BVerwG 9. Senat, Beschluss vom 02.12.2024, AZ 9 A 16/24, 9 A 17/24, 9 A 16/24, 9 A 17/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:021224B9A17.24.0
Tenor
Die Ablehnungsgesuche der Kläger vom 19. Oktober 2022 gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. sowie vom 11. Januar 2023 gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht B. und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht C. werden verworfen.
Die Anhörungsrüge der Kläger vom 19. Oktober 2022 gegen den Beschluss des Senats vom 11. Oktober 2022 – 9 A 3.22 (9 A 12.21) – wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens zu je 1/3.
Gründe
I
1
Die Kläger lehnten mit Schriftsatz vom 7. September 2021 in ihrem Klageverfahren 9 A 12.21 (nunmehr 9 A 16.24) den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab, nachdem sie bereits zuvor ein Ablehnungsgesuch gegen die weiteren (damaligen) Mitglieder des Senats angebracht hatten. Mit Beschluss vom 28. Februar 2022, der unter Mitwirkung des Richters am Bundesverwaltungsgericht A., des Richters am Bundesverwaltungsgericht B. und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht C. erging, wurden das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. verworfen und das Ablehnungsgesuch gegen die weiteren Senatsmitglieder zurückgewiesen (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 9 A 12.21 – NVwZ 2022, 884). Gegen den Beschluss vom 28. Februar 2022 erhoben die Kläger mit Schriftsatz vom 11. April 2022 Anhörungsrüge (9 A 3.22) und lehnten den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. (erneut) wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Unter Mitwirkung des abgelehnten Richters sowie des Richters am Bundesverwaltungsgericht B. und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht C. wurden mit Beschluss vom 11. Oktober 2022 das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. verworfen und die Anhörungsrüge zurückgewiesen.
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Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2022 haben die Kläger gegen den Beschluss vom 11. Oktober 2022 Anhörungsrüge erhoben, soweit darin das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. verworfen worden ist, und diesen Richter wiederum wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses vormals unter dem Aktenzeichen 9 A 6.22 geführte Anhörungsrügeverfahren hat der Senat zusammen mit dem Klageverfahren 9 A 12.21 mit Beschluss vom 6. Januar 2023 ausgesetzt bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die von den Klägern gegen die Senatsbeschlüsse vom 28. Februar 2022 und 11. Oktober 2022 eingelegte Verfassungsbeschwerde. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2023 haben die Kläger unter Hinweis auf die neue Jahresgeschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts die Richterin am Bundesverwaltungsgericht C. und den Richter am Bundesverwaltungsgericht B. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
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Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der Kläger mit Beschluss vom 25. Juli 2024 – 1 BvR 287/23 – nicht zur Entscheidung angenommen hat, sind das Klage- und das Anhörungsrügeverfahren unter den Aktenzeichen 9 A 16.24 bzw. 9 A 17.24 wiederaufgenommen worden, sodass nunmehr über die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 11. Oktober 2022 sowie über die auf dieses Rügeverfahren und das wiederaufgenommene Klageverfahren bezogenen Ablehnungsgesuche vom 19. Oktober 2022 und 11. Januar 2023 zu entscheiden ist.
II
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1. a) Das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 19. Oktober 2022 gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. ist ungeachtet dessen, ob eine Richterablehnung im Rahmen einer Anhörungsrüge von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. zum Streitstand BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 – 9 B 26.18 – juris Rn. 3 ff.; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 54 Rn. 22 f.), offensichtlich unzulässig, sodass darüber unter dessen Mitwirkung entschieden werden kann. Der Sache nach erneuern die Kläger den bereits zuvor gegen den abgelehnten Richter erhobenen Vorwurf einer unzulässigen Selbstentscheidung und wiederholen die gegen ihn geltend gemachten Ablehnungsgründe, die bereits rechtskräftig mit Beschlüssen des Senats vom 28. Februar 2022 und 11. Oktober 2022 zurückgewiesen wurden, da sie offensichtlich völlig ungeeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Die Unanfechtbarkeit dieser Beschlüsse kann nicht dadurch umgangen werden, dass deren Inhalt zum Gegenstand eines weiteren Ablehnungsgesuchs gemacht wird (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2022 – 9 A 3.22 – juris Rn. 5). Dass die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ergangenen Beschlüsse vom 28. Februar 2022 und 11. Oktober 2022 keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wird im Übrigen durch den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2024 bestätigt. Bei Gesamtwürdigung des prozessualen Vorgehens der Kläger stellt sich darüber hinaus die Geltendmachung eines Ablehnungsrechts hier als missbräuchlich dar (vgl. auch Beschluss des Senats vom 25. Oktober 2024 – 9 A 16.24, 9 A 17.24 und 9 A 18.24 – Rn. 9).
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b) Aus denselben Gründen ist auch das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 11. Januar 2023 gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht B. und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht C., das auf deren Mitwirkung an den Beschlüssen vom 28. Februar 2022 und 11. Oktober 2022 und die damit zum Ausdruck gebrachte Zustimmung zu der „Selbstentscheidung“ des Richters am Bundesverwaltungsgericht A. gestützt wird, offensichtlich unzulässig.
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2. Die (zulässige) Anhörungsrüge vom 19. Oktober 2022 hat keinen Erfolg, sodass das Verfahren über das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. vom 11. April 2022 nicht fortzuführen ist. Aus dem Rügevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass der Senat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise im Sinne von § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO verletzt hat.
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Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber weder gehalten, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, noch muss es sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. April 2023 – 9 B 10.23 – juris Rn. 2 m. w. N.). Danach ist ein Gehörsverstoß hier nicht ersichtlich.
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Die Kläger rügen zu Unrecht, dass die von ihnen geltend gemachten Ablehnungsgründe der objektiven Willkür infolge der Bestätigung der nach Auffassung der Kläger objektiv willkürlichen Begründung des Senatsurteils vom 2. Juli 2020 – 9 A 8.19 -, der erkennbar gewordenen Vorfestlegung und der nicht erfolgten Auskunftserteilung übergangen worden seien. Mit diesen Gesichtspunkten hat sich der Senat in den Beschlüssen vom 28. Februar 2022 und 11. Oktober 2022 auseinandergesetzt.
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Soweit die Kläger geltend machen, der Beschluss vom 11. Oktober 2022 übergehe den Einwand, die Bestätigung des nach Ansicht der Kläger willkürlichen Urteils vom 2. Juli 2020 durch den Beschluss vom 28. Februar 2022 rechtfertige die Ablehnung des Richters am Bundesverwaltungsgericht A., führt bereits der letztgenannte Beschluss (Rn. 34 ff.) aus, warum die Kritik der Kläger an dem Urteil vom 2. Juli 2020 keine Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Dass dies auch bezüglich einer von den Beteiligten abweichenden Rechtsauffassung des Gerichts der Fall ist, entspricht ständiger Rechtsprechung. Eines erneuten Eingehens hierauf bedurfte es daher nicht.
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Mit der Rüge, die Begründung in Rn. 9 des Beschlusses vom 11. Oktober 2022, welcher eine bereits im Beschluss vom 28. Februar 2022 erkennbare Festlegung bestätige, belege eine Vorfestlegung des Richters am Bundesverwaltungsgericht A., verkennen die Kläger den Inhalt beider Entscheidungen. Die Ausführungen im Beschluss vom 11. Oktober 2022 bezogen sich auf den Einwand der Kläger, aus dem Schreiben der Vorsitzenden Richterin D. vom 21. Juni 2021 folge deren Vorfestlegung bezüglich der anhängigen Nichtigkeitsklage. Diesen hat der Senat im Beschluss vom 28. Februar 2022 (Rn. 29 ff.) mit der Begründung als unbegründet zurückgewiesen, im Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens habe der Richterin die von den Klägern später geltend gemachte abweichende Auslegung des Geschäftsverteilungsplans nicht vor Augen stehen müssen; die Annahme, letzterer beschränke die Mitwirkung des Richters am Bundesverwaltungsgericht A. auf die Verfahren zur Festen Fehmarnbeltquerung, weshalb die klägerische Frage nach dessen Verhinderung nicht verständlich sei, spiegele daher das damalige Verständnis, aber keine Festlegung bezüglich erst später geltend gemachter Bedenken wider. Mit Beschluss vom 11. Oktober 2022 hat der Senat sodann auf die Anhörungsrüge der Kläger lediglich festgestellt, dass diese bezüglich des Verständnisses des Schreibens der Vorsitzenden Richterin verkennen, dass, wenn ein Richter – wovon die Vorsitzende ersichtlich ausging – schon nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht mitwirkt, er von vornherein nicht an einer Mitwirkung gehindert sein kann. Eine Vorfestlegung bezüglich der Frage, wie der Geschäftsverteilungsplan unter Berücksichtigung der später erhobenen Einwände auszulegen ist, enthält der Beschluss vom 28. Februar 2022 nicht, sondern schließt ein anderes als das dem Schreiben der Vorsitzenden zugrundeliegende Verständnis ausdrücklich nicht aus (Rn. 31). Zu dieser Frage verhält sich der Beschluss vom 11. Oktober 2022 überhaupt nicht und kann sich daher auch nicht dahingehend festlegen.
11
Zu dem Vorbringen der Kläger in ihrem Ablehnungsgesuch vom 7. September 2021 (S. 53), Richter am Bundesverwaltungsgericht A. habe ihr Auskunftsbegehren aus ihrem Schriftsatz vom 16. Juni 2021 nicht beantwortet, hat bereits der Beschluss vom 28. Februar 2022 (Rn. 12) ausgeführt, dass es durch die Senatsvorsitzende am 21. Juni 2021 beantwortet wurde. Ebenso wie dieses verkennt auch das weitere Auskunftsersuchen vom 2. Juli 2021 bezüglich einer Verhinderung der Richter am Bundesverwaltungsgericht A., E. und F., dass sich – wie vorstehend bereits ausgeführt – die Frage einer Verhinderung erst stellt, wenn ein Richter nach der Geschäftsverteilung zur Mitwirkung berufen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Reaktion auf die Anfrage vom 2. Juli 2021 in hinreichend verständlicher Weise zum Gegenstand des Ablehnungsgesuchs gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A. vom 7. September 2021 gemacht wurde. Letzteres verweist lediglich auf eine Einlassung des Generalbundesanwalts in einem von den Klägern gegen das Bundesverwaltungsgericht vor dem Verwaltungsgericht Leipzig geführten Prozess und behauptet, ausweislich dessen sei es dem Richter objektiv möglich gewesen, eine entsprechende Negativauskunft zu erteilen; ein Bezug zu einem konkreten Begehren wird nicht hergestellt. Jedenfalls erfolgte das Auskunftsersuchen im Schriftsatz vom 2. Juli 2021 ausdrücklich nur vorsorglich für den Fall, dass sich die der Begründung des Nichtigkeitsantrags zugrunde gelegte Annahme der Kläger, eine Verhinderung habe nicht bestanden, als unzutreffend erweist. Eine Auskunftserteilung wäre Richter am Bundesverwaltungsgericht A. zudem nicht möglich gewesen, weil ihn die Kläger bereits am 7. September 2021 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und diesen Antrag nach Übersendung des das Ablehnungsgesuch verwerfenden Beschlusses vom 28. Februar 2022 mit Schreiben vom 24. März 2022 bereits am 11. April 2022 wiederholt haben. Angesichts des umfangreichen Vorbringens der Kläger sowie des Umstands, dass diese die übrigen und mit dem Gegenstand des Verfahrens vertrauten Mitglieder des 9. Senats in diesem Zeitpunkt bereits als befangen abgelehnt hatten, war innerhalb dieser kurzen Zeitspannen keine vertretungsweise vollständige Durcharbeitung der Schriftsätze, sondern – ebenso wie bei der nachfolgenden vertretungsweisen Bearbeitung durch Mitglieder des 4. Senats – zunächst nur deren Zustellung an die Gegenseite möglich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht notwendig, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.