Beschluss des BPatG München 26. Senat vom 29.11.2024, AZ 26 W (pat) 558/22

BPatG München 26. Senat, Beschluss vom 29.11.2024, AZ 26 W (pat) 558/22, ECLI:DE:BPatG:2024:291124B26Wpat558.22.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 21 209 748

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. November 2024 unter Mitwirkung des Richters Kätker als Vorsitzender, des Richters Staats, LL.M.Eur., und der Richterin am Amtsgericht Dr. Sedlmeier

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. Juni 2022 wird aufgehoben und der Widerspruch zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke

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ist am 24. Februar 2021 angemeldet und am 22. März 2021 unter der Nummer 30 2021 209 748 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der

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Klasse 10: Orthopädische Polster; Orthopädische Stützen; Orthopädische Artikel; Sitzpolster für Rollstühle für medizinische Zwecke;

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Klasse 20: Computermöbel; Büroschreibtische; Büroartikel [Möbel]; Rückenstützenpolster, nicht für medizinische Zwecke; Möbel für Computerarbeitsplätze; Schreibtischgestelle [Möbel]; Computertische; Computerstehtische; Stühle; Computerschreibtische; Stühle als Büromöbel; Bürodrehstühle; Bürotische; Ruhesessel [Stühle]; Klappbare Stühle; Bürostühle; Bürosessel; Schreibtische und Tische; Computerarbeitsplätze [Möbel]; Ruhesessel; Büromöbel; Computerschränke [Möbel]; Büromöbel aus Metall.

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Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 23. April 2021 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus der Wortmarke

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STEIFENSAND

7

die am 28. Juli 1998 angemeldet und am 29. Oktober 1998 unter der Nummer 398 42 431 für folgende Waren in das Markenregister des DPMA eingetragen worden ist:

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Klasse 20: Möbel, insbesondere Stühle, Bürodrehstühle, Sessel und Tische.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 10.10.2021 behauptet, die Widersprechende benutze die Widerspruchsmarke entgegen des Benutzungszwanges nach § 26 MarkenG nicht. Weiter hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr bestehe insbesondere wegen fehlender Klassen- und deshalb Warenidentität bezüglich der beanspruchten Waren der Klasse 10 sowie darüber hinaus insgesamt nicht. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke sei auf ein Minimum begrenzt und der Abstand zwischen den Marken ausreichend, zumal unterschiedliche Verkehrskreise angesprochen würden und unterschiedliche Vermarktungsformen/verschiedene Marketingstrategien gegeben seien.

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Mit Beschluss vom 27. Juni 2022 hat die Markenstelle für Klasse 20 des DPMA durch einen Beamten des gehobenen Dienstes auf den Widerspruch die Löschung der Eintragung der Marke 30 2021 209 748 angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass mangels wirksamer Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung von der Registerlage auszugehen sei und Benutzungsfragen nicht zu erörtern seien. Bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe Warenidentität bezüglich der beanspruchten Waren der Klasse 20 und Warenähnlichkeit bezüglich der beanspruchten Waren der Klasse 10. Die angegriffene Marke halte wegen Identität ihres prägenden Bestandteils „STEIFENSAND“ keinen ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke ein, während der Bestandteil „SITWELL“ unmittelbar beschreibend sei und im Gesamteindruck zurücktrete. Selbst bei unterstellter Gleichwertigkeit der beiden Wortbestandteile der angegriffenen Marke bestehe Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens.

11

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Ansicht, vom DPMA sei zu Unrecht die Einrede der Nichtbenutzung nicht berücksichtigt worden. Ihr Vortrag im Amtsverfahren insoweit erschöpfe sich nicht lediglich in der Darlegung der Benutzungssituation bezüglich der Widerspruchsmarke. Verwechslungsgefahr sei zudem bei nur unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und reduziertem Schutzumfang nicht gegeben. Die Prägetheorie sei vom DPMA nicht korrekt angewendet worden, ein ausreichender Abstand werde eingehalten.

12

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

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den Beschluss vom 27. Juni 2022 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

14

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

16

Die Widersprechende hat ausgeführt, den „Entscheidungsgründen der Markenabteilung“ werde vollumfänglich zugestimmt.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

18

Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

19

Die Eintragung der angegriffenen Wort-/Bildmarke
Abbildung ist nicht wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchswortmarke „SITWELL“ gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 1, 2 Nr. 1 MarkenG zu löschen. Die Widersprechende hat auf die bereits im Amtsverfahren sowie nochmals im Beschwerdeverfahren zulässig erhobene Einrede der Nichtbenutzung, § 43 Abs. 1 MarkenG, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke weder behauptet noch nachgewiesen. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf der Seite der Widerspruchsmarke gem. § 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG konnte der Widerspruch deshalb keinen Erfolg haben. Auf die Beschwerde hin war die vom DPMA angeordnete Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke aufzuheben.

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1. Zu einer Zurückverweisung der Sache an das DPMA, § 70 Abs. 3 MarkenG, bestand kein Anlass. Die Markenstelle hat im Verfahren vor dem DPMA sämtliche Schriftsätze der Beteiligten berücksichtigt und auch sämtliche zur Akte gelangten Schriftsätze der Widersprechenden mit Stellungnahmemöglichkeit an die Inhaberin der angegriffenen Marke weitergeleitet.

21

2. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat wirksam die Einrede der Nichtbenutzung gem. § 43 MarkenG erhoben. Dieser Einrede ist die Widersprechende bis zuletzt nicht entgegengetreten.

22

a) Entgegen der Rechtsauffassung der Markenstelle wurde durch die Inhaberin der angegriffenen Marke schon im Amtsverfahren die Einrede der Nichtbenutzung, § 43 MarkenG, wirksam erhoben.

23

Im Schriftsatz vom 10.10.2021 hatte die Beschwerdeführerin im Widerspruchsverfahren auf S. 4 ausgeführt: „Die Widersprechende benutzt die Widerspruchsmarke entgegen des Benutzungszwanges nach § 26 MarkenG nicht.“ Sonach folgten Ausführungen zur Verwendung der Bezeichnung „ORIGINAL-STEIFENSAND“ anstelle der Marke „STEIFENSAND“ durch die Widersprechende. Weiter wurde von der Beschwerdeführerin ausgeführt, „ein Widerspruch, dem eine nicht benutzte Widerspruchsmarke zu Grunde liegt, kann nicht begründet sein“.

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Die von der Markenstelle unter Berufung auf Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 43, Rn. 35, 36, vertretene Auffassung, Hinweise auf die gegenseitige Benutzungssituation genügten für die notwendige eindeutige Erklärung bezüglich der Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung nicht, berücksichtigt den dezidierten Wortlaut aus dem o.g. Schriftsatz unzureichend. Zwar wird dort seitens der Markeninhaberin nicht der Rechtsbegriff „Einrede“ oder das Verb „erhoben“ o.ä. verwendet, obwohl die Beschwerdeführerin bereits im Widerspruchsverfahren anwaltlich vertreten war. Dies steht der Wirksamkeit der Einrede jedoch nicht entgegen: Eine solche setzt eine Äußerung „in eindeutiger Weise“ voraus (BGH GRUR 2023, 1293, 1296, Rn. 27 – Silver Horse / Power Horse), weil die Absicht, sich gegenüber dem Inhaber der älteren Marke mit der Einrede der Nichtbenutzung verteidigen zu wollen, hinreichend deutlich erkennbar werden muss. Dabei schaden jedoch abweichende Formulierungen nicht und eine Verwendung des Ausdrucks „bestreiten“ ist nicht erforderlich (
Ströbele/Hacker/Thiering, 14. Aufl., § 43 MarkenG, Rn. 35).

25

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den geltend gemachten Benutzungsumständen bezüglich der Widerspruchsmarke auf S. 4 des Schriftsatzes vom 10.10.2021 wurde hier klar und unmissverständlich mit der Behauptung kombiniert, die Widersprechende
benutze die Widerspruchsmarke entgegen dem Benutzungszwang nach § 26 MarkenG
nicht; die Behauptung der Nichtbenutzung wird am Ende desselben Absatzes im Schriftsatz nochmals wiederholt. Damit wurde nach Auffassung des Senats ein eindeutiger Wille, die Einrede gem. § 43 MarkenG erheben zu wollen, bereits im Widerspruchsverfahren durch die Inhaberin der angegriffenen Marke zum Ausdruck gebracht. Das Behaupten der Nichtbenutzung ist als „positive Formulierung einer negativen Tatsache“ einem ausdrücklich als solchem bezeichneten Bestreiten gleichzustellen.

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b) Jedenfalls aber spätestens durch die Beschwerdebegründung vom 02. August 2022, in welcher die Widersprechende nochmals auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 10. Oktober 2021 Bezug genommen und als Angriff auf den Beschluss des DPMA vorgebracht hat, die Markenstelle habe die Einrede der Nichtbenutzung unberücksichtigt gelassen, erfolgte eine zweifelsfreie, eindeutige und unmissverständliche Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung.

27

c) Die Nichtbenutzungseinrede wurde auch zulässig erhoben: Die Widerspruchsfrist für die Widerspruchsmarke endete am 26. Februar 1999, sodass nach § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG die Benutzungsschonfrist bereits bei Erhebung der Einrede gemäß Schriftsatzes vom 10.10.2021 abgelaufen war. Daran anknüpfend hätte ein Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung der älteren Marke für den Zeitraum von fünf Jahren vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke (24. Februar 2021) erfolgen müssen.

28

d) Beim Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, die auf der durch § 43 Abs. 1 MarkenG angeordneten Beweislastregel beruht (
Ströbele/Hacker/Thiering, 14. Aufl., § 43 MarkenG, Rn. 64). Im Unterschied zu dem im Übrigen das Verfahren vor dem DPMA und dem Bundespatentgericht beherrschenden Untersuchungsgrundsatz unterfällt der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung dem Beibringungsgrundsatz (
Ströbele/Hacker/Thiering, 14. Aufl., § 43 MarkenG, Rn. 6). Ein entsprechender Nachweis setzt jedenfalls substantiierten Sachvortrag zu Art, Zeit, Ort und Umfang der Benutzung im maßgeblichen Zeitraum voraus. Bereits daran fehlt es hier: Eine inhaltliche Reaktion der Beschwerdegegnerin zur Einrede der Nichtbenutzung gelangte nicht zur Akte. Im Schriftsatz vom 20. Januar 2023 hatte diese lediglich ausgeführt, dass den Entscheidungsgründen „der Markenabteilung“ vollumfänglich zugestimmt werde und eine Entscheidung nach Aktenlage erbeten werde.

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e) Daran anknüpfend hat der Senat die Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke als zugestanden zugrunde zu legen. Dies hat zur Folge, dass die für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren für den im Rahmen der Verwechslungsgefahr in Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. MarkenG vorzunehmenden Zeichenvergleich unberücksichtigt zu bleiben haben, also für die Begründung einer Verwechslungsgefahr nicht herangezogen werden dürfen (§ 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG).

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3. Die Widersprechende hatte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das DPMA im Beschluss vom 27. Juni 2022 zur Erhebung der Nichtbenutzungseinrede eine andere Rechtsauffassung vertreten hatte, im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 02. August 2022 erhobene und begründete Beschwerde ausreichend Zeit und Gelegenheit, zur rechtserhaltenden Benutzung vorzutragen und Nachweise zu erbringen.

31

Es bedurfte insbesondere auch keines Hinweises des Senats zur Relevanz der Nichtbenutzungseinrede bzw. etwaiger Verteidigung hiergegen gem. §§ 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. 139 ZPO. Der Senat war vielmehr aus Rechtsgründen an einem derartigen Hinweis gehindert: Ebensowenig, wie das erkennende Gericht (bzw. auch das DPMA im Widerspruchsverfahren) auf eine etwaige fehlende Eindeutigkeit der Erhebung der Einrede gem. § 43 MarkenG hinweisen darf (vgl.
Ströbele/Hacker/Thiering, 14. Aufl., § 43 MarkenG, Rn. 35 m.w.N. sowie BGH GRUR 2023, 1293, 1296, Rn. 27 – Silver Horse / Power Horse), weil andernfalls eine Verletzung der Pflicht zur Unparteilichkeit droht, ist bei fehlender Reaktion der Widersprechenden auf die Einrede der Nichtbenutzung dem Gericht unter dem Aspekt der prozessualen Fairness ein Hinweis gestattet. Zwar sieht § 139 Abs. 2 ZPO ausdrücklich vor, dass auf erkennbar übersehene Umstände oder relevante Umstände, die von einer Partei erkennbar für unerheblich gehalten wurden, das Gericht zunächst hinweisen und Gelegenheit zur Äußerung gewähren muss. Hierbei ist allerdings die Neutralitätspflicht des Gerichts zu beachten, die ihm insbesondere untersagt, Hinweise zu geben, welche eine Stärkung der prozessualen Position einer Partei mit sich bringen würden (
Ströbele/Hacker/Thiering, 14. Aufl., § 43 MarkenG, Rn. 73). Insbesondere ist es nicht angezeigt, dass die Rechtsmittelinstanz darauf hinweist, dass sie die entscheidungserhebliche Bedeutung eines Nachweises der Benutzung anders beurteilt als die Vorinstanz (
Ströbele/Hacker/Thiering, 14. Aufl., § 43 MarkenG, Rn. 77).

32

Die Zielrichtung des § 139 Abs. 2 ZPO ist die Vermeidung einer Überraschungsentscheidung (vgl. nur
Anders/Gehle, 82. Aufl. 2024, § 139 ZPO, Rn. 51) als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gebots eines fairen Verfahrens. Der Widersprechenden hätte hier jedenfalls die Behauptung der Nichtbenutzung im Beschwerdeschriftsatz eine „hinreichende“ Warnung hinsichtlich der (möglichen) Entscheidungserheblichkeit sein müssen, dass hierzu – soweit gewünscht – Verteidigung erforderlich war. Damit war jedenfalls im Hinblick auf die Ausführungen der Markeninhaberin zur Nichtbenutzungseinrede in der Beschwerdebegründung ein Hinweis des Senats – unabhängig von den dargestellten Hinderungsgründen – entbehrlich. In der Beschwerdeschrift hatte die Markeninhaberin unmissverständlich ausgeführt, dass die Einrede mangelnder rechtserhaltender Benutzung im Verfahren erhoben werden soll.

33

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich. Die Beteiligten haben eine solche nicht beantragt, § 69 Nr. 1 MarkenG, und der Senat hat sie nicht für sachdienlich erachtet, § 69 Nr. 3 MarkenG.

III.

34

Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben. Eine Kostenauferlegung zu Lasten eines Beteiligten stellt die Ausnahme zum Regelfall dar, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat. Hierfür reicht die Tatsache des Unterliegens in der Hauptsache allein nicht aus. Es sind vielmehr besondere Umstände erforderlich, die eine Kostenauferlegung ausnahmsweise aus Billigkeitsgründen nahelegen, beispielsweise bei offensichtlich aussichtslosen oder rechtsmissbräuchlichen Beschwerden oder einem Verstoß eines Beteiligten gegen den Grundsatz der prozessualen Sorgfalt (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; BGH GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung I; BPatG 26 W (pat) 16/22 – ENERGIM/energis).

35

Ein solcher prozessualer Sorgfaltsverstoß kommt grundsätzlich in Betracht, wenn der Widerspruch auf eine zulässige Nichtbenutzungseinrede ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (BPatG, 26 W (pat) 524/17 = BeckRS 2021, 11641, Rn. 63 – AURUM/aurea m.w.N.). Allerdings reicht das Unterlassen von konkretem Sachvortrag bzw. Verteidigungsvorbringen im Beschwerdeverfahren im konkreten Fall nicht aus, um eine Sorgfaltswidrigkeit zu begründen, da im Widerspruchsverfahren durch das DPMA die Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung (zunächst) verneint worden war. Hiernach erschien aus Sicht der Beschwerdegegnerin das weitere Betreiben des Widerspruchs ohne Verteidigung zur Benutzungsfrage prozessual vertretbar. Die Beschwerdegegnerin hat sich auch im Schriftsatz vom 20. Januar 2023 die entsprechende Argumentation des DPMA im Beschluss vom 27. Juni 2022 zu eigen gemacht. Nach Auffassung des Senats kann aus dem bloßen Umstand, dass keine nachdrückliche Verteidigung gegen das Vorbringen der Beschwerdeführerin erfolgt, nicht darauf geschlossen werden, dass seitens der Beschwerdegegnerin allein verfahrensfremde Ziele verfolgt werden. Die Erhebung eines Widerspruchs aus einer unbenutzten Marke widerspricht nämlich nicht von vornherein der prozessualen Sorgfalt, da die Frage der Benutzung überhaupt erst bei wirksamer Erhebung der entsprechenden Einrede relevant wird (
Meiser in Ströbele/Hacker/Thiering, 14. Aufl., § 71 MarkenG, Rn. 24).

36

Ein Verstoß gegen die prozessuale Sorgfalt kommt hier deshalb vor dem Hintergrund der in rechtlicher Hinsicht abweichenden Beurteilung der Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung durch das DPMA frühestens ab Zustellung der Beschwerdebegründung vom 02. August 2022 in Betracht. Wie oben dargestellt, hätte die darin enthaltene Klarstellung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Einrede der Nichtbenutzung der Beschwerdegegnerin eine Warnung sein müssen, dass es hierauf ggf. doch entscheidungserheblich ankommen kann. Soweit hiernach kein relevantes Verteidigungsvorbringen erfolgte, fehlt es aber an der Kausalität für die Entstehung von weiteren Kosten des Beschwerdeverfahrens.

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