Beschluss des BGH 13. Zivilsenat vom 10.09.2024, AZ XIII ZB 72/20

BGH 13. Zivilsenat, Beschluss vom 10.09.2024, AZ XIII ZB 72/20, ECLI:DE:BGH:2024:100924BXIIIZB72.20.0

Verfahrensgang

vorgehend LG Krefeld, 31. August 2020, Az: 7 T 109/20
vorgehend AG Krefeld, 7. Juli 2020, Az: 29 XIV (B) 98/20

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 31. August 2020 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 7. Juli 2020 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt K.       auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

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I.    Der Betroffene, ein äthiopischer Staatsangehöriger, reiste 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde in der Folgezeit mehrfach straffällig. Infolgedessen wurde er mit bestandskräftiger Verfügung vom 18. Februar 2016 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit seit dem 19. Oktober 2018 bestandskräftigem Bescheid ab. Aufgrund einer einstweiligen richterlichen Anordnung wurde der Betroffene am Abend des 6. Juli 2020 vorläufig festgenommen.

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Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 7. Juli 2020 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis einschließlich 3. September 2020 angeordnet. Die nach der Haftentlassung am 26. August 2020 noch mit dem Feststellungsantrag weiterverfolgte Beschwerde hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 31. August 2020 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

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II.    Die Rechtbeschwerde hat Erfolg.

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1.    Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Haftanordnung sei rechtmäßig gewesen. Es habe ein den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprechender Haftantrag vorgelegen. Aus dem Antrag ergebe sich, dass der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, der zwingend anzugeben sei, durchgängig in K gehabt habe. Das werde dadurch deutlich, dass der Betroffene über Jahre hinweg Kontakt zur beteiligten Behörde gehalten habe. Auch sei er zuletzt durch das Amtsgericht K strafrechtlich belangt worden. Weiter sei er am 10. Juni 2020 vom örtlichen Ordnungsdienst beim versuchten Konsum von Betäubungsmitteln und am Tag seiner vorläufigen Festnahme auf dem Theaterplatz in K angetroffen worden.

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2.    Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Haftanordnung lag kein zulässiger Haftantrag zugrunde, da in diesem der gewöhnliche Aufenthaltsort des Betroffenen nicht angegeben war.

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a)    Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Neben Darlegungen zur Identität, zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 3 bis 5 FamFG) ist auch die Angabe des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betroffenen gemäß § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG erforderlich. Dieser ist für die Beurteilung sowohl der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts (§ 416 FamFG) als auch derjenigen der Ausländerbehörde von Bedeutung (vgl. Göbel in Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 417 Rn. 22; Günther in BeckOK FamFG, 50. Ed., § 417 Rn. 8). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 – V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 – XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 74/19, juris Rn. 7; vom 23. März 2021 – XIII ZB 6/20, juris Rn. 6; vom 22. März 2022 – XIII ZB 43/20, juris Rn. 8).

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b)    Diesen Anforderungen hat der Haftantrag nicht entsprochen. Er enthält keine Angaben zum gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen. Die beteiligte Behörde hat die Wohnanschrift des Betroffenen in den Haftantrag nicht aufgenommen. Auch aus den sonstigen Angaben im Haftantrag ergibt sich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Betroffenen nicht. Daraus, dass die beteiligte Behörde regelmäßigen Kontakt zum Betroffenen hatte, kann zwar unter Umständen darauf geschlossen werden, dass der Behörde der gewöhnliche Aufenthaltsort bekannt war, nicht aber, wo sich dieser befand. Aus der strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht K ergibt sich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Betroffenen schon deshalb nicht, weil sich die Zuständigkeit des Gerichts auch aus dem Tatort ergeben kann und der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort seitdem zudem gewechselt haben kann. Dass der Betroffene am 10. Juni 2020 und bei seiner Festnahme am 6. Juli 2020 am Theaterplatz in K angetroffen wurde, lässt darauf schließen, dass er sich dort jedenfalls gelegentlich aufgehalten hat, nicht aber, dass es sich um seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort handelte.

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c)    Mängel des Haftantrags können zwar behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder der Haftrichter selbst die erforderlichen Tatsachen in seiner Entscheidung feststellt. In einem solchen Fall wird der Mangel des Haftantrags allerdings nur geheilt, wenn der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 – V ZB 136/11, InfAuslR 2011, 471 Rn. 8; vom 22. November 2018 – V ZB 54/18, juris Rn. 10; vom 12. Februar 2020 – XIII ZB 16/19, InfAuslR 2020, 241 Rn. 12). Das war hier nicht der Fall. Die beteiligte Behörde hat in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 30. Juli 2020 zwar die bisherige Wohnanschrift des Betroffenen in K angegeben sowie mitgeteilt, der Betroffene habe durchgängig seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in K gehabt. Eine ergänzende Anhörung des Betroffenen ist hierzu aber weder durch das Amtsgericht im Abhilfeverfahren noch durch das Beschwerdegericht erfolgt. Eine Heilung des unzulässigen Haftantrages scheidet damit aus.

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3.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Roloff                  Tolkmitt                     Vogt-Beheim

                 Holzinger                 Kochendörfer

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