BPatG München 11. Senat, Beschluss vom 13.01.2025, AZ 11 W (pat) 34/24, ECLI:DE:BPatG:2025:130125B11Wpat34.24.0
Leitsatz
Entscheidung:
Dünnwandige Domsegmente
Die Zulässigkeit einer Beschwerde im Erteilungsbeschwerdeverfahren hat zur Voraussetzung, dass die Patentanmeldung (noch) anhängig ist. Ist die Patentanmeldung nach oder bereits vor Beschwerdeeinlegung weggefallen, so ist die Beschwerde gemäß § 79 Abs. 2 PatG mangels Beschwer als unzulässig zu verwerfen (in Abgrenzung zu BPatG, Beschluss vom 15. April 2024 – 11 (pat) 15/20 -, BlPMZ 2024, 335 – Haihaut-OberflächenprofiI).
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2019 102 703.9
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. Januar 2025 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter Eisenrauch, Dipl.-Ing. Brunn und Dipl.-Ing. Wiegele
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
1
Die Anmelderin beabsichtigt mit ihrer Beschwerde, die Zurückweisung ihrer Anmeldung, die bei Beschwerdeeinlegung nicht mehr anhängig war, ungeschehen zu machen.
2
Die Anmelderin hat am 4. Februar 2019 einen Antrag auf Erteilung eines Patents nebst entsprechender Patentanmeldungsunterlagen mit der Bezeichnung „Vorrichtung zum Einspannen und Ausrichten von dünnwandigen Domsegmenten und deren Verwendung“ beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereicht. Die Anmeldung hat das Aktenzeichen 10 2019 102 703.9 erhalten. Die zuständige Prüfungsstelle für Klasse B23Q des DPMA hat am 18. November 2019 einen Prüfungsbescheid erlassen, mit dem sie der Anmelderin mitgeteilt hat, dass mit den vorgelegten Unterlagen eine Patenterteilung nicht in Aussicht gestellt werden könne.
3
Mit Eingabe vom 7. Januar 2020 hat die Anmelderin beim DPMA die Ausstellung einer Prioritätsbescheinigung beantragt, die ihr antragsgemäß erteilt und mit Schreiben des DPMA vom 16. Januar 2020 übersandt wurde.
4
Nachdem die Anmelderin die 6. Jahresgebühr in Höhe von 150,00 € nicht innerhalb der zuschlagsfreien Zahlungsfrist bis 30. April 2024 entrichtet hatte, hat ihr das DPMA mit Bescheid vom 8. Juli 2024 mitgeteilt, dass die Anmeldung als zurückgenommen gelte, wenn die Gebühr nicht bis zum 2. September 2024 mit dem Verspätungszuschlag – also in Höhe von insgesamt 200 € – entrichtet werde. Eine Gebührenzahlung erfolgte nicht.
5
Mit Beschluss vom 27. August 2024, der den anwaltlichen Vertretern der Anmelderin am 10. September 2024 zugestellt wurde, hat die Prüfungsstelle für Klasse B23Q des DPMA (mit Verweis auf ihren Prüfungsbescheid vom 18. November 2019) die am 6. August 2020 offengelegte Patentanmeldung zurückgewiesen.
6
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin am 8. Oktober 2024 beim DPMA Beschwerde eingelegt und beantragt,
7
1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B23Q des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. August 2024 aufzuheben und
8
2. ihr auf der Grundlage des geltenden Patentbegehrens ein Patent zu erteilen.
9
Für den Fall, dass ihren beiden Anträgen nicht ohne weiteres stattgegeben werden könnte, hat sie beantragt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen; ferner hat sie angekündigt, bis zum 8. Februar 2025 eine Beschwerdebegründung einzureichen.
10
Die zuständige Prüfungsstelle hat die Beschwerde der Anmelderin nicht abgeholfen, sondern am 23. Oktober 2024 die Akten dem Bundespatentgericht zu Entscheidung vorgelegt.
11
Mit Eingabe vom 5. Dezember 2024 hat die Anmelderin gegenüber dem Bundespatentgericht zusätzlich die Zurücknahme ihrer Anmeldung erklärt.
12
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
II.
13
1. Die statthafte Beschwerde ist gemäß §§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 PatG frist- und formgerecht eingelegt worden und auch wirksam erhoben.
14
Die Anmelderin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss einer Prüfungsstelle, mit dem diese die Patentanmeldung der Anmelderin zurückgewiesen hat, weshalb der vorliegende Rechtsbehelf statthaft ist. Die Anmelderin hat mit ihrer Beschwerde vom 8. Oktober 2024 auch die 1-monatige Beschwerdefrist nach § 73 Abs. 2 Satz 2 PatG, die mit Zustellung des Beschlusses bei ihren anwaltlichen Vertretern am 10. September 2024 zu laufen begonnen hatte, eingehalten. Innerhalb dieser Frist hat die Anmelderin auch die Beschwerdegebühr in tarifmäßiger Höhe von 200 € entrichtet (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatkostG i. V. m. Nr. 401 300 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG).
15
2. Allerdings erweist sich die eingelegte Beschwerde als unzulässig, weil die Patentanmeldung der Anmelderin zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung bereits weggefallen war.
16
a) Bei Beschwerden gegen Entscheidungen im Erteilungsverfahren gehört die Anhängigkeit der Anmeldung zu den unverzichtbaren Verfahrensvoraussetzungen, die jederzeit von Amts wegen zu prüfen sind (vgl.
Kubis in: Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm, PatG § 79 Rn. 5; Schulte/
Püschel, PatG mit EPÜ, 12. Aufl., § 73 Rn. 82; BPatGE 19, 81). Im vorliegenden Fall war die streitbefangene Anmeldung bei Beschwerdeeinlegung am 8. Oktober 2024 nicht mehr anhängig. Die Anmelderin hätte die 6. Jahresgebühr nebst dem Verspätungszuschlag bis zum Ablauf des 2. September 2024 in Gesamthöhe von 200 € entrichten müssen, um die Anhängigkeit ihrer Anmeldung sicherzustellen. Da die entsprechende Zahlung ausblieb, galt die Patentanmeldung gemäß § 58 Abs. 3 PatG i. V. m. § 7 Abs. 1 PatKostG mit Wirkung zum 3. September 2024 als zurückgenommen; der 31. August war ein „Sonnabend“ i. S. v. § 193 BGB (zur Anwendbarkeit von § 193 BGB vgl. in diesem Zusammenhang: Benkard PatG/
Schramm, 12. Aufl., PatKostG vor § 1, Rn. 58). Dieser drohende Rechtsverlust musste der Anmelderin bekannt gewesen sein, da sie zuvor mit Bescheid des DPMA vom 8. Juli 2024 auf diesen hingewiesen worden war.
17
b) Mit dem Wegfall der Patentanmeldung war für die Anmelderin die Beschwer entfallen, die eine ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde darstellt (vgl. Busse/
Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 58, 63).
18
Die Beschwer kann formeller Art sein, etwa derart, dass in der angefochtenen Entscheidung von den gestellten Anträgen in nachteiliger Weise abgewichen wurde, oder auch materieller Art sein, wofür jeglicher dem Beschwerdeführer nachteiliger, der Rechtskraft fähiger Inhalt der Entscheidung genügt (vgl. BPatGE 45, 149, 151 – „Valaciclovir“; Busse/
Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 63 f.; Schulte/
Püschel, PatG mit EPÜ, 12. Aufl., § 73 Rn. 49).
19
b1) In formeller Hinsicht war die Anmelderin zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung am 8. Oktober 2024 deshalb nicht mehr beschwert, weil zu diesem Zeitpunkt ihr „Antrag auf Erteilung eines Patents“, von dem die Prüfungsstelle offensichtlich abgewichen war, nicht mehr vorlag; ihr Antrag war mit Ablauf des 2. September 2024 zusammen mit der Patentanmeldung untergegangen. Eine andere Sichtweise ergibt sich auch nicht anhand der Senatsentscheidung „Haihaut-Oberflächenprofil“ vom 15. April 2024 – Az. 11 W (pat) 15/20 – (vgl. BPatG BlPMZ 2024, 335, 336; auch: GRUR-Prax 2024, 469, mit Anmerkung von
Dellen), die den Sonderfall einer Anmeldung betrifft, die beim Überschreiten der in § 16 PatG geregelten, maximal möglichen 20-jährige Patentdauer noch anhängig war. Ein derartiger Fall unterscheidet sich insoweit vom vorliegenden, als der Anmelder in diesem Falle alle bis dahin notwendigen Maßnahmen für die Aufrechterhaltung seiner Anmeldung vorgenommen hat und deshalb sein Antrag auf Erteilung eines Patents sowie ein nach §§ 6, 7 Abs. 1 PatG ggf. bestehendes Recht auf das Patent – losgelöst vom rechtlichen Schicksal der Patentmeldung – bestehen bleiben (vgl. BGH (Gbm) GRUR 1967, 477 (481) li. Sp., Abschnitt bb), – „UHF-Empfänger II“).
20
b2) Darüber hinaus kann sich die Anmelderin auch nicht auf eine Beschwer in materieller Hinsicht berufen, aus der sich zu ihren Gunsten ein etwaiges Rechtsschutzinteresse zur Fortführung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ableiten ließe. Die Anmelderin hat möglicherweise eine Nachanmeldung getätigt, worauf ihr Antrag auf Ausstellung einer Prioritätsbescheinigung vom 7. Januar 2020, dem das DPMA Folge geleistet hat, hindeutet. Um eine Beeinträchtigung der Erfolgsaussichten einer ggf. getätigten Nachanmeldung zu vermeiden, wäre aus Sicht der Anmelderin die Beseitigung des vorliegenden Zurückweisungsbeschlusses eine gebotene Maßnahme gewesen. Dennoch stünde dem Wunsch, den vorliegenden Zurückweisungsbeschluss aus der Welt zu schaffen, kein anerkennenswertes Rechtsschutzinteresse der Anmelderin mehr gegenüber. Nicht jede Möglichkeit einer zukünftigen, unrichtigen Beurteilung einer Rechtsfrage begründet für sich genommen eine Beschwer (vgl. Busse/
Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 59 – m. w. N). Hier dürfte aber das Fallenlassen der Patentanmeldung noch vor Beschwerdeeinlegung – im vorliegenden Zusammenhang – als Obliegenheitsverletzung zu bewerten sein, wodurch jedenfalls deshalb ein relevantes Rechtsschutzinteresse der Anmelderin an der Fortführung des Beschwerdeverfahrens verneint werden muss.
21
3. Der erkennende Senat hat gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 PatG ohne mündliche Verhandlung entschieden, da sich die Beschwerde als unzulässig erwiesen hat und auch im Übrigen kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erkennbar erschien. Insbesondere eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist hierdurch nicht zu befürchten.
22
Zwar hat die Anmelderin in ihrer Beschwerdeschrift, für den Fall, dass sich nach Ansicht des Senats eine – wie im vorliegenden Tenor ausgesprochene – Entscheidung abzeichnen sollte, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und ferner mitgeteilt, dass sie beabsichtige, bis zum 8. Februar 2025 eine Beschwerdebegründung einzureichen. Diese Verlautbarungen sind jedoch mit der am 5. Dezember 2024 von der Anmelderin gegenüber dem Bundespatentgericht (zusätzlich) erklärten Zurücknahme der Anmeldung als überholt anzusehen. Der Anmelderin musste klar sein, dass sie durch ihre ausdrücklich erklärte Zurücknahme der Anmeldung einer Entscheidung in der Sache endgültig die Grundlage entzogen hatte.