Urteil des BGH 4. Zivilsenat vom 02.10.2024, AZ IV ZR 37/23

BGH 4. Zivilsenat, Urteil vom 02.10.2024, AZ IV ZR 37/23, ECLI:DE:BGH:2024:021024UIVZR37.23.0

Verfahrensgang

vorgehend OLG Hamm, 20. Januar 2023, Az: I-20 U 387/21, Urteil
vorgehend LG Münster, 25. November 2021, Az: 115 O 130/17, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Januar 2023, berichtigt durch Beschluss vom 15. Februar 2023, insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 294.407,80 € für den 27. Dezember 2016 zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 25. November 2021 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 294.407,80 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

    Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Zusatzversorgungskasse und begehrt von dieser die Rückzahlung des für das Jahr 2012 gezahlten Sanierungsgeldes nebst Zinsen.

2

    Die Beklagte, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, gewährt als Trägerin der Zusatzversorgung den Arbeitnehmern der ihr angehörenden Arbeitgeber die im Tarifrecht und in ihrer Satzung geregelten Alters-, Hinterbliebenen- und Erwerbsminderungsversorgungen. Das Beteiligungsverhältnis ist nach § 13 Abs. 1 Satz 4 und 5 ihrer am 19. Oktober 2011 geltenden, die Zusatzversorgung betreffenden Satzung (im Folgenden: Satzung) ein privatrechtliches Versicherungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Beklagten, dessen Inhalt durch die Vorschriften der Satzung bestimmt wird.

3

    Im Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge-TV-Kommunal – vom 1. März 2002 (im Folgenden: ATV-K) vereinbarten die Tarifparteien die rückwirkende Umstellung des Zusatzversorgungssystems von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem mit Ablauf des 31. Dezember 2000.

4

    Der ATV-K bestimmt unter anderem:

„§ 15 Finanzierungsgrundsätze und zusatzversorgungspflichtiges Entgelt

(1)    
1Die Finanzierung der Pflichtversicherung wird von den Zusatzversorgungseinrichtungen eigenständig geregelt. …

§ 17 Sanierungsgelder

(1) 
1Zur Deckung des infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels vom Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell zusätzlichen Finanzbedarfs, der über die am 1. November 2001 jeweils geltende Umlage hinausgeht, erhebt die Zusatzversorgungseinrichtung vom Arbeitgeber Sanierungsgelder.
2Diese Sanierungsgelder sind kein steuerpflichtiger Arbeitslohn.

(2) Sanierungsgelder kommen nicht in Betracht, wenn der am1. November 2001 jeweils gültige Umlagesatz weniger als vier v.H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts betragen hat.“

    Der Tarifvertrag Altersvorsorgeplan 2001 (im Folgenden: AVP 2001), der als Anlage 5 im ATV-K enthalten ist, bestimmt auszugsweise:

„4. Finanzierung

4.1 Jede Kasse regelt ihre Finanzierung selbst.

Zusätzlicher Finanzbedarf über die tatsächliche Umlage des Jahres 2001 hinaus (Stichtag 1.11.2001) – mindestens jedoch ab Umlagesatz von 4 v.H. – wird durch steuerfreie, pauschale Sanierungsgelder gedeckt. …“

5

    In § 55 der Satzung der Beklagten ist zur Finanzierung geregelt, dass verschiedene Abrechnungsverbände geführt werden, für die jeweils eine eigene versicherungstechnische Bilanz erstellt wird. Die Klägerin gehört dem Abrechnungsverband I an. Die Kassenmittel werden nach § 53 Abs. 2 Buchst. a der Satzung in der Pflichtversicherung unter anderem durch Umlagen und Sanierungsgelder aufgebracht. Die Umlage beträgt nach § 62 Abs. 1 Halbsatz 1 der Satzung 4,5 v.H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. Der Kassenausschuss beschließt nach § 5 Abs. 1 der Satzung über grundsätzliche Angelegenheiten, wozu insbesondere die Höhe des Sanierungsgeldes (§ 5 Abs. 1 Satz 1, 2 Buchst. d) gehört.

6

    Weiter heißt es in der Satzung unter anderem:

„§ 59 Deckung von Fehlbeträgen

(1) Zur Deckung von Fehlbeträgen in der Pflichtversicherung (Abrechnungsverband I) kann die Kasse das Sanierungsgeld (§ 63) und/oder den Zusatzbeitrag (§ 64) erhöhen.

(4) Die Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 werden auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars vom Kassenausschuss beschlossen.

§ 60 Ermittlung und Deckung des Finanzbedarfs im Abrechnungsverband I

1Der Finanzbedarf für die Kassenleistungen aus der Pflichtversicherung wird für den Deckungsabschnitt und ein weiteres Jahr festgestellt.
2Zur Deckung dieses Finanzbedarfs sind die Umlagen und Sanierungsgelder für den Deckungsabschnitt nach versicherungsmathematischen Grundsätzen so festzusetzen, dass die für den Deckungsabschnitt zu entrichtenden Umlagen zusammen mit den sonstigen zu erwartenden Einnahmen aus der Pflichtversicherung und dem zu Beginn des Deckungsabschnitts insoweit vorhandenen Teilvermögen – jedoch ohne das Vermögen nach § 56 Abs. 2 Satz 2 – voraussichtlich ausreichen, um die Ausgaben für den Deckungsabschnitt und ein weiteres Jahr zu bestreiten.
3Der Deckungsabschnitt soll so bemessen werden, dass die voraussichtlichen Verpflichtungen der Kasse aus den Anwartschaften und Leistungen aus der Pflichtversicherung dauerhaft erfüllt werden können; er darf jedoch zehn Jahre nicht unterschreiten.
4Nach spätestens drei Jahren ist der Bedarf an Umlage und Sanierungsgeld für einen neuen Deckungsabschnitt nach Satz 1 festzusetzen (gleitender Deckungsabschnitt).

§ 63 Sanierungsgeld

(1) Infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels zum Punktemodell erhebt die Kasse zur Finanzierung der Ansprüche und Anwartschaften, die vor dem 01. Januar 2002 begründet worden sind, ein pauschales Sanierungsgeld zur Deckung eines zusätzlichen Finanzbedarfs, der über den von der Umlage nach § 62 Abs. 1 abgedeckten Teil hinausgeht.

(2)
1Sanierungsgeld kann erhoben werden, solange das Kassenvermögen am Ende des Deckungsabschnittes ohne Berücksichtigung des Sanierungsgeldes den versicherungsmathematischen Barwert der zu diesem Zeitpunkt bestehenden und vor dem 1.1.2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche voraussichtlich unterschreitet.
2Bei der Ermittlung des Barwertes sind ein Rechnungszins von 3,25 v.H. während der Anwartschaftsphase und 5,25 v.H. während des Rentenbezugs sowie eine Anpassung der Renten ab Rentenbeginn von 1 v.H. jährlich zu berücksichtigen.“

7

    Die Beklagte legt der Ermittlung ihres Finanzbedarfs alle drei Jahre neu beginnende, sogenannte gleitende 100-jährige Deckungsabschnitte zugrunde.

8

    Die Klägerin zahlte im Jahr 2012 ein Sanierungsgeld für dasselbe Jahr in Höhe von insgesamt 294.407,80 € an die Beklagte, das sie nebst Zinsen mit ihrer Klage zurückverlangt. Der Kassenausschuss der Beklagten hatte am 19. Oktober 2011 einen Finanzbedarf von 7,5 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts festgestellt und einen Sanierungsgeldsatz von 3 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts festgelegt. Eine Abrechnung über die für die Klägerin gebuchten Zahlungen einschließlich der Höhe des für das Jahr 2012 gezahlten Sanierungsgeldes erteilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 26. April 2013.

9

    Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben. Zinsen auf die Hauptforderung hat es der Klägerin nur teilweise, ab dem 27. Dezember 2016, zugesprochen. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

    Die Revision hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

11

    I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des für das Jahr 2012 gezahlten Sanierungsgeldes gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Der Beschluss des Kassenausschusses der Beklagten vom 19. Oktober 2011 stelle keinen Rechtsgrund für die Leistung dar. Die Beklagte habe das ihr gemäß § 315 BGB durch § 63 Abs. 1 ihrer Satzung eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt. Zwar sei § 63 der Satzung wirksam, die Festsetzung des Sanierungsgeldes erfülle aber nicht die von § 63 Abs. 2 der Satzung vorgeschriebenen Voraussetzungen. Am Ende des maßgeblichen Deckungsabschnittes (1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2111) könnten keine nach dem alten Gesamtversorgungssystem begründeten Anrechte mehr bestehen. Unstreitig überschreite der Barwert der Altverbindlichkeiten am Ende des Deckungsabschnittes das Kassenvermögen nicht. § 63 Abs. 2 der Satzung sei, anders als die Beklagte meine, auch nicht entgegen seinem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass eine ausreichend hohe alte Last nur im Jahr der Erhebung des Sanierungsgeldes erforderlich und das Ende des Deckungsabschnittes nur der späteste Zeitpunkt sei, in dem noch eine alte Last vorhanden sein müsse. Im Ergebnis sei die einseitige Leistungsbestimmung durch die Beklagte unbillig und damit unwirksam. Eine gerichtliche Leistungsbestimmung scheide aus. Der Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt. Sie habe erst im Jahr 2013 durch das Abrechnungsschreiben der Beklagten die erforderliche Kenntnis von den ihren Anspruch begründenden Umständen erhalten; bei Zustellung des Mahnbescheids am27. Dezember 2016 sei die Verjährungsfrist daher noch nicht abgelaufen gewesen. Zinsen könne die Klägerin ab Rechtshängigkeit verlangen.

12

    II. Das hält rechtlicher Nachprüfung – bis auf einen geringen Teil der zuerkannten Zinsen – stand.

13

    1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung des von ihr für das Jahr 2012 gezahlten Sanierungsgeldes aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte zu. Der Beschluss des Kassenausschusses der Beklagten vom 19. Oktober 2011 stellt keinen Rechtsgrund für die Leistung dar. Die dort getroffene Bestimmung ist für die Klägerin nicht verbindlich, da sie nicht der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

14

    a) Zu Recht hat das Berufungsgericht § 63 der Satzung für wirksam gehalten. Er übernimmt zwar von den Tarifvertragsparteien getroffene tarifrechtliche Grundentscheidungen (§ 17 ATV­K und Ziffer 4.1 AVP 2001), die daher von der Beklagten nicht aufgrund ihrer originären Satzungsgewalt außer Acht gelassen werden können. Soweit sie danach einer Überprüfung anhand des deutschen Verfassungsrechts und des europäischen Unionsrechts unterliegen, verstoßen sie hiergegen nicht. Einer darüber hinausgehenden inhaltlichen Kontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB ist § 63 der Satzung mit Blick auf den Schutz der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG entzogen (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 – IV ZR 76/09, BGHZ 190, 314 Rn. 50 ff.; vgl. auch Senatsurteile vom 11. Januar 2023 – IV ZR 85/20, VersR 2023, 545 Rn. 33; vom 9. Dezember 2015 – IV ZR 336/14, BetrAV 2016, 61 Rn. 17; vom 5. Dezember 2012 – IV ZR 110/10, VersR 2013, 219 Rn. 19; IV ZR 111/10, juris Rn. 19). Keine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien besteht aber zur konkreten Höhe des Sanierungsgeldes, weil der ATV-K und der AVP 2001 insoweit keine Regelungen für die Beklagte treffen (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2012 aaO).

15

    b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht in dem Beschluss des Kassenausschusses über die Festsetzung des Sanierungsgeldes eine einseitige Leistungsbestimmung der Beklagten nach § 315 Abs. 1 BGB gesehen, diese zutreffend auf die Einhaltung billigen Ermessens hin überprüft und für unwirksam erachtet.

16

    aa) § 315 Abs. 1 BGB setzt eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraus, wonach eine Partei durch einseitige Willenserklärung den Inhalt einer Vertragsleistung bestimmen kann. Ein faktisches Bestimmungsrecht reicht nicht aus. Eine vertragliche Bestimmung der Leistung geht vor und schließt die Anwendung des § 315 BGB aus, etwa wenn die Vertragspartner objektive Maßstäbe vereinbaren, die es ermöglichen, die vertraglichen Leistungspflichten zu bestimmen. So liegt bei einer Preisanpassungsklausel nur dann ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor, wenn dem Leistungserbringer bei der Preisgestaltung ein Ermessensspielraum zusteht; dies ist nicht der Fall, wenn vertraglich die Berechnungsfaktoren im Einzelnen bestimmt sind (Senatsurteile vom 5. Dezember 2012 – IV ZR 110/11, VersR 2013, 219 Rn. 21; IV ZR 111/10, juris Rn. 21; jeweils m.w.N.).

17

    Nach diesen Grundsätzen ist von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 1 BGB auszugehen. § 63 der Satzung überlässt die Festlegung der Höhe des Sanierungsgeldes allein der Beklagten. Die Satzung selbst gibt zwar den Rahmen vor, indem deren § 59 Abs. 1 als Voraussetzung für die Erhebung einen Fehlbetrag im Abrechnungsverband I festlegt und § 63 Abs. 1 sowie § 60 Einzelheiten zur Berechnung enthalten. Die Kernentscheidung der Bestimmung der Höhe des Sanierungsgeldes bleibt indes ausdrücklich kraft satzungsmäßiger Zuweisung gemäß § 59 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d dem Kassenausschuss der Beklagten vorbehalten, womit allein ihm die Leistungsbestimmung obliegt. Diese hat er gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2012 – IV ZR 110/11, VersR 2013, 219 Rn. 22; IV ZR 111/10, juris Rn. 22).

18

    bb) Das Berufungsgericht hat mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung eine Überschreitung des billigen Ermessens angenommen.

19

    (1) Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 BGB können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat (Senatsurteil vom 11. Januar 2023 – IV ZR 85/20, VersR 2023, 545 Rn. 39 m.w.N.).

20

    Das Berufungsgericht hat den Begriff des billigen Ermessens nicht verkannt. Die Billigkeit im Sinne des § 315 BGB bezeichnet die Grenzen des Ermessens, die eingehalten werden müssen, damit die getroffene Entscheidung für den Empfänger der Bestimmungserklärung verbindlich ist. Es sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (Senatsurteil vom 11. Januar 2023 – IV ZR 85/20, VersR 2023, 545 Rn. 39 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht geprüft, ob sich der Kassenausschuss bei der Festsetzung des Sanierungsgeldes für das Jahr 2012 in den nach § 13 Abs. 1 Satz 4 und 5 der Satzung der Beklagten für das Versicherungsverhältnis der Parteien maßgeblichen Grenzen dieser Satzung hielt.

21

    (2) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht den Beschluss des Kassenausschusses der Beklagten vom 19. Oktober 2011 als ermessensfehlerhaft betrachtet hat, weil er gegen § 63 Abs. 2 Satz 1 der Satzung verstößt.

22

    Nach dieser Satzungsvorschrift kann Sanierungsgeld erhoben werden, solange das Kassenvermögen am Ende des Deckungsabschnittes ohne Berücksichtigung des Sanierungsgeldes den versicherungsmathematischen Barwert der zu diesem Zeitpunkt bestehenden und vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche voraussichtlich unterschreitet. Es kommt dabei, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, darauf an, dass die voraussichtlichen Verbindlichkeiten genau am Ende des zugrunde gelegten Deckungsabschnittes das Kassenvermögen überschreiten. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift, die als formularmäßig gestalteten Vertragsbedingungen entsprechende Bestimmung der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 5. Juli 2023 – IV ZR 118/22, VersR 2023, 1165 Rn. 14).

23

    (a) Im Verhältnis zu den beteiligten Arbeitgebern sind die Satzungsbestimmungen der Zusatzversorgungskassen als Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 – IV ZR 336/14, BetrAV 2016, 61 Rn. 30 m.w.N.; st. Rspr.). Damit kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen an der Beklagten beteiligten Arbeitgebers an, dem die Grundgegebenheiten der Zusatzversorgung der Beklagten bekannt sind (Senatsurteil vom 11. Januar 2023 – IV ZR 85/20, VersR 2023, 545 Rn. 19 m.w.N.). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteile vom 17. Januar 2024 – IV ZR 51/22, r+s 2024, 210 Rn. 17; vom 5. Juli 2023 – IV ZR 118/22, VersR 2023, 1165 Rn. 14; jeweils m.w.N.; st. Rspr.).

24

    (b) Ausgehend von den genannten Grundsätzen wird ein Versicherungsnehmer der Beklagten dem Wortlaut der Regelung in § 63 Abs. 2 Satz 1 der Satzung entnehmen, dass maßgebliche Bezugspunkte der Bedarfsermittlung für die Erhebung von Sanierungsgeld das Kassenvermögen „am Ende des Deckungsabschnittes“ sowie die „zu diesem Zeitpunkt“ bestehenden, aus der Zeit vor dem Systemwechsel herrührenden Ansprüche sind. Beide Kriterien beziehen sich eindeutig auf den konkreten Zeitpunkt des Endes des Deckungsabschnittes, nicht dagegen auf einen beliebigen Zeitpunkt vor dessen Ende oder einen Zeitraum. Die Auffassung der Beklagten, es komme nur darauf an, dass ausreichende aus der Zeit vor der Systemumstellung herrührende Verbindlichkeiten in dem Jahr vorhanden seien, in dem das Sanierungsgeld erhoben werde, und der Ablauf des Deckungsabschnittes nur den spätesten Zeitpunkt hierfür darstelle, findet im Wortlaut von § 63 Abs. 2 der Satzung keine Grundlage.

25

    (c) Der für den Versicherungsnehmer erkennbar mit der Satzung verfolgte Zweck sowie der Sinnzusammenhang der Satzungsvorschrift rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

26

    Aus § 60 Satz 1 und 2 der Satzung, der für die Ermittlung des Finanzbedarfs einen Zeitraum (den Deckungsabschnitt plus ein Jahr) als maßgeblich bestimmt, zieht der Versicherungsnehmer keinen abweichenden Schluss. Dass der Finanzbedarf für die gesamten Kassenleistungen zunächst nach § 60 Satz 1 und 2 der Satzung für einen Zeitraum zu ermitteln ist, hat nicht zwingend Auswirkungen für die in einem weiteren Schritt nach § 63 Abs. 2 der Satzung zu ermittelnde Zulässigkeit der Erhebung von Sanierungsgeld zur Folge. Auch die Anwendung sogenannter gleitender Deckungsabschnitte nach § 60 Satz 4 der Satzung, wonach spätestens alle drei Jahre ein neuer Deckungsabschnitt beginnt, ändert nach dem Verständnis des Versicherungsnehmers weder für einen vorangehenden noch einen nachfolgenden Abschnitt etwas daran, dass auf das Kassenvermögen und die Altverbindlichkeiten am Ende des jeweiligen Abschnittes abzustellen ist.

27

    Das nach der Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien in § 17 ATV­K und Ziffer 4.1 AVP 2001 vorgesehene Sanierungsgeld soll nach ihrem Verständnis die im Zuge der Schließung des Gesamtversorgungssystems entstandenen Finanzlücken schließen und die Finanzierung der vor dem 1. Januar 2002 begründeten Ansprüche und Anwartschaften absichern (Senatsurteil vom 11. Januar 2023 – IV ZR 85/20, VersR 2023, 545 Rn. 25). Dieses Ziel könnte zwar möglicherweise verfehlt werden, wenn kein Anwendungsbereich für die Erhebung von Sanierungsgeld verbliebe. Ob das im Ergebnis zu einer Auslegung der Satzungsvorschrift in einem vom Wortlaut abweichenden Sinne führen könnte, kann aber offenbleiben. Die Beklagte hat in § 63 Abs. 2 Satz 1 ebenso wenig wie in § 60 ihrer Satzung die Länge der Deckungsabschnitte – mit Ausnahme der Mindestdauer von 10 Jahren – festgelegt, weshalb dem Versicherungsnehmer nicht aus dem Regelwerk – und, wie die Beklagte selbst anführt, regelmäßig überhaupt nicht – erkennbar ist, welche – für einen sinnvollen Anwendungsbereich von § 63 Abs. 2 Satz 1 der Satzung unter Umständen übermäßig lange – Dauer die Beklagte ihrer Bedarfsberechnung zugrunde legt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob – wie die Beklagte im Revisionsverfahren unter Bezugnahme auf ein versicherungsmathematisches Gutachten geltend macht – 100-jährige, gleitende Deckungsabschnitte zur Ermittlung des Gesamtfinanzierungsbedarfs der Beklagten versicherungsmathematisch sinnvoll sind.

28

    Jedenfalls verbliebe § 63 Abs. 2 Satz 1 der Satzung ausweislich der Berechnungen des Verantwortlichen Aktuars im Gutachten vom 22. Juli 2011 zur Vorbereitung des Beschlusses des Kassenausschusses der Beklagten bei Zugrundelegung von 10- oder 20-jährigen Deckungsabschnitten ein sinnvoller Anwendungsbereich, da an deren jeweiligen Ende die Anrechte aus dem vorherigen System das Kassenvermögen mit Sicherheit überschritten hätten. Dass der Zeitpunkt, in dem die „alte Last“ zur Erhebung von Sanierungsgeld nach der wortlautorientierten Auslegung nicht mehr ausreicht, immer näher rückt, worauf die Revision abstellt, entspricht nicht nur der Natur der Versorgungsansprüche, sondern ist im Zuge der abschließenden Systemumstellung auch erwünscht. Sofern dies – wie die Beklagte anführt – sukzessive zur Zugrundelegung immer kürzerer Deckungsabschnitte führen müsste, was der Finanzierungsstabilität und der Generationengerechtigkeit schade, wovon daher auch ein verständiges Mitglied der Beklagten nicht ausgehen könne, beruht das – auch das hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt – auf der konkreten Umsetzung der nicht abschließenden tarifvertraglichen Vorgaben durch die Beklagte in ihrer Satzung. Der Versicherungsnehmer wird jedoch davon ausgehen, dass die Beklagte die Grenzen ihrer selbst gegebenen Satzung einhält.

29

    Zur Finanzierung der Systemumstellung sollen nach dem mit der Satzung der Beklagten umzusetzenden Willen der Tarifvertragsparteien für das Sanierungsgeld eröffnete Steuerbegünstigungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. d, Satz 4 Halbsatz 1 EStG/§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 1, Satz 4 EStG in der vom 1. September 2009 bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung) in Anspruch genommen werden (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 ATV-K, Ziffer 4.1 AVP 2001). Die größtmögliche Ausschöpfung der Steuerfreiheit des Sanierungsgeldes gegenüber der Finanzierung aus Umlagen begünstigt – dem Versicherungsnehmer erkennbar – insbesondere dessen Arbeitnehmer. Dieses Interesse der Tarifvertragsparteien wie auch der Beklagten und ihrer Versicherungsnehmer befreit jedoch in dem durch die Vorschriften der Satzung bestimmten Versicherungsverhältnis nicht von dem Erfordernis einer die tarifvertraglichen Regelungen zur Erhebung von Sanierungsgeld im Einzelnen umsetzenden rechtlichen Grundlage und – hier maßgeblich – der Einhaltung ihrer Tatbestandsvoraussetzungen.

30

    Der ATV-K und der AVP 2001, die ergänzend gelten (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 2023 – IV ZR 85/20, VersR 2023, 545 Rn. 19), treffen insoweit keine Regelungen für die Beklagte zur konkreten Höhe des Sanierungsgeldes (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2012 – IV ZR 110/10, VersR 2013, 219 Rn. 19; IV ZR 111/10, juris Rn. 19). Auf das von der Beklagten als gehörswidrig vom Berufungsgericht übergangen gerügte Argument, eine steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Privilegierung des Sanierungsgeldes sei davon abhängig, dass dessen Erhebungsvoraussetzungen im Geschäftsjahr seiner Erhebung vorlägen, kommt es damit ebenso wenig an wie auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob mit einer unterbleibenden Erhebung von Sanierungsgeld zwingend der Umlagesatz zu erhöhen oder das Finanzierungssystem grundlegend zu ändern wäre.

31

    (d) Unstreitig sind die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 Satz 1 der Satzung nicht erfüllt. Am Ende des der Beschlussfassung zugrunde gelegten 100-jährigen Deckungsabschnittes, das heißt am 31. Dezember 2111, wird der Barwert der Verbindlichkeiten, die aus der Zeit vor dem Systemwechsel herrühren, das Kassenvermögen nicht überschreiten.

32

    (3) Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verzichtet, eine eigene Bestimmung der Leistung durch Urteil vorzunehmen. Diese schied hier aus, weil bei komplexen Versorgungssystemen mit kollektiver Wirkung wie der gesetzlichen Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes die Leistungsbestimmung zwar einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt, das Gericht aber seine Entscheidung nicht an die Stelle einer unwirksamen Leistungsbestimmung setzen kann (Senatsurteile vom 9. Dezember 2015 – IV ZR 336/14, juris Rn. 19; vom 5. Dezember 2012 – IV ZR 110/10,VersR 2013, 219 Rn. 35; IV ZR 111/10, juris Rn. 35; jeweils m.w.N.).

33

    c) Dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin steht entgegen der Auffassung der Revision nicht der – von Amts wegen zu berücksichtigende (vgl. Senatsurteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41) – Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen. Die Klägerin handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie einen Anspruch geltend macht, dem möglicherweise ein anderer, höherer Anspruch der Beklagten – hier auf Zahlung einer höheren als der tatsächlich erhobenen Umlage (vgl. § 53 Abs. 2 Buchst. a, § 60 Abs. 1 Satz 2, § 62 Abs. 1 der Satzung, § 16 Abs. 1 Satz 4 ATV­K) – hätte gegenüberstehen können oder in Form von künftigen Umlagesatzsteigerungen gegenüberstehen könnte. Die Klägerin nutzt dabei jedenfalls angesichts der Unsicherheiten eines – von der Beklagten zunächst durch Satzungsänderung zu begründenden – gegenläufigen Anspruchs, anders als ein Gläubiger, von dem feststeht, dass er die verlangte Leistung dem Schuldner ohnehin alsbald zurückgeben müsste (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est; vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2022 – II ZR 81/21, WM 2022, 1598 Rn. 17 m.w.N.; st. Rspr.), nicht eine lediglich formale Rechtsposition aus.

34

    d) Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung des Sanierungsgeldes durch die Zustellung des Mahnbescheids am 27. Dezember 2016 rechtzeitig gehemmt wurde und der Anspruch nicht verjährt ist.

35

    Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Gläubiger eines Anspruchs aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) hat Kenntnis von den seinen Anspruch begründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 – IV ZR 385/16, r+s 2018, 187 Rn. 15; BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 19; jeweils m.w.N.).

36

    Die Klägerin hatte im Jahr 2012 noch keine Kenntnis von der erbrachten Sanierungsgeldleistung. Sie erfuhr nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts erstmals mit dem Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 26. April 2013, dass und inwieweit die gebuchten Zahlungen nicht lediglich die Pflichtbeiträge (Umlagen), sondern auch das Sanierungsgeld betrafen. Auch eine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich ihrer Unkenntnis traf die Klägerin im Jahr 2012 nicht, weil sie vor der Abrechnung der Beklagten im Jahr 2013 nicht erkennen konnte, dass und in welcher Höhe sie Sanierungsgeld für das Jahr 2012 geleistet hat. Die Zustellung des Mahnbescheids am 27. Dezember 2016 hemmte die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB damit rechtzeitig vor ihrem Ablauf.

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    2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin im Ergebnis ganz überwiegend zu Recht Zinsen aus dem zurückzuzahlenden Sanierungsgeldbetrag zugesprochen. Dabei folgt die Zinszahlungspflicht ab der Zustellung des Mahnbescheids bis zum Eingang der Akten beim Prozessgericht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 – III ZR 164/08, BGHZ 179, 329 Rn. 16 f. m.w.N.) allerdings nicht aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Anspruch gilt nicht gemäß § 696 Abs. 3 ZPO rückwirkend als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, weil die Sache aufgrund von seitens der Klägerin verursachten erheblichen Verzögerungen bei der Einzahlung der weiteren Gerichtskosten für das streitige Verfahren nicht alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs an das Prozessgericht abgegeben worden ist. Ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen – in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB allerdings erst ab dem auf die Zustellung des Mahnbescheids folgenden Tag (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 2021 – IV ZR 191/20, juris Rn. 34 m.w.N.) – folgt aber aus § 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB. Die Voraussetzungen

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für einen bereits zuvor eingetretenen Verzug der Beklagten hat die Klägerin ebenso wenig dargelegt wie eine Ziehung von Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB, wie bereits das Landgericht zutreffend und von der Klägerin unangegriffen erkannt hat.

Harsdorf-Gebhardt         Dr. Bußmann          Dr. Götz

                     Dr. Bommel               Rust

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