BPatG München 1. Senat, Beschluss vom 06.07.2022, AZ 1 W (pat) 23/22, ECLI:DE:BPatG:2022:060722B1Wpat23.22.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 50 2016 009 012
(hier: wegen Umschreibung)
hat der 1. Senat (Juristischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. Juli 2022 durch die Präsidentin Dr. Hock und die Richter Schell und Heimen beschlossen:
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Juni 2021 aufgehoben und die Sache zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
1
Am 16. Dezember 2016 wurde beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Weizenmarker und ihre Verwendung“ eingereicht und anschließend eingetragen.
2
Mit Schreiben vom 9. März 2021 beantragte der Antragsteller unter Vorlage eines Kaufvertrags die Umschreibung des eingetragenen Patents auf seinen Namen. Daraufhin informierte das DPMA die eingetragene Inhaberin, die dem Umschreibungsantrag mit Schreiben vom 24. März 2021 und vom 15. April 2021 widersprach.
3
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 15. April 2021 bat der Antragsteller um Übersendung des Schriftverkehrs der Gegenseite und beantragte hilfsweise die Akteneinsicht. Das DPMA wies mit Bescheid vom 21. April 2021 darauf hin, dass dem Akteneinsichtsantrag nicht ohne Vorlage einer Einverständniserklärung aller Verfahrensbeteiligten entsprochen werden könne, woraufhin die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 27. April 2021 erklärte, es bestehe von ihrer Seite kein Einverständnis mit einer Akteneinsichtnahme.
4
Mit Schreiben vom 14. Juni 2021 machte der Antragsteller erneut geltend, dass bislang keine Übersendung des Schriftverkehrs der Gegenseite an ihn erfolgt sei. Auf eine telefonische Rückfrage habe ihm das Amt stattdessen mitgeteilt, dass sich die Parteien direkt miteinander in Verbindung setzen sollten, um die Angelegenheit untereinander zu erörtern. Diese Vorgehensweise des Amts verletze sein rechtliches Gehör in eklatanter Weise und mache es ihm unmöglich, zu den ihm nicht bekannten Widerspruchsgründen der Gegenseite Stellung nehmen zu können.
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Mit Beschluss vom 15. Juni 2021 wies die Patentabteilung 44.EP den Umschreibungsantrag des Antragstellers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das DPMA vermerke im Register eine Änderung in der Person des Inhabers, wenn diese gegenüber dem Amt nachgewiesen werde. Voraussetzung für eine Umschreibung, die durch den Rechtsnachfolger oder seinem Vertreter beantragt werde, sei die Vorlage einer Zustimmungserklärung des eingetragenen Inhabers oder dessen Vertreters. Im vorliegenden Fall sei eine solche Zustimmung nicht erklärt bzw. ein Rechtsübergang mit Zustimmungserklärung der Inhaberin nicht nachgewiesen worden.
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Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend macht. Die Patentabteilung hätte ihm in jedem Fall die Schriftsätze der Antragsgegnerin übermitteln müssen. Ohne diese Schriftsätze zu kennen, sei es ihm bereits nicht möglich gewesen, zu überprüfen, ob der im vorliegenden Umschreibungsverfahren neu für die Patentinhaberin aufgetretene Vertreter überhaupt über die hierfür erforderliche Vollmacht verfügt hätte.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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den Beschluss vom 15. Juni 2021 aufzuheben und die Sache zur weiteren Bearbeitung zurück an das DPMA zu verweisen,
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sowie die Übermittlung des Schriftverkehrs der als Patentinhaberin im Register verzeichneten Antragsgegnerin an den Antragsteller anzuordnen,
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sowie die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
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Die Beschwerdegegnerin hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben.
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Auf die Verfahrensakten wird ergänzend Bezug genommen.
II.
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1. Die zulässige Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt, da das dortige Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).
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2. Bei der Umschreibung eines gewerblichen Schutzrechts handelt es sich um ein jedenfalls inhaltlich zweiseitiges Verfahren, an dem neben dem Rechtsnachfolger auch der bisher eingetragene Rechtsinhaber beteiligt ist. Zur Wahrung des den Verfahrensbeteiligten zustehenden rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 103 Abs. 1 GG ist es erforderlich, dass die Schriftsätze der einen Partei vom DPMA an die jeweils andere Partei übermittelt werden, da die Parteien nur in Kenntnis der Argumentation der Gegenseite in der Lage sind, ihren eigenen Rechtsinteressen entsprechend vorzutragen bzw. zu erwidern.
15
Wird die Umschreibung eines Patents auf einen anderen Inhaber beantragt, erfordert die Gewährung des rechtlichen Gehörs zunächst die Information des eingetragenen Inhabers über diesen Antrag. Wird dem Umschreibungsantrag – wie im vorliegenden Fall – von der im Register eingetragenen Patentinhaberin widersprochen, erfordert es die Gewährung des rechtlichen Gehörs ebenfalls, dass dem Antragsteller die entsprechenden Schriftsätze der Patentinhaberin zur Kenntnisnahme übermittelt werden. Denn nur so wird der Antragssteller in die Lage versetzt, die Gründe für den Widerspruch prüfen zu können und daraufhin zu entscheiden, ob er an seinem Antrag festhalten bzw. zu den Widerspruchsgründen Stellung nehmen will.
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Die Patentabteilung war daher gehalten, den Antragsteller durch Übermittlung der Schriftsätze der Gegenseite über die gegen den Umschreibungsantrag vorgebrachten Widerspruchsgründe zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen. Der von der Patentabteilung vertretene Ansatz, die Parteien sollten persönlich miteinander Kontakt aufnehmen, um die Angelegenheit im direkten Austausch der jeweiligen Argumente zu klären, kann die in zweiseitigen Verfahren erforderliche Übermittlung von Eingaben der Gegenseite nicht ersetzen. Ebenso wenig zutreffend ist die von der Patentabteilung vertretene Ansicht, eine Kenntnisnahme der von der Patentinhaberin vorgetragenen Widerspruchsgründe sei im Umschreibungsverfahren lediglich über eine einvernehmliche Akteneinsicht möglich.
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3. Indem die Patentabteilung mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. Juni 2021 den Umschreibungsantrag zurückgewiesen hat, ohne zuvor die Schriftsätze der Patentinhaberin und Antragsgegnerin dem Antragssteller zu übermitteln und ihm Gelegenheit zur Erwiderung zu geben, hat sie dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
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4. Der Verfahrensmangel führt antragsgemäß zur Zurückverweisung an das DPMA, da es nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung der Patentabteilung bei der gebotenen Vorgehensweise anders ausgefallen wäre. Die Patentabteilung wird bei der weiteren Bearbeitung der Sache zunächst dem Antragssteller die Schriftsätze der Gegenseite zu übermitteln und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben haben.
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5. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist begründet. Die Rückzahlung entspricht gemäß § 80 Abs. 3 PatG der Billigkeit, da dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht entsprochen wurde und dieser schwerwiegende Verstoß ursächlich für die Erhebung der Beschwerde gewesen ist. Wäre es dem Antragsteller möglich gewesen, auf die Einwendungen Antragsgegnerin zu entgegnen, hätte die Entscheidung über die beantragte Umschreibung ggf. anders ausfallen müssen.