BVerwG 3. Senat, Beschluss vom 13.11.2024, AZ 3 AV 6/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:131124B3AV6.24.0
§ 53 Abs 1 Nr 5 VwGO, § 53 Abs 3 S 1 VwGO, § 17a Abs 2 S 3 GVG
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 29. August 2024, Az: 5 F 24/24
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Sozialgericht Düsseldorf bestimmt.
Gründe
I
1
Die Beteiligten streiten über Vergütungen, die dem Kläger als beauftragtem Erbringer von Leistungen nach der Coronavirus-Testverordnung vom 21. September 2021 (BAnz AT 30.03.2022 V 1) gewährt wurden beziehungsweise von ihm noch begehrt werden. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 8. März 2024 den Rechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 11. Juni 2024 den Sozialrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt, weil es den Beschluss des Verwaltungsgerichts für offensichtlich unhaltbar und objektiv willkürlich hält. Das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
II
2
Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Sozialgericht und dem Verwaltungsgericht Düsseldorf als zuerst angegangenes, übergeordnetes oberstes Bundesgericht berufen (§ 53 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung; stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2023 – 10 AV 5.23 – juris Rn. 3 und vom 21. Juni 2023 – 5 AV 4.23 – juris Rn. 5).
3
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Rechtsweges bindend. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme hiervon liegen nicht vor.
4
Die Bindungswirkung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG kann mit Rücksicht auf die den Beteiligten gegebene Möglichkeit, einen Verweisungsbeschluss in dem in § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, gegenüber einem unanfechtbar gewordenen Verweisungsbeschluss allenfalls bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Dezember 2021 – 3 AV 1.21 – NVwZ 2022, 421 Rn. 11 und vom 21. Juni 2023 – 5 AV 4.23 – juris Rn. 7). Das ist hier nicht der Fall.
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Richtig ist allerdings, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von seiner Unzuständigkeit ausgegangen ist. Der Senat hat entschieden, dass für die Klage eines vom öffentlichen Gesundheitsdienst beauftragten Betreibers einer Coronavirus-Teststelle gegen die Rückforderung von Vergütungen nicht der Sozialrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2024 – 3 B 12.23 – NVwZ 2024, 933). Er hat sich damit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeschlossen, das für derartige Abrechnungsstreitigkeiten bereits zuvor den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten als eröffnet angesehen hatte (BSG, Beschluss vom 19. Juni 2023 – B 6 SF 1/23 R – GesR 2023, 601). Damit ist die Frage des Rechtsweges durch die zur Klärung der Frage berufenen obersten Gerichtshöfe des Bundes übereinstimmend beantwortet.
6
Der Umstand, dass sich der vor der Entscheidung des Senats am 8. März 2024 gefasste Verweisungsbeschluss damit als fehlerhaft erweist, lässt seine bindende Wirkung jedoch nicht entfallen. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung unter Heranziehung damaliger Rechtsprechung nachvollziehbar und vertretbar begründet. Der Umstand, dass es der Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht gefolgt ist und eine weitere Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht abgewartet hat, führt nicht dazu, dass es sich in nicht mehr zu rechtfertigender Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hätte, seine Entscheidung mithin nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar gewesen wäre.