BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 26.11.2024, AZ VIa ZR 527/21, ECLI:DE:BGH:2024:261124UVIAZR527.21.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG Stuttgart, 19. Oktober 2021, Az: 16a U 243/19
vorgehend LG Stuttgart, 25. September 2019, Az: 20 O 69/19
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 16a. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2021 – mit Ausnahme der Zurückweisung der Berufung wegen der im Rahmen des Berufungsantrags zu 1 auch beantragten Deliktszinsen in Höhe von 3.442,36 € und weiterer Deliktszinsen in Höhe von 4 % aus 29.200 € seit dem 1. Februar 2019 – aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
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Er erwarb am 19. Februar 2016 einen von der Beklagten hergestellten Gebrauchtwagen des Typs Mercedes-Benz E 200 CDI mit einem Dieselmotor OM 651 der Schadstoffklasse Euro 5. Das Landgericht hat die auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zahlung von Deliktszinsen und weiteren Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, bei der er den Betrag des hauptsächlich begehrten Schadensersatzes geringfügig reduziert, insofern Feststellung der Erledigung begehrt und im Übrigen seine Anträge weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge mit der Maßgabe weiter, dass Deliktszinsen nicht mehr verlangt werden.
Entscheidungsgründe
3
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung könne unterstellt werden. Es fehle aber an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu, weil die zuletzt genannten Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB seien.
II.
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Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
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1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
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2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
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Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
10
Die Berufungsentscheidung ist
daher im Umfang des Revisionsangriffs aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich
insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, einen Differenzschaden darzulegen.
C. Fischer Möhring Götz
Rensen Vogt-Beheim