BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 07.06.2022, AZ 4 BN 2/22, ECLI:DE:BVerwG:2022:070622B4BN2.22.0
Verfahrensgang
vorgehend OVG Lüneburg, 7. Oktober 2021, Az: 1 KN 4/20, Urteil
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
Gründe
1
Die auf alle Zulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; siehe z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 – 4 B 27.19 – ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 – 4 BN 3.20 – juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.
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a) Die Fragen,
anhand welcher Kriterien einzelne in einem Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete voneinander abzugrenzen oder aber einer übergreifenden gemeinsamen Betrachtung zu unterziehen sind,
sowie
wann und unter welchen Voraussetzungen von einem einheitlichen Baugebiet auszugehen ist und ob im Einzelfall eine Zusammenschau mit anderen explizit ausgewiesenen Baugebieten derselben oder auch einer abweichenden Kategorie erfolgen darf,
führen, soweit sie das vorliegende Verfahren überhaupt aufwirft, nicht zur Zulassung der Revision. Denn sie sind so unbestimmt formuliert, dass sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich sind. Es ist indes nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, abstrakte Rechtsfragen im Stil eines Rechtsgutachtens für alle denkbaren Sachverhaltsvarianten aufzuarbeiten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 24. März 2021 – 4 BN 46.20 – juris Rn. 5 m. w. N.).
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b) Die Beschwerde sieht weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf dahingehend,
welche rechtlichen Anforderungen an die Feststellung einer originären Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans zu stellen sind, wann also davon auszugehen ist, dass die dem Bebauungsplan seitens des Plangebers zugedachte bauplanungsrechtliche Funktion erkennbar nicht oder jedenfalls nicht auf absehbare Zeit wird erfüllt werden können,
sowie
welche rechtlichen Anforderungen an die Feststellung einer – ggf. partiellen oder generellen – originären Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans zu stellen sind, in dem aus immissionsschutzrechtlichen Gründen eine auffallend feingliedrige Baugebietsstruktur ausgewiesen worden ist, die unter anderem – um den Immissionsrichtwerten der TA Lärm gerecht zu werden – mehrere Baugebiete desselben Typs festsetzt und damit bauplanungsrechtlich ausdifferenziert.
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Auch diese Fragen führen, soweit sie einer revisionsgerichtlichen Klärung zugänglich sind, nicht zur Zulassung der Revision. Denn diese letztlich auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bezogenen Fragestellungen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Ihnen liegt die Annahme zugrunde, bei den im Bebauungsplan festgesetzten MU 1 bis 4 handele es sich um vier eigenständige Baugebiete. Das Oberverwaltungsgericht ist in Auslegung des Bebauungsplans indessen davon ausgegangen, dass hier mit den MU 1 bis 4 ein einheitliches urbanes Gebiet festgesetzt worden ist. Folglich ist in Bezug auf die städtebauliche Erforderlichkeit der Planung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) das gesamte urbane Gebiet in den Blick zu nehmen. Dass einer so verstandenen Festsetzung dauerhafte Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen würden (siehe hierzu BVerwG, Urteile vom 30. August 2001 – 4 CN 9.00 – BVerwGE 115, 77 <85> und vom 21. März 2002 – 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144 <148>; Beschluss vom 24. Februar 2022 – 4 BN 49.21 – juris Rn. 4 m. w. N.), behauptet selbst die Beschwerde nicht.
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Hinsichtlich der weiteren in diesem Zusammenhang formulierten Frage,
ob die mangelnde Vollzugsfähigkeit eines Bebauungsplans durch eine gerichtliche Auslegung „geheilt“ werden darf, die besagt, dass mehrere in einem Bebauungsplan ausgewiesene, klar voneinander zu unterscheidende Baugebiete zu einem übergeordneten Baugebiet „hochgezont“ werden dürfen,
verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Weder ist ausgeführt, warum die Frage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig, noch warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Die Beschwerde verkennt zudem, dass es hier nicht um die „Heilung“ etwaiger Festsetzungsmängel des angefochtenen Bebauungsplans geht, sondern um die Ermittlung des Inhalts des Bebauungsplans und seiner Festsetzungen im Wege der Auslegung. Dass die Antragstellerin das Auslegungsergebnis der Vorinstanz nicht teilt, ist unbeachtlich.
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c) Zur textlichen Festsetzung in § 5 Abs. 9 des Bebauungsplans möchte die Beschwerde rechtsgrundsätzlich klären lassen,
welche inhaltlichen Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit entsprechender Abweichungsklauseln, die notwendige schallimmissionsschutzrechtliche Festsetzungen betreffen, zu stellen sind.
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Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision; sie ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Die Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Festsetzungen eines Bebauungsplans sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 4 BN 46.15 – juris Rn. 6 m. w. N.; Urteil vom 11. März 1988 – 4 C 56.84 – Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30 S. 1). Danach hängt das Maß der gebotenen Konkretisierung wesentlich von der Art der jeweiligen Festsetzung, von den Planungszielen und von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von den örtlichen Verhältnissen, auf die ein Bebauungsplan trifft (siehe schon BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1976 – 4 C 26.74 – BVerwGE 50, 114 <120 ff.>). Ob eine Planaussage dem Bestimmtheitserfordernis genügt, ist in aller Regel eine Frage der durch das Tatsachengericht vorzunehmenden Auslegung des Bebauungsplans im Einzelfall und daher keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 1995 – 4 N 2.95 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 21 S. 5 und vom 25. November 2021 – 4 BN 13.21 – ZfBR 2022, 259 Rn. 12). Einen über diese Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
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d) Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die textliche Festsetzung in § 5 Abs. 3 des Bebauungsplans in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB eine ausreichende Rechtsgrundlage findet und dass der Verzicht der Antragsgegnerin, sich eine Wiedererrichtung (wegfallender) Baukörper im MU 3 und 4 vertraglich zusichern zu lassen, unproblematisch ist, weil Baugenehmigungen − bauordnungsrechtlich ohne weiteres zulässig − in den von der Festsetzung betroffenen Wohngebieten nur entweder (wie hier) für einheitliche Vorhaben, die auch die MU-Bebauung erfassen, oder unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erteilt werden können (UA S. 23 f.). Im Hinblick hierauf hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig,
welche rechtlichen Anforderungen an die Aufrechterhaltung bzw. an die Sicherstellung der Wiedererrichtung solcher Bauwerke bzw. Bauwerksteile zu stellen sind, die funktional für das örtliche Schallschutzkonzept von maßgeblicher Bedeutung sind.
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Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Beschwerde verfehlt insoweit die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil sie keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf aufzeigt. Vielmehr wendet sie sich im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die tatrichterliche Würdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall; damit ist der in Anspruch genommene Zulassungsgrund jedoch nicht dargelegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – 4 BN 18.21 – juris Rn. 4). Der Hinweis auf die Ausführungen im Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. März 2012 – 4 C 694/10.N – (juris) ändert hieran nichts. Denn anders als vorliegend war die dort beanstandete Regelung gerade nicht auf § 9 Abs. 2 Satz 1 BauGB gestützt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 29. März 2012 a. a. O. juris Rn. 67).
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e) Die Beschwerde hält ferner verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Ermittlung und Bewertung von Emissionen, die von durch den Bebauungsplan zugelassenen Nutzungen ausgehen („planverwirklichungsimmanente Emissionsquellen“), auf im Plangebiet zugelassene schutzwürdige (Wohn-)Nutzungen und deren Bedeutung für das Abwägungsgebot für grundsätzlich klärungsbedürftig. Sie zeigt aber auch insoweit keinen Klärungsbedarf auf (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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§ 1 Abs. 7 BauGB bestimmt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung (siehe § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln, zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Belange, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über einen Bauleitplan nicht erkennbar waren, sind nicht abwägungsbeachtlich. Welche Belange abwägungserheblich sind und ob abwägungserhebliche Umstände − wie hier Fragen des Immissionsschutzes − zutreffend ermittelt und bewertet worden sind, lässt sich nur bezogen auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls beantworten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2020 – 4 BN 42.20 – juris Rn. 4 und vom 22. April 2021 – 4 BN 59.20 – juris Rn. 6 f.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern gleichwohl fallübergreifender Klärungsbedarf besteht. Der Hinweis auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 30. Januar 2018 – 2 D 102/14.NE – (juris) und die Wiedergabe einer Textpassage aus diesem Urteil (a. a. O. Rn. 184) genügt hierfür nicht, zumal die Beschwerde jede Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats vermissen lässt.
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Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend macht, genügt die Beschwerde wiederum nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). In der Sache erschöpft sie sich auch hier in einer Urteilskritik, womit ein Verfahrensfehler nicht begründet werden kann.
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f) Auch in Bezug auf die zum Klimaschutz und dessen Bedeutung für die Abwägung formulierten Fragen verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderungen. Sie wendet sich vielmehr erneut in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Normenkontrollgericht und setzt dem ihre eigene Auffassung entgegen. Das genügt nicht. Die Beschwerde übersieht zudem, dass sich das Oberverwaltungsgericht Fragen zur Unterscheidung zwischen Mikro-, Meso- und Makroklima nur im Hinblick auf die Umweltprüfung und den Umweltbericht gestellt hat (UA S. 9), nicht jedoch im Zusammenhang mit der Abwägung. Eine für die Entscheidung der Tatsacheninstanz nicht maßgebliche Rechtsfrage vermag jedoch die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34.07 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 5). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, nach Art eines Rechtsgutachtens Rechtsfragen zu klären, die sich dem Berufungsgericht nicht gestellt haben und die es deshalb auch nicht beantwortet hat (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2021 – 4 B 7.21 – juris Rn. 9 m. w. N.).
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2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils zu Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Insofern genügt die Beschwerde durchgängig nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43.17 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). Der Beschwerde obliegt es nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Das leistet die Beschwerde nicht.
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a) Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass das angefochtene Urteil in entscheidungserheblicher Weise vom Urteil des Senats vom 23. April 2009 – 4 CN 5.07 – (BVerwGE 133, 377) abweicht. Sie wirft dem Normenkontrollgericht vor, diese Entscheidung zur Begründung der − fehlerhaften − Rechtsauffassung herangezogen zu haben, die urbanen Gebiete MU 1 bis 4 seien als einheitliches Baugebiet zu bewerten. Eine Divergenz ist hiermit nicht dargetan. In der Sache rügt die Beschwerde die fehlerhafte Anwendung eines Rechtssatzes des Bundesverwaltungsgerichts. Hierauf kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Januar 2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 <448> und vom 24. August 2017 – 4 B 35.17 – juris Rn. 10).
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b) Die Beschwerde entnimmt dem Urteil des Senats vom 22. März 2007 – 4 CN 2.06 – (BVerwGE 128, 238) den Rechtssatz, dass die Einhaltung der Orientierungswerte der DIN 18005 im Innern eines Plangebiets für die Zulässigkeit von Wohngebietsausweisungen entscheidend sei. Hiervon sei das Oberverwaltungsgericht in entscheidungserheblicher Weise abgewichen. Auch das führt auf keine Divergenz. Das Urteil vom 22. März 2007 enthält den genannten Rechtssatz nicht, auch nicht „vice versa“, wie die Beschwerde mutmaßt. Das Normenkontrollgericht hat im Übrigen seiner Entscheidung ausdrücklich das Urteil des Senats vom 22. März 2007 zugrunde gelegt (vgl. UA S. 18 – 20). Sollte es hieraus falsche Schlüsse gezogen haben, wie die Beschwerde behauptet, würde es sich hierbei wiederum nur um Rechtsanwendungsfehler handeln, auf die eine Divergenzrüge nicht gestützt werden kann.
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c) Schließlich ist auch eine Divergenz zum Beschluss des Senats vom 23. Januar 2002 – 4 BN 3.02 – (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 109) nicht dargelegt. Dem angefochtenen Urteil entnimmt die Beschwerde den Rechtssatz, wonach § 50 BImSchG keinen allgemeinen Rechtssatz enthalte, der es verbiete, Wohngebäude in einer bislang gewerblich geprägten Umgebung anzusiedeln und damit − jedenfalls in gewissem Umfang − eine Umstrukturierung eines Gebiets hin zu einer stärker gemischten Nutzung einzuleiten. Ein hiervon abweichender Rechtssatz würde lauten, dass § 50 BImSchG einen ebensolchen allgemeinen Rechtssatz enthält. Dem Beschluss des Senats vom 23. Januar 2002 lässt sich ein solcher indessen nicht entnehmen. Soweit dort ausgeführt ist, die Bauleitplanung diene der städtebaulichen Ordnung (§ 1 Abs. 3 <scil. Satz 1> BauGB) und sei regelmäßig verfehlt, wenn sie − unter Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG − dem Wohnen dienende Gebiete anderen Grundstücken so zuordne, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die Wohngebiete nicht soweit wie möglich vermieden werden, wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass der Trennungsgrundsatz nicht strikt bindet, sondern im Rahmen der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) überwunden werden kann. Es handelt sich um eine Abwägungsdirektive, die Ausnahmen zugänglich ist, wenn sichergestellt werden kann, dass von der projektierten Nutzung im Plangebiet nur unerhebliche Immissionen ausgehen und im Einzelfall besondere städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht hinzutreten, die es rechtfertigen, eine planerische Vorsorge durch räumliche Trennung zurücktreten zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2012 – 4 CN 3.11 – BVerwGE 143, 24 Rn. 29). Das gilt in gleicher Weise für den umgekehrten Fall, wenn mithin die projektierte Nutzung − wie hier − solchen Immissionen ausgesetzt wird.
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Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang Fragen zum Trennungsgrundsatz für grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet, erschöpft sie sich in deren Formulierung und verfehlt damit abermals die Darlegungsanforderungen.
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3. Die geltend gemachten Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
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a) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, greift nicht durch.
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aa) Die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, es habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es weder bezüglich der örtlichen Situation am Verkehrsknotenpunkt 4 (Kreuzung N.straße/H.straße/S. Straße) noch bezüglich der örtlichen Verhältnisse im Plangebiet und seiner näheren Umgebung einen Ortsaugenschein durchgeführt habe, obwohl ein solcher schriftsätzlich angeregt worden sei. Das führt nicht auf einen Aufklärungsmangel.
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Für den Erfolg einer Aufklärungsrüge bedarf es der substantiierten Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des Tatsachengerichtes aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 29).
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Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Weder hieraus noch aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht vom 7. Oktober 2021 ergibt sich, dass die Antragstellerin die Durchführung eines Ortsaugenscheins beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2018 – 4 B 40.17 – juris Rn. 4).
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Die Beschwerde legt auch nicht dar, dass sich dem Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Aufklärung des Sachverhalts aufdrängen musste. Das Normenkontrollgericht hat sich in Bezug auf die durch die Bebauungsplanung verursachte Verkehrssituation maßgeblich auf das Verkehrsgutachten von Juli 2017 gestützt und diesem entnommen, dass für den Knotenpunkt 4 zwar keine konkreten Verbesserungsmöglichkeiten vorgesehen seien, es aber gleichwohl durch den Bebauungsplan nicht zu einer schlechthin nicht mehr zumutbaren Verkehrssituation komme. Substantiierte Darlegungen, die diesen Befund in Frage stellen könnten, seien dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich (UA S. 30). Welche zusätzlichen Erkenntnisse ein Ortsaugenschein insoweit hätte erbringen können, legt die Beschwerde nicht substantiiert dar, Mängel des Verkehrsgutachtens von Juli 2017 zeigt sie nicht auf. Mit der Immissionssituation, in welche das Plangebiet von der Antragsgegnerin hineingeplant wurde, hat sich das Oberverwaltungsgericht − unter Auswertung der im Bebauungsplanverfahren eingeholten Gutachten − ausführlich befasst (UA S. 14 – 25). Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ermittlung und Bewertung der auf das Plangebiet einwirkenden Lärmimmissionen keinen durchgreifenden Bedenken begegne. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. In der Sache erschöpft sie sich auch hier in einer Kritik an der rechtlichen Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht, was nicht genügt (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2020 – 4 B 28.19 – juris Rn. 10).
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bb) Mit dem in Bezug auf die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrages erhobenen Vorwurf einer Verletzung der Aufklärungspflicht hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Beschwerde legt nicht dar, dass auf der Grundlage der insofern maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts die Ablehnung des Beweisantrages als zu unbestimmt, auf eine Rechtsfrage bzw. auf eine unerhebliche Tatsache gerichtet (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2021 S. 4) im Prozessrecht keine Stütze findet (§ 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO; siehe BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2020 – 4 BN 54.19 – juris Rn. 11; Urteil vom 26. Oktober 2021 – 8 C 34.20 – NVwZ 2022, 244 Rn. 13).
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Mit dem Beschwerdevorbringen wird auch nicht substantiiert dargelegt, dass die vorliegenden und bewerteten Gutachten nicht ihren Zweck zu erfüllen vermochten, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2013 – 4 B 15.12 – BauR 2013, 1248 Rn. 19 m. w. N.), weil sie in sich fehlerhaft, unstimmig oder unsachlich wären oder sonst nicht als Entscheidungsgrundlage taugten (BVerwG, Beschluss vom 15. März 2021 – 4 B 14.20 – juris Rn. 21).
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b) Das Oberverwaltungsgericht hat schließlich nicht gegen seine aus § 86 Abs. 3 VwGO folgenden Pflichten verstoßen.
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Danach hat der Vorsitzende in jeder Phase des Verfahrens durch Hinweise darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt bzw. unklare Anträge erläutert werden. Ob ein gerichtlicher Hinweis zweckmäßig oder geboten ist, bestimmt sich nach der jeweiligen Prozesssituation. Maßgebend ist, inwieweit den Beteiligten die betreffenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände bekannt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1997 – 6 C 9.95 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382 S. 187 f.).
33
Gegenüber einem anwaltlich vertretenen Antragsteller ist die Hinweispflicht nicht von vornherein ausgeschlossen, aber ihrem Umfang nach geringer. Das Gericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist (BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 8 B 16.17 – juris Rn. 12). Eines Hinweises bedarf es aber dann, wenn andernfalls eine Überraschungsentscheidung droht (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2021 – 4 B 42.20 – juris Rn. 12). Dass ein solcher Fall hier vorlag, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Die Antragstellerin verkennt zudem, dass es ihr nach Ablehnung des Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung unter Mitteilung der Gründe unbenommen gewesen wäre, einen weiteren, die Mängel des ersten Beweisantrages vermeidenden Beweisantrag zu stellen. Von einem Rechtsanwalt kann jedenfalls erwartet werden, dass er die hierfür maßgebliche Regelung des § 86 Abs. 2 VwGO kennt und in der Lage ist, auch ohne gerichtliche Hilfe einen sachdienlichen Beweisantrag zu formulieren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2008 – 4 B 30.08 – BauR 2009, 233 Rn. 14 und vom 28. Juni 2019 – 7 B 26.18 – juris Rn. 11).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.