BSG, Beschluss vom 07.01.2025, AZ B 5 R 145/24 B, ECLI:DE:BSG:2025:070125BB5R14524B0
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. September 2024 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Der 1967 geborene Kläger begehrt in der Hauptsache die Anerkennung der Zeiten vom 25.9.2001 bis zum 31.1.2002, vom 6.2.2002 bis zum 4.6.2002 und vom 12.2.2004 bis zum 29.5.2005 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte dies ab
(Bescheid vom 17.4.2023; Widerspruchsbescheid vom 29.11.2023). Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben
(Urteil des SG vom 8.3.2024; Beschluss des LSG vom 24.9.2024). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die streitbefangenen Krankheitszeiten hätten insbesondere keine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen. Ihr Abstand zu den vom Kläger zurückgelegten Pflichtversicherungszeiten sei jeweils deutlich größer als ein Monat und der erforderliche zeitliche Zusammenhang lasse sich auch nicht durch Überbrückungstatbestände herstellen. Es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, die aus § 58 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI abgeleiteten Anforderungen an eine „Unterbrechung“ weiter abzusenken.
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Der Kläger hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 10.12.2024 begründet hat. Er beruft sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
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II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) wird nicht hinreichend dargelegt.
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Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss in der Beschwerdebegründung darlegen, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist daher eine Rechtsfrage zu formulieren und deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzuzeigen
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 – B 1 KR 47/16 B – SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
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- Der Beschwerdebegründung lässt sich die Frage entnehmen,
- „ob und in welchem Umfang die Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 58 Abs. 2 SGB VI einen Bezug zum Erwerbsleben fordert und wie mit Fällen umgegangen werden muss, wenn Menschen, die unverschuldet arbeitsunfähig geworden sind und nur zufällig in dem vorausgegangenen Monat nicht gearbeitet haben, nicht in den Genuss der Anerkennung von Anrechnungszeiten nach Maßgabe des § 58 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI kommen“.
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Offenbleiben kann, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zur Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit des § 58 Abs 2 SGB VI oder einer anderen revisiblen (Bundes-)Norm mit höherrangigem Recht formuliert hat, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte
(vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 2.3.2015 – B 12 KR 60/14 B – juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 22.4.2020 – B 5 R 266/19 B – juris RdNr 5, jeweils mwN). § 58 Abs 1 Satz 2 SGB VI hat keine Nr 2; die offensichtlich gemeinten Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit sind in § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI geregelt.
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Ungeachtet dessen ist schon die Klärungsbedürftigkeit der skizzierten Fragestellung nicht ausreichend dargetan. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden
ist (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.2.2022 – B 5 R 198/21 B – juris RdNr 17; BSG Beschluss vom 21.1.1993 – 13 BJ 207/92 – SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 – juris RdNr 7). In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet wurde
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 – B 5 RE 16/20 B – juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 28.4.2022 – B 5 R 29/22 B – juris RdNr 9). Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des Grundgesetzes ab, muss sie zudem unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll
(stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.8.1975 – 11 BA 8/75 – BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14 – juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 11.2.2020 – B 10 EG 14/19 B – juris RdNr 11). Daran richtet der Kläger sein Vorbringen nicht aus.
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Ihm geht es letztlich um eine (weitere) Klärung der Frage, wann eine Beschäftigung unterbrochen ist iS des § 58 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI. Er setzt sich jedoch nicht genügend mit der einschlägigen, auch vom LSG angeführten Rechtsprechung des BSG auseinander, nach der eine solche Unterbrechung grundsätzlich (nur) anzunehmen ist, wenn zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung und der Anrechnungszeit eine Lücke von einem vollen Kalendermonat oder mehr besteht, und bei einer größeren zeitlichen Lücke der erforderliche zeitliche Zusammenhang durch Überbrückungstatbestände für einen Zeitraum gewahrt wird, der in der Regel sechs Monate nicht überschreiten darf
(stRspr; vgl grundlegend BSG Urteil vom 13.8.1996 – 8 RKn 30/95 – SozR 3-2600 § 58 Nr 7 S 38 f – juris RdNr 13; nachfolgend zB BSG Beschluss vom 8.4.2020 – B 13 R 338/18 B – juris RdNr 10 mwN). Soweit der Kläger eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten geltend macht, die in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung arbeitsunfähig werden, fehlen zudem Ausführungen zur Rechtsprechung des BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz
(vgl zu den Grenzen, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz für den Gesetzgeber ergeben, zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 ua – BVerfGE 162, 378 – juris RdNr 155 f mwN). Die Beschwerde zeigt schon deswegen nicht hinreichend auf, inwiefern der Gesetzgeber mit der Regelung in § 58 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum sachwidrig überschritten haben könnte.
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Soweit in der Beschwerdebegründung Ausführungen des Klägers wörtlich wiedergegeben werden, liegt zudem keine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung
(§ 160a Abs 2 Satz 1 und 3 SGG) vor. Hierfür ist der Streitstoff vom Prozessbevollmächtigten durchzusehen und zu gliedern
(vgl zu dieser Anforderung zB BSG Beschluss vom 3.11.2010 – B 5 R 282/10 B – juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 23.12.2015 – B 12 KR 51/15 B – juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.8.2022 – B 9 SB 4/22 B – juris RdNr 9).
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen
(vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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- 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.