BPatG München 26. Senat, Beschluss vom 28.11.2024, AZ 26 W (pat) 30/21, ECLI:DE:BPatG:2024:281124B26Wpat30.21.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2014 050 008
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. November 2024 unter Mitwirkung des Richters Kätker als Vorsitzender, des Richters Staats, LL.M. Eur., und der Richterin Wagner
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Beschwerdegegnerin, der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Wort-/Bildmarke
2
ist am 13. Juni 2014 angemeldet und am 21. August 2014 unter der Nummer 30 2014 050 008 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
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Klasse 14: Münzen
4
Klasse 21: Trinkgläser; Weingläser.
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Am 20. Februar 2020 hat die Beschwerdegegnerin die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG beantragt. Sie hat geltend gemacht, dass die Marke freihaltebedürftig sei, weil sie mit der für sie eingetragenen Warengruppe in Verbindung gebracht werden könne, so dass sie entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden sei.
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Die Markeninhaberin hat dem ihr am 18. April 2020 zugestellten Antrag der Beschwerdeführerin am 10. Juni 2020 widersprochen (Verfahren S 67/20 – Lösch).
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Mit Beschluss vom 8. Juli 2021 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung sowie den Antrag der Markeninhaberin, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen und den Gegenstandswert des Verfahrens auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
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Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, dass ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht vorliege. Bei der Bezeichnung „Sophienwald“ handele es sich um die deutsche Bezeichnung eines nunmehr tschechischen Ortsteils („Žofina Hut“) des Ortes „Nová Ves nad Lužnici“, dessen deutsche Bezeichnung seit 1945 nicht mehr verwendet werde. Zwar habe in eben dieser Ortschaft von 1790 bis 1945 eine Glashütte mit der Bezeichnung „Sophienwald“ existiert und das niederösterreichisch-böhmische Grenzgebiet sei auch für die Glaserzeugung bekannt gewesen. Der Betrieb der Glashütte sei aber 1945 aufgegeben und die deutsche Bevölkerung aus dem Gebiet vertrieben worden, einschlägige Herstellungs- oder Vertriebsunternehmen seien nicht mehr gegeben. Der nunmehr mit „Žofina Hut“ bezeichnete Ortsteil umfasse lediglich eine Straße und keine Bahnstation, eine nennenswerte Infrastruktur sei nicht zu verzeichnen. Der Ortsteil habe im Jahr 2011 nur 56 Einwohner gezählt, weshalb seine wirtschaftliche Bedeutung als gering einzustufen sei. Aufgrund der geringen Größe des Ortsteils und der Tatsache, dass die deutsche Bezeichnung des Ortsteils seit über siebzig Jahren nicht mehr verwendet werde, sei davon auszugehen, dass für die allgemeinen deutschen Verkehrskreise die Bezeichnung „Sophienwald“ als beschreibende Ortsangabe nicht verständlich sei und daher nicht zur Beschreibung der beanspruchten Waren dienen könne, zumal der Ortsteil „Žofina Hut“ im Grenzgebiet zu Österreich und nicht zu Deutschland liege und daher seine Bekanntheit in Deutschland noch erheblich geringer als in Österreich ausfallen dürfte. Die nur sehr wenigen und überwiegend auch recht alten Publikationen zur Glasmachertradition des ehemals österreichischen Waldviertels, in denen die Glashütte „Sophienwald“ namentlich genannt werde, legten nahe, dass die Bedeutung der Glashütte „Sophienwald“ eher als regional anzusehen sei und zumindest in Deutschland auch die Anzahl der Fachleute, denen die seit 1945 nicht mehr bestehende Glashütte in Sophienwald ein Begriff sei, äußerst gering sein dürfte. Auch heiße der Ort, nachdem die Glashütte benannt wurde, nunmehr „Žofina Hut“ und die deutsche Bezeichnung werde nicht mehr verwendet. Gegen eine relevante Bekanntheit in Deutschland spreche zudem, dass Deutschland eine eigene Glasmachertradition aufweise, angesiedelt insbesondere in der Lausitz.
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Zudem bestehe die Marke als Wort-/Bildmarke aufgrund des Bildbestandteils nicht ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Zwar könne die Buchstabenfolge „Sw“ innerhalb des Bildbestandteils als Abkürzung von „Sophienwald“ verstanden werden, die mittige Anordnung oberhalb des Wortbestandteils „Sophienwald“ innerhalb eines wolkenartigen Ornaments führe aber von einer rein akzessorischen Funktion der Buchstabenfolge, die zwingend den Charakter der Wortkombination teilen würde, weg. Der Bildbestandteil werde schon aufgrund seiner Größe als eigenständiger Bestandteil der Marke wahrgenommen und nicht rein akzessorisch als bloße Abkürzung des Wortbestandteiles „Sophienwald“, er entfalte vorliegend eine eigene Unterscheidungskraft.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung führt sie aus, dass es bei der Beurteilung eines bloß beschreibenden Begriffsgehalts i.S.v. § 8 Abs 2 S. 2 MarkenG nicht zwingend auf das Verständnis der Verbraucher in ihrer Gesamtheit ankomme, sondern dass auch die Kreise zu berücksichtigen seien, die mit den betroffenen Waren Handel betrieben und aufgrund dieser Tatsache breitere Kenntnis von sämtlichen Umständen dieser Warenproduktion aufwiesen. Somit könne auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise ausschlaggebend sein.
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Unter dem Namen „Sophienwald“ sei eine Ortschaft in der Tschechischen Republik bekannt; die mit der Glasproduktion seit Jahrzehnten in Verbindung stehe, und es sei anzunehmen, dass die relevanten Fachkreise mit der Historie der Glasproduktion vertraut seien. Mit dem Begriff werde auf eine Glashütte mit langjähriger Tradition in Bezug auf Waren der Glasproduktion im deutschsprachigen Raum hingewiesen, eine Vorstellung hinsichtlich Qualität, Güte, Tradition und jahrzehntelanger Historie sei evident. Mit dem Begriff „Sophienwald“ assoziierten die beteiligten Fachkreise die historische und kulturelle Bedeutung der großartigen Glastradition in diesem Gebiet, und es würden dabei „positiv besetzte Vorstellungen“, die ein Allgemeininteresse an dem Freihaltebedürfnis begründen können, hervorgerufen. Zumindest nach dem Verständnis der Glas-Fachhändler/ beteiligten Verkehrskreise nehme die Bezeichnung auf die Geschichte der dortigen Glaserzeugung Bezug und weise auf dieses Gebiet als Produktionsstätte oder Rohstoffquelle hin. Vor allem bei Glasprodukten im höheren Preissegment werde häufig auf langjährige Tradition und somit zwangsläufig auf ehemalige Glashütten Bezug genommen. Auch weise Glashütte „Sophienwald“ nicht bloß im niederösterreichisch – böhmischen Grenzgebiet relevante Bekanntheit auf. Darüber hinaus sei für die Eignung zur Beschreibung bzw. für den beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke nicht bloß auf aktuelle Gegebenheiten abzustellen, sondern auch auf eine mögliche künftige beschreibende Verwendung.
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Es komme nicht darauf an, ob mögliche Wettbewerber derzeit auf diese Angaben zur Beschreibung ihrer Angebote angewiesen sind oder gegebenenfalls gleichwertige Ausdrücke (beispielsweise auf deutsche Glashütten in der Lausitz oder „Zofina Hut“ statt „Sophienwald“) zur Verfügung stünden. Für die Eigenschaft einer Bezeichnung als beschreibend sei es unerheblich, ob alternative Beschreibungen möglich seien, da Mitbewerbern die freie Wahl zwischen allen unmittelbar beschreibenden Angaben und Zeichen zu erhalten sei. Aufgrund des Verweises auf langjährige Traditionen sei es unschädlich, dass der Ort, nachdem die Glashütte benannt wurde, nunmehr einen anderen Namen trage, sei doch die Glashüttentradition unter dem Namen „Sophienwald“ bekannt. Im deutschsprachigen Raum werde auch eher die deutsche Bezeichnung „Sophienwald“ verwendet als der tschechische Name „Zofina Hut“, zumal mit einem deutschen Begriff die Konnotation deutscher Qualität einherginge und Konsumenten grundsätzlich eher zu vertrauter wirkenden Produkten mit deutscher Bezeichnung griffen. Der Kontext zwischen Waren und Ort werde bewusst genutzt, um die Waren mit „positiv besetzten Vorstellungen“ zu einem derartig traditionellen Standort zu verbinden. In Sophienwald habe es eine historische Glashütte gegeben und dort seien die für die Glasproduktion notwendigen Ressourcen vorgefunden und verarbeitet bzw. in der Kunst der Glasbläserei Gläser handwerklich hergestellt worden. Es sei nicht auszuschließen, dass zumindest nach dem Verständnis der Glas-Fachhändler die Bezeichnung auf die Historie Bezug nehmen und auf das Gebiet als Produktionsstätte oder Rohstoffquelle hinweisen solle. Den deutschen Verkehrskreisen sei die beschreibende Eigenschaft von „Sophienwald“ auch aufgrund deren Kürzels „wald“ als Ortsangabe und Produktionsmerkmal erkennbar.
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Die vorliegende Wort-/Bildmarke weise auch keinen Überschuss auf, auf den ihr Schutz bezogen und beschränkt werden könnte; insbesondere ein schöpferischer Überschuss, der einen rein akzessorischen Charakter der umrandeten Buchstabenfolge „Sw“ verhindern würde, sei zu verneinen. Die Buchstabenfolge erschöpfe sich in einer reinen Abkürzung der Bezeichnung „Sophienwald“, zumal für die Buchstabenfolge „Sw“ dieselbe Schriftart und Größe verwendet werde. Die wolkige Umrandung, ebenso wie die Verwendung von Kursivschrift und verschnörkelter Schrift sei verkehrsüblich. Zudem seien die beiden Markenelemente – die Buchstabenfolge („Sw“) als bloßes Kürzel und die beschreibende Erläuterung der Buchstabenfolge („Sophienwald“) – dazu bestimmt, die zwischen ihnen bestehende Verbindung zu unterstreichen. Die Buchstabenfolge „Sw“ solle die Wahrnehmung der Bezeichnung „Sophienwald“ durch die Verkehrskreise verstärken, indem die Verwendung der Bezeichnung „Sophienwald“ vereinfacht und die Erinnerung daran erleichtert werde. Eine bei isolierter Betrachtung nicht beschreibende Buchstabenfolge nehme aufgrund ihrer Kombination mit einem beschreibenden Hauptausdruck insgesamt einen beschreibenden Charakter an, weil sie als dessen Abkürzung wahrgenommen werde. Es spiele auch keine Rolle, ob die Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, die beschrieben werden können, wirtschaftlich wesentlich oder nebensächlich seien.
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Die Beschwerdeführerin beantragt,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juli 2021 aufzuheben und dem Löschungsantrag stattzugeben.
16
Die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
18
Die Beschwerde sei bereits unzulässig, insbesondere nicht durch einen Rechtsanwalt i.S.d. § 81 Abs. 2 MarkenG eingelegt worden. Zudem sei sie unbegründet, weil die Markenabteilung zu Recht ein Eintragungshindernis verneint habe. Insbesondere greife das absolute Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Fall von vermeintlichen Ortsangaben nur dann ein, wenn der Ort über eine gewisse Bekanntheit verfüge. Das DPMA habe festgestellt, dass spätestens seit 1945 keine Glashütte mehr in „Žofina Huť“, dem ehemaligen Sophienwald, existiere. Unter Verweis auf ihre Stellungnahmen im Verfahren vor dem DPMA trägt sie zum Namen und zur Lage des Ortes vor, der in der Nähe der österreichischen Grenze, 10,4 km entfernt von Gmünd liege, im Jahr 2011 56 Einwohner gehabt habe und auf Tschechisch „Žofina Huť“, also „Sophies Hütte“ heiße, so dass selbst in deutschsprachigen Land- und Straßenkarten nicht von „Sophienwald“, sondern nur von „Žofina Huť“ die Rede sei. Die angebliche Bekanntheit des Begriffs „Sophienwald“ im Zusammenhang mit Glaserzeugung stütze sich auf zwei uralte und mehrere hundert Seiten umfassende Publikationen, die in Deutschland nicht einmal verfügbar seien, und in denen der Ort nur jeweils einmal und nur beiläufig erwähnt sei. Es verstoße gegen jegliche Erfahrungssätze, anzunehmen, dass jedem normal informierten Durchschnittsverbraucher oder jedem normal informierten Glashändler der Ort und der jeweilige Sachzusammenhang bekannt seien. Erst recht könne nicht von einer „großartigen Glastradition“ im Gebiet Sophienwald die Rede sein. „Sophienwald“ sei nicht einmal zur „aktiven Zeit“ ein Synonym für Qualitätsprodukte gewesen, sondern nur eine von vielen Produktionsstätten.
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Tatsächlich sei der Begriff „Sophienwald“ dem relevanten Verkehrskreis im Zusammenhang mit den relevanten Waren völlig unbekannt. Der aktuelle Ort „Žofina Huť“ habe auch keinerlei historische, kulturelle, wirtschaftliche oder naturbezogene Bedeutung, was sich schon aus der verschwindend geringen Einwohnerzahl ergebe. Auch werde Glas schon lange nicht mehr so hergestellt wie vor knapp 200 Jahren, als „Sophienwald“ eine Rolle in der vorindustriellen Glaserzeugung gespielt haben könnte. Es sei nicht möglich, festzustellen, dass „Sophienwald“ in erster Linie der ehemalige Name des tschechischen Ortsteils „Žofina Huť“ sei und nicht etwa von Orten in Deutschland, Polen oder Russland, und dass sich in dem benachbarten Ort Nová Ves nad Lužnicí eine Glasfabrik befinde oder befunden habe. Der nicht mehr existente Ort „Sophienwald“ sei auch nicht dafür bekannt, dass dort heutzutage Glasrohstoffe abgebaut würden. „Wald“ sei ein generischer Begriff, es verbiete sich anzunehmen, dass jedes Wort mit der Endsilbe „wald“ stets ein geografischer Ort sei.
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Maßgeblich sei, wer der angesprochene Verkehrskreis sei. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der vorliegend maßgebliche deutsche Verkehrskreis Kenntnisse über die Namen irgendwelcher Ortschaften habe, die sich im österreichisch-tschechischen Grenzgebiet befänden. Zudem müsse das geltend gemachte Eintragungshindernis nicht nur im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke am 13. Juni 2014 bestanden haben, sondern es müsse auch fortbestehen. Der Kreis derjenigen Personen, denen die Bezeichnung „Sophienwald“ als ehemalige Bezeichnung eines äußerst kleinen Ortes in der Tschechischen Republik zu den relevanten Zeitpunkten geläufig gewesen sei, sei begrenzt, zumal es sich um solche Personen handeln müsse, die in der Nähe dieses kleinen Ortes aufgewachsen seien oder mit diesem irgendwie in Berührung gekommen seien. Solche Personen seien im Münz- oder Weinglas-Fachhandel nicht zu finden, da sie bereits verrentet seien. Es handelt sich auch bei der verfahrensgegenständlichen Marke nicht um ein dem Wesen der beanspruchten Waren „Münzen“ und „Trinkgläser, Weingläser“ innewohnendes intrinsisches und dauerhaftes Merkmal, zumal die Waren an einer Vielzahl von Orten hergestellt würden und deren Herstellung in „Žofina Huť“ inzwischen weit zurück in der Vergangenheit liege. Die Behauptungen der Beschwerdeführerin würden bestritten.
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Hinsichtlich des Bildelements verweist die Markeninhaberin auf die verfahrensgegenständliche Entscheidung des DPMA vom 8. Juli 2021 sowie auf ihre Stellungnahme im Verfahren vor dem DPMA. Dort hatte sie ausgeführt, dass es genüge, wenn aus Sicht der Verkehrskreise einzelne Elemente des Markenzeichens schutzfähig seien und dass dies bei der plakativ am Anfang der ersten Zeichenebene und somit ins Auge springenden Grafik der Marke jedenfalls der Fall sei. Selbst wenn der angesprochene Verkehr die im Inneren der Grafik enthaltenen Linien als die Buchstaben „Sw“ erkennen sollte und diese als Abkürzung für „Sophienwald“ ansähe, würde dies die in der konkreten Gestaltung der Grafik zum Ausdruck kommende auffällige phantasievolle künstlerische Individualität nicht beseitigen. Die Entscheidungen des OLG Wien und des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich ließen sich nicht mit den in Deutschland bestehenden rechtlichen Vorgaben und der Sicht der deutschen Durchschnittsverbaucher/-händler in Einklang bringen.
22
Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. März 2024 sind die Verfahrensbeteiligten jeweils unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 9) darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
24
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Eintragung der Wort-/Bildmarke
stand in Bezug auf die angegriffenen Waren der Klassen 14 und 21 das Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, auf den die Antragstellerin ihren Nichtigkeitsantrag gestützt hat, zum Anmeldezeitpunkt, dem 13. Juni 2014, nicht entgegen (§ 50 Abs. 1 MarkenG).
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Da der Nichtigkeitsantrag am 20. Februar 2020 und damit nach dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist, findet § 50 MarkenG in der aktuell geltenden Fassung Anwendung. Die Vorschrift des § 54 MarkenG ist in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 5 Abs. 3 MaMoG), weil dessen Änderung zum 1. Mai 2020 bereits abgeschlossene Verfahrenshandlungen wie hier den Nichtigkeitsantrag nicht berührt (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 53 Rdnr. 108 m. w. N.). Zu berücksichtigen ist lediglich die aus Gründen der Anpassung an die Terminologie des Art. 45 der Richtlinie (EU) 2015/2436 mit Wirkung zum 14. Januar 2019 vorgenommene Umbenennung des Löschungsverfahrens in Nichtigkeitsverfahren.
26
1. Der Löschungsantrag ist zulässig.
27
a) Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag, der von jedermann gestellt werden kann (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG a. F.), nach rechtzeitig erhobenem Widerspruch für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist (§ 50 Abs. 1 MarkenG) und wenn die Schutzhindernisse gemäß §§ 3, 7 oder § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 13 MarkenG auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit bestehen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BGH GRUR 2014, 483 Rdnr. 38 – test m. w. N.; 2014, 565 Rdnr. 18 – smartbook; GRUR 2010, 138 Rdnr. 48 – ROCHER-Kugel). Im Fall der Geltendmachung der Verkehrsdurchsetzung obliegt es nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (GRUR 2021, 1526 Rdnr. 37 ff. – NJW-Orange im Anschluss an EuGH GRUR 2014, 776 Rdnr. 70 – Oberbank u. a. [Farbmarke-Rot]; GRUR 2020, 1301 – Ferrari [testarossa]) dem Markeninhaber, im Nichtigkeitsverfahren diejenigen Umstände nachzuweisen, aus denen sich der (Fort-)Bestand seiner Marke ergibt, während es ansonsten bei der Feststellungslast des Antragstellers bleibt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 53 Rdnr. 62). Soweit der Antrag auf Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG gestützt wird, kommt eine Löschung der Eintragung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 MarkenG nur in Betracht, wenn der Antrag innerhalb von zehn Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt worden ist.
28
b) Der Zulässigkeit des Nichtigkeitsantrags steht es nicht entgegen, dass dieser nicht mit einer Unterschrift abschließt, sondern lediglich eine sog. Rubrumsunterschrift des österreichischen Verfahrensbevollmächtigten trägt (vgl. BPatG 30 W (pat) 527/20 – ALMWURZERL). Denn der Antrag stellt keinen bloßen Entwurf dar, sondern ist mit dem Willen des Verfahrensbevollmächtigen der Nichtigkeitsantragstellerin an das DPMA gesandt worden. Sowohl dieser Antrag als auch die Stellungnahme mit Schriftsatz vom 14. August 2020 tragen übereinstimmend den vorgedruckten Briefkopf der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, benennen die Streitmarke sowie die Verfahrensbeteiligten und zeigen, dass die Praxis der Rubrumsunterschrift der ständigen Übung dieses Verfahrensbevollmächtigten entspricht.
29
c) Der am 20. Februar 2020 beim DPMA eingegangene Nichtigkeitsantrag ist innerhalb der seit der Eintragung der angegriffenen Marke am 21. August 2014 laufenden Zehnjahresfrist gestellt worden (§ 50 Abs. 2 Satz 3 MarkenG).
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d) Der Nichtigkeitsantrag kann frühestens am 18. April 2020 als zugestellt gelten, so dass der am 10. Juni 2020 erfolgte Widerspruch gegen den Nichtigkeitsantrag rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Widerspruchsfrist gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG a. F. erfolgt ist.
31
Der Nichtigkeitsantrag ist am 15. April 2020 als Übergabeeinschreiben an Frau Rechtsanwältin F… versandt worden, welche die Markeninhaberin im Anmeldeverfahren vertreten hatte. Nachdem diese am 22. April 2020 die Beendigung ihrer Vertreterbestellung mitgeteilt hatte und am 13. Mai 2020 die neuen Verfahrensbevollmächtigten der Kanzlei T… unter Vorlage einer Vollmacht die Vertretung der Markeninhaberin angezeigt hatten, haben letztere am 10. Juni 2020 dem Nichtigkeitsantrag jedenfalls rechtzeitig widersprochen. Denn gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt ein mittels Einschreiben übersandtes Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; gemäß § 8 VwZG gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist.
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2. Der Löschungsantrag ist jedoch nicht begründet.
33
a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die ein Merkmal oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – Agencja Wydawnicza Technopol/HABM [1000]; BGH WRP 2021, 1166 Rdnr. 13 f. – Black Friday; GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen).
34
Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verkehrskreise, die als Abnehmer oder Interessenten der betroffenen Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Windsurfing Chiemsee [Chiemsee]; BGH a. a. O. Rdnr. 14 – Black Friday; GRUR 2009, 669 Rdnr. 16 – POST II). Dabei ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 682 Rdnr. 23 – 25 – Bostongurka; a. a. O. – Windsurfing Chiemsee [Chiemsee]; BGH a. a. O. Rdnr. 19 – Black Friday; a. a. O. – Stadtwerke Bremen).
35
Ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt nicht voraus, dass die Zeichen und Angaben nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet werden. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, genügt es, dass die Zeichen oder Angaben diesem Zweck dienen können. Ein Freihaltebedürfnis liegt deshalb auch vor, wenn die Benutzung der angemeldeten Marke als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. EuGH GRUR 2010, 534 Rdnr. 52 – Prana Haus/HABM [PRANAHAUS]; GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – Wrigley/HABM [Doublemint]; GRUR 2004, 680 Rdnr. 38 – Campina Melkunie [BIOMILD]; BGH a. a. O. – Black Friday; a. a. O. Rdnr. 42 – Stadtwerke Bremen). Für die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 2010, 534 Rdnr. 53 – PRANAHAUS; GRUR 1999, 723 Rdnr. 31 und 37 – Chiemsee; BGH a. a. O. Rdnr. 43 – Stadtwerke Bremen). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (BGH a. a. O. Rdnr. 43 – Stadtwerke Bremen).
36
Für die Frage der Schutzfähigkeit geographischer Herkunftsangaben ist insbesondere maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung von Betrieben zur Produktion der beanspruchten Waren oder zur Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 26 ff. – PRANAHAUS; a. a. O. Rdnr. 31-34 – Chiemsee), und ob die angesprochenen Verkehrskreise sofort und ohne weiteres Nachdenken einen direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den betreffenden Produkten und Diensten herstellen (EuGH a. a. O. – PRANAHAUS). Erkennt der inländische Verkehr die geographische Herkunftsangabe nicht als solche, wird er die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit dem betreffenden Ort vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung bringen.
37
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die angegriffene Wort-/Bildmarke
aus Sicht der angesprochenen inländischen Verkehrskreise schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 13. Juni 2014, nicht zur unmittelbaren Beschreibung der geographischen Herkunft der beanspruchten Produkte geeignet gewesen.
38
aa) Von den beanspruchten Waren “
Münzen“ der Klasse 14 und “
Trinkgläser; Weingläser“ der Klasse 21 werden breite Verkehrskreise, nämlich sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch Münzhändler und Numismatiker sowie der Glaswarenfachhandel und der Gastronomiefachverkehr angesprochen.
39
bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus Bildelementen sowie den Wortbestandteilen „Sw“ und „Sophienwald“ zusammen, wobei im oberen Bereich neben dem letzten Buchstaben des Wortelements „Sophienwald“ das Symbol ® angebracht ist.
40
aaa) Das Markenwort „Sophienwald“ ist im Duden nicht nachweisbar.
41
(1) Im Inland ist „Sophienwald“ nur der Name einer Straße in der nordrhein-westfälischen Stadt „Erftstadt“, an der das „Gut Sophienwald“ liegt. Dort hat die RETERRA Service GmbH ihren Sitz, die aus organischen Abfällen biologische Produkte wie Komposte erzeugt (https://www.reterra.de/startseite/).
42
(2) Im Ausland handelt es sich bei „Sophienwald“ (ehemals: „Sofienwald“) um den nur bis 1945 offiziell verwendeten deutschen Ortsnamen von Žofina Huť (deutsch: „Sophies Hütte“), einem Ortsteil des tschechischen Dorfs Nová Ves nad Lužnicí (Erdweis). Der Ortsteil Žofina Huť mit einer Fläche von 15,7 km
2 befindet sich im niederösterreichisch-böhmischen Grenzgebiet, 10,4 km vom österreichischen Ort Gmünd entfernt, und gehört zum Bezirk Jindřichův Hradec. Die Gemeinde Nová Ves nad Lužnicí besteht aus den Ortsteilen Nová Ves nad Lužnicí (Erdweis) und Žofina Huť. Zu Nová Ves nad Lužnicí gehören außerdem die Ansiedlungen Achát, Krabonoš, Lesní Chalupy und Záblatí sowie die Wüstung Rybné. Vor 1790 wurde von der fürstenbergischen Herrschaft Weitra im Forchenwald bei Erdweis in der Gegend des heutigen Ortsteils „Žofina Hut“ eine Glasfabrik bzw. Glashütte errichtet. Diese wurde nach Sophie, der Landgräfin von Fürstenberg, „Sophienwald“ benannt sowie von Carl Stölzle im Jahr 1867 zunächst gepachtet und später erworben, aber infolge der Vertreibung der deutschen Bewohner nur bis 1945 betrieben. Seit 1905 ist im östlichen Ortsteil Nová Ves nad Lužnicí (Erdweis) der gleichnamigen Gemeinde eine Glasfabrik angesiedelt, die heute unter Skloform a.s. firmiert. Das Dorf Nová Ves nad Lužnicí wurde 1920 durch den Vertrag von Saint-Germain der Tschechoslowakei zugesprochen, von 1935 bis 1945 nach dem Münchener Abkommen dem deutschen Landkreis Gmünd zugewiesen, kam nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder zur Tschechoslowakei zurück und wurde nach der Vertreibung der deutschen Bewohner stark entsiedelt. Der seit 1993 zu Tschechien gehörende Ortsteil „Žofina Hut“ verfügt seit 1945 über keine nennenswerte Infrastruktur und keine Bahnstation, sondern ist lediglich über eine Landstraße zu erreichen. Im Jahr 2011 hatte er 56 Einwohner in 21 Häusern (vgl. http://www.skloform.cz/de/c-15-geschichte.html; Urteil des OLG Wien vom 11. Juli 2019, 133 R 20/19t, Ziffer 4.1; https://de.wikipedia.org/wiki/Nová_Ves_nad_Lužnicí; deutsche Übersetzung der Seite: https://cs.wikipedia.org/wiki/Žofina Huť, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024; http://ehemalige-ostgebiete.de/de/place/192946-sophienwald, Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024; 1957, Ernst Bernleithner, Alte Glashütten im niederösterreichisch-böhmischen Grenzgebiet, Jahrbuch für Landeskunde in Niederösterreich, Wien 1957, S. 134 ff, 146 u. 148, Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024; Das Waldviertel, Folge 10/11/12, 1966, Fußnote 37, Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024).
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bbb) Weder dem inländischen Durchschnittsverbraucher noch dem inländischen Fachverkehr ist „Sophienwald“ zum Anmeldezeitpunkt, dem 13. Juni 2014, bekannt gewesen.
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(1) Weder die Straße „Sophienwald“ in Erftstadt noch das an ihr gelegene „Gut Sophienwald“ bzw. der Sitz der RETERRA Service GmbH verfügen über überregionale Bekanntheit in Deutschland. Außerdem wird die Erzeugung biologischer Produkte aus organischen Abfällen nicht mit der Herstellung und/oder dem Vertrieb von Münzen oder Trink- und Weingläsern in Verbindung gebracht.
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(2) Der bis 1945 „Sophienwald“ genannte Ortsteil Žofina Huť eines Dorfes im heutigen Tschechien mit einer Fläche von 15,7 km
2 und 56 Einwohnern in 21 Häusern im Jahr 2011 und schlechter Verkehrsanbindung ist zu klein und in jeder Hinsicht auch wirtschaftlich zu unbedeutend, als dass die angesprochenen Verkehrskreise ihn am 13. Juni 2014 als geographischen Herkunftsort der registrierten Waren wahrgenommen hätten.
46
(2.1) Der inländische Durchschnittsverbraucher hat schon am Anmeldetag der Streitmarke den bis 1945 gebräuchlichen deutschen Namen dieses kleinen Ortsteils eines nunmehr tschechischen Dorfes als Sitz einer bis 1945 bestehenden Glashütte nicht gekannt. Dies gilt angesichts der geringen Größe, Einwohnerzahl und wirtschaftlichen Bedeutung erst recht für den in Tschechien gelegenen Ortsteil „Žofina Huť“ selbst, der ca. 100 km Wegstrecke von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt liegt (vgl. Berechnung der Strecke mit OpenStreetMap, Anlage 5 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024). Die deutsche Übersetzung des seit 1945 aktuellen tschechischen Namens findet sich nicht – auch nicht zum Anmeldezeitpunkt – in einer umfangreichen Liste deutscher Bezeichnungen tschechischer – auch kleiner – Orte auf Wikipedia (vgl. Liste deutscher Bezeichnungen tschechischer Orte, 8. April 2014, https://web.archive.org/web/20140408040612/http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutscher_Bezeichnungen_tschechischer_Orte, Anlage 6 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024). Auch anderweitige, beispielsweise historische, wirtschaftliche, politische, verkehrstechnische oder touristische Bezüge, die dazu führen könnten, dass dieser Ortsteil als geographische Herkunftsangabe erkannt wird, sind nicht vorhanden.
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(2.2) Vorstehendes gilt auch für den angesprochenen inländischen Fachverkehr, dem am 13. Juni 2014 zwar die böhmische Glastradition geläufig gewesen sein dürfte, dem aber eine Kenntnis der von 1790 bis 1945 bestehenden Glashütte „Sophienwald“ nicht unterstellt werden kann.
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Denn schon vor ihrer Stilllegung war „Sophienwald“ nur eine von ca. 230 Glashütten im Böhmerwald (vgl. „Historische Glashütten im Bayerischen Wald und im Böhmerwald: 800 Jahre Glashüttengeschichte“, Ausgabe 2018, Anlage 7 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024). Sie ist zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht einmal in einer recherchierten Zusammenstellung von Glashütten in Böhmen zu finden (Liste der Glashütten in Böhmen (Böhmerwald), 11.6.2014, https://forum.ahnenforschung.net/showthread.php?t=104032, Anlage 8 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024). Auch in den beiden vom Oberlandesgericht Wien zitierten historischen Büchern mit jeweils über 200 Seiten (Urteil vom 11. Juli 2019, – 133 R 20/19t, Ziffer 4.1), dem österreichischen „Handbuch der Allgemeinen Staatskunde des Kaiserthums Oesterreich“ von 1842 sowie „Allgemeine Erdkunde oder Beschreibung aller Länder der fünf Welttheile“ von 1830, wird die Glasfabrik „Sophienwald“ nur jeweils ein einziges Mal im Rahmen einer Aufzählung mehrerer Glashütten erwähnt, ohne weiter auf sie einzugehen. Im deutschen Buch „Allgemeine Erdkunde oder Beschreibung aller Länder der fünf Welttheile“ von 1830 wird im Anschluss an diese Aufzählung nur die Fabrik zu Schwarzau als die vorzüglichste herausgestellt und kurz auf die größte Spiegelfabrik von ganz Mitteleuropa im Dorf Neuhaus eingegangen. Auch im Aufsatz von Ernst Bernleithner „Alte Glashütten im niederösterreichisch-böhmischen Grenzgebiet“ im Jahrbuch für Landeskunde in Niederösterreich (Wien 1957, S. 134 ff, 146 u. 148, Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024), wird im Zusammenhang mit zahlreichen anderen Glashütten nur erwähnt, dass vor 1790 von der fürstenbergischen Herrschaft Weitra im Forchenwald bei Erdweis die Glasfabrik Sophienwald errichtet wurde, die von Carl Stölzle im Jahr 1867 zunächst gepachtet und später erworben wurde und nur bis 1945 bestand. Nur aus einer Fußnote in der österreichischen Zeitschrift „Das Waldviertel, Folge 10/11/12“ von 1966 (Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024) erfährt man, dass eine Glashütte nach der Landgräfin von Fürstenberg „Sophienwald“ genannt wurde. Auch in dem in der deutschen Zeitschrift „Pressglas-Korrespondenz“ im März 2012 veröffentlichten Auszug aus dem 2006 erschienenen Buch von Herbert Knittler mit dem Titel „Wirtschaftsgeschichte des Waldviertels“ (Anlage 9 zum gerichtlichen Hinweis vom 6. März 2024) wird Sophienwald nur in einer Tabelle unter zahlreichen weiteren Glashütten aufgeführt, aber nicht näher erläutert.
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Abgesehen davon, dass Sophienwald nur vereinzelt in Aufzählungen, in einer kurzen Erwähnung oder in einer Fußnote in teilweise sehr alten oder 50 bis 60 Jahre alten sowie überwiegend österreichischen Fundstellen auftaucht, handelt es sich nicht um Fachliteratur für (inländische) Glasfachleute, sondern um überwiegend österreichische Staats-, Erd-, Landes- oder Geschichtskunde. Bei der einzigen jüngeren Fundstelle in der deutschen Fachzeitschrift „Pressglas-Korrespondenz“ von 2012 wird Sophienwald nur ein einziges Mal in einer Tabelle genannt.
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Aufgrund dieser Faktenlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der inländische Fachverkehr zum Anmeldezeitpunkt die historische Glashütte Sophienwald gekannt hat. Denn auch bei den inländischen Fachkreisen kommt es nicht auf das Verständnis einzelner konkreter Personen an, die sich aus historischen, aber fachlich nicht notwendigen Gründen mit der Glaserzeugung und den zahlreichen Glashütten im niederösterreichisch-böhmischen Grenzgebiet befassen und diesem Kreis zuzurechnen sind, sondern, da der Fachverkehr genauso wie der Durchschnittsverbraucher eine normative Kunstfigur darstellt (BPatG 26 W (pat) 12/18 – STONE BREWING), auf den Durchschnittsadressaten, der höchstens über Grundkenntnisse der böhmischen Glastradition verfügt. Dabei hat die tatrichterliche Feststellung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Wege einer juristischen Bewertung der auffindbaren Nachweise zu erfolgen (BPatG 25 W (pat) 10/16 – Sallaki; 26 W (pat) 12/18 – STONE BREWING). Dem durchschnittlichen Fachverkehrsteilnehmer der hier angesprochenen Glaswarenfachkreise und des Gastronomiefachverkehrs ist jedenfalls die nur vereinzelt in überwiegend alten, historischen, österreichischen Schriften erwähnte Glashütte Sophienwald nicht bekannt. Im Übrigen wissen die Fachleute, die sich vor dem Anmeldetag tatsächlich intensiv mit der Geschichte der Glaserzeugung im Gebiet um das heutige „Žofina Huť“ beschäftigt haben, auch von dem Ende der dortigen Glashüttentradition und der Bedeutungslosigkeit des Ortes.
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Dies gilt umso mehr für die in Klasse 14 eingetragenen Waren „Münzen“, hinsichtlich derer ein Bezug zum ehemaligen Ort „Sophienwald“ weder vorgetragen noch ersichtlich ist.
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ccc) Im tschechischen Ortsteil „Žofina Huť“ existiert kein Münz- oder Glasherstellungsgewerbe und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich dort künftig Betriebe zur Produktion von Münzen oder Trink- und Weingläsern ansiedeln werden.
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Für deren Herstellung fehlt dem Ortsteil „Žofina Huť“ die erforderliche Infrastruktur. Anders als im Nachbarortsteil Nová Ves nad Lužnicí, in dem sich seit 1905 die Glasfabrik Skloform a.s. befindet (http://www.skloform.cz/de/c-15-geschichte.htmlhttp://www.skloform.cz/de/c-15-geschichte.html) und der über einen Bahnanschluss mit eigener Bahnstation http://www.skloform.cz/de/c-15-geschichte.html) und der über einen Bahnanschluss mit eigener Bahnstation verfügt und an der internationalen Strecke von Prag nach Gmünd liegt (OLG Wien Urteil vom 11. Juli 2019, – 133 R 20/19t, Ziffer 4.1), fehlt es in „Žofina Huť“ an einer vergleichbaren Verkehrsanbindung, weil es nur über eine Landstraße zu erreichen ist. Angesichts der geringen Einwohnerzahl mangelt es auch an potentiellen Arbeitskräften. Ferner steht auch der bei der Glasproduktion verwendbare Rohstoff Holz (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Glasindustrie/; https://de.wikipedia.org/wiki/Waldglas) nicht zur Verfügung, weil es sich bei dem ca. 35 km entfernten Waldgebiet Žofínský prales („Sophien-Urwald“) um ein 1838 gegründetes, unzugängliches Naturreservat handelt, das seit 1991 zum Schutz vor Rehwild umfriedet ist (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Žofínský prales; OLG Wien, Urteil vom 11. Juli 2019, – 133 R 20/19t, Ziffer 4.1). Insgesamt handelt es sich bei „Žofina Huť“ daher um einen nicht entwicklungsfähigen Ortsteil, bei dem nicht damit zu rechnen ist, dass dort eine Glas- oder Münzproduktion begonnen wird.
54
cc) Daher ist auch in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich, dass „Sophienwald“ im Verständnis des inländischen Verkehrs die Bedeutung einer geographischen Herkunftsangabe für die hier beanspruchten Waren gewinnen wird. Ein aktuelles oder zukünftiges Freihaltebedürfnis besteht daher an diesem Wortbestandteil nicht. Das gilt auch für den Wortbestandteil „Sw“, der nur als Abkürzung des Fantasiebegriffs „Sophienwald“ wahrgenommen wird, und erst recht für die Bildelemente.
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c) Die von der Nichtigkeitsantragstellerin vorgelegten Entscheidungen der österreichischen Gerichte (OLG Wien, Urteil vom 11. Juli 2019, – 133 R 20/19t; bestätigt vom OGH, Beschl. v. 26. November 2019, – 4 Ob 152/19k) sowie der Löschungsabteilung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 15. November 2021 (Nr. C 46 388), der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 25. Juli 2022 (R 2113/2021-1) und des EuG vom 3. Juli 2024 (T-597/22) rechtfertigen keine andere Beurteilung.
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Sie sind schon deshalb nicht vergleichbar, weil sie alle ausschließlich das Verständnis der österreichischen Fachkreise zugrunde legen. Eine Beurteilung für das deutsche Publikum ist auch vom EUIPO und vom EuG explizit nicht vorgenommen worden (S. 18/19 der Entscheidung vom 15. November 2021; Rdnr. 46 und 54 der Entscheidung vom 25. Juli 2022 und Rdnr. 56, 58 – 60 und 76 der Entscheidung vom 3. Juli 2024).
57
Im Übrigen sind die im Ausland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder vom EUIPO aufgrund der Unionsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse für Verfahren in anderen Mitgliedstaaten unverbindlich (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. – Koninklijke KPN Nederland NV/Benelux-Merkenbureau [Postkantoor]). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 30 – HOT; GRUR 2009, 778 Rdnr. 18 – Willkommen im Leben). Das Recht der Unionsmarke ist ein autonomes System, das vom nationalen Recht unabhängig ist (EuGH GRUR 2018, 1146 Rdnr. 72 – Neuschwanstein).
III.
58
Der Antrag der Markeninhaberin, der Nichtigkeitsantragstellerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen, ist unbegründet.
59
1. Obwohl die Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten nicht näher spezifiziert hat, ist dieser nicht weiter begründete Kostenantrag im Hinblick darauf, dass sie die Kostenentscheidung des DPMA im Beschluss vom 8. Juli 2021 nicht ausdrücklich angegriffen hat, dahingehend auszulegen, dass damit die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemeint sind.
60
2. Nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BPatG 27 W (pat) 40/12 – mcpeople/McDonald′s; BPatGE 12, 238, 240 – Valsette/Garsette). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH a. a. O. – Lewapur; a. a. O. – Schutzverkleidung). Besondere, die Kostentragung auslösende Umstände liegen im Nichtigkeitsverfahren beispielsweise vor, wenn der Nichtigkeitsantrag auf Gründe gestützt wird, für die es weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur auch nur ansatzweise Gründe gibt (BPatG 25 W (pat) 29/20 – Щедро; WRP 2020, 894 Rdnr. 74 – Farbmarke Orange; 26 W (pat) 27/14 – Brogsitter Der Botschafter guten Weines Bro-Secco; MarkenR 2006, 172, 175 – Pinocchio).
61
2. Ein Verstoß der Nichtigkeitsantragstellerin gegen ihre prozessuale Sorgfaltspflicht ist vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich. Angesichts der österreichi-schen Entscheidungen sowie derjenigen des EUIPO und des EuG, die übereinstimmend eine Schutzunfähigkeit sowohl der entsprechenden österreichischen als auch der entsprechenden Unionsmarke aus Sicht der ebenfalls Deutsch sprechenden österreichischen Fachkreise angenommen haben, kann der Beschwerdeführerin nicht vorgeworfen werden, den Nichtigkeitsantrag völlig grundlos auch gegen die deutsche Marke gerichtet zu haben.