BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 07.08.2024, AZ VIa ZR 223/22, ECLI:DE:BGH:2024:070824UVIAZR223.22.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG Köln, 4. Februar 2022, Az: 24 U 231/21
vorgehend LG Aachen, 19. Oktober 2021, Az: 4 O 4/21
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Februar 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 35.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie kaufte im November 2016 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Audi SQ5 3.0 TDI, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 896 Gen2 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.
2
Die Klägerin hat die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Berufungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
4
Das Berufungsgericht, das einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV nicht geprüft hat, hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 826 BGB nicht zu, weil die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht vorlägen. Das gelte insbesondere auch für das „Thermofenster“, wobei offenbleiben könne, ob es sich bei diesem mit dem bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp vorliegenden Temperaturbereich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Denn die Klägerin habe keine Umstände dargelegt, welche das Verhalten der Beklagten als besonders verwerflich erscheinen ließen.
II.
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Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
7
1. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
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2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
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Danach kann der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Klägerin bei richtiger rechtlicher Bewertung mithin nicht zurückweisen dürfen, ohne ihr Gelegenheit zu geben, den von ihr geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens darzulegen.
III.
10
Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
11
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
- C. Fischer
- Möhring
- Götz
- Rensen
- Vogt-Beheim