen, müssten aber nicht dargelegt werden, nicht zuletzt um nicht weitere massive Angriffe seitens der Antragstellerin auf sich zu ziehen.Die Behauptung, es sei das Geschäftsmodell des Markeninhabers, bekannte Marken für sich anzumelden, sei absurd. Er habe vielmehr mit zeitweilig bis zu tausend Mitarbeitern über Jahrzehnte hinweg mit vier eigenen Ingenieurgesellschaften Entwicklungsleistungen in den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugtechnik erbracht.

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Die Markenabteilung 3.4 des DPMA hat das Löschungsverfahren mit Beschluss vom 27. September 2019 gem. § 32 Abs. 1 MarkenV i. V. m. § 65 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG zunächst mit der Begründung ausgesetzt, dass für die Frage des schutzwürdigen Besitzstands der Antragstellerin die rechtserhaltende Benutzung der Bezeichnung „Testa Rossa“ maßgeblich sei. Hierfür entscheidungserhebliche Auslegungsfragen seien Gegenstand der Vorlagebeschlüsse des OLG Düsseldorf an den EuGH (Beschlüsse des OLG Düsseldorf vom 8.11.2018 – I-20 U 132/17 und I-20 U 131/17), woraus sich die Sachdienlichkeit der Aussetzung des Löschungsverfahrens ergebe.

37

Mit Beschluss vom 23. April 2021 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA sodann den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung der Wortmarke 30 2013 070 212 vom 28. Februar 2017 sowie den Antrag des Markeninhabers, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen.

38

Zur Begründung führt die Markenabteilung aus, der Markeninhaber sei im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke nicht bösgläubig gewesen. Als Fälle der Bösgläubigkeit kämen allgemein die Tatbestände der Markenerschleichung, der Sperrmarke und der Hinterhaltsmarke in Betracht. Im vorliegenden Fall fehle es an einer nachgewiesenen Behinderungsabsicht. Die Antragstellerin habe nichts dazu vorgetragen, dass der Markeninhaber mit der angegriffenen Marke die Antragstellerin habe behindern wollen. Sie habe zwar glaubhaft dargelegt, dass er Kenntnis von der Sportwagenmarke „Testa Rossa“ der Antragstellerin gehabt habe oder jedenfalls hätte haben müssen. Diese Bekanntheit der Marke der Antragstellerin sei jedoch für sich allein noch nichts, was automatisch eine Behinderungsabsicht des Markeninhabers auslösen müsse. Selbst wenn der Markeninhaber durch die Eintragung der angegriffenen Marke von dieser Bekanntheit profitieren könnte, so würde er damit noch nicht die Antragstellerin behindern. Die Antragstellerin habe keinen einzigen Fall vorgetragen, bei dem der Markeninhaber die hier angegriffene Marke in irgendeiner Weise dazu verwendet habe, um in unlauterer Weise gegen die Antragstellerin vorzugehen. Zudem sei die angegriffene Marke für gänzlich andere Waren eingetragen und der Antragstellerin stünden darüber hinaus auch noch selbst für andere Waren ältere Marken zu. Eine bösgläubige Anmeldung setze jedoch voraus, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes ohne rechtfertigenden Grund die gleiche oder verwechselbar ähnliche Marke gerade für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen anmelde mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren. An dieser Voraussetzung der „gleichen oder ähnlichen Waren“ fehle es vorliegend. Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf die Antragstellerin seien nicht ersichtlich.

39

Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit ihrer Beschwerde.

40

Zur Begründung macht sie zunächst einen Verfahrensfehler geltend, da der angegriffene Beschluss im Widerspruch zum Aussetzungsbeschluss stehe. Der EuGH habe die Auslegungsfragen, wegen derer das Löschungsverfahren ausgesetzt worden sei, im Sinne der Beschwerdeführerin beantwortet. Der Löschungsantrag sei jedoch anschließend aus Gründen zurückgewiesen worden, für die keine Aussetzung erforderlich gewesen wäre. Ein Verfahrensfehler sei darin zu sehen, dass der Beschluss trotz der Aussetzung des Verfahrens ohne vorherige Wiederaufnahme des Verfahrens und zudem ohne Hinweis auf die zwischenzeitlich geänderte Rechtsauffassung der Markenabteilung und damit überraschend ergangen sei.

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Weiter führt die Löschungsantragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde aus, die Markenabteilung habe in der angegriffenen Entscheidung den Prüfungsmaßstab unzutreffend bestimmt, da sie die Fallgruppen der bösgläubigen Markenanmeldung nur unvollständig darstelle und fälschlich auf die Fälle der Markenerschleichung, der Sperrmarke und der Hinterhaltsmarke beschränke, obwohl in der deutschen Spruchpraxis noch weitere Fallgruppen herausgearbeitet worden seien, wie die Fallgruppen der Behinderungsabsicht, der Spekulationsmarke, der Störung eines schutzwürdigen Besitzstands und der Absicht des zweckfremden Einsatzes als Mittel des Wettbewerbskampfs, und die Fallgruppen zudem nicht abschließend seien. Rechtsfehlerhaft habe die Markenabteilung eine Behinderungsabsicht als zwingendes Merkmal der bösgläubigen Markenanmeldung gefordert, obwohl die Behinderungsabsicht keine Voraussetzung für den Schutz der bekannten Marke sei (Verweis auf BPatG, MarkenR 2015, 405 – SUPER BAYERN). Zudem habe die Markenabteilung fälschlich die Warenähnlichkeit, also die Anmeldung für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen, als zwingende Voraussetzung für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung gefordert. Der Schutz der bekannten Marke erstrecke sich auch auf den Unähnlichkeitsbereich gem. §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG und es sei nicht ersichtlich, weshalb die bekannte Marke nicht auch gegen bösgläubige Markeneintragungen für unähnliche Waren geschützt werden solle. Zudem könnten nach der Rechtsprechung des EuGH bei Fehlen von Verwechslungsgefahr andere tatsächliche Umstände Indizien für den Nachweis der Bösgläubigkeit darstellen (Verweis auf EuGH, GRUR-RS 2019, 20743Rn. 51 f., Rn. 55 f. – STYLO & KOTON). Insbesondere der Bekanntheitsgrad eines schon früher benutzten Zeichens könne einen weiterreichenden Schutz des Markeninhabers rechtfertigen, während das Vorliegen von Verwechslungsgefahr keine Grundvoraussetzung für bösgläubige Markenanmeldungen sei (Verweis auf EuG GRUR Int. 2014, 172 Rn. 33 – SALINI). Im Übrigen habe die Markenabteilung verkannt, dass zum Teil, insbesondere in den Klassen 12 und 28, eine Warenähnlichkeit gegeben sei. Ebenso sei hinsichtlich einzelner Waren der Klassen 7, 8 und 18 eine Ähnlichkeit anzunehmen. Schließlich habe die Markenabteilung zu Unrecht Vorgänge außer Acht gelassen, die nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Markenanmeldung stünden; insbesondere die unternehmerische Logik, in die sich die Markenanmeldung einfüge, könne so nicht zutreffend beurteilt werden. Insgesamt habe die Markenabteilung die die Bösgläubigkeit begründenden Merkmale nicht bzw. unzureichend gewürdigt. Die Bösgläubigkeit ergebe sich aus den folgenden Umständen:

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– Es liege eine clusterhafte Anmeldung mehrerer „Testa Rossa“-Marken für zahlreiche Waren und in zahlreichen Klassen ohne generellen Benutzungswillen vor (Verweis auf die parallelen Anmeldungen der weiteren „Testa Rossa“-Marken DE 30 2017 225 703, DE 30 2017 108 126, DE 30 2017 030 193 sowie der vier weiteren „Testa Rossa“-Markenanmeldungen des Markeninhabers beim EUIPO UM 017 750 589, UM 017 750 605, UM 017 750 613 und UM 013 019 047). Eine ernsthafte Benutzungsabsicht zu redlichen Zwecken sei angesichts der umfangreichen Warenverzeichnisse mit einer Vielzahl unterschiedlichster Waren, die in keinerlei Zusammenhang zueinander oder zum Geschäftsbetrieb des Beschwerdegegners stünden, nicht denkbar. Der Geschäftsbetrieb der X … AG, deren Vorstandsvorsitzender der Beschwerdegegner ist, beschränke sich im Wesentlichen auf Spielwaren, insbesondere Modellautorennbahnen, Modellautos und ferngesteuerte Modelle sowie einen Ultraschallreiniger (Anlagen rop 40, 41, Bl. 84 ff. d. A.). Jedenfalls in Bezug auf andere Klassen als die Klasse 28 sei nicht ersichtlich, wie der Markeninhaber die Marke sinnvoll für seinen Geschäftsbetrieb verwenden wolle.

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– Die Anmeldung sei ohne berechtigtes Eigeninteresse erfolgt. Bei der Anmeldung habe nicht die Förderung der eigenen Wettbewerbssituation im Vordergrund gestanden. Eine Vorbenutzung habe nicht vorgelegen, daher sei es dem Beschwerdegegner zuzumuten, ohne Usurpation fremder Rechte auf eine beliebige andere Kennzeichnung auszuweichen.

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– Das Verhalten des Beschwerdegegners zeige eine gezielt gegen Automobilhersteller gerichtete unternehmerische Logik. Das unternehmerische Handeln des Beschwerdegegners, der wiederholt mit Marken von Automobilherstellern identische Marken angemeldet habe (wie Carrera und Pan Americana, Verweis auf Entscheidungen Anlagen rop 29 a – 29 d zum Löschungsantrag), richte sich gezielt gegen Automobilhersteller, gegen die er öffentlich Vorwürfe erhebe, die im Übrigen in der Sache nicht zuträfen (Verweis auf Entscheidungen Anlagen rop 42-44, Bl. 86 ff. d. A.).

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– Es liege eine Usurpation einer bekannten Marke vor. Die Markenabteilung habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass es sich bei der „Testarossa“-Marke der Antragstellerin im Zeitpunkt der Anmeldung um eine bekannte Marke gehandelt habe und dass bekannte Marken einen erweiterten Schutz genössen, auch gegen Nutzung oder Registrierung für unähnliche Waren und auch gegen Rufausbeutung oder Rufbeeinträchtigung. Die Behinderungsabsicht sei nicht Voraussetzung für den Schutz der bekannten Marke.

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– Bei der angegriffenen Marke handele es sich um eine Spekulationsmarke. Der Beschwerdegegner habe diese angemeldet, um eine gedankliche Nähe zum bekannten Zeichen der Antragstellerin hervorzurufen. Die angegriffene Marke usurpiere das bekannte Kennzeichen der Antragstellerin (Verweis auf EuG GRUR Int. 2014, 1047 – Simca). Die Annahme einer Spekulationsmarke setze keinen Eingriff in einen bestehenden Besitzstand voraus (Verweis auf BGH, GRUR 2012, 429 Rn. 10 – Simca).

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– Es liege eine Störung des Besitzstands der Antragstellerin vor.

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– Das Handeln des Beschwerdegegners sei von Behinderungsabsicht getragen. Die Absicht des Beschwerdegegners, durch die Markenanmeldung gezielt in einen Konflikt mit der Beschwerdeführerin zu treten, ergebe sich aus der unternehmerischen Logik des Beschwerdegegners, der pauschale Vorwürfe gegen die Antragstellerin – stellvertretend für die von ihm kritisierte Automobilbranche – erhebe und öffentlich zur Missachtung der Markenrechte der Antragstellerin aufrufe (Verweis auf Presseinterviews Anlagen rop 27 und 28 zum Löschungsantrag). Er verknüpfe die Rechtsstreitigkeiten um die „Testarossa“-Marke ausdrücklich mit seinem Kampf gegen aus seiner Sicht unberechtigte Lizenzforderungen der Automobilhersteller. Die Behinderungsabsicht ergebe sich aus einer Gesamtschau dieser subjektiven Zielsetzung unter Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte (wie der Anmeldung der Marken „Carrera“ und „Pan Americana“ und der Rechtsstreitigkeiten mit P…, der „Cluster-Anmeldungen“ von „Testa Rossa“, der Branchennähe der X … AG zum berechtigten Lizenzvertragsgeschäft der Antragstellerin mit Fanartikeln, Spielzeug- und Modellautos, der Bekanntheit der Marke „Testarossa“ der Antragstellerin und der Kenntnis des Antragsgegners sowie der Ausnutzung des Medienechos im Zusammenhang mit den beim Landgericht Düsseldorf geführten Löschungsverfahren).

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Die Markenabteilung habe außerdem die erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände unterlassen. Aufgrund der Wechselbeziehung der Kriterien der Bösgläubigkeit untereinander seien im Falle eines besonders schutzwürdigen Besitzstands höhere Anforderungen an die Nutzugsmöglichkeiten des Neuanmelders zu stellen. Vorliegend seien der besonders schutzwürdige Besitzstand der Antragstellerin aufgrund der Bekanntheit der Marke „Testarossa“ und das fehlende schutzwürdige Interesse des Antragsgegners an der Nutzung der angegriffenen Marke im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Die beanstandete Markenanmeldung sei unter mehrere der – nicht abschließenden – Fallgruppen der Bösgläubigkeit einzuordnen, nämlich der Behinderungsabsicht ohne generellen Benutzungswillen, der Störung des Besitzstands der Antragstellerin ohne zureichenden sachlichen Grund und des zweckfremden Einsatzes der Marke im Wettbewerbskampf. Dass die Antragstellerin über einen älteren schutzwürdigen Besitzstand im Inland verfüge, stehe zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest. Das OLG Düsseldorf habe in seinen beiden Urteilen vom 24. Februar 2022 zudem die Bekanntheit der „Testarossa“-Marken der Antragstellerin in Deutschland bestätigt und hieraus den Schluss gezogen, dass die Marke auch für den Bereich, für den sie für verfallen erklärt worden sei, nicht von Dritten benutzt werden könne. Damit sei bereits gerichtlich festgestellt worden, dass der schutzwürdige Besitzstand der Antragstellerin aufgrund der bestehenden Bekanntheit ihrer Marken über den Bereich bloß identischer oder ähnlicher Waren und Dienstleistungen hinausreichen könne.

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Eine Absicht zur ernsthaften Verwendung der angegriffenen Marke durch den Markeninhaber, etwa über die Z … GmbH, sei nicht gegeben. Eine sich in die unternehmerische Logik des Beschwerdegegners einfügende Verwendungsabsicht ergebe sich auch nicht aus einer behaupteten Lizenznutzung durch die X … AG und deren angeblichen Lizenzgeschäften mit der Marke „Carrera“. Die vorliegende Markeneintragung stehe vielmehr im Widerspruch zur unternehmerischen Tätigkeit der X … AG. Auf deren Internetseite würden „Spielwaren“ und „Consumer Goods“ als Geschäftsfelder angegeben, wobei das einzige in der Rubrik „Consumer Goods“ angebotene Produkt ein Ultraschallreiniger sei, der anscheinend wahlweise mit den Marken „Fielmann“, „Carrera“ und „GoldenEye“ versehen werde, so dass dessen Vertrieb in relevantem Umfang unter der Marke „Carrerra“ nicht gegeben sei. Zudem sei die X … AG im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke in einer wirtschaftlich schlechten Lage gewesen, weshalb eine Expansion in dem Umfang der Anmeldung unrealistisch gewesen sei (Verweis auf Jahresabschlussberichte Anlagenkonvolut rop 51, Bl. 269 Rückseite ff. d. A.). Aus der behaupteten Lizenznutzung durch die X … AG, die sich nachvollziehbar auf einige wenige Produkte beschränke (einen Ultraschallreiniger und ein Werkzeugset, die jeweils auch unter anderen Marken vertrieben würden), ergebe sich jedenfalls noch kein Geschäftsmodell. Auch ansonsten sei ein relevantes ernsthaftes Geschäft mit Verbraucherartikeln unter der Marke Carrera nicht ersichtlich, vielmehr seien diverse Carrera-Marken zugunsten anderer Unternehmen eingetragen (Verweis auf Registerauszüge Anlage rop 48, Bl. 151 ff. d. A.) und entsprechende Verbraucherartikel würden über die Internetseite www.carrera.de durch eine andere Gesellschaft, die A … GmbH, vertrieben. Das vom Antragsgegner behauptete Lizenzgeschäft mit Verbraucherartikeln wie Fernsehgeräten, Rasierapparaten, Haartrocknern, Körperpflegeprodukten etc. unter der Marke „Carrera“ oder einer sonstigen Marke werde bestritten. Auch soweit der Beschwerdegegner zu angeblichen Lizenzierungen vorgetragen und diverse Anlagen vorgelegt habe, so vermeide er konkrete Angaben in Bezug auf das Drittlizenzgeschäft. Zudem werde bestritten, dass die behaupteten Lizenzverträge für Verbraucherprodukte,

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insbesondere für die Marken „Carrera“ „in Kraft gestanden“ hätten, dass es ein aktives Lizenzgeschäft für Home-Entertainment-Geräte unter der Marke „Carrera“ in den Jahren 2013 bzw. 2017 gegeben habe und dass es sich bei Netto oder B … KG um Lizenznehmer des Beschwerdegegners gehandelt habe bzw. von diesen Lizenzzahlungen an den Beschwerdegegner erfolgt seien. Die vorgelegten Anlagen würden teilweise keinen Deutschlandbezug aufweisen (Anlage BDR 14, Bl. 238 Rücks. d. A.) und es ergebe sich aus ihnen nicht, inwiefern, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt Artikel in den Verkauf gekommen seien (Anlage BDR 13, Bl. 223 Rücks. d. A.), ein vorgelegter Katalog, dessen Verteilung bestritten werde, weise kein Datum auf (Anlage BDR 17 Bl. 241 Rücks. ff. d. A.). Bei den angeführten Beispielen zur Lizenzierung von „Carrera“-Marken handele es sich um Einzelaktivitäten ohne wirtschaftlich sinnvolles Gesamtkonzept.

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Das bis heute andauernde, über zehnjährige Zuwarten des Antragsgegners mit der ernsthaften Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit hinsichtlich der Verwertung der verfahrensgegenständlichen Marke sei ein weiteres Indiz für seine von Anbeginn fehlende Absicht, seine unternehmerische Tätigkeit auf die beanspruchten Waren auszudehnen. Die öffentliche Kritik des Antragsgegners am Lizenzgeschäft der Antragstellerin zeige ebenfalls dessen Bösgläubigkeit (Verweis auf Presseartikel Anlage rop 49, Bl. 160 ff. d. A.). Die beanstandete Markenanmeldung folge keiner wirtschaftlichen unternehmerischen Logik, sondern werde als zweckfremdes Mittel zur öffentlichkeitswirksamen Artikulation seiner Rechtsansichten über die vermeintliche Lizenzfreiheit bei der Herstellung und dem Vertrieb von Modellautos eingesetzt. Ebenso sei die Umgehung des Lizenzgeschäfts der Antragstellerin das erklärte Ziel des Antragsgegners, auch dies stelle einen zweckwidrigen Einsatz der Marke im Wettbewerb dar (Verweis auf EuGH GRUR 2020, 288 Rn. 75 – Sky ua/Gesellschaften SkyKick). Der Antragsgegner trete allenfalls mit einem Geschäftsmodell auf, das dem einer Markenagentur vergleichbar sei. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke lediglich „aus einer Laune“ heraus erfolgt sei und ohne dass Waren existieren

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würden oder konkrete Vorstellungen hinsichtlich der Hersteller der Waren vorlägen, fehle es an einem nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gesamtkonzept, wie es jedoch auch bei Vorratsmarken, Markenagenturen bzw. Lizenzgebern zu fordern sei (Verweis auf OLG Frankfurt a. M., BeckRS 2014, 4648, Bl. 256 d. A.).

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Aus dem Vortrag des Beschwerdeführers sowie den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass es offensichtlich bisher lediglich bei „Anfangsplänen“ für die Benutzung der verfahrensgegenständlichen Marke in Bezug auf die einzelne Ware „Rasierer“ geblieben sei, womit feststehe, dass der Beschwerdegegner die Marke für die weiteren insgesamt 139 Waren ohne Benutzungsabsicht rein spekulativ angemeldet habe. Für diese Waren sei die angegriffene Marke daher als Spekulationsmarke in jedem Fall zu löschen. Aber auch hinsichtlich der Ware „Rasierer“ werde bestritten, dass der Markeninhaber oder eines der Unternehmen, für das er tätig war oder ist, solche bereits erfolgreich vertrieben haben und dass es überhaupt einen sinnvollen Lizenzmarkt für die Lizenzierung einer Marke „Testarossa“ oder „Testa Rossa“ für solche elektrischen Rasierer gebe. Aus der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Überweisungskopie mit dem Empfänger C … sowie den beigefügten „Testarossa“-Schriftzügen ergebe sich allenfalls, dass der Beschwerdegegner weitere Möglichkeiten ausprobiert habe, um sich an die bekannte Marke der Beschwerdeführerin anzulehnen, da die Schriftzüge in der zusammengesetzten Schreibweise von der vorliegend eingetragenen Marke „Testa Rossa“ abweichen würden. Die Ausführung der Überweisung und ein Bezug zur verfahrensgegenständlichen Marke würden ebenso bestritten wie das Tätigen der Überweisungen an die Firma D … laut den in Kopie vorgelegten Aufträgen vom 18. Dezember 2017 und 26. März 2018. Bei den vom Beschwerdegegner vorgelegten Unterlagen zu vermeintlichen Entwürfen eines „Testarossa Rasierer“ unter dem Logo einer „D … “ sei auffällig, dass das abgebildete Modell eine rote Farbe aufweise und stark an das Design eines dynamischen Sportwagens erinnere und dass einer der Entwürfe sogar mit „Car-Styling Version“ bezeichnet werde.

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Unabhängig davon, dass bereits bestritten werde, dass der Antragsgegner selbst oder über eine seiner Firmen tatsächlich die unternehmerische Möglichkeit habe, elektrische Rasierer in Deutschland produzieren zu lassen, wolle sich der Beschwerdegegner somit nicht nur mit der vorliegend angegriffenen Marke, sondern auch mit dem Design für das von ihm gegebenenfalls geplante Produkt eines elektrischen Rasierers an die bekannte Marke und die berühmten, unter dieser Marke vertriebenen Sportwagen der Beschwerdeführerin anlehnen und habe mit eben dieser subjektiven Absicht gehandelt – sei es, um von deren Ruf und Wertschätzung zu profitieren, sei es, um Revanche zu üben. Im Übrigen habe auch die Beschwerdeführerin elektrische Rasierer und Haarschneider entwickelt und vertreibe diese.

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Eine weitere Fallgruppe der bösgläubigen Markenanmeldung sei die Anmeldung im Kontext vorvertraglicher, vertraglicher oder nachvertraglicher Beziehungen. Insbesondere könne der erfolglose Versuch, eine Lizenz vom Inhaber einer älteren Marke zu erhalten, ein Indiz für die Bösgläubigkeit des Anmelders begründen, ebenso wie eine Anmeldung im Kontext vorausgehender Streitigkeiten. Vorliegend stünde die Anmeldung der streitgegenständlichen Marke ebenso wie die Anmeldung weiterer Testa-Rossa-Marken in zeitlichem Zusammenhang mit einer erfolglos gebliebenen Lizenzanfrage des Beschwerdegegners, der am 9. August 2011 mit der Forderung einer sog. Freilizenz für sein Unternehmen X … AG (Cartronic) bzw. für „chinesische Partner“ an die Antragstellerin herangetreten sei (Anlage rop 52, Bl. 300 Rücks. ff. d. A.). Durch die Erwähnung von ihm erwirkter bzw. erstrittener Nichtigkeitserklärungen bzw. Urteile (z.B. BGH GRUR 2010, 726 – Opel Blitz II) sowie einen allgemeinen Hinweis auf das Kartellrecht habe er seiner Forderung Nachdruck verleihen wollen und konkludent angedroht, dass er die Ablehnung der Freilizenz nicht folgenlos hinnehmen werde. Die verfahrensgegenständliche Anmeldung stelle sich vor diesem Hintergrund als „Revancheakt“ für seine abschlägig beschiedene Lizenzanfrage dar. Aus den Lizenzanfragen des Beschwerdegegners von Ende 2011 (Anlagen rop 52, Bl. 300 Rücks. d. A., und BDR 21, Bl. 377 Rücks. d. A.) resultiere, dass diesem auch schon damals durchaus bewusst gewesen sei, dass für den Vertrieb von Spielzeug- und Modellautos jedenfalls über die engen Grenzen der Rechtsprechung zur Verwendung von Marken bei original- und wirklichkeitsgetreuen Nachbildungen von Originalfahrzeugen hinaus eine Lizenz erforderlich sein könne, so etwa für die Verwendung der Marken auf der Verpackung und in der Werbung oder für die Verwendung geschützter Designs. Unabhängig davon, ob die E-Mail Anlage rop 52 auf die Lizenzanfrage BDR 21 oder eine andere Lizenzanfrage vom 9. August 2011 Bezug nehme, mache der Beschwerdegegner in dieser E-Mail unter der Signatur der X … AG klar, dass er die Lizenzanfrage nicht für einen unabhängigen Dritten stelle, sondern ausdrücklich für einen mit der X … AG geschäftlich verbundenen chinesischen Partner („our Chinese partner“). Dies könne nach dem Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass der Antragsgegner eine Lizenz anfrage, die möglicherweise auf vertraglicher Ebene von dem chinesischen Zulieferer abgeschlossen werden solle, auf deren Wirkung sich allerdings auch die X … AG als Hersteller von Spielzeugautos beim Vertrieb der Spielzeug- und Modellautos in Deutschland werde berufen können. Die subjektive Absicht des Beschwerdegegners, die streitgegenständliche Marke im Zusammenhang mit Lizenzverhandlungen einzusetzen, um damit vermeintliche Lizenzgebühren zu sparen oder jedenfalls ein Druckmittel bei den Lizenzverhandlungen zu haben, ergebe sich aus seinen früheren Verlautbarungen gegenüber der Presse. Auch wenn es – unstreitig – keine rechtlichen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten vor der vorgenannten Lizenzanfrage und der Anmeldung der vielen Testarossa-Marken gegeben habe, so sei es zu Rechtsstreitigkeiten mit anderen Automobilherstellern wie VW und Porsche gekommen und der Beschwerdegegner habe das Verhalten der Lizenzabteilungen ihm gegenüber als sehr überheblich empfunden. Dies ergebe sich aus seinen Äußerungen in einem Interview, in dem er sich als „David gegen Goliath“ inszeniert habe (Verweis auf Anlage rop 22 zum Löschungsantrag). Möglicherweise habe der Beschwerdegegner versucht, über das Beschreiten des Rechtswegs den Respekt der Vertreter der Automobilindustrie zu erlangen. Mit den schutzwürdigen Markenfunktionen sei ein solches Vorgehen bei der Anmeldung von Marken wie der vorliegenden jedoch nicht in Einklang zu bringen.

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Hinsichtlich der Kostenbeschwerde des Beschwerdegegners ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, dass eine Kostenauferlegung auf sie nicht der Billigkeit entspreche. Sie habe lediglich ihre Rechte in prozessual zulässiger und der Sorgfaltspflicht genügender Weise ausgeübt, wobei sie sich insbesondere auf die einschlägige, von der Markenabteilung jedoch nicht gewürdigte Simca-Rechtsprechung berufen und auch ihren gesamten Vortrag detailliert belegt habe.

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Weiter ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass sich im vorliegenden Fall mehrere verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen stellen würden, denen eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme, so dass die Rechtsbeschwerde zum BGH zuzulassen bzw. eine Entscheidung des EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens herbeizuführen sei:

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So sei nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht erforderlich, dass Dritte durch diese in ihrer Tätigkeit behindert werden könnten. Bösgläubigkeit könne nach der Rechtsprechung des EuGH nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anmelder bei der Anmeldung die Absicht gehabt habe, sich auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen (Verweis auf EuGH GRUR 2020, 288 Rn. 77, 81 – Sky ua/Gesellschaften SkyKick). Bereits in der Absicht der funktionswidrigen Nutzung der Marke sei eine Unredlichkeit als das die Bösgläubigkeit begründende subjektive Element zu sehen. Im Rahmen der Fallgruppe der funktionswidrigen Anmeldung, bei der nicht auf schädliche Wirkungen in Bezug auf Dritte abzustellen sei, komme es konsequenterweise dann auch nicht auf die Frage der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit an oder auf die Frage eines schutzwürdigen Besitzstands bzw. dessen Bekanntheit. Die Fälle des sog. „Trittbrettfahrens“ könnten als Untergruppe der funktionswidrigen Benutzung angesehen werden, da bereits der Umstand, dass die Benutzung des angemeldeten Zeichens es dem Anmelder ermöglichen würde, die Wertschätzung eines älteren Zeichens oder auch des Namens einer berühmten Person in unlauterer Weise auszunutzen, für sich genommen geeignet sei, die Bösgläubigkeit des Anmelders zu belegen (Verweis u. a. auf EuG, Urteil vom 14.05.2019, T-795/17 – Neymar).

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Klärungsbedürftig sei des Weiteren die Frage der Beweislast und der materiellen Darlegungslast. Vorliegend habe sich der Beschwerdegegner zu dem umfangreichen Vortrag der Beschwerdeführerin, dass er kein sinnvolles Lizenzgeschäft betreibe, nie erklärt, obwohl die clusterhafte Anmeldung verschiedener Testarossa-Marken für eine Vielzahl von miteinander in keinerlei Zusammenhang stehenden Waren ein deutliches Indiz für eine fehlende Benutzungsabsicht darstelle. Es spreche viel dafür, dass der Markeninhaber für die Absicht der (zukünftigen) funktionsgerechten Benutzung die Darlegungslast trage, da er hierzu am besten in der Lage sei. In diesem Zusammenhang seien auch aktuelle Entscheidungen des EuGH und des BGH zur Beweislastverteilung zu berücksichtigen (Verweis u. a. auf EuGH GRUR 2020, 1301 – testarossa; GRUR 2022, 573 – Maxxus/Globus; BGH GRUR 2021, 736 – Stella), wobei die Frage der Darlegungs- und Beweislast im Löschungsverfahren abschließend vom EuGH zu entscheiden sein werde.

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Die Beschwerdeführerin und Löschungsantragstellerin beantragt sinngemäß:

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1. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2021 wird aufgehoben und die Löschung der Marke DE 30 2013 070 212 angeordnet.

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2. Der Antrag des Löschungsantragsgegners, den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2021 in Ziff. 2 aufzuheben und der Löschungsantragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

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3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdegegner zu 1) aufzuerlegen.

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Für den Fall, dass der Senat der Beschwerde nicht stattgeben wolle, hat die Beschwerdeführerin „beantragt“, gem. § 83 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Ferner hat sie angeregt, den Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV anzurufen, um eine Klärung offener Fragen zur Auslegung des Merkmals „bösgläubig“ herbeizuführen, wobei die Beschwerdeführerin konkrete ausformulierte Fragen vorschlägt (Bl. 293 d. A.).

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Der Beschwerdegegner und Inhaber der angegriffenen Marke beantragt:

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1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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2. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2021 wird in Ziff. 2 aufgehoben und der Löschungsantragstellerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

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Zur Begründung seines Antrags auf Zurückweisung der Beschwerde der Löschungsantragstellerin führt er aus, die Beurteilung der Markenabteilung im angegriffenen Beschluss sei zutreffend. Es liege ihm fern, die Beschwerdeführerin zu behindern oder ihren Besitzstand zu stören. Es sei schon deshalb nicht erkennbar, inwiefern die angegriffene Marke irgendwelche Wettbewerbsinteressen der Beschwerdeführerin beeinträchtigen könnte, weil die angegriffene Marke – anders als in der von der Antragstellerin zitierten Simca-Entscheidung des EuG – für Waren angemeldet worden sei, die nicht im Ansatz etwas mit Kraftfahrzeugen zu tun hätten. Durch die Nutzung für Verbraucherartikel sei kein Konflikt mit der Beschwerdeführerin gewollt, vielmehr zeige die Nutzung der Marke „Testarossa“ durch andere Unternehmen, dass eine konfliktfreie Koexistenz möglich sei.

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Die Beschwerdeführerin versuche, den Beschwerdegegner zu diskreditieren. Der seit über 50 Jahren unternehmerisch tätige Beschwerdegegner sei nicht nur Vorstand der X … AG, sondern zugleich Geschäftsführer der Z … GmbH, welche für namhafte Industrieunternehmen tätig sei (Anlage

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BDR 5 Bl. 110 d. A.). Er sei außerdem als Lizenzgeber aktiv und lizenziere u. a. seit 1991 die Marken „Carrera“ für unterschiedlichste Verbrauchsprodukte wie Beregnungsanlagen, elektrische Bohrmaschinen, Rauchmelder, Handwerkzeuge, Graviermaschinen, Arbeitsschuhe, Gartengeräte, Fernsehgeräte, Rasierapparate, Haartrockner, Körperpflegeprodukte und Ultraschallreiniger. Es sei nicht seine Absicht, die angegriffene Marke dazu zu verwenden, gegen die Beschwerdeführerin vorzugehen. Diese füge sich vielmehr sinnvoll in die jahrzehntelange Lizenzierungspraxis des Markeninhabers ein, an der die Z … GmbH jedoch nicht beteiligt sei. Neben der Tätigkeit als Vorstand der X … AG auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung von Spielzeug sei die Vergabe von Markenlizenzen – wie insbesondere hinsichtlich der Marke „Carrera“ – ein wesentlicher Geschäftsbereich des Markeninhabers und auch die Anmeldung der Marke „Pan Americana“ sei zu diesem Zweck erfolgt. Die beabsichtigte Lizenzierung der angegriffenen Marke füge sich daher sehr wohl in die unternehmerische Tätigkeit des Markeninhabers ein. Der Lizenzpraxis des Markeninhabers lägen zahlreiche entsprechende Carrera-Marken zugrunde, die für zahlreiche Waren geschützt seien. Die Lizenzprodukte würden regelmäßig in Verbrauchermärkten, Fachgeschäften und Discountern stationär und im Internet angeboten, insoweit werde beispielhaft auf Werbemittel in Papierform verwiesen (z. B. Auszüge aus Netto-Katalogen aus den Jahren 2018 bis 2023, Bl. 183 d. A. Rücks. ff., bzgl. Gartengeräte, Werkzeuge und Sicherheitsschuhe; Auszüge aus Prospekten der mit über 250 Heim & Garten-Märkten in Deutschland vertretenen B… KG Anlage BDR 12, Bl. 220 ff., sowie aus Prospekten von „Netto“-Märkten aus den Jahren 2013 bis 2019, Anlage BDR 13, Bl. 222 d. A.; Aufstellungen zu diversen Waren, Anlage BDR 13, Bl. 223 Rücks. ff. d. A.). Für Gartenartikel verwende der Markeninhaber auch die Marke „Carrera Greenmaster“ und der unter dieser Marke vertriebene Schlauchverbinder habe im Jahr 2012 den „Red Dot“-Designpreis gewonnen. Die Carrera-Artikel würden nicht nur von den Lizenznehmern des Markeninhabers, sondern teilweise auch über die X … AG vertrieben (vgl. Anlage BDR 14 Bl. 238 Rücks. d. A.). Vorübergehend habe der Beschwerdegegner die Marke „Carrera“

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zudem für Unterhaltungselektronik lizenziert (Verweis auf Anlage BDR 15). Gemeinsam mit einem weiteren Lizenznehmer entwickle und vermarkte er außerdem ein umfangreiches Sortiment an elektrisch betriebenen Handwerkzeugen (Verweis auf Katalog Anlage BDR 17, Bl. 241 Rücks. ff. d. A.). Der von der X … AG vertriebene Ultraschallreiniger werde nicht unter der Marke „Fielmann“, sondern unter der Marke „Carrera“ angeboten über den Onlineshop www.cartronic.eu (Verweis auf die Bedienungsanleitung Anlage BDR 18). Die überwiegende Zahl der angebotenen „Carrera“-Artikel werde im Showroom der X … AG ständig präsentiert. Der Markeninhaber nutze die Marke Carrera nicht nur sinnvoll, sondern habe sie auch erfolgreich verteidigt, so dass er sie in Zukunft in noch größerem Umfang werde nutzen können. Entsprechendes gelte für die Marke „Pan Americana“, die der Markeninhaber eingetragen habe für Waren der Klasse 12, die bis vor Kurzem Gegenstand von Widerspruchsverfahren gewesen sei und in Bezug auf deren Lizenzierung der Beschwerdegegner in Verhandlungen stehe. Die Marke „Pan Americana“ sei zudem für Waren der Klasse 28 zugunsten der X … AG eingetragen, die sie für Autorennbahnen nutze.

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Hinsichtlich der angegriffenen Marke befinde sich der Beschwerdegegner derzeit mit Geschäftspartnern in konkreten, vertraulichen Gesprächen über mögliche Lizenzierungen und weitere Benutzungshandlungen und habe bereits mehrere tausend Euro in Vorbereitungshandlungen investiert. Er verfüge über erhebliche Erfahrungen hinsichtlich der Lizenzierung von Marken für unterschiedliche Waren und auch die Marke „Testarossa“ lasse sich seiner Auffassung nach für eine Vielzahl von Waren einsetzen, ohne die Beschwerdeführerin zu stören. Seine Investitionen in Vorbereitungshandlungen ergäben sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechnungen eines Designbüros und der vorgelegten Marktanalyse zur Gestaltung von Entwürfen und Produktabbildungen von Rasierern, die mit der Marke Testa Rossa gekennzeichnet werden sollten. Die Aufnahme von Benutzungshandlungen sei dem Markeninhaber aufgrund der massiven Angriffe der Beschwerdeführerin bislang nicht zumutbar gewesen.

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Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung, nach der die Benutzung von Herstellermarken auf vorbildgetreuen Modellfahrzeugen im Sinne der Opel-Blitz-II-Rechtsprechung markenrechtlich zulässig, sei es vollkommen legitim, wenn sich der Markeninhaber kritisch zu der Lizenzvergabepraxis von Autoherstellern äußere. Bei der angegriffenen Marke „Testa Rossa“ gehe es zudem gar nicht um die Abwehr von Lizenzforderungen. Die Beschwerdeführerin vermenge die Anmeldung der angegriffenen Marke und die Frage der Lizenzpraxis bewusst, um den Ruf des Markeninhabers zu beschädigen. Die Medienaufmerksamkeit im Zusammenhang mit den Löschungsentscheidungen zur Marke „Testarossa“ habe der Markeninhaber nicht veranlasst und die angegriffene Marke habe er für verschiedene Verbraucherartikel ausschließlich deshalb angemeldet, um sie für eigene Produkte zu benutzen und benutzen zu lassen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin handele es sich bei der Marke „Testarossa“ – anders als möglicherweise bei der Marke „Ferrari“ – des Weiteren nicht um eine bekannte Marke vor dem Hintergrund der Benutzung für lediglich in kleinen Mengen zuletzt vor über 25 Jahren hergestellte Sportwagen. Eine angebliche Bekanntheit ergebe sich auch nicht aus dem vorgelegten Verkehrsgutachten, da die ermittelten Werte für eine Bekanntheit bei weitem nicht ausreichen würden. Die Frage des Schutzumfangs der Marke sei für die Frage der Bösgläubigkeit nicht relevant. Selbst bei unterstellter Bekanntheit könne nicht von Bösgläubigkeit ausgegangen werden angesichts der Anmeldung der angegriffenen Marke für Waren, welche nichts mit Sportwagen zu tun hätten. Der Beschwerdegegner habe nie die Absicht gehabt, die Beschwerdeführerin zu schädigen und diese habe auch keine Nachteile durch den Beschwerdegegner erlitten.

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Bei den Anlagen BDR 21 (Bl. 389 d. A.) und Anlage rop 52 (Bl. 300 Rücks. d. A.) handele es sich um einen einheitlichen Vorgang, nämlich um eine Lizenzanfrage, die der Beschwerdegegner für einen Dritten weitergeleitet habe. Der Beschwerdegegner habe nie im eigenen Namen bei der Beschwerdeführerin um eine Lizenz nachgesucht und es sei in Abrede zu stellen, dass sich die Beschwerdeführerin durch die E-Mail Anlage rop 52 bedroht gefühlt habe.

76

Im Übrigen seien die Löschungsverfahren des Markeninhabers gegen die „Testarossa-Marken“ der Antragstellerin weitgehend erfolgreich gewesen (Verweis auf Urteile des OLG Düsseldorf vom 24. Februar 2022, I-20 U 131/17 und I-20 U 132/17, Anlagen BDR 6 + 7). Damit stehe fest, dass die Beschwerdeführerin die Marke „Testarossa“ seit 30 Jahren für kein einziges neues Produkt ernsthaft benutzt habe.

77

Zur Begründung seiner Beschwerde hinsichtlich der Kostenentscheidung des DPMA führt der Inhaber der angegriffenen Marke aus, die Antragstellerin habe bei Würdigung der Ausführungen der Markenabteilung im angegriffenen Beschluss in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen Situation ihr angebliches Interesse an dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und ein Löschungsverfahren angestrengt, obwohl sie offenkundig keine Gründe für die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke habe vorbringen und belegen können. Vor diesem Hintergrund entspreche es der Billigkeit, der Antragstellerin gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG die Verfahrenskosten aufzuerlegen.Die Antragstellerin habe zudem den Antrag nur eingelegt, um außerhalb des Verfahrens liegende Ziele zu verfolgen, denn die eigentliche Motivation der Antragstellerin sei es, den Markeninhaber mit Kosten zu belasten. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Antragstellerin erst fast zwei Jahre nach ihrem Widerspruch den Löschungsantrag gestellt habe. Ihr sei die „Bösgläubigkeit“ offensichtlich erst nachträglich eingefallen als ein Mittel, den Markeninhaber weiter unter Druck zu setzen. Dementsprechend habe sie auch in drei weiteren Widerspruchsverfahren gegen Marken des Inhabers der angegriffenen Marke mit ähnlichem zeitlichem Abstand zu ihren Widersprüchen nachträglich Löschungsanträge gestellt.Nicht zuletzt habe die Antragstellerin den Löschungsantrag dazu benutzt, um den Inhaber der Marke gegenüber dem Amt und Dritten zu diskreditieren. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, sie habe einen wertvollen Besitzstand geschaffen und werde durch die Anmeldung des Markeninhabers behindert, sei abwegig, nicht zuletzt, weil seit Jahren zahlreiche weitere Anmelder die Marken „Testarossa“ und „Testa Rossa“ unbehelligt von der Beschwerdeführerin angemeldet hätten und nutzen würden.

78

Der Senat hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der vom Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung präsentierten Rechnungen sowie einer Marktanalyse mit Entwürfen und Produktabbildungen, von denen Kopien der Gegenseite übergeben und als Anhang zum Protokoll zur Akte genommen wurden (Bl. 390 ff. d. A.).

79

Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung Zeugenbeweis angeboten für die Tatsache, dass unter der Marke Ferrari Merchandising- und Lifestyleartikel sowie Fahrräder und Fahrradzubehör angeboten würden sowie für die Tatsache, dass es einen Testarossa Award gebe.

80

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdegegner am 3. Dezember 2024 einen nicht nachgelassenen Schriftsatz eingereicht.

81

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

82

Die zulässige, insbesondere gem. § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Löschungsantragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marke DE 30 2013 070 212 wegen bösgläubiger Markenanmeldung gem. § 50 Abs. 1 MarkenG a. F. i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. nicht hinreichend dargetan und auch ansonsten nicht feststellbar sind. Ebenso bleibt die zulässige Beschwerde des Markeninhabers gegen die Kostenentscheidung im angegriffenen Beschluss ohne Erfolg.

83

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Das Eintragungshindernis der bösgläubigen Anmeldung aus Art. 3 Abs. 2 d) Marken-Richtlinie a. F. (RL 2008/95/EG) findet sich nun in Art. 4 Abs. 2 Marken-Richtlinie n. F. (RL (EU) 2015/2436) und wird umgesetzt durch die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG n. F., die mit der zuvor und auch im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke gültigen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. übereinstimmt.Ebenso hat sich die Vorschrift des § 50 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG geändert. Für die Entscheidung im vorliegenden Fall ist die neue Fassung des § 50 Abs. 1 MarkenG seit ihrem Inkrafttreten am 14. Januar 2019 anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung existiert, während § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG gem. § 158 Abs. 8 S. 2 MarkenG in seiner bisherigen Fassung gilt, wenn der Antrag auf Löschung vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist (vgl. BGH, GRUR 2020, 1089 Rn. 24 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II).

84

I. Es erfolgt keine Aufhebung des angegriffenen Beschlusses der Markenstelle aufgrund eines Verfahrensfehlers und Zurückverweisung der Sache ans DPMA gem. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG.

85

1. Zwar hat die Markenabteilung das Verfahren ausgesetzt und den angegriffenen Beschluss ohne Wiederaufnahme des Verfahrens und ohne weitere Gelegenheit zur Stellungnahme erlassen, weshalb – unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Aussetzungsentscheidung – im Hinblick auf die fehlende Wiederaufnahme und die inhaltlich in diesem Verfahrensstadium nicht zu erwartende Entscheidung der Markenabteilung über den Löschungsantrag eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Raume steht. Denn die Aussetzung des Verfahrens mit dem Hinweis auf die Vorlagebeschlüsse des OLG Düsseldorf deutete darauf hin, dass nach der Auffassung der Markenabteilung die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Testarossa-Marken, die der Vorlageentscheidung des OLG Düsseldorf an den EuGH zugrunde lag, und daher die Frage des schutzwürdigen Besitzstands der Antragstellerin im Rahmen des Löschungsverfahrens entscheidungserheblich sei. Sodann hat die Markenabteilung jedoch ohne Wiederaufnahme des Verfahrens und ohne weiteren Hinweis und Gelegenheit zur Stellungnahme für die Beteiligten den angegriffenen Beschluss erlassen, in dem sie die Bösgläubigkeit der Markenanmeldung unabhängig von der Frage eines schutzwürdigen Besitzstands der Antragstellerin verneint hat.

86

2. Eine Zurückverweisung der Sache ans DPMA aufgrund eines Verfahrensfehlers steht allerdings im Ermessen des Gerichts. Aus Gründen der Verfahrensökonomie und weil die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeinstanz die erforderliche Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, sieht der Senat vorliegend von einer Zurückverweisung der Sache gem. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ab.

87

II. Auf den zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdeführerin und den Widerspruch des Beschwerdegegners war das Löschungsbegehren inhaltlich zu überprüfen.

88

Der Löschungsantrag wurde ordnungsgemäß gestellt, insbesondere wurde das geltend gemachte konkrete Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. im Löschungsantrag ausdrücklich benannt (zum Erfordernis der Angabe des konkreten Schutzhindernisses vgl. BGH GRUR 2016, 500 Rn. 11 – Fünf-Streifen-Schuh). Dem ihm am 7. April 2017 zugegangenen Löschungsantrag hat der Beschwerdegegner am 12. Mai 2017 und daher rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist der vor dem 1. Mai 2020 und somit zum damaligen Zeitpunkt gültigen und vorliegend maßgeblichen Regelung in § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG a. F. widersprochen, so dass gem. § 54 Abs. 2 S. 3 MarkenG a. F. das Löschungsverfahren durchzuführen war.

89

III. Eine Marke wird nach § 50 Abs. 1 MarkenG n. F. auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7, 8 MarkenG eingetragen worden ist, wobei für die im Eintragungsverfahren (§§ 37 Abs. 1, 41 S. 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung der Schutzhindernisse auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens und das zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrsverständnis abzustellen ist (vgl. BGH GRUR 2018, 301 Rn. 9 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 378 Rn. 14 – LIQUIDROM; GRUR 2015, 1012 Rn. 8 – Nivea-Blau; GRUR 2014, 565 Rn. 10 – smartbook; GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten). Soweit der Löschungsgrund der Bösgläubigkeit geltend gemacht wird, ist ausschließlich auf diesen Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen und nicht daneben auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (vgl. EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 35 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2016, 380 Rn. 12 – GLÜCKSPILZ). Dies schließt jedoch eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus. So wird sich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Markeninhabers häufig erst aus einer späteren Rechtsausübung ergeben, die zwar als solche den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. nicht erfüllt, aber im Einzelfall erst den erforderlichen Schluss auf eine bereits zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht mit der erforderlichen Sicherheit erlaubt (vgl. BGH a. a. O. Rn. 14 – GLÜCKSPILZ; BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 14. Aufl. 2024, § 8 Rn. 1081). Ist die Feststellung des Schutzhindernisses auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Rn. 48 – Rocher-Kugel; vgl. demgegenüber zur Feststellungslast in Fällen der Verkehrsdurchsetzung die neuere Rechtsprechung des BGH, GRUR 2021, 1526 Rn. 38 – NJW-Orange mit Verweis auf EuGH, GRUR 2014, 776 Rn. 68 ff. – Farbmarke Rot; Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 53 Rn. 62 ff.).

90

Von der Böswilligkeit des Anmelders i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Der Begriff „bösgläubig‟ ist dabei als eigenständiger Begriff des Unionsrechts in der EU einheitlich auszulegen (vgl. EuGH GRUR 2020, 288 Rn. 73 – Sky ua/Gesellschaften SkyKick; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1062). Bei der Auslegung des Begriffs „bösgläubig“ ist neben dem Umstand, dass dieser in seiner üblichen Bedeutung im gewöhnlichen Sprachgebrauch eine unredliche Geisteshaltung oder Absicht voraussetzt, der besondere markenrechtliche Kontext, nämlich der des Geschäftslebens, zu berücksichtigen; insoweit sollen die Unionsregelungen im Bereich der Marken insbesondere zu einem System unverfälschten Wettbewerbs in der Union beitragen (vgl. EuGH GRUR 2020, 288 Rn. 73 – Sky ua/Gesellschaften SkyKick; GRUR-RS 2019, 20743 Rn. 45 – STYLO & KOTON). Der Nichtigkeitsgrund der Bösgläubigkeit findet Anwendung, wenn sich aus schlüssigen und übereinstimmenden Indizien ergibt, dass der Inhaber einer Marke die Anmeldung derselben nicht mit dem Ziel eingereicht hat, sich in lauterer Weise am Wettbewerb zu beteiligen, sondern mit der Absicht, in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden, oder mit der Absicht, sich ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken, unter anderem der wesentlichen Funktion der Herkunftsangabe, zu verschaffen (EuGH a. a. O. Rn. 75 – Sky ua/Gesellschaften SkyKick; a. a. O. Rn. 46 – STYLO & KOTON). Eine böswillige Markenanmeldung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen oder aber die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (vgl. BGH GRUR 2016, 380 Rn. 17 – GLÜCKSPILZ; GRUR 2016, 378 Rn. 17 – LIQUIDROM; GRUR 2009, 780 Rn. 13 – Ivadal; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1143 ff.). Neben diesen beiden Fallgruppen der Störung des schutzwürdigen Besitzstandes und des beabsichtigten zweckfremden Einsatzes der Marke als Mittel des Wettbewerbskampfes ist in der nationalen Rechtsprechung als dritte Fallgruppe der bösgläubigen Markenanmeldungen diejenige der Anmeldung sogenannter „Spekulationsmarken“ herausgearbeitet worden, d. h. von Marken, welche der Anmelder lediglich mit dem Ziel schützen lassen möchte, gutgläubige Dritte unter Druck zu setzen, ohne dass ein eigener ernsthafter Benutzungswille des Markenanmelders vorliegt (vgl. BGH GRUR 2001, 242 – Classe E; BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1061, Rn. 1101 ff.). Diese drei in der deutschen Spruchpraxis entwickelten Fallgruppen weisen Überschneidungen auf und sind nicht abschließend. Die Feststellung, ob der Anmelder die Eintragung der Marke bösgläubig beantragt hat, erfordert eine Beurteilung unter Berücksichtigung aller sich aus den relevanten Umständen des Einzelfalls ergebenden Anhaltspunkte (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 37, 53 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 – Ivadal). Dabei kann aus den relevanten objektiven Umständen auf die für die Beurteilung der Bösgläubigkeit der Anmeldung relevante subjektive Einstellung des Anmelders im Sinne einer Behinderungsabsicht oder eines sonstigen unlauteren Motivs geschlossen werden (vgl. EuGH GRUR Int 2013, 792 Rn. 36 – Malaysia Dairy Industries; EuGH a. a. O. Rn. 42 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 – Ivadal; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1072). Als relevante Umstände kommen in Betracht die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen verwendet sowie die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern; schließlich auch der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 53 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth). Ein Verhalten überschreitet die Schwelle der Bösgläubigkeit erst dann, wenn seine Wirkungen über eine als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmende Behinderung hinausgehen und es bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH GRUR 2016, 380 Rn. 28 – GLÜCKSPILZ; GRUR 2008, 917 Rn. 23 – EROS; GRUR 2008, 621 Rn. 32 – AKADEMIKS). Bezieht sich die fehlende Absicht, die Marke entsprechend den wesentlichen Funktionen einer Marke zu benutzen, nur auf einige der von der Markenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen, stellt diese Anmeldung nur insoweit bösgläubiges Handeln dar, als sie diese Waren oder Dienstleistungen betrifft(vgl. EuGH a. a. O. Rn. 81 – Sky ua/Gesellschaften SkyKick).

91

IV. Unter Berücksichtigung dieser vorgenannten Grundsätzevermögen die von der Beschwerdeführerin genannten Aspekte und die Feststellungen des Gerichts die Annahme eines böswilligen Verhaltens des Beschwerdegegners im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke nicht ausreichend zu begründen. Eine bösgläubige Markenanmeldung kann mit der erforderlichen Sicherheit weder unter dem Gesichtspunkt der Anmeldung einer Spekulationsmarke (s. u. Ziff. 1.), noch unter dem Gesichtspunkt der Störung eines schutzwürdigen Besitzstands der Beschwerdeführerin (s. u. Ziff. 2.) oder des beabsichtigten zweckfremden Einsatzes der Sperrwirkung der Marke als Mittel des Wettbewerbskampfes (s. u. Ziff. 3.) angenommen werden. Schließlich kann auch bei Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls nicht aus anderen Gründen angenommen werden, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke durch den Beschwerdegegner als rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig anzusehen wäre, insbesondere dass das Verhalten des Beschwerdegegners in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet war oder dass es im Hinblick auf eine von der Beschwerdeführerin so bezeichneten Fallgruppe einer „funktionswidrigen“ Markenanmeldung als bösgläubig anzusehen wäre (s.u. Ziff. 4.)

92

1. Eine bösgläubige Markenanmeldung unter dem Gesichtspunkt der Anmeldung einer Spekulationsmarke ist nicht gegeben.

93

a) Als Hauptanwendungsfall einer bösgläubig angemeldeten Spekulationsmarke wird die Hortung von Marken ohne Benutzungswillen angesehen. Für diesen Tatbestand müssen grundsätzlich folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Es muss eine Vielzahl von Marken für völlig unterschiedliche Waren und Dienstleistungen angemeldet worden sein (s. u. Ziff. 1. b) aa)), sich hinsichtlich der Marken kein ernsthafter Benutzungswille des Anmelders feststellen lassen (s. u. Ziff. 1. b) bb)) und die Anmeldung mit der eindeutigen Absicht erfolgt sein, Dritte in rechtsmissbräuchlicher Weise bei der Verwendung gleicher oder ähnlicher Marken zu behindern (s. u. Ziff. 1. b) cc)), insbesondere sie mit rechtsmissbräuchlichen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1101 ff.).

94

Grundsätzlich muss der Anmelder einer Marke zum Zeitpunkt seiner Markenanmeldung oder deren Prüfung weder angeben noch genau wissen, wie er die angemeldete Marke benutzen wird; er verfügt über einen Zeitraum von fünf Jahren, um eine tatsächliche Benutzung aufzunehmen, die der Hauptfunktion der Marke entspricht (vgl. EuGH GRUR 2020, 288 Rn. 76 – Sky ua/Gesellschaften SkyKick m. w. N.). Die Bösgläubigkeit eines Markenanmelders kann auch nicht auf der Grundlage der bloßen Feststellung angenommen werden, dass der Anmelder bei der Anmeldung keinen Geschäftsbereich hatte, der den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen entsprach. Vielmehr sind schlüssige und übereinstimmende objektive Indizien dafür zu fordern, dass der Anmelder der betreffenden Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung die Absicht hatte, entweder in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden oder sich auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen (vgl. EuGH GRUR a. a. O. Rn. 76 f. – Sky ua/Gesellschaften SkyKick).

95

b) Vorliegend kann eine Bösgläubigkeit unter dem Gesichtspunkt der Anmeldung einer sog. Spekulationsmarke nicht angenommen werden.

96

aa) Zwar wurde die angegriffene Marke für ganz unterschiedliche Waren der Klassen 7, 8, 12, 18, 21 und 28 angemeldet wie beispielsweise Waschmaschinen, Rasenmäher, Rasierapparate, Fahrräder, Badetaschen oder Angelhaken. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdegegner nicht nur die vorliegend angegriffene, sondern noch eine Vielzahl weiterer „Testa Rossa“-Marken für unterschiedliche Klassen beim DPMA und EUIPO angemeldet hat, nämlich insgesamt vier Unionsmarken (UM 013 019 047,UM 017 750 589,UM 017 750 605 undUM 017 750 613) sowie drei weitere deutsche Marken (DE 30 2017 030 193, DE 30 2017 108 126 und DE 30 2017 225 703) für diverse Waren der Klassen 3, 7, 8, 9, 12, 14, 16, 18, 21, 25 und 28 und Dienstleistungen der Klasse 37. Allein aus der Vielzahl der Anmeldungen bzw. Eintragungen von „Testa Rossa-Marken“ sowie der Diversität der beanspruchten Waren – von der Beschwerdeführerin als „clusterhafte Anmeldung“ bezeichnet – kann jedoch per se nicht geschlossen werden, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke mit Behinderungsabsicht erfolgte (vgl.Schoene in BeckOK Markenrecht, 37. Edition. Stand: 01.07.2023, § 8 Rn. 998; BPatG, Beschluss vom 13.06.2018, 26 W (pat) 539/17 – Harald Juhnke).

97

bb) Dem Beschwerdegegner kann zudem ein eigener genereller Benutzungswille nicht ohne Weiteres abgesprochen werden.

98

(1) Die Beteiligten haben ausführliche und weitgehend streitige Ausführungen zur bisherigen geschäftlichen Tätigkeit des Beschwerdegegners gemacht. Nach dessen Vortrag legt sein Geschäftsmodell den Fokus auf die Lizenzierung von Marken für diverse Alltagswaren wie beispielsweise Beregnungsanlagen oder Gartengeräte. Die Beschwerdeführerin hat den Umfang des Lizenzierungsgeschäfts, die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse sowie die Beteiligung einzelner Gesellschaften im Einzelnen bestritten und sich u. a. detailliert mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Anlagen BDR 12 ff. auseinandergesetzt, beispielsweise den Abschluss von Lizenzverträgen mit Netto und B … KG, und das gesamte Drittlizenzgeschäft des Beschwerdegegners bestritten. Sie hat allenfalls eingeräumt, dass sich die Lizenznutzung durch die X … AG, deren Vorstand der Beschwerdegegner ist, hinsichtlich der Marke „Carrera“ „nachvollziehbar“ auf „einige wenige Produkte“ (einen Ultraschallreiniger und ein Werkzeugset, die aber jeweils auch unter anderen Marken vertrieben würden) beschränke, woraus sich ihrer Auffassung nach noch kein Geschäftsmodell ergebe. Unstreitig ist die X … AG hierüber hinaus im Bereich der Spielwaren, insbesondere Spielzeug-/Modellautos und Rennbahnen, geschäftlich tätig. Auf den Vortrag der Beschwerdeführerin zur wirtschaftlichen Lage der X … AG bei der Markenanmeldung kommt es im Hinblick auf den zu fordernden lediglich generellen Benutzungswillen sowie die Fünfjahres-Benutzungsschonfrist nicht im Detail an.

99

(2) Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang der Beschwerdegegner sein Lizenzgeschäft überhaupt substantiiert dargelegt hat und inwieweit dies von der Beschwerdeführerin wiederum ausreichend konkret bestritten wurde, ist zunächst festzuhalten, dass ein solches (Dritt-)Lizenzgeschäft nicht nur eine rechtserhaltende Benutzung einer Marke begründen, sondern je nach den Umständen des Einzelfalls auch ein nachvollziehbares, der Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung entgegenstehendes Geschäftsmodell darstellen kann (vgl. BGH, GRUR 2001, 242, 244 – Classe E; BPatG GRUR 2012, 840 – soulhelp; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1088; Schoene in BeckOK Markenrecht, 37. Edition. Stand: 01.07.2023, § 8 Rn. 997). Etwas anderes gilt in Fällen, in denen lediglich eine Lizenzierung an bestimmte Dritte in Betracht kommt wie beispielsweise im Arzneimittelbereich, da diese dann zum Erwerb von Markenrechten genötigt sein könnten. Demgegenüber ist eine unlautere Behinderung bzw. eine dahingehende Absicht im Falle eines potentiell unbestimmten Interessentenkreises regelmäßig zu verneinen (vgl. BGH GRUR 2009, 685 Rn. 46 f. – ahd.de; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1104).

100

(3) Auch, wenn zwischen den Beteiligten streitig ist, inwieweit der Beschwerdegegner in der Vergangenheit im Drittlizenzgeschäft beispielsweise mit der Marke Carrera tatsächlich tätig war, ist daher seinem Vortrag hinsichtlich eines beabsichtigten künftigen Lizenzgeschäfts in Bezug auf die angegriffene Marke die Relevanz nicht von vorneherein abzusprechen. Dass insoweit noch keine konkreten Geschäftsmodelle oder gar Vertragsvereinbarungen mit Lizenznehmern vorgelegt wurden, ist nach dem Vortrag des Beschwerdeführers u. a. dem vorliegenden Rechtsstreit geschuldet, was einer unternehmerischen Logik nicht entbehrt. Vielmehr ist es durchaus nachvollziehbar, konkrete Planungen für die Nutzung einer Marke zurückzustellen, wenn und solange diese mit Widersprüchen und/oder Löschungsanträgen angegriffen wird. Zwar lagen zwischen der Eintragung der angegriffenen Marke am 2. März 2015 und dem Löschungsantrag vom 28. Februar 2017 zwei Jahre, in denen der Beschwerdegegner noch keine konkreten Verwertungshandlungen vorgenommen hat. Gegen die Eintragung der Marke hatte die Beschwerdeführerin jedoch auch Widerspruch eingelegt. Vor diesem Hintergrund ist ein Zuwarten des Beschwerdegegners mit Verwertungshandlungen oder diesbezüglichen konkreten Planungen wirtschaftlich sinnvoll und nachvollziehbar. Soweit der Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung näher zur geplanten Verwendung der angegriffenen Marke für Rasierapparate vorgetragen hat, so hat die Beschwerdeführerin dies im Einzelnen bestritten, beispielsweise die Ausführung der behaupteten Überweisungen an Designagenturen. Unabhängig davon, dass die E-Mail der D … Agentur vom 2. März 2018, deren Echtheit nicht konkret bestritten wurde, auf die Anfertigung eines Rasierer-Designs zum Zwecke des Vertriebs unter der Marke Testa Rossa hindeutet (vgl. Bl. 393 + 394 d. A.), kommt es vorliegend nicht entscheidend darauf an, inwieweit Verwertungshandlungen bereits konkret geplant wurden, da im Hinblick auf die laufenden Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten konkrete Verwertungshandlungen und deren Vorbereitung noch nicht erwartet werden können bzw. deren Fehlen nicht per se gegen eine unternehmerische Logik und für die Bösgläubigkeit des Markenanmelders sprechen. Vor diesem Hintergrund bedarf es insoweit auch nicht einer abschließenden Klärung des Sachverhalts, so dass auch kein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG erforderlich war, um dem Beschwerdegegner Gelegenheit zur Stellungnahme auf den das Bestreiten enthaltenden Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 16. Oktober 2024 zu geben. Soweit der Beschwerdegegner seinerseits nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen weiteren, nicht nachgelassenen Schriftsatz eingereicht hat, so war der Vortrag in diesem Schriftsatz gem. § 296 a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG nicht zu beachten. Auch insoweit erfolgt kein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.

101

Auf ein der unternehmerischen Logik widersprechendes Verhalten des Beschwerdegegners kann des Weiteren nicht aufgrund des Vortrags der Beschwerdeführerin geschlossen werden, dass es keinen sinnvollen Lizenzmarkt für die Lizenzierung einer Marke „Testarossa“ oder „Testa Rossa“ für elektrische Rasierer gebe. Unabhängig von der Frage, in welchem Stadium der Anmeldung einer Marke oder des Laufs der Benutzungsschonfrist konkrete Planungen oder Marktanalysen für die Einführung von Produkten zu fordern sind, ergibt sich aus den vom Beschwerdegegner vorgelegten umfangreichen Unterlagen wie beispielsweise Prospekten (vgl. Anlage BDR 12, Prospekte von Netto und B … KG, Bl. 220 ff. d. A.), dass – unabhängig von der von der Beschwerdeführerin bestrittenen zugrundeliegenden Lizenzierung durch den Beschwerdegegner – die Verwendung einer früher für Rennautos bekannten Marke („Carrera“) für ganz andere Waren (Arbeitsschuhe, Leuchtmittel, Pinsel etc.) am Markt bereits praktiziert wird, so dass eine derartige Geschäftsidee jedenfalls plausibel ist. Dies gilt ebenso hinsichtlich der weiteren von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren, in Bezug auf die während des laufenden Verfahrens keine Verwertungshandlungen oder diesbezügliche Planungen zu fordern sind. Bei einer beabsichtigten Lizenzierung an Dritte kommt es auch nicht auf den Vortrag der Beschwerdeführerin an, dass der Beschwerdegegner selbst und auch seine Firmen nicht die unternehmerische Möglichkeit hätten, elektrische Rasierer in Deutschland produzieren zu lassen, insbesondere müsste die Produktion auch nicht zwingend in Deutschland erfolgen.

102

Zudem ist der Beschwerdeführer unstreitig in der Spielzeugbranche geschäftlich tätig und die angegriffene Marke beansprucht u. a. Schutz für Waren der Klasse 28. In Bezug auf die in dieser Klasse beanspruchten Spielwaren, insbesondere Modellspielzeug, ist daher eine Verwendung der angegriffenen Marke auch für den eigenen Geschäftsbetrieb denkbar und unternehmerisch sinnvoll, unabhängig von der rechtlichen Frage, inwieweit die Bezeichnung „Testarossa“ nach der Rechtsprechung auch unabhängig von der angegriffenen Marke für Modellfahrzeuge genutzt werden könnte (vgl. BGH GRUR 2024, 1033 Rn. – VW Bulli; GRUR 2023, 808 Rn. 24 ff. – Dachser; GRUR 2010, 726 – Opel-Blitz II).

103

Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren Nutzungsmöglichkeiten kann dem Beschwerdeführer eine eigene Benutzungsabsicht nicht von vorneherein abgesprochen werden.

104

cc) Zudem fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dahingehend, dass die Anmeldung mit der eindeutigen Absicht erfolgte, Dritte in rechtsmissbräuchlicher Weise bei der Verwendung gleicher oder ähnlicher Marken (unabhängig vom Vorliegen eines schutzwürdigen Besitzstands) zu behindern.

105

(1) Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdegegner aus der vorliegend angegriffenen Marke, soweit ersichtlich, bislang weder gegen die Beschwerdeführerin noch gegen andere Marktteilnehmer vorgegangen ist. Vielmehr hat er unter Hinweis auf diverse weitere Testarossa-Marken anderer Anmelder bzw. Markeninhaber nachvollziehbar geltend gemacht, dass eine Koexistenz verschiedener gleichlautender Marken möglich sei, insbesondere soweit diese Schutz für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen beanspruchen.

106

Dass der Beschwerdeführer gegen mehrere „Testarossa-Marken“ der Beschwerdeführerin Verfallsanträge beim EUIPO bzw. DPMA eingereicht bzw. Verfallsklagen vor deutschen Gerichten erhoben hat, stellt erst einmal kein Indiz dafür dar, dass er die vorliegend angemeldete Marke rechtsmissbräuchlich einsetzen möchte. Vielmehr zeigen diese Klagen bzw. Anträge, dass der Beschwerdegegner der Ansicht ist, dass die Beschwerdeführerin ihre „Testarossa-Marken“ gerade nicht mehr nutzt, so dass – ebenfalls aus seiner Sicht – auch gar kein „Behinderungspotential“ bestehen würde. Die Verfallsanträge wurden zudem erst in den Jahren 2014 und 2015 und damit nach Anmeldung der vorliegend angegriffenen Marke erhoben bzw. gestellt. Zwar kann grundsätzlich auch aus zeitlich späteren Umständen auf die Absicht des Anmelders zum Anmeldezeitpunkt geschlossen werden (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1095). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin ihrerseits im Wege des Widerspruchs u. a. aus der Marke IR 910 752 gegen die angegriffene Marke vorgegangen ist und der Beschwerdegegner den Löschungsantrag beim EUIPO hinsichtlich der Eintragung der Marke IR 910 752 jedenfalls hinsichtlich der Waren der Klasse 12 erst nach diesem Zeitpunkt gestellt hat. Der Antrag auf Löschung einer Widerspruchsmarke ist im Rechtsverkehr nichts Ungewöhnliches und per se kein Anhaltspunkt für eine Bösgläubigkeit bei der Anmeldung der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke. Aber auch die weiteren Verfallsanträge deuten nicht auf eine Behinderungsabsicht des Beschwerdegegners bei Anmeldung der vorliegenden Marke hin, zumal diese zumindest teilweise erfolgreich waren (vgl. Entscheidungen der 5. BK des EUIPO vom 29.08.2023, Az. R 334/2017-5, R 343/2017-5 und R 887/2016-5).

107

(2) Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls für „Automobile und Teile davon“ über ein älteres Recht an der Bezeichnung „Testarossa“ verfügt, ist ebenfalls kein Indiz für eine Behinderungsabsicht des Beschwerdegegners im Rahmen der Fallgruppe der Spekulationsmarkenanmeldung. Zunächst sind schutzwürdige Kennzeichen Dritter grundsätzlich und ohne Hinzutreten besonderer Umstände nur relative Schutzhindernisse, die nicht im Löschungs- sondern im Widerspruchsverfahren geltend zu machen sind (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1109). Zudem stellt sich die Frage, inwieweit dem Beschwerdegegner eine zu missbilligende Behinderung der Beschwerdeführerin überhaupt möglich wäre, soweit die Beschwerdeführerin über ältere Rechte verfügt.

108

(3) Eine bösgläubige Anmeldung einer Spekulationsmarke ist des Weiteren nicht unter den Stichworten der „Usurpation einer bekannten Marke“ oder des „Trittbrettfahrens“ anzunehmen. Dabei wird diese Problematik der Usurpation einer bekannten Marke je nach Fallkonstellation bei der Prüfung der Spekulationsmarkenanmeldung verortet (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1109 unter dem Gliederungspunkt 11.7.3 „Spekulationsmarken“), oder bei der Frage der Störung eines schutzwürdigen Besitzstands diskutiert (vgl. Schoene in: BeckOK Markenrecht, a. a. O. § 8 Rn. 1007) und von der Beschwerdeführerin zudem unter dem Schlagwort der „funktionswidrigen“ Markenanmeldung angesprochen.

109

Soweit die Beschwerdeführerin vorliegend eine Bösgläubigkeit mit der „Usurpation einer bekannten Marke“ begründet und insoweit auf die Simca-Entscheidung des EuG verweist (vgl. EuG GRUR Int. 2014, 1047 – Simca), kann offen bleiben, inwieweit das Aufgreifen ehemals verwendeter (bekannter) Bezeichnungen unter dem Stichwort des „Trittbrettfahrens“ die Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung nach sich zieht oder aber grundsätzlich den gesetzgeberischen Vorstellungen entspricht und daher für sich genommen und ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als rechtsmissbräuchlich oder wettbewerbswidrig angesehen werden kann, da das Markenrecht weder das Erfordernis der Neuheit noch das einer eigenen schöpferischen Leistung als Voraussetzung für die Vergabe von Rechten kennt (vgl. Schoene in: BeckOK Markenrecht, a. a. O. § 8 Rn. 1007, mit Verweis auf BGH GRUR 1998, 412, 414 – Analgin; BPatG, Beschluss vom 12.04.2011, 28 W (pat) 13/10 – Simca). Denn vorliegend ist die Beschwerdeführerin nach ihrem eigenen Vortrag Inhaberin älterer Marken, die sehr wohl weiterhin rechtserhaltend benutzt würden, wie dies hinsichtlich der Wort-/Bildmarken „Testarossa“ in Bezug auf „Automobile und Teile davon“ zwischen den Beteiligten – vorbehaltlich der anhängigen Verfassungsbeschwerde – auch rechtskräftig feststeht, vgl. nachfolgend Ziff. 2. zur Frage des schutzwürdigen Besitzstands. Die hier relevante Konstellation unterscheidet sich in dieser Hinsicht von dem der Simca-Entscheidung zugrundeliegenden Fall, in dem die Produktion von Fahrzeugen unter der Bezeichnung SIMCA lange zuvor eingestellt worden war und zwar eine fortbestehende Bekanntheit, nicht aber eine rechtserhaltende Benutzung geltend gemacht worden war. Der Schutz von Marken vor Verwechslungsgefahr einschließlich des Schutzes u. a. vor Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung über den Bekanntheitsschutz wird nämlich in erster Linie durch die im Widerspruch geltend zu machenden relativen Schutzhindernisse gem. § 9 MarkenG, u. a. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG, bzw. im Verletzungsfall durch die Regelungen in §§ 14 ff. MarkenG, u. a. § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 MarkenG, gewährleistet. Für die Annahme des absoluten Schutzhindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung ist der Bestand einer älteren Marke – auch im Falle ihrer ggf. fortbestehenden Bekanntheit – für sich genommen demgegenüber als nicht ausreichend anzusehen. Vielmehr sind hierüber hinausgehende Umstände zu fordern, die im Rahmen einer Gesamtabwägung die Bösgläubigkeit der Anmeldung begründen.

110

Da sich die Fallkonstellationen bereits unterscheiden, kommt es auf die Frage, wie sich die vorstehend zitierte Simca-Entscheidung des EuG, nach der auch nicht mehr genutzten Marken im Falle einer „Restbekanntheit“ ein Schutz zukommt, mit dem Benutzungszwang des Markenrechts sowie der Tatsache, dass das Markenrecht kein Vorbenutzungsrecht kennt, vereinbaren lässt (vgl. BPatG, Beschluss vom 12.04.2011, 28 W (pat) 13/10 – Simca; Weiß, Bösgläubige Anmeldung einer bekannten „historischen“ Marke, GRUR-Prax 2014, 277) nicht weiter an und ist auch eine Vorlage dieser Frage an den EuGH nicht erforderlich.

111

Soweit die Beschwerdeführerin in ihren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung weitere Entscheidungen insbesondere des EuG zitiert hat, die die Bösgläubigkeit aufgrund der Anmeldung des Namens einer berühmten Person als Marke zum Gegenstand haben, so führt das EuG beispielsweise in seinem Urteil vom 14.05.2019, T-795/17 – Neymar in der Tat aus, dass Bösgläubigkeit bei der Anmeldung eines bekannten Namens als Marke bereits dann anzunehmen sei, wenn der Anmelder eine wirtschaftliche Verwertung der Marke abseits der Ausbeutung des Rufes und der Bekanntheit des Namensträgers nicht dartun könne. Inwieweit diese Entscheidung überzeugt (vgl. kritische Anmerkung von Bösling, GRUR-Prax 2019, 305 mit dem Hinweis u. a. auf Wertungswidersprüche zum Schutz bekannter Namen, Marken und Kennzeichen gem. Art. 8 Abs. 4, Abs. 5 UMV), kann vorliegend dahinstehen, da im Rahmen der für die Bösgläubigkeitsprüfung erforderlichen Gesamtabwägung bei der Anmeldung eines Personennamens anders als bei der vorliegenden Markenanmeldung auch das Persönlichkeitsrecht des bekannten Namensträgers einzubeziehen ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dabei nicht ausschließlich dem Wert- und Achtungsanspruch, sondern auch vermögenswerten Interessen der Person (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1107). Dementsprechend wurde auch der Umstand, dass die angemeldete Marke aus dem Familiennamen des Konkurrenten gebildet war, als Indiz für Bösgläubigkeit gewertet (vgl. EuGH GRUR Int 2014, 172 Rn. 32 – SALINI). In der ebenfalls von der Beschwerdeführerin zitierten Nehera-Entscheidung des EuG (MarkenR 2022, 343– Jan Nehera) wurde eine Bösgläubigkeit im Ergebnis verneint.

112

Da es im vorliegenden Fall nicht um die Anmeldung eines Personennamens und die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts geht, unterscheiden sich die Fallkonstellationen jedoch bereits und die Ausführungen in den vorgenannten, von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen ziehen keine andere Bewertung durch den Senat nach sich.

113

Eine Bösgläubigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Spekulationsmarkenanmeldung kann schließlich unter Berücksichtigung der weiteren aus Sicht der Beschwerdeführerin anzunehmenden Indizien (vgl. auch unten Ziff. 4.) ebenfalls nicht angenommen werden.

114

2. Eine böswillige Markenanmeldung ist ferner nicht unter dem Gesichtspunkt der Störung eines schutzwürdigen Besitzstandes der Beschwerdeführerin zu bejahen, da auf der Grundlage der Feststellungen des Senats und des Vortrags der Beschwerdeführerin, die insoweit eine Mitwirkungspflicht und letztendlich die Feststellungslast trifft, selbst bei Annahme eines schutzwürdigen Besitzstands jedenfalls die besonderen Umstände, die das Verhalten des Beschwerdegegners als sittenwidrig erscheinen lassen, mit der zur Löschung der angegriffenen Marke erforderlichen Sicherheit nicht angenommen werden können. In Zweifelsfällen darf die Löschung einer eingetragenen Marke – auch bei länger zurückliegendem Eintragungsverfahren – nicht erfolgen (BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 48 – Rocher-Kugel; GRUR 2014, 565 Rn. 18 – smartbook).

115

a) Vorliegend ist ein schutzwürdiger Besitzstand jedenfalls hinsichtlich der Waren „Automobile und Teile davon“ anzunehmen.

116

Unstreitig hat die Beschwerdeführerin die Bezeichnung „Testarossa“ jedenfalls für ein von ihr in den Jahren 1984 bis 1991 produziertes Sportwagenmodell verwendet, wohingegen das Vorliegen eines schutzwürdigen Besitzstands zum maßgeblichen Zeitpunkt der Markenanmeldung im Jahr 2013 streitig ist. Zur Begründung ihres schutzwürdigen Besitzstands beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Wortmarke IR 910 752 „Testarossa“, auf Benutzungsmarken „Testarossa“, „Testa Rossa“ bzw. „FERRARI TESTAROSSA“ und schließlich im Beschwerdeverfahren auch auf die Wort-/Bildmarken
Abbildung IR 515 107 und DE 1 158 448. Der Bestand der Wort-/Bildmarken
Abbildung„Testarossa“ IR 515 107 und DE 1 158 448 für die Waren „automobiles et leur parties“ bzw. „Automobile und Teile davon“ wurde inzwischen rechtskräftig durch das OLG Düsseldorf bzw. den Bundesgerichtshof (Beschlüsse vom 10. November 2022, I ZR 38/22 und I ZR 39/22) festgestellt. Die Einlegung der Verfassungsbeschwerde hemmt die Rechtskraft zunächst nicht, vielmehr erfolgt die Hemmung nur rückwirkend bei Erfolg der Verfassungsbeschwerde (vgl. Schmidt in Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl. 2024, § 705 Rn. 11 mit Verweis auf BVerfG NJW 1996, 1736). Daher kann vorliegend jedenfalls von einem fortbestehenden Besitzstand in diesem Umfang ausgegangen werden.

117

b) Auch von der Kenntnis des Beschwerdegegners von diesem Besitzstand ist ohne Weiteres auszugehen. Im Hinblick auf die diversen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kann angenommen werden, dass der Beschwerdegegner das geschäftliche Handeln der Beschwerdeführerin auch im maßgeblichen Zeitpunkt (vor) der Anmeldung der angegriffenen Marke (am 27. Dezember 2013) beobachtet hat, beispielsweise zur Vorbereitung seines Löschungsantrags hinsichtlich der Marke IR 910 752 am 14. November 2014. Im Übrigen genügt Kennenmüssen des Besitzstands.

118

c) Eine bösgläubige Markenanmeldung aufgrund Störung eines schutzwürdigen Besitzstands kommt des Weiteren von vorneherein nur in Betracht, wenn eine mit einem vorbenutzten Zeichen identische oder zum Verwechseln ähnliche Marke für identische oder verwechselbar ähnliche Waren oder Dienstleistungen angemeldet wird (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1117). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin können insoweit die Grundsätze des Sonderschutzes der bekannten Marke, bei dem Schutz über den Ähnlichkeitsbereich der Waren- und Dienstleistungen hinaus gewährt wird, nicht ohne Weiteres auf die Prüfung des absoluten Schutzhindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung übertragen werden.

119

Wenn die Beschwerdeführerin weiter geltend macht, dass eine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung gerade nicht zu fordern sei, so ist zutreffend, dass die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht auf die Fälle beschränkt ist, in denen ein gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren und Dienstleistungen verwendet wird. Vielmehr können auch andere tatsächliche Umstände gegebenenfalls schlüssige und übereinstimmende Indizien für den Nachweis einer Bösgläubigkeit des Anmelders darstellen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 51 ff. – STYLO & KOTON; s. auch Rn. 48 ff., klarstellende Auseinandersetzung mit der Entscheidung Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth). Im Rahmen der Fallgruppe der Störung eines schutzwürdigen Besitzstands ist eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen demgegenüber weiterhin zu prüfen (vgl. EuGH a. a. O. – STYLO & KOTON; a. a. O. – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1114 m. w. N.).

120

Eine (klangliche) Identität bzw. die verwechselbare Ähnlichkeit der angegriffenen Marke „Testa Rossa“ zu den für „Automobile und Teile davon“ bzw. „automobiles et leur parties“ benutzten Wort-/Bildmarken IR 515 107 und DE 1 158 448
Abbildung ist zu bejahen. Die angegriffene Marke wurde auch zumindest teilweise für verwechselbar ähnliche Waren und Dienstleistungen angemeldet, beispielsweise hinsichtlich einiger Waren der Klasse 12 wie Fahrräder, Elektrofahrräder, E-Bikes, Elektrofahrzeuge etc. (vgl. BGH GRUR 2021, 724 – PEARL/PURE PEARL; BPatG, Beschluss vom 15.7.2023, 29 W (pat) 65/20 – MINI/Minisa). Der Waren- und Dienstleistungsvergleich und insbesondere auch die aufgeworfenen Benutzungsfragen können jedoch im Einzelnen dahinstehen, weil es an der weiteren Voraussetzung der Störungs- bzw. Behinderungsabsicht fehlt.

121

d) Auch wenn somit ein schutzwürdiger Besitzstand der Beschwerdeführerin an der Bezeichnung „Testarossa“ jedenfalls für die Waren „Automobile und Teile davon“ zugrunde zu legen und zudem davon auszugehen ist, dass der Beschwerdegegner die (klanglich) identische Marke „Testa Rossa“ in Kenntnis dieses Besitzstandes teilweise, nämlich (jedenfalls) hinsichtlich eines Teils der Waren der Klasse 12 wie beispielsweise Fahrräder, für verwechselbar ähnliche Waren angemeldet hat, so kann jedoch bei Gesamtwürdigung der Umstände des Falles nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Beschwerdegegner ungerechtfertigt mit Störungs- oder Behinderungsabsicht in diesen Besitzstand eingegriffen hat. Daher fehlt es an den weiteren, eine Bösgläubigkeit begründenden Umständen.

122

aa) Die Anmeldung einer Marke in Kenntnis einer Vorbenutzung durch einen Dritten ist nicht per se bösgläubig, da das Markenrecht weder die Neuheit als Schutzvoraussetzung noch ein Vorbenutzungsrecht Dritter kennt (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1113). Eine bösgläubige Markenanmeldung aufgrund Störung eines schutzwürdigen Besitzstands setzt daher voraus, dass die Anmeldung der jüngeren Marke ohne rechtfertigenden Grund und mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren, erfolgt (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1114 m. w. N.). Dabei ist als Störung des Besitzstandes jeder ungerechtfertigte Eingriff in die Rechtsposition des Vorbenutzers anzusehen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1135). Ein Anmelder handelt jedoch nur dann bösgläubig, wenn er die Marke ohne hinreichenden sachlichen Grund angemeldet hat. Diese Voraussetzung fehlt, wenn der Markenanmelder ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Eintragung der fraglichen Marke hat, also die Förderung der eigenen Wettbewerbssituation im Vordergrund steht (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 48 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2012, 429 Rn. 11 – Simca).

123

bb) Eine Störungs- oder Behinderungsabsicht kann vorliegend nicht angenommen werden.

124

(1) Eine solche ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin insbesondere nicht aus einer „gezielt gegen Automobilhersteller gerichteten unternehmerischen Logik“. Unstreitig hat der Beschwerdegegner diverse Rechtsstreitigkeiten mit verschiedenen Automobilherstellern geführt, in denen es u. a. um die Verwendung von für Fahrzeuge benutzten bekannten Marken für Modellautos ging. Des Weiteren wurde der Beschwerdegegner im Zusammenhang mit diesen Rechtsstreitigkeiten auch in den Medien zitiert, unabhängig davon, ob er nun selbst auf die Presse zugegangen sein sollte oder die Interviewfragen an ihn herangetragen wurden.

125

Diese Rechtsstreitigkeiten und Äußerungen können dem Beschwerdegegner jedoch nicht zum Vorwurf gemacht werden und ziehen keinesfalls per se die Bösgläubigkeit der vorliegenden Markenanmeldung nach sich. Dem Beschwerdegegner kann insbesondere nicht vorgeworfen werden, dass er die Beschwerdeführerin oder andere Fahrzeughersteller grundlos oder in rechtsmissbräuchlichem Umfang mit Rechtsstreitigkeiten überziehe bzw. überzogen habe. Vielmehr ergibt sich aus dem von der Beschwerdeführerin im Löschungsverfahren vor dem DPMA vorgelegten Zeitungsartikel mit einer „Chronologie der Urteile“ (Anlage rop 22), dass oftmals die Autohersteller ihrerseits gegen den Beschwerdegegner gerichtlich vorgegangen sind. Zudem wurden die Rechtsansichten des Beschwerdegegners mehrfach gerichtlich bestätigt, wie beispielsweise in der Opel-Blitz II-Entscheidung des BGH (GRUR 2010, 726). Dass der Beschwerdegegner vor Gericht nicht stets obsiegt hat, sondern mehrfach auch unterlegen ist, wie die Beschwerdeführerin beispielsweise unter Vorlage der Entscheidungen Anlagen rop 42 bis 44 (Bl. 86 ff. d. A.) vorgetragen hat, lässt das Verhalten des Beschwerdegegners im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten ebenfalls nicht als „unangemessen“ erscheinen. Dass ein Unternehmer eine von ihm vertretende Rechtsauffassung gerichtlich durchsetzt bzw. durchzusetzen versucht, kann ihm ohne Hinzutreten weiterer besonderer Umstände nicht in anderem Zusammenhang – wie der vorliegenden Markenanmeldung – zum Vorwurf gemacht werden. Auch, dass diese Rechtsstreitigkeiten in diversen Äußerungen des Beschwerdegegners (beispielsweise in dem als Anlage rop 22 zum Löschungsantrag vorgelegten Interview sowie in Medienberichten im Zusammenhang mit Verfallsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf gegen Testarossa-Marken der Beschwerdeführerin, Anlagen rop 27 und 28 zum Löschungsantrag, sowie im Presseartikel Anlage rop 49, Bl. 160 ff. d. A.) auf eine grundsätzlichere Ebene gehoben werden und teilweise unter namentlicher Nennung der Beschwerdeführerin eine generelle Kritik an der Lizenzierungspraxis von Fahrzeugherstellern geübt wird, stellt kein Indiz für eine markenrechtlich relevante Behinderungsabsicht des Beschwerdegegners dar, sondern ist im Wirtschaftsleben und unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit ohne Weiteres hinzunehmen. Dies gilt auch, soweit der Beschwerdegegner diverse von der Beschwerdeführerin angesprochene kritische Äußerungen getätigt hat und in den Interviews bzw. Texten beispielsweise vom „
Stolz des Goliaths bei der Autoindustrie“ die Rede ist (Anlage rop 22 zum Löschungsantrag) oder ein Pressetext die Überschrift „
Der Mann, der Ferrari ausgetrickst hat“ trägt sowie hinsichtlich der Anmeldung von Testa Rossa-Marken durch den Beschwerdegegner die Mutmaßung enthält „
Lust an Vergeltung dürfte dabei gewesen sein …“ (Anlage rop 49, Bl. 160 d. A., Bl. 161 Rücks. d. A.) etc.

126

(2) Auch die von der Beschwerdeführerin angeführte fehlende Vorbenutzung des Zeichens durch den Beschwerdegegner und die Argumentation, dass dieser „ohne Usurpation fremder Rechte“ auf eine beliebige andere Kennzeichnung hätte „ausweichen“ können, begründet nicht die Bösgläubigkeit der verfahrensgegenständlichen Anmeldung. Wie ausgeführt kennt das Markenrecht weder ein Vorbenutzungsrecht noch das Erfordernis der Neuheit. Zudem muss sich der erforderliche generelle Benutzungswille nicht zwangsläufig auf eine Verwendung der Marke durch den Markeninhaber selbst beziehen, sondern es reicht auch die Absicht, eine Marke der Benutzung durch Dritte zuzuführen. Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass diese Argumentation der Beschwerdeführerin kein ausreichendes Indiz für eine Bösgläubigkeit des Beschwerdegegners begründet.

127

(3) Soweit die Beschwerdeführerin auf die von ihr geltend gemachte fortbestehende Bekanntheit der unstreitig jedenfalls früher von ihr genutzten Bezeichnung „Testarossa“ abstellt und der Auffassung ist, dass sich die Bösgläubigkeit des Beschwerdegegners aus dem Aspekt der „Usurpation einer bekannten Marke“ bzw. des „parasitären Schmarotzens“ ergibt, so vermag dies auch im Rahmen der Fallgruppe der Störung des schutzwürdigen Besitzstands nicht zu überzeugen.

128

Dabei verkennt der Senat nicht, dass beim Aufgreifen vorbestehender Bezeichnungen für eigene Zwecke zwar in der Tat möglicherweise Vorteile gezogen werden können, die nicht auf eigenen Anstrengungen des Verwenders bzw. Anmelders beruhen. So ruft die Bezeichnung „Testarossa“ – ggf. ebenso wie z. B. die Bezeichnung „Carrera“ – beim Durchschnittsverbraucher Assoziationen an Sport- bzw. Rennwägen, möglicherweise auch an eine besondere Qualität etc., hervor und dies unter Umständen auch in ganz anderem Warenzusammenhang. Inwieweit dies der Fall ist und in welchem Maße eine Bekanntheit der Bezeichnung „Testarossa“ zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke tatsächlich anzunehmen ist, kann an dieser Stelle offenbleiben. Denn derartigen Konstellationen hat der Gesetzgeber in erster Linie durch das Instrument des Sonderschutzes bekannter Marken gem. §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 MarkenG Rechnung getragen. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Behinderungsabsicht keine Voraussetzung für den Schutz „der bekannten Marke“ sei (unter Verweis auf BPatG, MarkenR 2015, 405, 407 – SUPER BAYERN) und dass der Bekanntheitsschutz sich auch auf den Unähnlichkeitsbereich erstrecke, kombiniert unzulässigerweise einerseits den Bekanntheitsschutz gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG bzw. § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 MarkenG und dessen Voraussetzungen mit der Bösgläubigkeit der Markenanmeldung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. als absolutem Schutzhindernis andererseits. Dass die Voraussetzungen des Bekanntheitsschutzes – oder auch des Schutzes vor Verwechslungsgefahr – vorliegen, ist nämlich für sich genommen und ohne Hinzutreten weiterer besonderer Umstände für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung gerade nicht ausreichend. Auf die Ausführungen oben unter Ziff. IV. 1. b) cc) (2) wird verwiesen. Dementsprechend sind für eine bösgläubige Markenanmeldung aufgrund Störung eines schutzwürdigen Besitzstands über den Besitzstand und dessen (gewisse) Bekanntheit hinaus weitere Anhaltspunkte für eine Bösgläubigkeit zu fordern.

129

Besondere, die Bösgläubigkeit der Anmeldung begründende Umstände können beispielsweise angenommen werden, wenn über die Anmeldung einer (früher) bekannten Marke Dritte nicht nur an der Nutzung der Bezeichnung selbst gehindert werden sollen, sondern beispielsweise ein Ersatzteilgeschäft als solches vollständig zugunsten des Markeninhabers monopolisiert werden soll (vgl. BPatG GRUR 2020, 1206 – Hassia). Derartige Umstände sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdegegner im Rahmen des behaupteten künftigen Lizenzgeschäfts über die Verwendung der Bezeichnung „Testa Rossa“ hinaus unter dem Gesichtspunkt der „Kontinuität“ eine besondere Bezugnahme auf die Beschwerdeführerin und die von dieser garantierten Qualität beabsichtigt. Bei den im vorliegenden Verfahren diskutierten Verwendungen der Marke „Carrera“ für diverse Waren wie beispielsweise Gartenartikel sind derartige Bezugnahmen jedenfalls, soweit ersichtlich, nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob und inwieweit die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Entwürfe von Rasierapparaten, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, an Rennwagen erinnern könnten, da eine derartige Assoziation inhaltlich keine über die Verwendung der Bezeichnung „testarossa“ hinausgehende gedankliche Verbindung zur Beschwerdeführerin hervorrufen würde.

130

Die von der Beschwerdeführerin angeführte Bekanntheit der Marke „Testarossa“ für Sportwagen vermag die Bösgläubigkeit auch unter Berücksichtigung der weiteren von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Aspekte (s. auch vorstehend Ziff. 1. und nachfolgend Ziff. 3. f.) nicht zu begründen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Verweis der Beschwerdeführerin auf die Ausführungen des OLG Düsseldorf (vgl. S. 14 des Urteils I-20 U 131/17, Bl. 119 d. A.). Zwar hat das OLG dort ausgeführt, dass „
die wohl immer noch bekannte Löschungsmarke wohl auch in dem Bereich, für den sie für verfallen erklärt worden ist, von Dritten nicht benutzt werden“ könne. Diese Passage dient jedoch lediglich der Begründung der Kostenentscheidung des OLG, ist vage formuliert („wohl“) und nicht näher erläutert. Sie entfaltet keine Bindungswirkung und vermag bei der vorliegend erforderlichen Abwägung kein anderes Ergebnis nach sich zu ziehen.

131

(4) Im Rahmen der Abwägung der relevanten Umstände des Falles kann selbst im Falle des Vorliegens eines schutzwürdigen Besitzstandes der Beschwerdeführerin sowie bei Annahme der Bekanntheit der Marke „Testarossa“ nicht mit der erforderlichen Sicherheit von einer Anmeldung der angegriffenen Marke mit dem Ziel der Störung dieses Besitzstandes ausgegangen werden. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Anmeldung in erster Linie für die eigene wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich ein künftiges Lizenzgeschäft, erfolgte.

132

3. Eine böswillige Anmeldung der Marke in der Absicht des zweckwidrigen Einsatzes ihrer Sperrwirkung als Mittel im Wettbewerbskampf kann ebenfalls nicht angenommen werden.

133

Die Bewertung einer Anmeldung als bösgläubig erfordert eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles, wobei die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, nicht der einzige Beweggrund der Markenanmeldung sein muss; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht ein wesentliches Motiv ist (vgl. BGH GRUR 2008, 621 Rn. 32 – AKADEMIKS; GRUR 2008, 917 Rn.23 – EROS).

134

Aus den zu berücksichtigen objektiven Umständen kann im Rahmen der durchzuführenden Gesamtbewertung dieser Gesichtspunkte vorliegend nicht mit der für eine Löschung erforderlichen Sicherheit auf die subjektive Behinderungsabsicht des Beschwerdegegners geschlossen werden (vgl. BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 – Ivadal).

135

a) Eine Absicht des zweckwidrigen Einsatzes der Marke ergibt sich insbesondere nicht aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin zur öffentlichen Kritik des Beschwerdegegners an den aus seiner Sicht unberechtigten Lizenzforderungen der Automobilbranche, dem Aufruf zur „Missachtung“ der Markenrechte der Beschwerdeführerin und der nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin beabsichtigten Ausnutzung der Medienöffentlichkeit für eigene Geschäftszwecke. Wie bereits oben unter Ziff. 2. ausgeführt, ist es für sich genommen legitim zu versuchen, seine Rechtsansichten vor Gericht durchzusetzen und dies auch in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Gerade weil sich bei der rechtlichen Bewertung der Lizenzpraxis der Automobilbranche durchaus diskussionswürdige Rechtsfragen stellen, kann die Position des Beschwerdegegners nicht ohne Weiteres als Indiz für seine „Bösgläubigkeit“ gebrandmarkt werden. Zudem zeigt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwendung von Marken(logos) im Bereich der Modell- bzw. Spielzeugbranche, dass die Verwendung bekannter Marken der Autohersteller durch Dritte oftmals gerade nicht als unlauter zu werten ist (vgl. BGH GRUR 2024, 1033 Rn. – VW Bulli; GRUR 2023, 808 Rn. 24 ff. – Dachser; GRUR 2010, 726 – Opel-Blitz II). Vor diesem Hintergrund resultiert ein beabsichtigter zweckwidriger Einsatz der Marke im Wettbewerb entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht aus dem Aspekt einer Umgehung des Lizenzgeschäfts der Beschwerdeführerin, auch wenn die angegriffene Marke für eine Vielzahl weiterer Waren neben den Modellfahrzeugen Schutz genießt und – wie die Beschwerdeführerin zu Recht ausgeführt hat – auch im Rahmen der Nutzung für Modellfahrzeuge Lizenzen erforderlich und zweckmäßig sein können, wie beispielsweise für die zusätzliche Nutzung einer Marke auf einer Verpackung etc.

136

b) Des Weiteren hat der Beschwerdegegner, wie oben unter Ziff. 1. ausgeführt, zur eigenen Benutzungsabsicht hinsichtlich der angegriffenen Marke vorgetragen, wenn auch im Rahmen eines beabsichtigten Lizenzgeschäfts. Zwar steht eine eigene Benutzungsabsicht des Beschwerdegegners der Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht von vorneherein entgegen, sie ist jedoch ein bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigender Aspekt. Der Beschwerdeführer verfolgt mit seiner Anmeldung möglicherweise das Ziel, bei einer künftigen Verwendung für die diversen beanspruchten Waren – ggf. auch im Wege der Lizenzierung – von einer (früheren) Bekanntheit der Bezeichnung „Testarossa“ insbesondere für Sport-/ bzw. Rennautos zu profitieren. Dies stellt aber keinen zweckwidrigen Einsatz der Marke dar, vielmehr beabsichtigt er damit einen Einsatz der Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion als Herkunftshinweis. Einem solchen Zunutze-Machen der Investitionen eines (früheren) Markeninhabers kann im Einzelfall durch Geltendmachung relativer Schutzhindernisse entgegengetreten werden, sofern deren Voraussetzungen vorliegen; für die Annahme eines bösgläubigen Verhaltens ist das Profitieren vom guten Ruf einer – auch einer früher oder für andere Waren und Dienstleistungen genutzten – Marke bzw. Bezeichnung eines Dritten ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht ausreichend.

137

c) Bei objektiver Würdigung sämtlicher Gesichtspunkte, und zwar sowohl der eigenen Benutzungsabsicht als auch der weiteren vorgenannten Umstände, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Beschwerdegegners in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung der Beschwerdeführerin und gegebenenfalls weiterer Wettbewerber und nicht maßgeblich auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet war.

138

4. Auch die über die vorgenannten, nicht abschließenden Fallgruppen hinaus erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände vermag vorliegend die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht zu begründen.

139

a) Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung auch außerhalb der unter Ziff. 1. bis 3. dargestellten Fallgruppen unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles, wie u. a.

140

– des zumindest teilweise anzunehmenden schutzwürdigen Besitzstands der Beschwerdeführerin jedenfalls hinsichtlich der Waren „Automobile und Teile davon“,

141

– der im Verhältnis hierzu teilweise zu bejahenden Warenähnlichkeit beispielsweise von in Klasse 12 angemeldeten Waren,

142

– der (mindestens früheren) Bekanntheit und des „guten Rufs“ der Bezeichnung „Testarossa“ als Teil des von der Beschwerdeführerin so bezeichneten „Mythos Ferrari“,

143

– der hieraus dem Beschwerdegegner entstehenden Vorteile bei einer Verwendung der Bezeichnung für die zugunsten der angegriffenen Marke registrierten Waren,

144

– der geltend gemachten „Branchennähe“ dieser Waren zu einem Lizenzvertragsgeschäft der Beschwerdeführerin mit Fanartikeln, Lifestyleartikeln, Spielzeug- und Modellautos,

145

– des gesamten Anmeldeverhaltens des Beschwerdegegners,

146

– der Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten und der Äußerungen des Beschwerdegegners in den Medien,

147

– der vom Beschwerdegegner geführten (Rechts-) Streitigkeiten auch mit anderen Marktteilnehmern, insbesondere weiteren Automobilherstellern wie Porsche,

148

sowie

149

– der (vorgetragenen und weitgehend bestrittenen) beabsichtigten Nutzung der Marke durch den Beschwerdegegner für diese Waren vor allem über Lizenzen,

150

– der insoweit nachvollziehbaren jedenfalls theoretischen Nutzungsmöglichkeit der angegriffenen Marke u. a. über ein Lizenzgeschäft,

151

– der teilweisen Erfolge der vom Beschwerdegegner geführten Rechtsstreitigkeiten,

152

– der Nutzung der Bezeichnung „Testarossa“ auch durch Dritte und der insoweit anscheinend möglichen Koexistenz,

153

und aller weiteren, einschließlich der oben bei der Prüfung der Fallgruppen bereits aufgeführten Umstände kann eine Bösgläubigkeit der vorliegenden Markenanmeldung nicht festgestellt werden.

154

Das Verhalten des Beschwerdegegners kann unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls nicht mit dem Unwerturteil der Rechtsmissbräuchlichkeit oder Sittenwidrigkeit belegt werden. Mit der Anmeldung verfolgt der Beschwerdegegner eine – nicht zu missbilligende – unternehmerische Logik, da sowohl die Nutzung der angegriffenen Marke im Rahmen eines Lizenzgeschäfts für ganz verschiedene Waren als auch eine Nutzung für Spielwaren und insbesondere für Modellspielzeug im Rahmen des eigenen Geschäftsbetriebs der X … AG wirtschaftlich nachvollziehbar und sinnvoll ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Markenanmeldungen und seiner Rechtsstreitigkeiten mit Automobilherstellern, in denen seine Rechtsansichten jedenfalls teilweise von der Rechtsprechung gebilligt wurden, insbesondere seine Auffassung zu einer unter bestimmten Umständen zulässigen Nutzung von Marken bekannter Fahrzeughersteller für Modellautos (vgl. BGH GRUR 2010, 726 – Opel-Blitz II). Die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Thematik (vgl. auch BGH GRUR 2024, 1033 Rn. – VW Bulli; GRUR 2023, 808 Rn. 24 ff. – Dachser) spricht vielmehr gerade gegen die Bösgläubigkeit der vorliegenden Markenanmeldung, soweit diese Schutz beispielsweise für Modellfahrzeuge beansprucht. Soweit die Beschwerdeführerin unter Zitat einer Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. (BeckRS 2014, 4648 = WRP 2014, 480 f.; Bl. 256 d. A.) der Auffassung ist, dass bei Markenagenturen bzw. Lizenzgebern ein nachvollziehbares wirtschaftliches Gesamtkonzept bei der Markenanmeldung erforderlich sei, so kann dies im Hinblick auf die geltende Benutzungsschonfrist nicht in dieser Allgemeinheit gefordert werden. Im Übrigen lagen in dem Verfahren Indizien vor, die darauf hindeuteten, dass die Anmeldung zur Erzielung von Schadensersatzforderungen erfolgte.

155

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer von einer möglicherweise fortbestehenden Bekanntheit der Marke „Testarossa“ profitieren könnte, widerspricht dabei nicht den markenrechtlichen Grundsätzen, da ein fortbestehender Schutz von Marken grundsätzlich deren fortdauernde Benutzung erfordert und der Schutz auch von (früher) bekannten Marken ohne besondere, die Unbilligkeit begründende Tatsachen nicht unter Umgehung der gesetzlichen Regelungen zur Benutzung – vor allem nicht zeitlich unbegrenzt – über das absolute Schutzhindernis der bösgläubigen Markenanmeldung fortgeschrieben werden kann. Sofern die Beschwerdeführerin der Auffassung ist, dass sie ihre „Testarossa“-Marken rechtserhaltend benutzt und soweit dies auch im Rahmen der Verfallsverfahren bestätigt wurde, steht es ihr frei, im Wege von Widersprüchen (bzw. der Weiterverfolgung der erhobenen Widersprüche) oder Verletzungsklagen gegen den Beschwerdegegner vorzugehen. Ebenso ist ein Interesse der Beschwerdeführerin an einer möglichen „Neuauflage“ der Testarossa-Modellreihe im Rahmen des Verwechslungs- bzw. Bekanntheitsschutzes zu prüfen, rechtfertigt jedoch auch bei Betrachtung der weiteren Umstände des Falls nicht die Annahme der Bösgläubigkeit des Beschwerdeführers.

156

b) Dass bei Bewertung der Umstände des Falles eine bösgläubige Markenanmeldung nicht angenommen werden kann, gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beschwerdeführerin hinsichtlich vorvertraglicher Beziehungen zwischen den Beteiligten, insbesondere dem vorgetragenen erfolglosen Versuch des Beschwerdegegners, eine Lizenz von der Beschwerdeführerin zu erhalten. Diesbezüglich wurde zwischen den Beteiligten, auch in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2024, diskutiert, inwieweit der Beschwerdegegner mit der als Anlage rop 52 vorgelegten E-Mail vom 9. August 2011 eine Freilizenz für sein Unternehmen X … AG (Cartronic) bzw. im eigenen Interesse für einen chinesischen Geschäftspartner angefragt habe oder er lediglich eine Lizenzanfrage für einen Dritten weitergeleitet habe, und ob es sich bei den Anlagen BDR 21 (Bl. 389 d. A.) und rop 52 (Bl. 300 Rücks. d. A.) um einen einheitlichen Vorgang handele. Unabhängig von diesen Fragen gibt es jedoch keine konkreten Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die vorliegende Markenanmeldung ein „Revancheakt“ für eine abschlägig beschiedene Lizenzanfrage darstellt. Insbesondere ist der Hinweis auf vom Beschwerdegegner erstrittene Urteile zur Nutzung von Marken für Spielzeug- und Modellautos in der E-Mail rop 52, bei der es um eine entsprechende Lizenzanfrage ging, weder vom Inhalt her noch vom Ton als unangemessen oder gar „bedrohlich“ zu qualifizieren.

157

c) Eine andere Bewertung ist schließlich nicht vorzunehmen im Hinblick auf die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die deutsche Rechtsprechung zur bösgläubigen Markenanmeldung und insbesondere die in der deutschen Spruchpraxis entwickelten Fallgruppen mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zur Bösgläubigkeit nicht im Einklang stünden, da nach der Rechtsprechung des EuGH eine bösgläubige Markenanmeldung auch im Falle einer funktionswidrigen Anmeldung anzunehmen sei, bei der nicht auf schädliche Wirkungen in Bezug auf Dritte abzustellen sei, sondern das erforderliche subjektive Element bereits in der Absicht der funktionswidrigen Nutzung liege.

158

Der Senat teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die deutsche Rechtsprechung insoweit mit derjenigen des EuGH nicht in Einklang stehe, bereits deshalb nicht, weil die in der deutschen Spruchpraxis herausgebildeten Fallgruppen nicht abschließend sind und die Berücksichtigung weiterer, von den vorgenannten Fallgruppen möglicherweise nicht ausreichend erfasster Umstände im Rahmen der abschließenden Gesamtabwägung erfolgt. Die Voraussetzungen für eine bösgläubige Markenanmeldung wurden eingangs dargelegt. Eine solche ist anzunehmen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Dieses Unwerturteil setzt auch ein subjektives Element voraus, nämlich eine Behinderungsabsicht oder ein sonstiges unlauteres Motiv (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 52 – STYLO & KOTON; BGH GRUR 2009, 780 Ivadal). Dass ein derartiges unlauteres Motiv Voraussetzung für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung ist, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Schutzhindernisses „bösgläubig angemeldet“. Hierzu hat der EuGH in seinen vergleichsweise aktuellen Entscheidungen Stylo & Koton sowie Sky ua/Gesellschaften SkyKick ausgeführt, dass bei der Auslegung des Begriffs „bösgläubig“ neben dem Umstand, dass er in seiner üblichen Bedeutung im gewöhnlichen Sprachgebrauch eine unredliche Geisteshaltung oder Absicht voraussetzt, der besondere markenrechtliche Kontext, nämlich der des Geschäftslebens, zu berücksichtigen sei, und dass der Nichtigkeitsgrund der bösgläubigen Markenanmeldung Anwendung finde, wenn sich aus schlüssigen und übereinstimmenden Indizien ergebe, dass der Inhaber einer Marke die Anmeldung dieser Marke nicht mit dem Ziel eingereicht habe, sich in lauterer Weise am Wettbewerb zu beteiligen, sondern mit der Absicht, in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden, oder mit der Absicht, sich ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken – unter anderem der wesentlichen Funktion der Herkunftsangabe – zu verschaffen (vgl. EuGH GRUR 2020, 288 Rn. 74 f. – Sky ua/Gesellschaften SkyKick; GRUR-RS 2019, 20743 Rn. 45 f. – STYLO & KOTON).

159

In diesen Entscheidungen stellt der EuGH den markenrechtlichen Kontext des Geschäftslebens sowie die Herkunftsfunktion der Marke besonders heraus. Die Frage, inwieweit eine Anmeldung mit Benutzungswillen erfolgte, also mit dem Willen, die Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion, der Herkunftsfunktion, zu benutzen, wurde jedoch in der Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung der Bösgläubigkeit berücksichtigt. Die vorstehend zitierten Ausführungen des EuGH in seinen aktuellen Entscheidungen Stylo & Koton sowie Sky ua/Gesellschaften SkyKick stellen insoweit eine Klarstellung, nicht aber eine Änderung der Rechtsprechung dar. In den Ausführungen des EuGH ist insbesondere auch keine Abkehr von dem stets geforderten subjektiven Element, insbesondere der Behinderungsabsicht, zu sehen. Vielmehr ist eine Behinderungsabsicht gerade auch in Fällen des fehlenden generellen Benutzungswillens zu fordern (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1093). Es ist nicht ersichtlich, dass der EuGH von diesem Kriterium Abstand nehmen wollte. Soweit die Beschwerdeführerin der Auffassung ist, dass sich aus den aktuellen Urteilen des EuGH ergebe, dass eine bösgläubige Markenanmeldung auch im Falle einer funktionswidrigen Anmeldung anzunehmen sei, bei der es nicht auf schädliche Wirkungen in Bezug auf Dritte ankomme und bei der das subjektive Element in der Absicht der funktionswidrigen Nutzung liege, so kann dem in der Form nicht gefolgt werden. Denn wenn der EuGH auf die „Absicht, sich ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen“ abstellt (vgl. EuGH GRUR 2020, 288 Rn. 74 f. – Sky ua/Gesellschaften SkyKick; GRUR-RS 2019, 20743 Rn. 45 f. – STYLO & KOTON), erteilt er nicht dem Kriterium der Behinderungsabsicht eine Absage in Fällen der von der Beschwerdeführerin so bezeichneten „funktionswidrigen Anmeldung“, sondern er erklärt lediglich einen Bezug zu einem „konkreten“ Dritten für nicht erforderlich. Dies wurde jedoch auch bislang in der deutschen Spruchpraxis so gesehen, beispielsweise im Rahmen der Fallgruppe der Spekulationsmarke, bei der keine Behinderung einer konkreten Person bei der Anmeldung bezweckt sein muss.

160

Die deutsche Spruchpraxis und die aktuellen Definitionen des EuGH stimmen daher inhaltlich überein (so auch Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 1061 a. E.).

161

Selbst wenn man als weitere Fallgruppe der bösgläubigen Markenanmeldung auf eine von einer Behinderungsabsicht unabhängige, von der Beschwerdeführerin so benannte „funktionswidrige Anmeldung“ abstellen würde, würde dies vorliegend nicht zur Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung führen, da die vom Beschwerdegegner geplante Verwendung der Marke im Wege der Lizenzierung nicht als funktionswidrig anzusehen ist. Vielmehr stehen derartige – zum Zeitpunkt der Anmeldung möglicherweise auch nur vage – Pläne einer künftigen Lizenzierung mit den markenrechtlichen Grundsätzen im Einklang, weil eine Marke auch im Falle ihrer Lizenzierung entsprechend ihrer Hauptfunktion, nämlich der Herkunftsfunktion, benutzt wird, und zugleich das Fehlen konkreter Pläne im Zeitpunkt der Anmeldung mit dem System der fünfjährigen Benutzungsschonfrist korreliert und im konkreten Fall im Hinblick auf die andauernden Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten nachvollziehbar ist. Dementsprechend kann auch nach der Rechtsprechung des EuGH die Bösgläubigkeit eines Markenanmelders nicht auf der Grundlage der bloßen Feststellung angenommen werden, dass der Anmelder bei der Anmeldung keinen Geschäftsbereich hatte, der den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen entsprach (vgl. EuGH a. a. O. – Sky ua/Gesellschaften SkyKick).

162

Somit ist alleine die Ausnutzung der Wertschätzung des älteren Zeichens für die Annahme der Bösgläubigkeit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht ausreichend und begründet auch nicht unter dem Gesichtspunkt des „Trittbrettfahrens“ als Untergruppe einer von der Beschwerdeführerin so bezeichneten Fallgruppe der „funktionswidrigen Anmeldung“ die Bösgläubigkeit der Markenanmeldung.

163

5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdegegner eine vormals zugunsten der Beschwerdeführerin geschützte Bezeichnung, die diese jedenfalls für die Ware „Automobile und Teile davon“ weiterhin rechtserhaltend nutzt, für eine Vielzahl von zu den vorgenannten Waren teilweise ähnlichen, teilweise unähnlichen Waren und Dienstleistungen angemeldet hat, um von der (früheren oder auch fortdauernden) Bekanntheit der Marke zu profitieren und ohne jedenfalls für die weit überwiegende Zahl der Waren und Dienstleistungen im Zeitpunkt der Anmeldung bereits konkrete Verwertungshandlungen geplant zu haben. Über diese Umstände hinaus sind jedoch nach Auffassung des Senats weitere, die Bösgläubigkeit begründende Umstände erforderlich, die das Unwerturteil der bösgläubigen Markenanmeldung rechtfertigen und dieses absolute Schutzhindernis qualitativ von bloß relativen Schutzhindernissen abgrenzen. Derartige besondere Umstände konnten vorliegend, wie ausgeführt, nicht mit der für eine Nichtigerklärung der angegriffenen Marke erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

164

Dies geht zu Lasten der Beschwerdeführerin als Löschungsantragstellerin, die insoweit die Feststellungslast trifft (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Rn. 48 – Rocher-Kugel). Soweit die Beschwerdeführerin von einer Darlegungslast des Beschwerdegegners hinsichtlich der Absicht einer (zukünftigen) funktionsgerechten Benutzung ausgeht und wohl auch von seiner „Beweislast“ bzw. Feststellungslast und insoweit auf diverse Entscheidungen des EuGH verweist, so betreffen diese abweichende Fallkonstellationen, nämlich Fragen der rechtserhaltenden Benutzung in Verfallsverfahren (EuGH GRUR 2020, 1301 – testarossa; GRUR 2022, 573 – Maxxus/Globus; BGH GRUR 2021, 736 – Stella) bzw. den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung im Nichtigkeitsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse (EuGH GRUR 2014, 776 – Farbmarke Rot). Insbesondere wollte auch der BGH trotz der allgemein gehaltenen Formulierungen in seiner Entscheidung NJW-Orange seine Rechtsprechung zur Feststellungslast im Löschungs- bzw. Nichtigkeitsverfahren wohl nicht generell, sondern nur für den konkreten Fall der Verkehrsdurchsetzung ändern (vgl. BGH, GRUR 2021, 1526 Rn. 38 – NJW-Orange mit Verweis auf EuGH, GRUR 2014, 776 Rn. 68 ff. – Farbmarke Rot; Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 53 Rn. 62 a. E.). Hinsichtlich der Anforderungen an die Absicht der künftigen Benutzung bzw. an den diesbezüglichen Vortrag wird im Übrigen auf die Ausführungen unter Ziff. IV. 1. b) bb) (3) verwiesen.

165

6. Nachdem im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände (s. o. Ziff. 4.) eine fortbestehende Bekanntheit der Marke Testarossa zum Anmeldezeitpunkt sowie des Vertriebs von Merchandising- und Lifestyle-Artikeln unter der Marke Ferrari als wahr unterstellt wurden, war die Einvernahme des in der mündlichen Verhandlung angebotenen Zeugen der Beschwerdeführerin zu diesem Vertrieb sowie zur Vergabe eines „Testarossa-Award“ bereits aus diesem Grunde entbehrlich.

166

V. Die zulässige, gegen die Kostenentscheidung im angegriffenen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beschwerdegegners und Beschwerdeführers zu 2 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

167

In markenrechtlichen Verfahren vor dem DPMA trägt gem. § 63 Abs. 1 S. 1 MarkenG grundsätzlich jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst. Das DPMA kann jedoch gem. § 63 Abs. 1 S. 1 MarkenG bestimmen, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren, einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bedarf es stets besonderer Umstände. Solche von der Norm abweichenden Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist; dies wird regelmäßig im Falle eines bösgläubig erwirkten Registerrechts angenommen (vgl. Meiser in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 13, Rn. 19 zu der parallelen Vorschrift des § 71 Abs. 1 MarkenG für das Beschwerdeverfahren). Vorliegend sind derartige besondere Umstände nicht gegeben, da eine Bösgläubigkeit gerade nicht festgestellt werden konnte, andererseits aber auch der Löschungsantrag der Beschwerdeführerin nicht von vorneherein offenkundig unbegründet war (vgl. Meiser in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 21). Auf die umfängliche Diskussion der Aspekte des vorliegenden Falles in den vorstehenden Ausführungen wird verwiesen. Auch die Tatsache, dass der Löschungsantrag erst zeitlich nach der Einlegung von Widersprüchen gestellt wurde, belegt nicht, dass die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner lediglich mit Kosten belasten und unter Druck setzen wolle.

168

VI. Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen auf einen der Beteiligten nach § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG liegen ebenfalls nicht vor. Auf die Ausführungen unter Ziff. V. wird verwiesen.

169

VII. Die Rechtsbeschwerde wird gem. § 83 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 MarkenG zugelassen, da Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sind und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.

170

Im vorliegenden Verfahren stellen sich verschiedene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, insbesondere zu möglichen Entwicklungen bei der Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit, zum Verhältnis des Schutzhindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung zum Sonderschutz bekannter Marken und zur Feststellungslast im Löschungs- bzw. Nichtigkeitsverfahren.

171

Demgegenüber sieht der Senat von einer Vorlage des Verfahrens an den EuGH ab. Gem. Art. 267 Abs. 1 b), Abs. 2 AEUV kann ein Gericht eines Mitgliedstaats eine Vorabentscheidung des EuGH über die Auslegung u. a. von Richtlinien (EU) herbeiführen, indem es ihm eine entsprechende Frage vorlegt, wenn das Gericht diese zum Erlass seiner Entscheidung für erforderlich hält. Es ist gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Anrufung des EuGH nur dann verpflichtet, wenn seine Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Dies ist hier nicht der Fall, da der vorliegende Beschluss mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar ist.

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