BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 09.06.2022, AZ III ZR 24/21, ECLI:DE:BGH:2022:090622UIIIZR24.21.0
§ 4 BeurkG, § 14 Abs 2 BNotO, § 19 Abs 1 S 2 BNotO, § 322 Abs 1 ZPO
Leitsatz
1. Die Rechtskraft eines Urteils, mit dem die gegen einen Notar gerichtete Amtshaftungsklage wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO als derzeit unbegründet abgewiesen wird, umfasst die Gründe des Urteils, soweit in ihnen die übrigen Anspruchsvoraussetzungen positiv festgestellt werden. Ist dies der Fall, kann im Folgeprozess die Amtshaftungsklage nicht mit der Begründung abgewiesen werden, der Anspruch habe bereits im Zeitpunkt der Erstentscheidung dem Grunde nach nicht bestanden.
2. Zur sekundären Darlegungslast des Verwalters des Nachlasses eines verstorbenen Notars, der wegen Verletzung von Amtspflichten des Notars aus § 14 Abs. 2 BNotO und § 4 BeurkG in Anspruch genommen wird.
3. Ergreift der durch eine notarielle Amtspflichtverletzung Geschädigte Maßnahmen der Rechtsverfolgung gegen Personen, deren Haftung gegenüber derjenigen des Notars nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO vorrangig ist, sind die Kosten eines gegen solche Personen geführten Rechtsstreits erster Instanz als adäquat-kausal auf der Amtspflichtverletzung beruhender Schaden ersatzfähig, wenn und soweit die Klage rechtlich wie wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg bot und sich nicht als Maßnahme darstellt, die dem Geschädigten nicht zumutbar ist und die ein vernünftiger Geschädigter nicht ergreifen würde. Kosten eines Rechtsmittels, das der Geschädigte gegen ein ihm ungünstiges erstinstanzliches Urteil einlegt, sind hingegen regelmäßig nicht ersatzfähig, soweit es zur Interessenwahrung des Geschädigten genügt, mittels einer Streitverkündung gegenüber dem Notar Bindungswirkung für den nachfolgenden Amtshaftungsprozess herzustellen (Bestätigung von Senat, Urteil vom 27. Oktober 1955 – III ZR 82/54, BGHZ 18, 366 [zu § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB]; BGH, Urteil vom 18. April 2002 – IX ZR 72/99, NJW 2002, 2787).
Verfahrensgang
vorgehend KG Berlin, 25. Februar 2020, Az: 9 U 18/18
vorgehend LG Berlin, 5. März 2018, Az: 84 O 185/16
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 25. Februar 2020 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. März 2018 – 84 O 185/16 – wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt als Rechtsnachfolger der verstorbenen vormaligen Klägerin (künftig: Erblasserin) den Beklagten als Nachlassverwalter über das Vermögen des verstorbenen Notars A. N. (künftig: Notar) auf Schadensersatz wegen notarieller Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb zweier Eigentumswohnungen in Anspruch.
2
Am 6. Februar 2006 beurkundete der Notar einen Vertrag, durch den die Sch. und S. D. GmbH (künftig: Zwischenkäuferin) von dem ursprünglichen Eigentümer H. -U. B. 25 Wohnungseigentumsrechte der Wohnungseigentumsanlage K. straße /S. Straße in B. – zum Preis von insgesamt 270.000 € kaufte. Am 27. Februar 2006 beurkundete er ein auf den Kauf zweier dieser Wohnungseigentumsrechte (Nrn. 65 und 66) für 62.768 € und 60.576 € gerichtetes Angebot der Erblasserin an die R. B. GmbH (künftig: Verkäuferin). Die Angebotsurkunde enthält die Erklärung der Erblasserin, einen dem nachfolgenden Vertragsinhalt ähnlichen Entwurf 14 Tage vor der Beurkundung erhalten zu haben. Die Verkäuferin nahm das Angebot mit von dem Notar beurkundeter Erklärung vom 5. April 2006 an. Mit am 3. März 2006 durch den Notar beurkundeten Vertrag kaufte die Verkäuferin von der Zwischenkäuferin 14 der von dieser zuvor von H. -U. B. gekauften Wohnungen, darunter die beiden von der Erblasserin erworbenen. Die Wohnungen Nrn. 65 und 66 wurden seitens der Zwischenkäuferin zum Preis von 4.900 € und 15.000 € angekauft.
3
Die Erblasserin nahm zur Finanzierung ein Darlehen der B. B. AG (nachfolgend: Bank) über 117.344 € auf. Aus dem Kaufpreis löste die Verkäuferin Altverbindlichkeiten der Erblasserin bei anderen Darlehensgebern von 25.902,42 € ab. Ab August 2009 bediente die Erblasserin die Darlehensraten nicht mehr. Im Juni 2014 verkaufte sie die beiden Wohnungen zum Preis von jeweils 25.000 €.
4
In einem Vorprozess nahm die Erblasserin den Notar, die Verkäuferin und ihren Geschäftsführer, die bei der Vertragsanbahnung tätige Vertriebsgesellschaft und deren angeblichen faktischen Vorstand sowie die Bank als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Höhe von 21.401,17 € in Anspruch. Sie warf dem Notar – wie auch im vorliegenden Rechtsstreit – vor, er habe seine Amtspflicht verletzt, weil er nicht geprüft habe, ob ihr der Text des beabsichtigten Rechtsgeschäfts 14 Tage vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt worden sei. Darüber hinaus habe er die Beurkundung nach § 4 BeurkG ablehnen müssen, weil die Verkäuferseite erkennbar unredliche Zwecke verfolgt habe. Die Bank erhob Widerklage auf Rückzahlung des restlichen Darlehens und Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. In der Berufungsinstanz verurteilte das Kammergericht durch Versäumnis- und Schlussurteil vom 10. März 2016 unter Klageabweisung im Übrigen den Geschäftsführer der Verkäuferin aufgrund Säumnis zur Zahlung von 21.401,17 €. Die Klage gegen den Notar wies es als derzeit unbegründet ab. Auf die Widerklage der Bank verurteilte es die Erblasserin zur Zahlung des nach Abzug des Verkaufserlöses verbleibenden Darlehenssaldos von 67.190,38 €. In den Urteilsgründen führte es aus, zwar bestehe dem Grunde nach der geltend gemachte Anspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO, weil der Notar seine Amtspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. fahrlässig verletzt und dadurch den Schaden der Klägerin verursacht habe. Im Hinblick auf die Verurteilung des Geschäftsführers der Verkäuferin scheitere die erfolgreiche Durchsetzung dieses Schadensersatzanspruchs jedoch an seiner aus § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO folgenden Subsidiarität. Das Urteil wurde im Verhältnis zwischen der Erblasserin und dem Notar rechtskräftig. Auf den Einspruch des Geschäftsführers der Verkäuferin hob das Kammergericht dessen Verurteilung auf und wies die Klage auch insoweit ab. Die gesamten Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Säumniskosten wurden der Erblasserin auferlegt.
5
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Erblasserin den Beklagten auf Freistellung von der Forderung der Bank über 67.190,38 € und von den Kosten des Vorprozesses sowie auf Zahlung von 21.401,17 € in Anspruch genommen; dieser Betrag entspreche den von ihr auf das Darlehen geleisteten Zahlungen.
6
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 21.401,17 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Erblasserin zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Klage in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
7
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts. Im Übrigen führt die Revision zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
8
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch der Erblasserin gegen den Notar aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO sei nicht hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Eine Verletzung notarieller Amtspflichten aus § 14 Abs. 2 BNotO sei nicht feststellbar. Dies setze voraus, dass der Notar Kenntnis von Umständen gehabt habe, die ihn zur Versagung seiner Amtstätigkeit verpflichtet hätten. Der Beklagte habe die Kenntnis des Notars von einer sittenwidrigen Kaufpreisüberhöhung zulässig mit Nichtwissen bestritten. Als Nachlassverwalter obliege ihm keine sekundäre Darlegungslast, weil er außerhalb des erheblichen Geschehensablaufs stehe. Die Rechtsprechung, nach der die beweisrechtliche Position des Erblassers auf den Erben übergehe, könne auf den Nachlassverwalter nicht übertragen werden.
9
Dass dem Notar die erheblichen Kaufpreissteigerungen, die für ihn Anhaltspunkt für die mögliche Unredlichkeit des Geschäfts hätten sein können, bekannt gewesen seien, habe die Erblasserin nicht konkret unter Beweis gestellt. Auf seine Kenntnis könne auch nicht auf Grund der vorgetragenen Umstände geschlossen werden. Voraussetzung sei, dass der Notar bei der Beurkundung des Angebots der Erblasserin die Kaufpreise aus An- und Verkauf auch tatsächlich gekannt habe, sodass er sie hätte vergleichen und als sittenwidrig hätte würdigen können. Dies lasse sich nicht feststellen. Dagegen spreche, dass sich für den Notar ein Zusammenhang zwischen dem Kaufvertrag zwischen Herrn B. und der Zwischenkäuferin vom 6. Februar 2006 über insgesamt 25 Wohnungen und dem Angebot der Erblasserin vom 27. Februar 2006 an die Verkäuferin über zwei Wohnungen nicht habe erschließen müssen. Das verbindende Glied zwischen den beiden Beurkundungen habe sich erst ergeben, als die Verkäuferin am 3. März 2006 vor dem Notar einen Kaufvertrag mit der Zwischenkäuferin über den Erwerb von 14 Wohnungen geschlossen habe. Auch der Zeitablauf von drei Wochen spreche dafür, dass sich der Notar an einzelne Kaufpreise aus früheren Beurkundungen nicht konkret habe erinnern müssen.
10
Eine von der Erblasserin behauptete Einbindung des Notars in das gesamte Immobiliengeschäft, auf Grund deren ihm hätte auffallen müssen, dass die Wohnungen mit sittenwidrigen Kaufpreisdifferenzen verkauft und mit den Geschäften deshalb unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt würden, habe der Beklagte bestritten und sei nicht bewiesen. Auch wenn der Notar bezüglich der am 6. Februar 2006 verkauften Eigentumswohnungen zahlreiche Beurkundungen vorgenommen habe, folge daraus nicht, dass er bereits am 27. Februar 2006 umfassend mit dem gesamten Immobiliengeschäft, das sich erst in der Anfangsphase befunden habe, befasst gewesen sei. Ein Zusammenhang der einzelnen Beurkundungen habe sich ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufdrängen müssen. Da das Vorbringen der Erblasserin zu den einzelnen notariellen Tätigkeiten als wahr unterstellt werden könne, sei ihren diesbezüglichen Beweisangeboten nicht nachzugehen. Auch überzeuge ihre Annahme nicht, konkrete Verdachtsgründe hätten sich für den Notar spätestens am 10. Februar 2006 daraus ergeben, dass bei einem Vergleich der Kaufpreise aus dem Ankauf durch die Zwischenkäuferin am 6. Februar 2006 und den Angeboten der Verbraucher (darunter des Käufers L. ) vom 10. Februar 2006 sittenwidrige Kaufpreisüberhöhungen festzustellen gewesen seien. Der Zusammenhang zwischen dem Ankauf durch die Zwischenkäuferin und dem Verkauf durch die Verkäuferin habe sich auch hier erst aus der Beurkundung des Erwerbs von 14 Wohnungen aus den von der Zwischenkäuferin erworbenen Wohnungen am 3. März 2006 ergeben.
11
Der Notar habe zwar seine Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. verletzt, indem er sich nicht vergewissert habe, ob die Erblasserin rechtzeitig vor der Beurkundung den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts erhalten habe. Jedoch sei die Kausalität der Amtspflichtverletzung nicht festzustellen, weil die Erblasserin nicht vorgetragen habe, wie sie sich auf eine konkrete Nachfrage des Notars verhalten hätte. Für ihre Behauptung, den Vertragstext nicht vorab erhalten zu haben, habe sie keinen Beweis angetreten.
12
Soweit die Erblasserin erstmals in zweiter Instanz geltend mache, der Notar habe die Annahme des Angebotes, die Auflassung oder auch die Grundschuldbestellung wegen Erkenntnissen über die Unredlichkeit des Geschäftes versagen müssen, leite sie ihren Schaden aus anderen Pflichtverletzungen des Notars her, die bislang nicht streitgegenständlich gewesen seien. Sie habe trotz Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2019 ihre Klage insoweit nicht erweitert.
13
Schließlich habe die Erblasserin ihren Schaden nicht ausreichend dargetan, weil sie weder die behaupteten Beträge nachvollziehbar aus dem konkreten Geschehensablauf abgeleitet noch zu ihren Mieteinnahmen schlüssig vorgetragen habe. Als Vorteil sei die Ablösung von Altverbindlichkeiten in Höhe von 25.902,04 € anzurechnen. Ob ihr nach Abzug der Vorteile ein Schaden verblieben sei, könne nicht festgestellt werden.
14
Die Bindungswirkung des Urteils vom 10. März 2016 aus dem Vorprozess stehe der Klageabweisung nicht entgegen. Die Rechtskraft eines Urteils, durch das die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen worden sei, beschränke sich auf den Entscheidungssatz und mithin darauf, dass der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess keinen zur Zahlung fälligen Anspruch gehabt habe. Sie erstrecke sich nicht auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen wie Amtspflichtverletzung, Kausalität und Schaden; denn diese seien nicht Gegenstand des Tenors, und die Urteilsgründe erwüchsen nicht in Rechtskraft.
II.
15
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
16
1. Die Klage ist in Höhe des vom Landgericht zuerkannten Betrages von 21.407,17 € begründet. Dementsprechend war die gegen das Urteil des Landgerichts gerichtete Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
17
Das Berufungsgericht hat den Umfang der Rechtskraft des Urteils vom 10. März 2016 verkannt. Da die auf Zahlung von 21.407,17 € gerichtete Klage im Vorprozess nur wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO als derzeit unbegründet abgewiesen und zugleich die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO wegen Verletzung der Amtspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG in der bis zum 30. September 2013 geltenden Fassung vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850, 2859; künftig: a.F.) bejaht worden sind (S. 26 – 29 des Urteils vom 10. März 2016), steht rechtskräftig fest, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Vorprozess die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren. Da inzwischen infolge der Aufhebung der Verurteilung des Geschäftsführers der Verkäuferin auch feststeht, dass keine anderweitige Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO besteht, ist die Klage in vorstehendem Umfang begründet.
18
a) Ob die Rechtskraft eines die Klage als derzeit unbegründet abweisenden Urteils die Feststellung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen umfasst, so dass im Folgeprozess die Klage nicht mit der Begründung abgewiesen werden kann, der Anspruch habe bereits im Zeitpunkt der Erstentscheidung dem Grunde nach nicht bestanden, ist umstritten.
19
aa) Das Oberlandesgericht Düsseldorf sowie ein Teil des Schrifttums bejahen diese Frage (OLG Düsseldorf, OLGR 1993, 139 f; Grunsky, ZZP 76 [1963], 165, 170, 177; Heinrich, BauR 1999, 17, 18, 21; MüKo-ZPO/Gottwald, 6. Aufl., § 322 Rn. 156; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 322 Rn. 249 f; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., vor § 322 Rn. 58). Dem Zweitgericht stehe allein die Entscheidung darüber zu, ob die im ersten Prozess noch fehlenden Voraussetzungen der Begründetheit des Anspruchs inzwischen gegeben seien. Dies folge aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die Abweisung der Klage als derzeit unbegründet einen zugunsten des Klägers anderen Rechtskraftumfang habe als eine endgültige Klageabweisung (Heinrich aaO S. 18; vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1988 – VII ZR 372/86, BGHZ 104, 212, 214 f). Durch die Abweisung nur als derzeit unbegründet habe der Kläger eine Rechtsposition erlangt, die ihm nicht durch eine Veränderung des Rechtskraftumfangs des Ersturteils in einem zweiten Prozess wieder genommen werden könne (Heinrich aaO S. 18 f). Dieses Ergebnis folge auch aus dem Prinzip der Waffengleichheit. Da sich der Beklagte auf die ihm günstigen Urteilselemente berufen könne, dürfe dem Kläger dies nicht versagt werden (OLG Düsseldorf aaO S. 140; Grunsky aaO S. 170; Stein/Jonas/Althammer aaO Rn. 249). Auch wenn die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen werde, treffe das Gericht, indem es einzelne Tatbestandsmerkmale bejahe, insoweit eine Entscheidung über den durch die Klage erhobenen Anspruch im Sinne von § 322 Abs. 1 ZPO, die Teil des für die Rechtskraft maßgeblichen Entscheidungssatzes sei (OLG Düsseldorf aaO S. 139 f).
20
bb) Andere Stimmen in der Literatur lehnen eine Bindungswirkung des Ersturteils bezüglich anderer Tatbestandsmerkmale als desjenigen, dessentwegen die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist, ab (Baumann, AcP 169 [1969], 317, 343 f; Blomeyer in FS Lent, 1957, S. 43, 79 f; Brox, ZZP 81 [1968], 379, 389 Fn. 41; Deckers, BauR 1999, 987, 989; Kappel, Die Klageabweisung „zur Zeit“, 1999, S. 53 f; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 322 Rn. 51; Wieczorek/Schütze/Büscher, ZPO, 4. Aufl., § 322 Rn. 125). Die Entscheidung beruhe nur auf dem Abweisungsgrund als solchem. Soweit in den Entscheidungsgründen das Vorliegen anderer Merkmale bejaht werde, sei dies für die Klageabweisung nicht tragend (Baumann aaO S. 344; Kappel aaO). Auch wenn die Abweisung als derzeit unbegründet voraussetze, dass alle anderen Tatbestandsmerkmale, bei deren Fehlen die Klage endgültig unbegründet sei, geprüft und bejaht worden seien, fänden sich diese Erwägungen nur in den Urteilsgründen und seien daher der Rechtskraft nicht fähig (Deckers aaO S. 989 f).
21
b) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an.
22
aa) Nach § 322 Abs. 1 ZPO reicht die Rechtskraft eines Urteils so weit, als über den erhobenen (prozessualen) Anspruch entschieden ist. Sie beschränkt sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf die Rechtsfolge, die auf eine Klage oder Widerklage aufgrund eines bestimmten Sachverhalts bei Schluss der mündlichen Verhandlung den Entscheidungssatz bildet (Senat, Urteile vom 17. Februar 1983 – III ZR 184/81, NJW 1983, 2032 und vom 24. Juni 1993 – III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205; BGH, Beschluss vom 22. September 2016 – V ZR 4/16, NJW 2017, 893 Rn. 13 mwN). Einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut, werden von der Rechtskraft nicht erfasst (Senat, Urteil vom 17. Februar 1983 aaO; BGH, Urteil vom 5. November 2009 – IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77 Rn. 9 und Beschluss vom 22. September 2016 aaO; jew. mwN). Der Inhalt des Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft sind der Entscheidung indes im Ganzen zu entnehmen. Auszugehen ist von der Urteilsformel, die aber oft, so regelmäßig bei klageabweisenden Urteilen, nicht erkennen lässt, worüber entschieden ist. Sofern die Urteilsformel allein nicht ausreicht, um den Rechtskraftgehalt der Entscheidung zu erfassen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen, ergänzend heranzuziehen (Senat, Urteile vom 17. Februar 1983 aaO mwN und vom 24. Juni 1993 aaO; BGH, Urteil vom 1. Juli 1986 – VI ZR 120/85, NJW 1987, 371 mwN). Wird eine Zahlungsklage wegen fehlender Fälligkeit als derzeit unbegründet abgewiesen, erwächst in materielle Rechtskraft, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess der Kläger gegen den Beklagten keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte.
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bb) Aus der Rechtsprechung des Senats folgt aber weiter, dass die Rechtskraft eines Urteils, das eine auf § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützte Klage nur wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) abweist, sich auch darauf erstreckt, dass im Übrigen die Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs erfüllt sind, wenn und soweit diese in den Entscheidungsgründen bejaht wurden.
24
Eine auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB beruhende Klageabweisung ist nur zulässig, wenn das Gericht – wie hier im Vorprozess geschehen – die übrigen Tatbestandsmerkmale des Amtshaftungsanspruchs geprüft und für gegeben erachtet hat (Senat, Urteil vom 7. September 2017 – III ZR 618/16, BGHZ 215, 344 Rn. 23 mwN). Daraus folgt, dass die Feststellungen zu den Tatbestandsmerkmalen, bei deren Fehlen die Klage als endgültig unbegründet abzuweisen ist, vorrangig zu treffen sind, bevor die Klage als nur derzeit unbegründet abgewiesen wird (Senat aaO). Dem entspricht, dass ein Beklagter durch ein Urteil beschwert ist, wenn er die endgültige Klageabweisung erstrebt, der Klageanspruch jedoch nur als derzeit unbegründet abgewiesen wird. Er kann daher mit einem Rechtsmittel einen weitergehenden, für ihn günstigeren Prozesserfolg – die endgültige Klageabweisung – anstreben. Wenn seine Rügen bezüglich der sonstigen Haftungsvoraussetzungen erheblich sind, sind die bislang insoweit fehlenden Feststellungen nachzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 23. August 2006 – XII ZR 26/04, NJW 2006, 3561 Rn. 18 ff).
25
Ist damit Voraussetzung und – wie hier im Vorprozess – tragender Grund für eine auf das negative Tatbestandsmerkmal des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützte Klageabweisung als derzeit unbegründet, dass die übrigen Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs erfüllt sind, ist es im Umkehrschluss folgerichtig, dass das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes ist.
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Diese für den Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze sind auf den Anspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO und dessen durch § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO angeordnete Subsidiarität bei Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit zu übertragen.
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2. Auch hinsichtlich des auf Befreiung von Forderungen der Bank und von den Kosten des Vorprozesses gerichteten weitergehenden Anspruchs, der nicht Gegenstand des Vorprozesses war und daher nicht von der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 10. März 2016 erfasst ist, kann ein Anspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO wegen Verletzung der Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.
28
a) Das Berufungsgericht hat unzutreffend angenommen, die Erblasserin habe ihre Behauptung, sie habe vor dem Beurkundungstermin keinen Vertragstext ausgehändigt bekommen, nicht unter Beweis gestellt. Vielmehr hat sie sich für dieses zunächst beweisantrittslos im Schriftsatz vom 2. Juni 2017 erfolgte Vorbringen mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017 auf das Zeugnis von F. F. und M. L. berufen. Das Berufungsgericht hätte, da es für seine Entscheidung auf dieses Klägervorbringen ankam, die angebotenen Beweise erheben müssen.
29
b) Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Auf der Grundlage des unter Beweis gestellten Klägervorbringens hat der Notar gegen die Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. verstoßen.
30
aa) Nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen; bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, geschieht dies in der Regel dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen zuvor zur Verfügung gestellt wird. Diese Hinwirkungspflicht ist keine bloße Hinweis- oder Belehrungspflicht, sondern geht darüber hinaus. Sie gebietet dem gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG zur Fürsorge für unerfahrene und ungewandte Beteiligte verpflichteten und für die Verfahrensgestaltung persönlich verantwortlichen Notar, sich wirkungsvoll für eine Einhaltung des im Interesse des Übereilungsschutzes vom Gesetz vorgesehenen Verfahrens einzusetzen (BGH, Beschluss vom 28. August 2019 – NotSt (Brfg) 1/18, WM 2020, 600 Rn. 63 mwN, insoweit in BGHZ 223, 335 nicht abgedruckt; vgl. Senat, Urteil vom 23. August 2018 – III ZR 506/16, WM 2019, 557 Rn. 15 f).
31
Zwar war der Notar nach der hier anwendbaren Fassung der Vorschrift nicht verpflichtet, dem Verbraucher den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts selbst zu übersenden. Es reichte aus, wenn der Verkäufer oder Vermittler dem Verbraucher den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts rechtzeitig zur Verfügung gestellt hatte (BGH aaO Rn. 64 mwN). Aber jedenfalls bei Gestaltungen, bei denen Missverständnisse oder Fehler des Verbrauchers in Bezug auf die übergebenen Unterlagen oder auch ein Missbrauch des Beurkundungsverfahrens nahelagen, erfüllte der Notar die ihm obliegende Hinwirkungspflicht nicht, wenn er sich lediglich auf von ihm vorformulierte formelhafte Bestätigungen des Verbrauchers zur Einhaltung der Regelfrist verließ, ohne sich selbst wirkungsvoll davon zu überzeugen, dass der Verbraucher die erforderlichen Unterlagen erhalten hatte (BGH aaO Rn. 65 mwN). Daher genügte es nicht, wenn der Notar den Verbraucher bei der Beurkundung befragte, ob er rechtzeitig einen Entwurf erhalten habe, und die Antwort in der Urkunde vermerkte (BGH aaO Rn. 66). Denn andernfalls wäre der Grundsatz unterlaufen worden, dass die Einhaltung der Zweiwochenfrist nicht zur Disposition der Beteiligten steht (Senat, Urteile vom 7. Februar 2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 Rn. 20 mwN und vom 25. Juni 2015 – III ZR 292/14, BGHZ 206, 112 Rn. 13). Vielmehr hatte der Notar zu überprüfen, ob der Verbraucher tatsächlich unter Wahrung der Zweiwochenfrist einen Vertragstext erhalten hatte, der mit dem zu beurkundenden Vertragsentwurf im Wesentlichen übereinstimmte (BGH, Beschluss vom 28. August 2019 aaO; Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG und DONot, 6. Aufl. 2013, § 17 BeurkG Rn. 219; Grziwotz in Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl., § 17 Rn. 82; Staudinger/Hertel, BGB, Neubearbeitung 2012, Vorbem. zu §§ 127a, 128 (BeurkG), Rn. 527; Bohrer, DNotZ 2002, 579, 589).
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bb) Nach diesen Maßstäben hat der Notar der Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. nicht genügt. Er hätte sich mit dem Passus in der Angebotsurkunde, die Erblasserin habe einen ähnlichen Entwurf 14 Tage vor der Beurkundung erhalten, nicht begnügen dürfen, ohne die Richtigkeit dieser Erklärung zu überprüfen. Hierfür hätte er zunächst hinterfragen müssen, ob die Erblasserin überhaupt 14 Tage vor der Beurkundung einen Text des Kaufvertragsangebots erhalten hatte. Das hätte indes für sich noch nicht ausgereicht. Denn die unpräzise und damit erkennbar zur Verschleierung einer Verletzung der Wartefrist geeignete Formulierung, die Erblasserin habe einen „ähnlichen“ Entwurf erhalten, hätte dem Notar Anlass geben müssen, zu überprüfen, ob der ähnliche Entwurf den rechtlichen Anforderungen an den Text des beabsichtigten Rechtsgeschäfts im Sinne von § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. entsprach. Dafür genügte eine einfache Erklärung der Erblasserin nicht. Gerade im Strukturvertrieb von Eigentumswohnungen, bei dem der Notar nicht unbesehen von der uneingeschränkten Seriosität des Vertriebs ausgehen kann, ist in Rechnung zu stellen, dass Verbraucher möglicherweise zu falschen Angaben gegenüber dem Notar bewegt werden, um einen vermeintlich in ihrem Interesse liegenden Vertragsschluss zu erreichen (vgl. Rieger, MittBayNot 2002, 325, 333). Überdies ist der juristische Laie in der Regel nicht in der Lage zu beurteilen, ob zwei Vertragswerke „ähnlich“ im erforderlichen Sinne sind, dass sie im Wesentlichen inhaltlich übereinstimmen. Der Notar hätte sich daher auf andere Weise von der weitgehenden Übereinstimmung des (angeblich) vorab zur Verfügung gestellten Entwurfs mit dem beurkundeten Angebot überzeugen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2019 aaO Rn. 66). Dass die Erblasserin – die Richtigkeit ihres Vorbringens unterstellt – tatsächlich überhaupt keinen Entwurf vorab erhalten hatte, hätte der Notar auf diese Weise festgestellt, so dass, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, die Beurkundung abzubrechen gewesen wäre.
33
cc) Die somit auf der Grundlage des Vortrags der Erblasserin anzunehmende Amtspflichtverletzung ist für ihren Schaden kausal geworden. Nach der Rechtsprechung des Senats bewirkt bereits die Beurkundung einer Vertragserklärung unter Missachtung der Wartefrist den in dem für den beteiligten Verbraucher (Käufer) nachteiligen Vertrag liegenden Schaden (Senat, Urteile vom 25. Juni 2015 aaO Rn. 21; vom 28. Mai 2020 – III ZR 58/19, WM 2020, 1247 Rn. 33, insoweit in BGHZ 226, 39 nicht abgedruckt, und vom 22. April 2021 – III ZR 164/19, WM 2021, 1561 Rn. 10). Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der Erblasserin scheitert der Anspruch auch nicht an dem vom Beklagten erhobenen Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens. Der Beklagte hat behauptet, die Erblasserin hätte die Wohnungen, um in den Genuss der Ablösung ihrer Altverbindlichkeiten zu kommen, auch bei Einhaltung der Wartefrist in jedem Fall gekauft. Die Erblasserin hat darauf erwidert, sie hätte den Vertrag bei Einhaltung der Wartefrist nicht geschlossen; die Ablösung der Altverbindlichkeiten sei erst nach Beurkundung ihres Angebots thematisiert worden. Maßnahmen zur Rückgängigmachung des Vertrags habe sie nicht ergriffen, weil sie davon ausgegangen sei, vertraglich gebunden zu sein. Damit hat sie der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast (vgl. Senat, Urteile vom 28. Mai 2020 aaO und vom 22. April 2021 aaO) genügt.
34
3. Ein Anspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO wegen Verletzung notarieller Amtspflichten aus § 14 Abs. 2 BNotO und § 4 BeurkG kann ebenfalls nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden. Seine Annahme, die Erblasserin habe die Kenntnis des Notars von der Sittenwidrigkeit des Geschäfts nahelegenden Kaufpreissteigerungen und seine umfassende Einbindung in das gesamte Immobiliengeschäft nicht bewiesen, ist rechtsfehlerhaft. Denn dieses Vorbringen ist bislang nicht beweisbedürftig, weil der Beklagte es nicht ausreichend bestritten hat.
35
a) Dem Beklagten obliegt es, im Rahmen sekundärer Darlegungslast – jedenfalls, soweit ihm dies möglich ist – zur Kenntnis des Notars und zu dessen Einbindung in das Immobiliengeschäft vorzutragen.
36
aa) Die Darlegungs- und Beweislast für diese Umstände trägt im Ausgangspunkt zwar die Erblasserin, weil sie aus ihnen die ihren Anspruch begründende Amtspflichtverletzung herleitet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebietet jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben eine sekundäre Darlegungslast des Gegners, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner angesichts des unterschiedlichen Informationsstands beider Parteien zumutbar nähere Angaben machen kann (z.B. Senat, Urteile vom 19. Mai 2016 – III ZR 274/15, NJW-RR 2016, 842 Rn. 40 mwN und vom 28. Mai 2020 aaO Rn. 33). Eine sekundäre Darlegungslast des Notars nach diesen Grundsätzen ist für die in seiner Sphäre liegenden Umstände anzunehmen, die für seine Kenntnis von einer die Sittenwidrigkeit des Geschäfts nahelegenden Kaufpreissteigerung relevant sind (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2019 – III ZR 112/18, WM 2020, 659 Rn. 29).
37
bb) Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB übernimmt der Erbe die Ansprüche einschließlich der Regelung zur Darlegungs- und Beweislast, die sich daraus für den Erblasser ergeben hätte, wenn der Anspruch noch unmittelbar ihm gegenüber erhoben worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 1993 – IV ZR 246/92, juris Rn. 2 und vom 28. Februar 2019 – IV ZR 153/18, ZEV 2019, 261 Rn. 11 mwN; OLG Köln, Beschluss vom 29. Juni 2017 – 16 U 106/16, juris Rn. 23; Staudinger/Kunz (2017), BGB, § 1922 Rn. 655; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl., § 1967 Rn. 9).
38
cc) Die Darlegungslast des Erben gilt auch für den Nachlassverwalter. Dieser ist zwar nicht gesetzlicher Vertreter des Erben, sondern amtlich bestelltes Organ zur Verwaltung einer fremden Vermögensmasse mit eigener Parteistellung (RGZ 135, 305, 307; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl., § 1985 Rn. 2 mwN). Seine darlegungs- und beweisrechtliche Position stimmt jedoch mit derjenigen des Erben überein. Das folgt aus dem Zweck der Nachlassverwaltung. Letztere ermöglicht es dem Erben, seine Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken (MüKoBGB/Küpper aaO § 1975 Rn. 2), und schützt ihn davor, sich auf einen Nachlassrechtsstreit einlassen und die Kosten hierfür aufbringen zu müssen (Lohmann in BeckOK BGB, § 1984 Rn. 6 [Stand: 1. Februar 2022]). Zugleich dient sie, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 1975 BGB ergibt, den Interessen der Nachlassgläubiger, auf deren Befriedigung sie gerichtet ist (MüKoBGB/Küpper aaO; Staudinger/Dobler, BGB, Neubearbeitung 2020, § 1975 Rn. 18). Ihren Zweck erreicht die Nachlassverwaltung durch die Absonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben und die Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass auf den Nachlassverwalter (§ 1984 BGB). Eine Änderung der Darlegungs- und Beweislast hat dies nicht zur Folge. Im Gegenteil wäre die Durchsetzung von Nachlassverbindlichkeiten für die Nachlassgläubiger in einer mit dem Zweck der Nachlassverwaltung nicht zu vereinbarenden Weise erschwert, wenn dem Nachlassverwalter nicht dieselbe Darlegungslast obläge wie dem Erben. Auch wäre es nicht durch die Zwecke der Nachlassverwaltung gerechtfertigt, wenn der Erbe sein Antragsrecht (§ 1981 Abs. 1 BGB) dazu instrumentalisieren könnte, die ihm obliegende Darlegungslast zu umgehen und damit die Durchsetzung von Nachlassverbindlichkeiten gezielt zu erschweren.
39
b) aa) Vorliegend kann dahinstehen, ob den Erben – und damit den Beklagten als Nachlassverwalter – eine sekundäre Darlegungslast in demselben Umfang trifft, in dem sie dem Erblasser oblegen hätte (so für den Erben BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 aaO). Denn den Beklagten trifft – worauf die Revision zu Recht hinweist – jedenfalls die prozessuale Pflicht, sich hinsichtlich der von der Erblasserin behaupteten Umstände betreffend die Kenntnis des Notars von die Sittenwidrigkeit des Geschäfts nahelegenden Kaufpreissteigerungen und betreffend die umfassende Einbindung des Notars in das gesamte Immobiliengeschäft – soweit möglich – kundig zu machen (vgl. OLG Köln aaO) und zu dem Ergebnis seiner Nachforschungen vorzutragen. Gegenstand dieser Nachforschungen sind vor allem die ihm zugänglichen Unterlagen des Erblassers (zur Aufgabe des Nachlassverwalters, die Unterlagen des Erblassers zu sichten und durchzuarbeiten vgl. Lohmann in BeckOK BGB, § 1985 Rn. 5 [Stand: 1. Februar 2022]). Ein pauschales Bestreiten ist dem Beklagten vor diesem Hintergrund verwehrt und prozessual unbeachtlich.
40
bb) Dieser Darlegungslast hat der Beklagte nicht genügt. Er hat geltend gemacht, der Preis, zu dem die Erblasserin die Wohnungen gekauft habe, sei nicht sittenwidrig überhöht und vom Notar nicht zu hinterfragen gewesen (Schriftsatz vom 20. Juli 2017, S. 2). Den Vortrag der Erblasserin zu dessen Kenntnis hat er als unsubstantiiert gerügt und vorsorglich bestritten (Schriftsatz vom 27. Juni 2018, S. 2). Er hat jedoch nicht – wie erforderlich – dargelegt, welche Nachforschungen er in Bezug auf die Einbindung des Notars in das Immobiliengeschäft und dessen Kenntnis von den Kaufpreissteigerungen unternommen hat und welche Erkenntnisse sich hieraus ergeben haben. So hat er insbesondere nicht hinreichend vorgetragen, in welche – ihm zur Verfügung stehenden oder für ihn einsehbaren – Unterlagen des Notars er Einsicht genommen hat und was sich hieraus hinsichtlich der Kenntnis des Notars von den Kaufpreissteigerungen schon zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages zwischen der Erblasserin und der Verkäuferin ergibt. Soweit die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang auf den erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten in seinen Schrift-sätzen vom 29. Mai 2017 (S. 5) und 20. Juli 2017 (S. 2) verweist, wonach er über keine Abrechnungsunterlagen des verstorbenen Notars aus dem Jahr 2006 und keine Unterlagen verfüge, um den Vortrag der Erblasserin über die mehrfache Veräußerung von Häusern oder Wohnungen nachvollziehen zu können, genügt dies der vorgenannten Darlegungspflicht des Beklagten nicht. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, welche Nachforschungen der Beklagte angestellt hat, um sich hinsichtlich der von der Erblasserin behaupteten Umstände betreffend die Kenntnis des Notars von die Sittenwidrigkeit des Geschäfts nahelegenden Kaufpreissteigerungen und betreffend die umfassende Einbindung des Notars in das gesamte Immobiliengeschäft kundig zu machen, welche konkret bezeichneten Unterlagen des Erblassers ihm zur Verfügung stehen und welche Anstrengungen er unternommen hat, um Einsicht in ihm nicht zur Verfügung stehende Unterlagen zu erhalten.
41
4. Die Klageabweisung kann schließlich, soweit sie nicht bereits aus den vorstehend unter Nummer 1 dargelegten Gründen in Höhe eines Betrages von 21.407,17 € rechtsfehlerhaft erfolgt ist, nicht mit der Begründung Bestand haben, die Erblasserin habe ihren Schaden nicht nachvollziehbar dargelegt.
42
a) Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von 21.401,17 € aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO wegen Verletzung der Hinwirkungspflicht nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. ergibt sich dies bereits aus dem Urteil vom 10. März 2016. Letzteres enthält die Feststellung, dass der „geltend gemachte Schadensersatzanspruch“ besteht. Geltend gemacht hatte die Erblasserin den die behaupteten Zahlungen auf das Darlehen betreffenden Anspruch in Höhe von 21.401,17 €. Das Urteil umfasst daher die Feststellung, dass der Erblasserin ein Schaden zumindest in dieser Höhe entstanden ist. Soweit darin ausgeführt wird, der Erblasserin stehe gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO zu, ist dies nicht im Sinne einer fehlenden Entscheidung über die Anspruchshöhe zu verstehen. Es handelt sich vielmehr, wie auch die Gliederung der Urteilsgründe erkennen lässt, allein um eine Abgrenzung zu der noch nicht feststellbaren fehlenden anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO. Damit steht rechtskräftig fest, dass der im Vorprozess geltend gemachte Anspruch der Erblasserin von 21.407,17 € nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach besteht.
43
b) Auf der Grundlage des revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrags der Erblasserin ist dieser ein weiterer Schaden durch Belastung mit Verbindlichkeiten gegenüber der Bank entstanden, von denen sie, sofern ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht, Befreiung verlangen kann. Der Befreiungsanspruch ist um der Erblasserin erwachsene Vorteile zu mindern. Diese führen jedoch nicht zu einem gänzlichen Wegfall des Schadens.
44
aa) Die Erblasserin hat unter Bezugnahme auf das im Vorprozess ergangene Berufungsurteil vom 10. März 2016 vorgetragen, dass sie einer Rückzahlungsforderung der Bank in Höhe von 67.190,38 € nebst Zinsen ausgesetzt sei und diese noch nicht zurückgeführt habe (Schriftsätze vom 15. Dezember 2016, S. 5, und vom 5. Februar 2020, S. 9). Damit hat sie hinsichtlich dieses Betrages – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung – ihrer Substantiierungspflicht genügt.
45
Die vorgenannte Summe, zu deren Zahlung die Erblasserin im Vorprozess auf die Widerklage der Bank durch das Kammergericht verurteilt worden ist, ergibt sich aus den 117.190, 38 €, zu deren Zahlung die Erblasserin im Vorprozess durch das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Januar 2012 verurteilt worden war, abzüglich einer zwischenzeitlich (nach dem Verkauf der Wohnungen) erfolgten Zahlung von 50.000 € auf den Darlehensrückzahlungsanspruch (Urteil des Kammergerichts vom 10. März 2016, S. 25). Der Betrag von 117.190,38 € beruht auf dem von der Bank als Beklagte zu 6 des Vorprozesses in ihrem Schreiben vom 9. Februar 2010 (Bd. I Bl. 98 der Akten des Vorprozesses; in Bezug genommen im erstinstanzlichen Urteil des Vorprozesses [S. 6]) genannten Rückforderungsbetrag von 129.954,04 €, den sie im Vorprozess mit Schriftsatz vom 15. September 2011 (S. 26 f) im Einzelnen erläutert hat (Bd. I Bl. 86 f der Akten des Vorprozesses: Restschuld per 9. Februar 2010 zzgl. Zahlungsrückstand per 9. Februar 2010, Zinsen vom 1. bis zum 9. Februar 2010 und Vorfälligkeitsentschädigung) und hinsichtlich dessen das Landgericht Berlin im Vorprozess lediglich einen Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung von 12.763,66 € nicht für begründet erachtet hat (S. 20 des Urteils vom 11. Januar 2012). Angesichts dieser auch dem – am Vorprozess beteiligten – Beklagten bekannten Angaben und Berechnungsgrundlagen war von der Erblasserin weiterer Vortrag zur Substantiierung des Betrages von 67.190,38 € nicht zu fordern.
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bb) Von der vorgenannten Summe sind die Vorteile in Abzug zu bringen, die der Erblasserin im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnungen zugeflossen sind.
47
(1) Ob eine spätere Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflusst, ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Danach sind Wegfall oder Minderung des Schadens nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten (st. Rspr.; z.B. Senat, Urteile vom 15. Juli 2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 35 und vom 18. Oktober 2018 – III ZR 497/16, NJW 2019, 215 Rn. 17; BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 – VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 Rn. 18 und vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 65; jew. mwN). Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 aaO und vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468 Rn. 20 mwN, insoweit in BGHZ 200, 350 nicht abgedruckt).
48
Die Darlegungs- und Beweislast für anspruchsmindernd zu berücksichtigende Vorteile des Geschädigten trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger. Den Geschädigten trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, soweit der Schädiger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und dem Geschädigten nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urteile vom 31. Mai 2010 – II ZR 30/09, NJW 2010, 2506 Rn. 26 mwN und vom 4. April 2014 aaO Rn. 22). Bei einer Schadensminderung durch Mieteinnahmen genügt der Schädiger seiner Darlegungslast durch die Behauptung, dass Mieteinkünfte erwirtschaftet worden seien, sofern ihm nicht bekannt ist und er auch nicht zuverlässig ermitteln kann, in welcher Höhe der Geschädigte Mieteinnahmen erzielt hat und inwieweit diese wiederum durch Betriebs- und Unterhaltskosten geschmälert sind. Demgegenüber obliegt es dem Geschädigten, Angaben zu den zur Berechnung des Vorteils erforderlichen Umständen zu machen, um einerseits den Vortrag zur Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs zu vervollständigen und wieder schlüssig zu machen und andererseits dem Schädiger die Möglichkeit zu geben, zu den konkretisierten Angaben Stellung zu nehmen und diese entweder zu akzeptieren oder sie zu widerlegen (BGH, Urteil vom 3. Mai 2002 – V ZR 115/01, NJW-RR 2002, 1280).
49
(2) Nach diesen Grundsätzen sind vorliegend im Rahmen der Vorteilsausgleichung sowohl der zur Ablösung von Altverbindlichkeiten gezahlte Betrag von 25.902,42 € als auch die der Erblasserin zugeflossenen Mieteinnahmen, gemindert um etwaige Betriebs- und Unterhaltskosten, zu berücksichtigen.
50
(a) Die Ablösung von Altverbindlichkeiten in Höhe von 25.902,42 € steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnungen und korrespondiert mit dem durch das Darlehen finanzierten Kaufpreis, weil sie eine zusätzlich zur Übertragung des Wohnungseigentums erbrachte Leistung der Verkäuferin an die Erblasserin ist.
51
Der Vortrag der Erblasserin, zum Ausgleich der Altverbindlichkeiten sei es – ohne konkrete Absprache – erst nach der Beurkundung des Kaufvertragsangebots gekommen (Schriftsatz vom 31. März 2017, S. 3), ist insofern nicht entscheidungserheblich. Denn auch in diesem Fall wäre die Ablösungszahlung ein wirtschaftlich aus dem Kaufpreis und damit aus dem Darlehen zugewandter Vorteil, den die Erblasserin nicht zurückzuerstatten hatte, sondern der ihr dauerhaft verblieb und ihre Gesamtverbindlichkeiten verringerte. Dass die Verkäuferin diese Leistung nur erbracht haben wird, um die Durchführung eines lukrativen Geschäfts sicherzustellen, ändert an der vorstehenden Wertung nichts. Vielmehr spricht gerade diese von der Erblasserin vorgetragene Motivation gegen die Annahme, ihr solle der Vorteil auch dann verbleiben, wenn sie im Wege des Schadensersatzes Befreiung von den mit dem Geschäft verbundenen Belastungen beanspruche könne.
52
(b) Ebenfalls in Abzug zu bringen sind Mieteinnahmen, soweit sie nicht durch Betriebs- und Unterhaltskosten gemindert sind. Der Beklagte hat insofern seiner Darlegungslast zunächst genügt, indem er geltend gemacht hat, die Erblasserin habe Mieteinnahmen erzielt (Schriftsatz vom 28. Februar 2017, S. 2).
53
Die sekundär darlegungsbelastete Erblasserin hat zu deren Höhe vorgetragen, die Mietüberschüsse – Mieteinnahmen abzüglich Wohngeld – hätten sich auf durchschnittlich 3.522 € pro Jahr und bis einschließlich Juli 2009 auf insgesamt 9.115,04 € belaufen; die Mietüberschüsse seien aber durch die Darlehenszinsen von jährlich 6.043,22 € aufgezehrt worden (Schriftsatz vom 5. Februar 2020, S. 10 f). Letztere Behauptung widerspricht zwar für den Zeitraum ab August 2009 der unstreitigen Tatsache, dass die Erblasserin das Darlehen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bediente. Zudem können – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – die bis Juli 2009 gezahlten Darlehensraten neben ihrer Geltendmachung als Schadensersatz nicht ein weiteres Mal in Gestalt eines Abzuges von den seitens der Erblasserin erzielten Mieteinnahmen in Ansatz gebracht werden. Unabhängig davon ermöglichen die Angaben der Erblasserin jedoch eine Schätzung nach § 287 ZPO, da dem Betrag von 9.115,04 € bis Juli 2009 der Betrag hinzuaddiert werden kann, der sich für die Zeit bis zum Verkauf der Wohnungen im Juni 2014 auf der Grundlage durchschnittlicher Mietüberschüsse von 3.522 € pro Jahr ergibt.
54
Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Berufungsgerichts, das Vorbringen der Erblasserin genüge nicht, um zu prüfen, ob ihr nach Abzug der Vorteile ein Schaden verblieben sei, nicht gerechtfertigt. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil auch der Beklagte lediglich pauschal Mieteinnahmen der Erblasserin behauptet hat. Soweit er im Anschluss an den klägerischen Schriftsatz vom 5. Februar 2020 die dort getätigten Angaben der Erblasserin mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020 mit Nichtwissen bestritten hat, hat dies keine weitergehende sekundäre Darlegungslast der Erblasserin ausgelöst. Denn eine zulässige Erklärung mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass die Partei für die jeweiligen Tatsachen nicht darlegungs- und beweisbelastet ist (Senat, Urteil vom 2. Juli 2009 – III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 14 mwN; BGH, Urteil vom 4. April 2014 aaO Rn. 12). Dies ist vorliegend hinsichtlich der im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigenden Mietüberschüsse der Erblasserin in Bezug auf den Beklagten nicht der Fall. Vielmehr trifft ihn insoweit – wie ausgeführt (vorstehend zu (1)) – die Darlegungs- und Beweislast.
55
c) Die Belastung mit Kosten des Vorprozesses ist ein durch die Amtspflichtverletzung adäquat-kausal verursachter und damit ersatzfähiger Schaden, soweit die Inanspruchnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO vorrangig haftender Personen rechtlich wie wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg bot.
56
aa) Zwar fehlt es dem auf Befreiung von den Kosten des Vorprozesses gerichteten Klageantrag an der für einen Leistungsantrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit, weil die Kosten nicht beziffert sind und ein dem Antrag entsprechendes Urteil damit nicht vollstreckungsfähig wäre. Ein auf Befreiung von einer Geldschuld gerichteter Klageantrag setzt die bestimmte Angabe von Grund und Höhe der Schuld voraus, von der befreit zu werden der Kläger begehrt (BGH, Urteile vom 18. März 1980 – VI ZR 105/78, NJW 1980, 1450, insoweit in BGHZ 76, 249 nicht abgedruckt; vom 4. Dezember 1980 – IVa ZR 32/80, BGHZ 79, 76, 77 f; vom 4. Juni 1996 – VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725, 2726 und vom 4. Oktober 2000 – VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155, 156). Ein unbezifferter Befreiungsantrag kann aber in einen zulässigen Feststellungsantrag umgedeutet werden (BGH, Urteil vom 18. März 1980 aaO; RGZ 122, 284, 289 f; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 253 Rn. 149).
57
bb) Ergreift der durch eine notarielle Amtspflichtverletzung Geschädigte Maßnahmen der Rechtsverfolgung gegen Personen, deren Haftung gegenüber derjenigen des Notars nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO vorrangig ist, so beruhen die dadurch verursachten Kosten auf seinem eigenen Entschluss. Damit diese Kosten als adäquat-kausal auf der Amtspflichtverletzung beruhender Schaden ersatzfähig sind, ist, ebenso wie in anderen Fällen psychisch vermittelter Kausalität (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 11 mwN), erforderlich, dass für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand oder dass diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses Ereignis darstellt (Senat, Urteil vom 16. Oktober 2003 – III ZR 62/03, NJW 2004, 69, 70; BGH, Urteil vom 7. Januar 1988 – IX ZR 7/87, NJW 1988, 1262, 1263 mwN). Entscheidend ist, ob die Klage eine Maßnahme ist, die der Geschädigte vernünftigerweise ergreifen kann, um von einem möglicherweise vorrangig Ersatzpflichtigen Ersatz zu erlangen (Senat, Urteil vom 27. Oktober 1955 – III ZR 82/54, BGHZ 18, 366, 371 f [zu § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB]; BGH, Urteil vom 18. April 2002 – IX ZR 72/99, NJW 2002, 2787, 2789 f, insoweit in BGHZ 150, 319 nicht abgedruckt [zu § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO]). Dies ist für die Kosten eines Rechtsstreits in erster Instanz anzunehmen, wenn und soweit die Klage rechtlich wie wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg bot (Senat aaO S. 372 f; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 19 Rn. 122, 186; Schramm in BeckOK BNotO, § 19 Rn. 99 [Stand: 31. Juli 2021]) und sich nicht als Maßnahme darstellt, die dem Geschädigten nicht zumutbar ist und die ein vernünftiger Geschädigter auch nicht ergreifen würde, etwa wenn die Möglichkeit, anderweitig Ersatz zu erlangen, nur auf weitläufigen, unsicheren und im Ergebnis zweifelhaften Wegen zu verwirklichen ist (vgl. Senat, Urteile vom 11. November 2004 – III ZR 101/03, NJW-RR 2005, 284, 285 und vom 3. Juli 2008 – III ZR 189/07, NJW-RR 2008, 1506 Rn. 12; BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 – IX ZR 299/95, NJW 1996, 3009, 3011; jew. mwN). Kosten eines Rechtsmittels, das der Geschädigte gegen ein ihm ungünstiges erstinstanzliches Urteil einlegt, sind hingegen regelmäßig nicht ersatzfähig, soweit es zur Interessenwahrung des Geschädigten genügt, mittels einer Streitverkündung gegenüber dem Notar Bindungswirkung für den nachfolgenden Amtshaftungsprozess herzustellen und dem Notar damit selbst die Möglichkeit zu geben, Rechtsmittel einzulegen, sofern er dies für aussichtsreich erachtet (Schramm aaO).
58
cc) Ersatzfähig sind danach die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens des Vorprozesses, soweit die Rechtsverfolgung rechtlich wie wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg bot. Hierzu wird das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Die der Erblasserin zugeflossenen Vorteile – Mieteinnahmen und Ablösung der Altverbindlichkeiten – mindern den Befreiungsanspruch bezüglich der Kosten des Vorprozesses nicht, weil sie mit diesen nicht in dem für eine Vorteilsausgleichung erforderlichen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. zu letzterem BGH, Urteile vom 6. Juni 1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52, 54 und vom 2. April 2001 – II ZR 331/99, WM 2001, 2251, 2252).
III.
59
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). In Höhe des vom Landgericht zu Recht zuerkannten Betrages von 21.401,17 € kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückweisen. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
60
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
61
1. Im Hinblick auf einen Anspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO wegen Verletzung der Amtspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. wird das Berufungsgericht, soweit Forderungen betroffen sind, die im Vorprozess nicht streitgegenständlich waren und daher nicht von der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 10. März 2016 erfasst werden, gegebenenfalls Feststellungen zu dem vom Beklagten erhobenen Einwand zu treffen haben, die Erblasserin hätte den Vertrag über den Kauf der Wohnungseigentumsrechte in jedem Fall abgeschlossen, selbst wenn der Notar die Beurkundung mit Rücksicht auf die Wartefrist abgelehnt hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das auf den Vertragsschluss folgende Verhalten der Erblasserin sowohl Indiz für den unbedingten Entschluss zum Erwerb der Wohnungen als auch nur Ausdruck nolens volens geübter Vertragstreue sein kann (Senat, Urteil vom 22. April 2021 – III ZR 164/19, WM 2021, 1561 Rn. 12).
62
2. Sollte der Beklagte im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch wegen Verletzung notarieller Amtspflichten aus § 14 Abs. 2 BNotO und § 4 BeurkG das Vorbringen der Erblasserin zu der Kenntnis des Notars von die Sittenwidrigkeit des Geschäfts nahelegenden Kaufpreissteigerungen und zu dessen umfassender Einbindung in das gesamte Immobiliengeschäft nach den vorstehend (zu II 3 b) dargelegten Maßstäben hinreichend bestreiten, wird zu dem Vorbringen der Erblasserin Beweis zu erheben sein. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Erblasserin ihren Vortrag hinreichend unter Beweis gestellt. Insbesondere hat sie, worauf die Revision zu Recht hinweist, zum Beweis ihrer Behauptung, der Notar sei vor dem 6. Februar 2006 damit beauftragt worden, sämtliche Beurkundungen im Zusammenhang mit Erwerb und Vertrieb der Wohnungen aus dem Komplex K. straße /S. Straße vorzunehmen, unter konkreter Bezugnahme auf das zu beweisende Vorbringen den Zeugen T. benannt (Schriftsatz vom 4. Juli 2017, S. 1, iVm Schriftsatz vom 2. Juni 2017, S. 2 ff).
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Das Berufungsgericht wird sich bei seiner Sachverhaltswürdigung auch mit den Rügen der Revision betreffend die Frage auseinanderzusetzen haben, ob dem Notar aufgrund der Beurkundung zahlreicher Verträge und Erklärungen zu dem Objekt K. straße /S. Straße in dem Zeitraum zwischen dem Ankaufsvertrag vom 6. Februar 2006 und dem Kaufangebot der Klägerin vom 27. Februar 2006 die enormen Kaufpreissteigerungen hätten auffallen müssen. Der Senat hat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung, auf diese Rügen einzugehen.
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3. Sollte dem Kläger – nach hinreichendem Bestreiten durch den Beklagten (s.o.) – der Beweis nicht gelingen, dass der Notar zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufangebots der Erblasserin am 27. Februar 2006 Kenntnis von die Sittenwidrigkeit des Geschäfts nahelegenden Kaufpreissteigerungen hatte, wird sich das Berufungsgericht mit der Zulässigkeit und Begründetheit der von der Revision geltend gemachten Klageerweiterung im Berufungsverfahren im Hinblick auf spätere Pflichtverletzungen des Notars bei der Beurkundung der Annahme des Angebotes, der Auflassung und der Grundschuldbestellung zu befassen haben. Die Revision führt insoweit zutreffend an, dass der im Berufungsurteil (S. 16 Abs. 2) erwähnte Hinweis des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2019 auf eine bisher fehlende Klageerweiterung nicht protokolliert worden ist. Sie verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die vorliegend anwendbare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der zugunsten des Hinweisadressaten zu unterstellen ist, dass ein Hinweis nicht erteilt wurde, wenn sich das einen solchen Hinweis dokumentierende Berufungsurteil – wie hier – nicht dazu verhält, ob die Protokollierung versehentlich unterlassen wurde (BGH, Urteil vom 22. September 2005 – VII ZR 34/04, BGHZ 164, 166, 172 f; Beschluss vom 3. Juli 2014 – IX ZR 285/13, WM 2014, 1786 Rn. 14).
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4. Soweit der Kläger Befreiung von Forderungen der Bank und von den Kosten des Vorprozesses begehrt, wird das Berufungsgericht, sofern der Anspruch dem Grunde nach besteht, Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen haben.
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a) Zur Behauptung der Erblasserin, sie sei Forderungen der Bank in Höhe von 67.190,38 € ausgesetzt, hat sich der Beklagte in zulässiger Weise mit Nichtwissen erklärt (§ 138 Abs. 4 ZPO). Der Umstand, dass er an dem Vorprozess beteiligt war, in dem die Erblasserin zur Zahlung von 67.190,38 € nebst Zinsen an die Bank verurteilt worden ist, ändert daran nichts, weil die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils insofern nicht gegenüber dem Beklagten wirkt. Dass ein Anspruch der Bank gegen den Kläger auf Darlehensrückzahlung in Höhe von 67.190,38 € besteht, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht wegen der Tatbestandswirkung des erstinstanzlichen Urteils als unstreitig anzusehen. Dem Tatbestand kommt keine Beweiskraft zu, wenn und soweit er Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweist und sich dies aus dem Urteil selbst ergibt (st. Rspr.; z.B. BGH, Urteil vom 12. Mai 2015 – VI ZR 102/14, WM 2015, 1562 Rn. 48 mwN). Der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist im Hinblick auf den Anspruch der Bank widersprüchlich, weil er die Tatsache, dass sich der Restsaldo des Darlehens auf 67.190,38 € beläuft, sowohl im unstreitigen Sachverhalt als auch im streitigen Klägervorbringen enthält.
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b) Im Hinblick auf die in Abzug zu bringenden Vorteile bedarf es tatsächlicher Feststellungen zu den Mieteinnahmen sowie zur Frage, ob von den Mietüberschüssen, wie die Erblasserin mit Schriftsatz vom 28. April 2017 geltend gemacht hat, weitere Kosten für Betrieb und Unterhalt der Eigentumswohnungen in Abzug zu bringen sind. Dabei ist der Beklagte gehalten, sich im Rahmen seiner Darlegungslast darüber zu erklären, ob er die von der Erblasserin insoweit vorgetragenen Werte zu den Mieteinnahmen akzeptiert (zur Unzulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen vgl. vorstehend zu II 4 b bb (2) (b)). Davon hängt es ab, ob der Kläger, um seiner sekundären Darlegungslast zu genügen, weitere Angaben zu Miete und Wohngeld für jeden einzelnen Monat zu tätigen hat.
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5. Bei der neuen Verhandlung hat das Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit dem vom Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwand zu befassen, auf den im Revisionsverfahren einzugehen keine Veranlassung besteht. Gleiches gilt für die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede.
- Herrmann
- Remmert
- Arend
- Böttcher
- Kessen