Regionetz GmbH (Beschluss des BGH Kartellsenat)

BGH Kartellsenat, Beschluss vom 13.12.2022, AZ EnVR 55/20, ECLI:DE:BGH:2022:131222BENVR55.20.0

§ 6 Abs 1 ARegV, § 6 Abs 2 ARegV, § 11 ARegV

Leitsatz

Regionetz GmbH

Bei der Festlegung der Erlösobergrenzen ist nicht nur für die Kostenerhebung und Kostenprüfung, sondern auch für die Kostenzuordnung in die Kategorien des § 11 ARegV auf die Verhältnisse im Basisjahr abzustellen.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 19. August 2020, Az: VI-3 Kart 776/19, Beschluss

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. August 2020 wird zurückgewiesen.

Soweit die Betroffene die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 22. Mai 2019 zurückgenommen hat, werden das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdeverfahren eingestellt. Insoweit sind diese Verfahren als nicht anhängig geworden anzusehen. Der auf die Beschwerde ergangene Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. August 2020 ist insoweit wirkungslos und wird im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Betroffene trägt die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.

Gründe

1

A. Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Sie ist rückwirkend zum 1. Januar 2018 durch Verschmelzung zweier Netzbetreibergesellschaften entstanden. Für eine dieser Gesellschaften (künftig: Vorgängergesellschaft) waren bis Ende 2017 auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags im Wesentlichen Mitarbeiter ihrer Muttergesellschaft tätig. Im Zuge des Zusammenschlusses der Netzbetreibergesellschaften wurde der Teilbetrieb Netze dieser Muttergesellschaft auf die Vorgängergesellschaft ausgegliedert.

2

Mit Beschluss vom 22. Mai 2019 legte die Bundesnetzagentur die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen für die dritte Regulierungsperiode für das Netz der Vorgängergesellschaft niedriger als beantragt fest. Bei der Berechnung des Kapitalkostenabzugs setzte sie für Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge nach Ansicht der Betroffenen zu hohe Werte an, und die Personalzusatzkosten für die zum 1. Januar 2018 übergeleiteten Mitarbeiter der Muttergesellschaft ordnete sie – anders als von der Vorgängergesellschaft beantragt – nicht den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 bis 11 ARegV zu.

3

Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben und diese hinsichtlich der Behandlung der Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge beim Kapitalkostenabzug, nicht jedoch hinsichtlich der Zuordnung der Personalzusatzkosten zur Neubescheidung verpflichtet. Dagegen haben sich sowohl die Bundesnetzagentur als auch die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Die Betroffene hat ihre Beschwerde während des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Zustimmung der Bundesnetzagentur zurückgenommen, soweit sie sich gegen die Behandlung der Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge beim Kapitalkostenabzug richtet.

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B. Die Teilrücknahme der Beschwerde durch die Betroffene bewirkt, dass das Verfahren insoweit als nicht anhängig geworden anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2013 – EnVR 19/10, juris Rn. 1; Beschluss vom 23. April 2013 – EnVR 47/12, juris Rn. 2 mwN). Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat sich dadurch erledigt.

5

C. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.

6

I. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts (OLG Düsseldorf, RdE 2020, 548) ist nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur die geltend gemachten Personalzusatzkosten für die 270 Mitarbeiter des ehemaligen Teilbetriebs Netze der Muttergesellschaft nicht als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 und 11 ARegV eingeordnet habe, da es sich bei diesen nicht um eigene Personalzusatzkosten der Vorgängergesellschaft gehandelt habe. Die Bundesnetzagentur habe zu Recht auch für die Einordnung dieser Kosten abschließend auf die tatsächlichen und rechtlichen Umstände im Basisjahr 2016 abgestellt und die anschließenden Änderungen in Form der Zusammenführung des Teilbetriebs Netze der Muttergesellschaft mit der Vorgängergesellschaft nicht berücksichtigt. Die Betroffene sei insoweit auch nicht schutzbedürftig, da über § 4 Abs. 3 ARegV eine Anpassung der Erlösobergrenzen mit Wirkung zum 1. Januar 2020 möglich sei.

7

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde der Betroffenen stand.

8

1. Die Erlösobergrenze wird gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 ARegV für jedes Kalenderjahr der gesamten Regulierungsperiode nach Maßgabe der §§ 5 bis 17, 19, 22 und 24 ARegV bestimmt. Zur Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der Erlösobergrenzen verweist § 6 Abs. 1 ARegV auf Vorschriften der Gas- und der Stromnetzentgeltverordnung. Diese Regelungen finden nach der Rechtsprechung des Senats auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 2. September 2021 (C-718/18, RdE 2021, 534 Rn. 112 ff.) weiterhin Anwendung (BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2021 – EnVR 17/20, RdE 2022, 119 Rn. 14 – Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; vom 7. Dezember 2021 – EnVR 6/21, juris Rn. 9 – Kapitalkostenabzug mwN.). Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen sind die Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung sowie der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung jedoch wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen. Eine gerichtliche Überprüfung erfolgt daher im Grundsatz nur noch in Bezug auf den nach diesen Maßstäben fortgeltenden nationalen Regulierungsrahmen sowie anhand unionsrechtlicher Vorgaben (BGH, RdE 2022, 119 Rn. 15 – Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; Beschluss vom 7. Dezember 2021 – EnVR 6/21, juris Rn. 10 – Kapitalkostenabzug, jew. mwN.).

9

2. Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht zu Recht unbeanstandet gelassen, dass die Bundesnetzagentur bei der Festlegung der Erlösobergrenzen die von der Vorgängergesellschaft der Betroffenen geltend gemachten Personalzusatzkosten für die Mitarbeiter des früheren Teilbetriebs Netze der Muttergesellschaft nicht als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 bis 11 ARegV qualifiziert hat.

10

a) Aus dem Zusammenhang zwischen der in § 6 Abs. 1 ARegV geregelten Kostenprüfung und der Zuordnung von Kosten in die Kategorien des § 11 ARegV – beeinflussbare, vorübergehend nicht beeinflussbare und dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile – folgt notwendig, dass bei der Festlegung der Erlösobergrenze auch für die Kostenzuordnung allein die Verhältnisse im Basisjahr maßgeblich sein können.

11

aa) Nach § 6 Abs. 1 ARegV ermittelt die Regulierungsbehörde das Ausgangsniveau für die Bestimmung der Erlösobergrenzen durch eine Kostenprüfung nach den Vorschriften der Gas- und der Stromnetzentgeltverordnung. Die Kostenprüfung erfolgt im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn der Regulierungsperiode auf der Grundlage der Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres. Das Kalenderjahr, in dem das der Kostenprüfung zugrunde liegende Geschäftsjahr endet, gilt als Basisjahr im Sinne der Anreizregulierungsverordnung. Damit legt § 6 Abs. 1 ARegV unmittelbar nur den Zeitraum fest, für den die dem Netzbetreiber entstandenen Kosten erhoben und geprüft werden müssen, nicht jedoch den für die Qualifizierung der Kosten als beeinflussbar oder nicht beeinflussbar maßgeblichen Referenzzeitraum oder -zeitpunkt. Dies wird auch nicht an anderer Stelle in der Anreizregulierungsverordnung oder im Energiewirtschaftsgesetz ausdrücklich geregelt.

12

bb) Das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung des Referenzzeitpunktes oder -raumes für die Zuordnung der Kosten in die drei Kategorien des § 11 ARegV führt entgegen der Ansicht der Betroffenen jedoch nicht dazu, dass die Regulierungsbehörde insoweit auf den letztmöglichen Zeitpunkt im Festlegungsverfahren für die Erlösobergrenze abstellen müsste. Vielmehr hat der Umstand, dass gerade die nach § 6 Abs. 1 ARegV ermittelten und geprüften Kosten als beeinflussbare, vorübergehend nicht beeinflussbare und dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten zu qualifizieren sind (vgl. Englmann/Meyer in Holznagel/Schütz, Anreizregulierungsrecht, 2. Aufl., § 11 ARegV Rn. 80), zur Folge, dass für diese Bewertung auf dieselben tatsächlichen und rechtlichen Umstände und damit auf denselben Zeitraum abzustellen ist wie für die Kostenermittlung, also auf die Verhältnisse des Basisjahres.

13

(1) Wie die Bundesnetzagentur zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich der zwingende Zusammenhang zwischen der Ermittlung der Kosten und ihrer Kategorisierung nach § 11 ARegV im Grundsatz bereits aus dem Energiewirtschaftsgesetz. Dieses regelt in § 21a Abs. 4 Satz 2, dass der nicht beeinflussbare Kostenanteil an dem Gesamtentgelt nach § 21 Abs. 2 EnWG ermittelt wird, und gibt damit vor, dass dieser Anteil auf der dort vorgesehenen kostenorientierten Entgeltermittlung basiert (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2013 – EnVR 37/11, RdE 2014, 24 Rn. 16 – KNS, unter Hinweis auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Wirtschaftsausschusses zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 13. April 2005, BT-Drucks. 15/5268, S. 120). Die kostenorientierte Entgeltermittlung wird in § 6 Abs. 1 ARegV in Verbindung mit den Regelungen der Strom- oder Gasnetzentgeltverordnung lediglich näher ausgestaltet, ebenso wie § 11 Abs. 2 ARegV die Vorgaben des § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG konkretisiert; zwischen ihnen besteht mithin derselbe Zusammenhang wie zwischen § 21 Abs. 2 EnWG und § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG. Noch deutlicher als aus § 6 Abs. 1 ARegV und § 11 ARegV selbst ergibt sich aus § 14 Abs. 1 ARegV, dass die beeinflussbaren, die vorübergehend nicht beeinflussbaren und die dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile Teilmengen der für die Bestimmung des Ausgangsniveaus ermittelten Gesamtkosten sind. Dort wird ausdrücklich vorgegeben, dass die im Rahmen des Effizienzvergleichs anzusetzenden Kosten aus der Differenz zwischen den nach Maßgabe der zur Bestimmung des Ausgangsniveaus anzuwendenden Kostenprüfung nach § 6 Abs. 1 und 2 ARegV ermittelten Gesamtkosten des Netzbetreibers und den nach § 11 Abs. 2 ARegV dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen errechnet werden.

14

Dass die Zuordnung von Kosten zu den in § 11 ARegV genannten Kategorien nach den Vorgaben der Anreizregulierungsverordnung zeitlich an die Kostenprüfung anschließt, steht der Heranziehung desselben Referenzzeitraums nicht entgegen. Die Reihenfolge ergibt sich vielmehr aus dem Umstand, dass die zu kategorisierenden Kosten zunächst festgestellt, also nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 ARegV ermittelt werden müssen, und erst im Anschluss daran zugeordnet werden können.

15

(2) Die danach notwendige Übereinstimmung der nach § 6 Abs. 1 ARegV ermittelten und der nach § 11 ARegV kategorisierten Kosten wäre nicht sichergestellt, wenn für die Kostenzuordnung nach § 11 ARegV auf einen anderen Zeitraum oder Zeitpunkt abgestellt würde als für die Kostenermittlung. Durch Konstellationen wie die im Streitfall vorliegende wird dies anschaulich belegt: Die Kostenanteile, deren Anerkennung die Betroffene als dauerhaft nicht beeinflussbar im Sinne des § 11 Abs. 2 ARegV begehrt, nämlich Personalzusatzkosten nach § 11 Abs. 2 Nr. 9 bis 11 ARegV, sind im Basisjahr 2016 bei der Vorgängergesellschaft als eigene nicht angefallen. Sie hatte sie aber auch nicht notwendig indirekt zu tragen, jedenfalls nicht in derselben Höhe wie die Muttergesellschaft. Denn im Basisjahr hatte die Vorgängergesellschaft für die relevanten Mitarbeiter keine Lohn- oder Lohnzusatzzahlungen zu erbringen, sondern vielmehr ein Dienstleistungsentgelt an die Muttergesellschaft zu zahlen. Ein solches Dienstleistungsentgelt wird aber zwischen den Vertragsparteien des Dienstleistungsvertrags frei ausgehandelt und kann daher, muss jedoch nicht und keineswegs in voller Höhe die beim Dienstleister anfallenden Personalzusatzkosten umfassen. Würden also die Personalzusatzkosten des Dienstleisters als fiktive eigene Personalzusatzkosten des Netzbetreibers angesetzt, nur weil sich eben diese Kosten aufgrund einer nach dem Basisjahr eingetretenen Veränderung nunmehr als eigene Personalzusatzkosten des Netzbetreibers darstellen, so wäre nicht sichergestellt, dass diese Kosten auch tatsächlich (in vollem Umfang) für das Basisjahr ermittelt worden sind.

16

cc) Entgegen der Ansicht der Betroffenen stellt die zeitliche Verknüpfung von Kostenermittlung und Kostenzuordnung durch Heranziehung desselben Referenzzeitraums keine unzulässige Vermengung der Systeme der rein kostenorientierten Entgeltbildung und der Anreizregulierung dar. Sie bildet vielmehr den zwischen diesen Systemen bestehenden Zusammenhang ab: Die Kostenermittlung erfolgt ohne anreizregulatorischen Einfluss vorab nach den Vorgaben der Strom- oder Gasnetzentgeltverordnung. Erst in einem zweiten Schritt greifen die Mechanismen der Anreizregulierung, die allerdings, wie in § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG vorgesehen, auf den Ergebnissen der Kostenermittlung unmittelbar aufbauen und daher notwendig dieselben Bezugsdaten haben.

17

b) Eine Kostenzuordnung zu den Kategorien des § 11 Abs. 2 ARegV anhand der Datengrundlage des letztmöglichen Zeitpunktes während des Kostenprüfungsverfahrens stünde zudem in Widerspruch zu anderen gewichtigen Grundprinzipien der Erlösobergrenzenbestimmung nach der Anreizregulierungsverordnung. Müsste die Bundesnetzagentur die Zuordnung bei jedem Netzbetreiber aufgrund der am Ende der Kostenprüfung bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vornehmen, so wäre – schon mangels gesetzlicher Festlegung eines anderen Zeitpunktes – der rechtlich maßgebliche Betrachtungszeitraum durch den tatsächlichen Prüfungsablauf für den jeweiligen Netzbetreiber determiniert. Ein solches Vorgehen hätte zur Folge, dass den Kostenzuordnungen bei den Netzbetreibern uneinheitliche Betrachtungszeiträume zugrunde lägen. Denn es hinge vom jeweiligen Zeitablauf und Aufwand der Kostenprüfung ab, bis zu welchem Zeitpunkt Änderungen in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen bei der Qualifizierung der Kosten nach den Kategorien des § 11 ARegV noch Berücksichtigung finden könnten. Dies würde, wie das Beschwerdegericht zu Recht betont hat, zu willkürlichen Ergebnissen bei der Bestimmung der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile führen und wäre unvereinbar mit den Prinzipien des Effizienzvergleichs nach § 14 ARegV, die gerade die Heranziehung derselben Referenzzeiträume für alle Netzbetreiber verlangen, um die erstrebte Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

18

c) Zu Recht haben Bundesnetzagentur und Beschwerdegericht die infolge des Betriebsübergangs von der Muttergesellschaft auf die Vorgängergesellschaft im Jahr 2018 hinsichtlich der Personalzusatzkosten bestehenden Besonderheiten schließlich nicht in direkter oder analoger Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 1 ARegV als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 Nr. 9 bis 11 ARegV eingeordnet.

19

aa) Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 ARegV bleiben Kosten, soweit sie dem Grunde oder der Höhe nach auf einer Besonderheit des Geschäftsjahres beruhen, auf das sich die Kostenprüfung bezieht, bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus unberücksichtigt. Die Vorschrift regelt also unmittelbar den Fall, dass aufgrund der für das Basisjahr erhobenen Daten Kosten ermittelt werden, die dem Netzbetreiber in den übrigen Geschäftsjahren nicht entstanden sind und voraussichtlich nicht entstehen werden und die sich daher als Ausreißer darstellen, und sie ordnet an, dass diese Kosten bei der Festlegung des Ausgangsniveaus ausgeklammert werden.

20

bb) Eine solche Konstellation liegt im Streitfall, wie das Beschwerdegericht zutreffend festgestellt hat, nicht vor. Zum einen begehrt die Betroffene die Berücksichtigung von Kosten, die im Basisjahr bei ihr nicht oder nicht so – nämlich als dauerhaft nicht beeinflussbare – entstanden sind. § 6 Abs. 2 Satz 1 ARegV sieht als Rechtsfolge unmittelbar jedoch nur die Nichtberücksichtigung bestimmter Kosten vor. Zum anderen betrifft die Norm die Kostenermittlung, im Streitfall hingegen geht es allein um die Kostenzuordnung, die sich, wie ausgeführt, an die (abgeschlossene) Kostenprüfung anschließt (vgl. oben Rn. 14, 16).

21

cc) Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt kommt nicht in Betracht. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, es fehle bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Zudem ist auch eine planwidrige Regelungslücke nicht ersichtlich.

22

(1) § 6 Abs. 2 Satz 1 ARegV wurde – ursprünglich als § 6 Abs. 2a Satz 1 ARegV – eingeführt, um sicherzustellen, dass durch die Kostenprüfung nach § 6 Abs. 1 ARegV eine Kostenbasis ermittelt wird, die geeignet ist, als Ausgangsniveau für die Erlösobergrenzen der Regulierungsperiode zu dienen, und daher die Ausgangsbasis frei von Kosten ist, die sich aus Besonderheiten des Geschäftsjahres ergeben, auf das sich die Kostenprüfung bezieht. Der Gesetzgeber hielt es daher für angezeigt klarzustellen, dass das Ausgangsniveau der Erlösobergrenzen auf der Basis eines um den Einfluss von Einmalereignissen bereinigten Kostenniveaus bestimmt wird (vgl. Empfehlung des Wirtschaftsausschusses vom 28. Juni 2010, BR-Drucks. 312/1/10, S. 23).

23

Selbst wenn man diese nur für die Kostenermittlung geltende Sonderregelung auf die Kostenzuordnung übertragen wollte, wären die Situation der Vorgängergesellschaft und die Besonderheiten der von der Betroffenen geltend gemachten Personalzusatzkosten mit der in § 6 Abs. 2 Satz 1 ARegV geregelten Problemlage nicht vergleichbar: Die in Streit stehenden Personalzusatzkosten sind der Vorgängergesellschaft nicht nur im Basisjahr nicht selbst als solche entstanden. Sie hatte sie auch in den Jahren vor dem Basisjahr und in dem darauf folgenden Jahr nicht als eigene Personalzusatzkosten zu tragen, sondern erstmals aufgrund des ein weiteres Jahr später erfolgten Betriebsübergangs von der Muttergesellschaft. Die Betroffene begehrt also keineswegs eine „Bereinigung“ der Daten des Basisjahrs um einen in diesem einmalig aufgetretenen Sondereffekt; sie erstrebt vielmehr die Berücksichtigung einer nach Ablauf des Basisjahrs eingetretenen dauerhaften Veränderung ihrer tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse.

24

(2) Die Behandlung von nach dem Basisjahr eintretenden dauerhaften Veränderungen bei den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen ist aber in § 4 Abs. 3 ARegV ausdrücklich geregelt, der eine – zeitlich versetzte – Anpassung der Erlösobergrenze vorsieht. Ungeachtet der Frage, ob davon auch eine Veränderung bei der Zuordnung von Kosten zu den Kategorien des § 11 Abs. 2 ARegV erfasst wird, handelt es sich hierbei um eine abschließende Regelung, so dass es zudem an der erforderlichen Regelungslücke fehlt.

25

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG; die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

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