Beschluss des BPatG München 9. Senat vom 23.05.2022, AZ 9 W (pat) 28/18

BPatG München 9. Senat, Beschluss vom 23.05.2022, AZ 9 W (pat) 28/18, ECLI:DE:BPatG:2022:230522B9Wpat28.18.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2010 012 832

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hubert sowie der Richterin Kriener und der Richter Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Geier und Dipl.-Ing. Sexlinger

beschlossen:

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Patentabteilung 56 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung dreier Einsprüche das am 25. März 2010 angemeldete Patent 10 2010 012 832, dessen Erteilung am 21. Januar 2016 veröffentlicht wurde, mit der Bezeichnung

2

„Kraftfahrzeugsäule“

3

durch den am Ende der mündlichen Anhörung vom 16. Januar 2018 verkündeten Beschluss widerrufen.

4

Die Beschlussbegründung wurde am 16. Februar 2018 von den Unterzeichnenden signiert, jeweils in einer separaten Beschlussausfertigung versandt und laut jeweiligem Empfangsbekenntnis von der Patentinhaberin am 22. Februar 2018 und von den drei Einsprechenden am 21. bzw. 22. Februar 2018 empfangen.

5

Nach dieser Beschlussbegründung sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) für den Fachmann ausführbar offenbart. Er beruhe jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn er ergäbe sich wenn nicht schon in naheliegender Weise allein aus der Druckschrift

6

D11: DE 10 2008 021 492 B3,

7

so zumindest in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau der Druckschrift D11 mit der Druckschrift

8

D25: Carlsson et al.: “Manufacturing of parts in ultra high strength steel using local heat treatment“, Proceedings of ESDA 2006, 8th Biennial ASME Conference on Engineering Systems Design and Analysis, 4. – 7. Juli, 2006.

9

Die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 4, mit denen die Patentinhaberin ihr Patent in der Anhörung hilfsweise verteidigte und die sie mit Schriftsatz vom 22. Juni 2017 bzw. in der Anhörung am 16. Januar 2018 ein- bzw. überreicht hat, seien ursprünglich offenbart und ebenfalls für den Fachmann ausführbar, jedoch fehle auch ihnen die erfinderische Tätigkeit zumindest gegenüber einer Zusammenschau der Druckschriften D11 und D25.

10

Gegen diesen Beschluss der Patentabteilung 56 richtet sich die mit Schriftsatz vom 5. März 2018 eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin, die am selben Tag per Fax beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist und die die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 31. August 2020 begründet hat. Die Beschwerdeführerin verteidigte ihr Patent hierbei zunächst in der erteilten Fassung sowie in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 4, wie sie auch dem angegriffenen Beschluss der Patentabteilung 56 zugrunde lagen.

11

Der Beschwerde hat hieraufhin die Beschwerdegegnerin 1 mit einer sachlichen Eingabe vom 12. März 2021, die Beschwerdegegnerin 2 mit einer sachlichen Eingabe vom 4. November 2020 und die Beschwerdegegnerin 3 mit einer sachlichen Eingabe vom 4. Februar 2021 widersprochen.

12

Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 begründen ihre Auffassung der mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs in der erteilten Fassung jeweils mit mangelnder Neuheit gegenüber dem Inhalt der Druckschrift

13

D23: US 2007 / 0 261 769 A1

14

bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber der der Druckschrift D11 allein entnehmbaren Lehre bzw. in Kombination mit dem Inhalt einer der Druckschriften D25 oder

15

D9: Breidenbach et al: Sechs Wege zur optimalen B-Säule; von ThyssenKrupp/Incar-Projekt, ATZextra, November 2009.

16

Hinsichtlich der Gegenstände der Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 bemängeln sie jeweils mangelnde erfinderische Tätigkeit gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D11 allein bzw. in Kombination mit der Offenbarung der Druckschrift D25.

17

Die Beschwerdegegnerin 3 führt zur Ausführbarkeit des jeweiligen Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung bzw. in der Fassung nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 aus, dass es sich um ein hochkomplexes System zur Vergütung von Kraftfahrzeugsäulen handele, vom dem nur zwei von mindestens sieben Prozessparametern im Patent definiert seien. Darüber hinaus sei widersprüchlich, dass in der ursprünglichen Anmeldung ein Übergangsbereich von 50 mm, patentgemäß mit identischem Verfahren ein Übergangsbereich von 20 mm erreicht werden solle. Somit sei die Lehre des Streitpatents auf Basis der identisch zugeführten Wärmemenge in einem Unterbereich nicht realisierbar und damit nicht ausführbar. Zur mangelnden Patentfähigkeit der Gegenstände aller Anträge bringt die Beschwerdegegnerin 3 verschiedene Argumentationslinien vor. Hinsichtlich der erteilten Fassung und der Hilfsanträge 1 bis 4 sei mangelnde Neuheit gegenüber den Inhalten der Druckschriften D9, D11, D23,

18

D26: Hein et al.: Status and Innovation trends in Hot Stamping of USIBOR 1500 P, Steel Research International 79 (2008) N. 2, und

19

D30: DE 10 2009 042 387 A1

20

gegeben, ebenso mangelnde erfinderische Tätigkeit gegenüber dem Inhalt der Druckschriften D11 oder D26 allein oder gegenüber dem Inhalt der Druckschrift D11 in verschiedenen Kombinationen mit der Offenbarung der Druckschriften D25, D9, D23, D26, D30,

21

D24: DE 10 2004 023 579 A1 und

22

D28:  DE 10 2009 015 013 A1

23

bzw. gegenüber dem Inhalt der Druckschrift D23 oder D9 in Kombination mit der Offenbarung der Druckschrift D26. Darüber hinaus beruhten die Gegenstände der Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 3 auf einer willkürlichen Merkmalsauswahl.

24

Mit Datum vom 30. April 2021 ist ein Zwischenbescheid des zuständigen 9. Senats des Bundespatentgerichts ergangen. In diesem hat der 9. Senat unter anderem ausgeführt:

25

– dass der Senat als zuständigen Fachmann vorläufig einen Diplom-Ingenieur (FH) bzw. Master (Hochschule) der Fachrichtung Maschinenbau mit Schwerpunkt im Bereich der Umformtechnik ansehe, der über mehrere Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von Stahlbauteilen für den Karosseriebau verfügt,

26

– dass die Ausführbarkeit des Gegenstandes der Patentansprüche 1 aller zu diesem Zeitpunkt geltenden Anträge wohl zu bejahen sei, denn das Streitpatent richte sich an einen sehr spezialisierten Fachmann mit umfangreichem Fachwissen, so dass dieser Fachmann auf Basis eben dieses Fachwissens und gegebenenfalls mit zumutbaren Versuchen in der Lage sein dürfte, die beanspruchten Gegenstände nachzuarbeiten, und

27

– dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 aller zu diesem Zeitpunkt geltenden Anträge nicht bestands- bzw. patentfähig sein dürften, da diese nach vorläufiger Auffassung des Senats zumindest auf Basis der Lehre der Druckschrift D11 jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürften. In diesem Zusammenhang verwies der Senat zur Belegung fachüblicher Dimensionierungen bzw. zur Belegung sich in bestimmten Anlasstemperaturbereichen ergebender Zugfestigkeitsbereiche neben der Druckschrift D25 unter anderem auf die folgenden Druckschriften

28

D14: DE 103 00 371 B3 und

29

D21: DE 200 14 361 U1.

30

In der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2022 hat die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin drei neue Hilfsanträge 0, 0.1 und 0.2 eingereicht und zuletzt den Antrag gestellt,

31

den Beschluss der Patentabteilung 56 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2018 aufzuheben und das Patent 10 2010 012 832 in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

32

Hilfsweise beantragte sie – jeweils unter unveränderter Beibehaltung der Zeichnungen – die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents in der Reihenfolge folgender Hilfsanträge:

33

– Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 0, eingereicht in der heutigen Verhandlung am 23. Mai 2022, Beschreibungsseiten 2 bis 3 und 5 bis 7 wie erteilt und Beschreibungsseite 4 wie zu Hilfsantrag 3, geändert in der Anhörung vom 16. Januar 2018,

34

– Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 0.1, eingereicht in der heutigen Verhandlung am 23. Mai 2022, Beschreibungsseiten 2 bis 3 und 5 bis 7 wie erteilt und Beschreibungsseite 4 wie zu Hilfsantrag 3, geändert in der Anhörung vom 16. Januar 2018,

35

– Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 0.2, eingereicht in der heutigen Verhandlung am 23. Mai 2022, Beschreibungsseiten 2 bis 3 und 5 bis 7 wie erteilt und Beschreibungsseite 4 wie zu Hilfsantrag 3, geändert in der Anhörung vom 16. Januar 2018,

36

– Patentansprüche 1 bis 17 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. Juni 2017, Beschreibungsseiten 2 bis 3 und 5 bis 7 wie erteilt und Beschreibungsseite 4 wie zu Hilfsantrag 1, geändert in der Anhörung vom 16. Januar 2018,

37

– Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. Juni 2017, Beschreibungsseiten 2 und 5 bis 7 wie erteilt und Beschreibungsseiten 3 und 4 wie zu Hilfsantrag 2, geändert in der Anhörung vom 16. Januar 2018,

38

– Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 16. Januar 2018, Beschreibungsseiten 2 bis 3 und 5 bis 7 wie erteilt und Beschreibungsseite 4 wie zu Hilfsantrag 3 geändert in der Anhörung vom 16. Januar 2018,

39

– Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 16. Januar 2018, Beschreibungsseiten 2 und 5 bis 7 wie erteilt und Beschreibungsseiten 3 und 4 wie zu Hilfsantrag 4 geändert in der Anhörung vom 16. Januar 2018.

40

Die drei Einsprechenden und Beschwerdegegnerinnen stellten jeweils den Antrag,

41

die Beschwerde zurückzuweisen.

42

Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen seien die Gegenstände der Hilfsanträge 0, 0.1 und 0.2 unzulässig erweitert. Hinsichtlich des Hilfsantrages 0.2 liege darüber hinaus eine unzulässige Schutzbereichserweiterung vor. Ferner mangele es dem Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 dieser Hilfsanträge an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D11 zumindest in Kombination mit dem Inhalt einer oder mehrerer der Druckschriften D14, D21, D25, D26,

43

D 7: Audi AG. Anfragezeichnung vom 20. März 2009 “Säule B innen”; offenkundige Vorbenutzung,

44

D33:  US 2004 / 0 201 256 A1 oder

45

D41: WO 2009/064236 A1.

46

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

47

Kraftfahrzeugsäule, insbesondere A-Säule, B-Säule, C-Säule und/oder D-Säule, hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist.

48

Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den erteilten Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 17 an.

49

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0 lautet:

50

B-Säule (4) hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist, wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 550 N/mm² und 800 N/mm² aufweisen, wobei ein oberer Teil (6) und ein unterer Teil (7) der B-Säule (4) im gesamten Bereich wärmebehandelt sind und dass ein über dem oberen Teil (6) bzw. über den unteren Teil (7) jeweils überstehender Flanschbereich (10) nicht wärmebehandelt ist.

51

Hieran schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 0 an.

52

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0.1 lautet:

53

B-Säule (4) hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist, wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 550 N/mm² und 800 N/mm² aufweisen, wobei ein oberer Teil (6) und ein unterer Teil (7) der B-Säule (4) im gesamten Bereich wärmebehandelt sind und dass ein über dem oberen Teil (6) bzw. über den unteren Teil (7) jeweils überstehender Flanschbereich (10) nicht wärmebehandelt ist, wobei in den wärmebehandelten Bereichen (WB) die B-Säule an eine Karosserie angebunden ist.

54

Diesem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0.1 schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 0.1 an.

55

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0.2 lautet:

56

Karosserie, die folgendes umfasst: B-Säule (4) hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist, wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 550 N/mm² und 800 N/mm² aufweisen, wobei ein oberer Teil (6) und ein unterer Teil (7) der B-Säule (4) im gesamten Bereich wärmebehandelt sind und dass ein über dem oberen Teil (6) bzw. über den unteren Teil (7) jeweils überstehender Flanschbereich (10) nicht wärmebehandelt ist, wobei in den wärmebehandelten Bereichen (WB) die B-Säule (4) an die Karosserie angebunden ist.

57

Diesem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0.2 schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 0.2 an.

58

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

59

Kraftfahrzeugsäule, insbesondere A-Säule, B-Säule, C-Säule und/oder D-Säule, hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist, wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 500 N/mm² und 1.000 N/mm² aufweisen.

60

Diesem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 17 gemäß Hilfsantrag 1 an.

61

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

62

Kraftfahrzeugsäule, insbesondere A-Säule, B-Säule, C-Säule und/oder D-Säule, hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist, wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 500 N/mm² und 1.000 N/mm² aufweisen und dass Fügeflansche (3) partiell wärmebehandelt sind.

63

Diesem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 2 an.

64

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet:

65

Kraftfahrzeugsäule, insbesondere A-Säule, B-Säule, C-Säule und/oder D-Säule, hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist, wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 550 N/mm² und 800 N/mm² aufweisen.

66

Diesem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 3 an.

67

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet:

68

B-Säule, hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine, mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist, wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist, wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 550 N/mm² und 800 N/mm² aufweisen, wobei die B-Säule (4) partiell wärmebehandelte Fügeflansche (3) aufweist, die in einem oberen Teil (6) der B-Säule (4) zur Anbindung an einen Dachrahmen, in einem mittleren Teil (5) zur Anbindung weiterer Bauteile und in einem unteren Teil (7) zur Anbindung an einen Schweller dienen.

69

Diesem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 schließen sich die zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 gemäß Hilfsantrag 4 an.

70

Zu den jeweiligen Unteransprüchen, den jeweils geltenden Beschreibungen, sowie zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II

71

1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist statthaft und auch sonst zulässig (§ 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG).

72

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung sowie die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 in der Fassung der Hilfsanträge 0, 0.1 und 1 bis 4 beruhen jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie sind daher nicht patentfähig (§§ 1, 4 PatG).

73

Eine Beurteilung der weiteren Patentansprüche nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen bedarf es in der Folge nicht, da mit den jeweils nicht gewährbaren Patentansprüchen dem jeweiligen Antrag als Ganzes nicht stattgegeben werden kann und die Beschwerdeführerin mit der Stellung von Hilfsanträgen zu erkennen gibt, in welcher Reihenfolge und in welchem Umfang sie hilfsweise eine Patenterteilung erlangen möchte, vgl. BGH GRUR 1997, 120 – elektrisches Speicherheizgerät; BGH GRUR 2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2017, 57 – Datengenerator.

74

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 0.2 erweitert den Schutzbereich des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1(§ 22 Abs. 1 PatG). Der Hilfsantrag 0.2 ist daher unzulässig.

75

3. Gegenstand des Streitpatents ist gemäß Absatz [0001] der Streitpatentschrift eine Kraftfahrzeugsäule.

76

Gemäß den Absätzen [0002] und [0003] der Streitpatentschrift seien aus dem Stand der Technik warmgeformte und pressgehärtete Bauteile, die nach dem Endformen und dem Einstellen hochfester mechanischer Eigenschaften im Stahl einer gezielten Wärmebehandlung unterzogen werden, bekannt. Insbesondere bei Struktur- und/oder Sicherheitsbauteilen, die im Crashfall axial belastet werden, solle ein nach der vorgenannten Art hergestelltes Bauteil einerseits hochfest sein und andererseits im Crashfall Falten werfen, um Stoßenergie gezielt abzubauen. Eine Wärmebehandlung finde gemäß dem Stand der Technik üblicherweise in einem Temperaturbereich zwischen 320°C und 400°C statt und verändere die im Warmform- und Presshärteprozess eingestellten Festigkeitswerte kaum. Gleichzeitig werde jedoch die Duktilität des Werkstoffes derart erhöht, dass im Crashfall eine Faltenbildung möglich ist.

77

Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es gemäß Absatz [0007] der Streitpatentschrift daher, eine Kraftfahrzeugsäule bereit zu stellen, die in gezielten Bereichen vorgegebene Werkstoffgefüge aufweist sowie großserientauglich und kostengünstig herstellbar sei.

78

4. Als Fachmann wird bei dem Verständnis der Erfindung sowie der nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik von einem Durchschnittsfachmann ausgegangen, der als Diplom-Ingenieur (FH) bzw. Master (Hochschule) der Fachrichtung Maschinenbau mit Schwerpunkt im Bereich der Umformtechnik ausgebildet und auf dem Gebiet der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von Stahlbauteilen für den Karosseriebau mehrere Berufsjahre tätig ist.

79

Zum Fachwissen dieses Fachmanns zählen Kenntnisse hinsichtlich der Werkstoffeigenschaften der in diesem Anwendungsbereich üblicherweise verbauten Stahlbleche sowie der zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents bekannten Vielzahl von Möglichkeiten der Herstellung von Karosseriebauteilen und der hierzu notwendigen Verfahren, welche zur Umformung, Vergütung und Nachvergütung der Bauteile Verwendung finden. Insbesondere hinsichtlich der Nachvergütung setzt das vorliegende Streitpatent zu dessen Verständnis darüber hinaus vertiefte Fachkenntnisse in Bezug auf die bei der Nachvergütung durchgeführte Wärmebehandlung voraus, dies speziell hinsichtlich der dort relevanten Prozessparameter, wie Temperatur, Aufwärm- bzw. Haltezeit, Abkühlzeit, Materialdicke, Art der Wärmebehandlung und Gefüge, sowie deren gegenseitige Abhängigkeiten.

80

5. Hauptantrag – erteilte Fassung

81

Die erteilte Fassung des Streitpatents ist nicht bestandsfähig. Denn der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruht gegenüber der der Druckschrift D11 entnehmbaren Lehre nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

82

5.1 Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind, vgl. BGH GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum I. Dies gilt auch für das Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren. Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei diese unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnung aus Sicht des von der Erfindung betroffenen Fachmanns ausgelegt wird, vgl. BGH GRUR 2007, 859 –; Informationsübermittlungsverfahren.Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen, vgl. BGH GRUR 2004, 1023 -Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung. Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht. Darüber hinaus darf allein aus Ausführungsbeispielen nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs geschlossen werden, vgl. BGH GRUR 2008, 779 –; Mehrgangnabe.

83

Zur Erleichterung von Bezugnahmen sind die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben.

84

M1 Kraftfahrzeugsäule, insbesondere A-Säule, B-Säule, C-Säule und/oder D-Säule,

85

M2 hergestellt durch Warmumformen und Presshärten einer Stahlblechplatine,

86

M3 mit mindestens einem nach dem Presshärten partiell wärmebehandelten Bereich,

87

dadurch gekennzeichnet, dass

88

M4 zwischen dem wärmebehandelten Bereich (WB) und dem nicht wärmebehandelten Bereich (NWB) ein Übergangsbereich (ÜB) ausgebildet ist,

89

M5 wobei die Breite a des Übergangsbereiches (ÜB) kleiner gleich 20 mm ist.

90

Der Patentanspruch 1 ist gemäß Merkmal M1 auf eine Kraftfahrzeugsäule gerichtet, wie sie insbesondere in einem Kraftfahrzeug als A-Säule, B-Säule, C-Säule und/oder D-Säule verbaubar ist.

91

Diese ist gemäß der Merkmale M2 und M3 durch Warmumformen und Presshärten aus einer Stahlblechplatine hergestellt und nach dem Presshärten partiell, also in einem Teilbereich der Kraftfahrzeugsäule, in zumindest einem Bereich wärmebehandelt. Hierzu wird der entsprechende wärmezubehandelnde Bereich nach dem Warmumformen und Presshärten wieder auf eine Temperatur unterhalb der Austenitisierungstemperatur der Stahlplatine erwärmt, so dass sich in dem wärmebehandelten Bereich im Vergleich zu Bereichen, die keiner Wärmebehandlung unterliegen, ein duktileres Werkstoffgefüge einstellt. Durch einen so gezielt wärmebehandelten Bereich könne in einem Crashfall eine gewollte Verformung begünstigt werden, vgl. Absätze [0011] und [0012] der Streitpatentschrift.

92

Die beanspruchte Kraftfahrzeugsäule weist daher zumindest einen wärmebehandelten Bereich und einen nicht wärmebehandelten Bereich auf, wobei gemäß Merkmal M4 zwischen den beiden Bereichen ein Übergangsbereich ausgebildet ist.  Dessen Breite ist gemäß Merkmal M5 kleiner gleich 20 mm, wobei sich der Begriff „Breite“ auf den Abstand zwischen der jeweiligen Grenze des Übergangsbereiches zu dem wärmebehandelten bzw. nicht wärmebehandelten Bereich bezieht.

93

5.2 Dieser in Patentanspruch 1 beanspruchte Gegenstand ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann diesen ausführen kann.

94

Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung des beanspruchten Gegenstandes ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird, vgl. BGH GRUR 1980, 166 –; Doppelachsaggregat. Es ist daher nicht erforderlich, dass bereits der Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthält. Vielmehr genügt es, wenn der Fachmann die insoweit notwendigen Einzelangaben der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann, vgl. BGH GRUR 1998, 899 –; Alpinski; BGH GRUR 2003, 223 –; Kupplungsvorrichtung II; BGH GRUR 2010, 901 – polymerisierbare Zementmischung. Das Gebot der deutlichen und vollständigen Offenbarung erfordert es hierbei nicht, dass die Beschreibung Hinweise darauf enthält, wie alle denkbaren Varianten der Komponenten, die unter die funktionelle Definition fallen, zu erzielen sind. Eine Erfindung ist daher grundsätzlich bereits dann hinreichend offenbart, wenn sie dem Fachmann mindestens einen Weg zur Ausführung aufzeigt, vgl. BGH, Urteil vom 16.Juni 2015 – X ZR 67/13, juris. Die Erfindung ist aber auch dann ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Es ist daher nicht erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist. Vielmehr reicht es aus, wenn der Fachmann ohne eigenes erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten ergänzen und sich notfalls mit Hilfe orientierender Versuche Klarheit verschaffen kann, vgl. BGH GRUR 2010, 916, insb. Rn. 17- Klammernahtgerät.

95

Die Beschreibung des Streitpatents lehrt in den Absätzen [0055] bis [0062] ein Verfahren auf dessen Basis die Wärmebehandlung einzelner Bereiche der warmungeformten und pressgehärteten Stahlplatine durchgeführt werden kann.

96

Den Ausführungen der Beschwerdegegnerin 3 ist in diesem Zusammenhang insoweit zuzustimmen, als dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung ein hochdimensionales System darstellt, für dessen Herstellung mehrere voneinander unabhängige Prozessparameter relevant sind, wie etwa Temperatur, Aufwärm- bzw. Haltezeit, Abkühlzeit der Wärmebehandlung, Stahlsorte, Materialdicke, Art der Wärmebehandlung und Gefüge. Das in der Beschreibung des Streitpatents offenbarte Verfahren kennzeichnet sich insofern durch eine große Variationsbreite in den einzustellenden Parametern.

97

Dies ist dem Fachmann jedoch grundsätzlich bekannt, vgl. Punkt 4 dieses Beschlusses. Im Speziellen ist ihm in diesem Zusammenhang das Wissen zu unterstellen, dass für das Anlassergebnis Anlassdauer und Anlasstemperatur entscheidend sind und diese in einem gewissen Umfang gegeneinander austauschbar sind. Er kann sich daher ohne eigenes erfinderisches Bemühen durch orientierte Versuchsreihen Klarheit darüber verschaffen, wie und in welcher Kombination der Parameter die Materialeigenschaften der wärmebehandelten Bereiche mittels des in der Streitpatentschrift offenbarten Verfahrens gezielt verändert werden können. Dies etwa um Zugfestigkeits- und Streckgrenzwerte zu erzielen, wie sie etwa in den erteilten Patentansprüchen 8 bis 10 beansprucht werden.

98

Gleiches gilt für die Erzielung der in Merkmal M5 geforderten Breite des Übergangsbereichs. Auch diesbezüglich ist es dem vorstehend definierten Fachmann möglich, dass er ohne eigenes erfinderisches Bemühen die in der Beschreibung enthaltenen Unvollständigkeiten aus seinem Fachwissen heraus ergänzt und sich notfalls mit Hilfe orientierender Versuche hierzu auch Klarheit verschafft.

99

Der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand der Beschwerdegegnerin 3, wonach der Streitpatentschrift keine Materialstärke der verwendeten Stahlplatine zu entnehmen sei, diese aber für die Einstellung einer Breite des Übergangsbereichs wesentlich sei, kann nicht durchgreifen. Denn das Streitpatent ist auf eine Kraftfahrzeugsäule gerichtet. Damit ist für den Fachmann ein Maß der Materialstärke der verwendeten Stahlplatine vorgegeben, welches sich hier durch die fachübliche Materialstärke für Kraftfahrzeugsäulen ergibt.

100

Darüber hinaus argumentiert die Beschwerdegegnerin 3, dass mittels des den Absätzen [0055] bis [0062] der Streitpatentschrift entnehmbaren Verfahrens nicht gleichzeitig Übergangsbereiche unterschiedlicher Breite herstellbar seien. Das Merkmal M5 ließe eine Variation der Breite des Übergangsbereichs aber zu, ebenso wie die ursprünglichen Anmeldeunterlagen sogar bei gleichem Verfahren Breiten des Übergangsbereichs bis zu 50 mm lehrten. Dieses Vorbingen mag zutreffen, es bedingt aber nicht eine mangelnde Ausführbarkeit. Denn dem Fachmann ist klar, dass mit ein und demselben identischen Verfahren nicht verschiedene Breiten des Übergangsbereichs realisierbar sind. Er wird daher das offenbarte Verfahren wiederum ohne eigenes erfinderisches Bemühen aus seinem Fachwissen heraus ergänzen und sich notfalls mit Hilfe orientierender Versuche hierzu auch Klarheit verschaffen.

101

Der Fachmann ist daher im Ergebnis in der Lage den in dem erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstand auch auszuführen.

102

5.3 Die in Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beanspruchte Kraftfahrzeugsäule beruht gegenüber der der Druckschrift D11 entnehmbaren Lehre unter Berücksichtigung des dem Streitpatent zugrunde zulegenden Fachwissens des Fachmanns, belegt durch die Druckschrift D25, jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

103

So ist der Druckschrift D11 eine Kraftfahrzeugsäule, wie etwa eine A-Säule oder eine B-Säule gemäß dem Merkmal M1 des erteilten Patentanspruchs 1 zu entnehmen, vgl. Absätze [0002] und [0022]. Diese ist mittels eines Verfahrens herstellbar, wie es in Absatz [0009] oder in Patentanspruch 1 beschrieben ist. Das Verfahren kennzeichnet sich gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 der Druckschrift D11 im Wesentlichen durch ein Formen und Härten der Bauteile in einem Warmform- und Presshärtungsprozess, einem Entnehmen der Bauteile aus der Presse und einem gezielten Nacherwärmen von definierten Bereichen der Bauteile, um die Duktilität in diesen Bereichen wieder zu erhöhen.

104

Aus der Druckschrift D11 sind daher die Merkmale M1, M2 und M3 vorbekannt.

105

Zu dem gezielten Nacherwärmen bzw. Anlassen werden die gehärteten Bauteile in definierten Bereichen auf nach dem vom Ofendurchlauf beim Warmformen erhitzte Gestelle erneut aufgelegt, wobei die Restwärme der Gestelle in den Kontaktbereichen nach Anspruch 2 bzw. Absatz [0011] ausreicht, um das Nacherwärmen bzw. Wärmebehandeln der Bereiche zu bewirken. Entscheidend ist dabei gemäß Absatz [0014], dass die definierten Bereiche der Karosseriebauteile einen guten und definierten Kontakt mit den Gestellen aufweisen, damit die Wärme in den gewünschten Bereich in der benötigten Menge übertragen wird und nicht in Bereiche abstrahlt, in denen die durch das Härten eingestellten Werte nicht verändert werden sollen. Durch diese partielle Nacherwärmung werden an der Kraftfahrzeugsäule somit gezielt wärmebehandelte Bereiche hergestellt, wobei im Umkehrschluss nicht wärmebehandelte Bereiche an der Kraftfahrzeugsäule verbleiben. Diese Anordnung bedingt in der Folge zwingend, allein schon aufgrund der thermischen Leitfähigkeit des Werkstoffs, Übergangsbereiche, die sich zwischen den wärmebehandelten und den nicht wärmebehandelten Bereichen befinden.

106

Somit offenbart die Druckschrift D11 auch das Merkmal M4.

107

Über eine mögliche Breite der sich bei diesem Verfahren einstellenden Übergangsbereiche schweigt sich die Druckschrift D11 aus. Das im geltenden Patentanspruch 1 noch verbleibende und auch nicht unmittelbar mitzulesende Merkmal M5 geht daher aus der Druckschrift D11 nicht hervor. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung ist daher gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D11 neu, vgl. BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin.

108

Gemäß der Lehre der Druckschrift D11 werden die wärmebehandelten Bereiche an der Kraftfahrzeugsäule gezielt unter dem Aspekt der Sicherheitsanforderungen an die Kraftfahrzeugsäule, also etwa deren Verhalten im Crashfall eingebracht, vgl. Absatz [0002], oder aber um das Formänderungsvermögen der gehärteten Bauteile zu erhöhen und Rissbildung zu vermeiden, vgl. Absatz [0012]. Der vorstehend definierte Fachmann ist insofern angehalten, die Dimensionierung der Übergangsbereiche in Anwendung seines Fachwissens und der sich ihm stellenden Randbedingungen vorzunehmen.

109

Eine Breite des Übergangbereichs von kleiner gleich 20 mm kann in diesem Zusammenhang daher keine erfinderische Tätigkeit begründen, denn die Einstellung einer solchen Breite stellt für den Fachmann weder eine Herausforderung dar, derer es einer erfinderischen Tätigkeit bedarf – auch das Streitpatent setzt dieses Wissen wie vorstehend dargelegt bereits voraus -, noch handelt es sich bei einer Breite kleiner gleich 20 mm um nicht fachübliche Bemaßungen eines solchen Übergangsbereichs. Dies belegt die Druckschrift D25 auf Seite 2, rechte Spalte, vorletzter Absatz („between a few mm up to 20 mm“). Dabei lehrt die Druckschrift D25 ebenfalls eine nachträgliche Wärmebehandlung partieller Bereiche bei der Herstellung von Karosseriebauteilen und legt dar, dass es auf die konkrete Methodik, mittels derer die Wärmebehandlung erfolgt, nicht Wesentlich ankommt („The heating technique as such is of less importance…“, vgl. Seite 2, rechte Spalte, drittletzter Absatz).

110

Das Merkmal M5 kann daher ausgehend von der Offenbarung der Druckschrift D11 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilen Fassung beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

111

6. Hilfsanträge 0 und 0.1

112

Die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 in der Fassung der Hilfsanträge 0 und 0.1 beruhen gegenüber der der Druckschrift D11 entnehmbaren Lehre ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie sind daher nicht patentfähig.

113

6.1  Im Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 0 ist das Merkmal M1 des erteilten Patentanspruchs 1 durch das Merkmal M1
H0, H0.1, H4 ersetzt. Darüber hinaus beinhaltet der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 0 gegenüber dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung die beiden zusätzlichen Merkmale M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 und M7
H0, H0.1, H0.2. Hierbei ist in dem hochgestellten Bereich der Merkmale jeweils deren Zugehörigkeit zu dem Patentanspruch 1 der verschiedenen Hilfsanträge gekennzeichnet. Die neuen Merkmale des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 0 lauten:

114

M1
H0, H0.1, H4   B-Säule (4)

115

M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4  wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 550 N/mm² und 800 N/mm² aufweisen

116

M7
H0, H0.1, H0.2  wobei ein oberer Teil (6) und ein unterer Teil (7) der B-Säule (4) im gesamten Bereich wärmebehandelt sind und dass ein über dem oberen Teil (6) bzw. über den unteren Teil (7) jeweils überstehender Flanschbereich (10) nicht wärmebehandelt ist

117

Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 0.1 enthält darüber hinaus das weitere Merkmal M8
H0.1. Dies lautet:

118

M8
H0.1  wobei in den wärmebehandelten Bereichen (WB) die B-Säule (4) an eine Karosserie angebunden ist

119

Der jeweilige Patentanspruch 1 in der Fassung nach den Hilfsanträgen 0 und 0.1 ist nun entsprechend Merkmal M1
H0, H0.1, H4 explizit auf eine B-Säule gerichtet.

120

Das Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 definiert gegenüber dem Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 beschränkend die Zugfestigkeit, welche in den wärmebehandelten Bereichen durch die Wärmebehandlung eingestellt ist. Diese liegt in einem Wertebereich zwischen 550 N/mm² und 800 N/mm². Unter dem Begriff „Zugfestigkeit“ subsumiert der Fachmann hierbei eine Werkstoffeigenschaft, welche die maximale Zugspannung angibt, die im Werkstoff auftreten kann, bevor dieser bei spröden Werkstoffen versagt oder ab derer sich bei duktilen Werkstoffen im Zugversuch der Querschnitt einschnürt. Diese ist in den wärmebehandelten Bereichen geringer als in den unbehandelten Bereichen. Darüber hinaus legt das Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 aufgrund seiner Formulierung im Plural fest, dass die B-Säule nun zwingend mehrere wärmebehandelte Bereiche aufweist.

121

Merkmal M7
H0, H0.1, H0.2 spezifiziert die Lage der gemäß Merkmal M3 wärmebehandelten Bereiche an der B-Säule. So ist ein oberer Teil und ein unterer Teil der B-Säule im gesamten Bereich der B-Säule, also über deren gesamte Breite, wärmebehandelt, während ein über dem oberen Teil bzw. über dem unteren Teil jeweils überstehender Flanschbereich nicht wärmebehandelt ist.

122

Gemäß Merkmal M8
H0.1 ist in den wärmebehandelten Bereichen die B-Säule an eine Karosserie angebunden. Da der Patentanspruch 1 jedoch auf eine B-Säule gerichtet ist, ist die Karosserie selbst nicht Teil des beanspruchten Gegenstandes. Das Merkmal M8
H0.1 ist daher im Sinne einer diesbezüglichen Eignung des wärmebehandelten Bereichs auszulegen.

123

Gemäß Absatz [0049] der Streitpatentschrift wirken sich die Merkmale M7
H0, H0.1, H0.2 und M8
H0.1 im Falle eines Crashs vorteilig auf die Anbindungen aus, indem die wärmebehandelten Bereiche eine gute Anbindungsmöglichkeit der B-Säule an die

124

Karosserie sicherstellen und die Flanschbereiche eine hohe Steifigkeit aufweisen, so dass diese im Falle einer Faltung bei einem Crash im Zusammenspiel mit den wärmebehandelten Bereichen ein optimiertes Faltenwurfverhalten aufweisen. Die Anbindung der Karosserie in den wärmebehandelten Bereichen vermindere darüber hinaus die Rissbildung an den Kopplungsstellen, vgl. Absatz [0048] der SPS.

125

6.2  Die in den Hauptansprüchen der Hilfsanträge 0 und 0.1 beanspruchten Gegenstände sind bereits den ursprünglichen Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörig zu entnehmen und ebenfalls für den Fachmann ausführbar.

126

Der Senat legt zur Beurteilung des Inhalts der Anmeldung in der ursprünglichen eingereichten Fassung die damit vollständig übereinstimmende Offenlegungsschrift DE 10 2010 012 832 A1 zugrunde, welche im Folgenden als OS bezeichnet wird.

127

Das Merkmal M1
H0, H0.1, H4 beschränkt den in der erteilten Fassung auf eine Kraftfahrzeugsäule gerichteten Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf eine B-Säule. Dies ergibt sich zulässig aus den fakultativen Teilmerkmalen des Merkmals M1 des erteilten Patentanspruchs 1 wie auch aus dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1.

128

Das dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach den Hilfsanträgen 0 und 0.1 hinzugefügte und ebenfalls den erteilten Gegenstand beschränkende Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 ist dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 10 bzw. dem Anspruch 9 der Streitpatentschrift entnommen sowie darüber hinaus in Absatz [0024] der OS bzw. in Absatz [0026] der Streitpatentschrift offenbart. Die hinzugefügten Merkmale M7
H0, H0.1, H0.2 und M8
H0.1 sind den Absätzen [0047] und [0048] der OS bzw. den Absätzen [0048] und [0049] der Streitpatentschrift zu entnehmen.

129

Soweit die Beschwerdeführerin 3 in dem Merkmal M7
H0, H0.1, H0.2 eine unzulässige Erweiterung im Sinne einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung sehen möchte, da in Bezug auf die Nennung der Flanschbereiche in diesem Merkmal auf die in der Beschreibung in den Absätzen [0045] bis [0048] der OS genannten und in den Figuren 3a bis 3c dargestellten und mit dem Bezugszeichen 3 versehenen Fügeflansche verzichtet wurde, kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden. Denn

130

die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war, vgl. BGH GRUR 2000, 591 –; Inkrustierungsinhibitoren. Der Patentinhaber, der nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, ist dabei nicht genötigt, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen, BGH GRUR 2006, 316 –; Koksofentür. Dienen insofern mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorgaben gemacht werden, vgl. BGH GRUR 1990, 432 – Spleißkammer.

131

6.3  Die in dem jeweiligen Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 0 und 0.1 beanspruchte B-Säule beruht ebenfalls gegenüber dem Inhalt der Druckschrift D11 unter Berücksichtigung des dem Streitpatent zugrunde zulegenden Fachwissens des Fachmanns, belegt durch die Druckschriften D14, D21 und D25, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

132

Wie vorstehend bereits dargelegt, wird gemäß der Druckschrift D11 die gehärtete B-Säule – Merkmal M1
H0, H0.1, H4 – zum gezielten Nacherwärmen in definierten Bereichen auf das beim Warmformen erhitzte Transportgestell erneut aufgelegt, wobei die Restwärme der Gestelle in den Kontaktbereichen nach Anspruch 2 bzw. Absatz [0011] ausreicht, um das Nacherwärmen bzw. Wärmebehandeln der Bereiche zu bewirken. Die Figuren 1 bis 4 der Druckschrift D11 zeigen in einem Ausführungsbeispiel ein solches Transportgestell, in Figur 1 mit zwei aufgelegten B-Säulen. Die einzelne B-Säule wird dabei von den kontaktierenden Aufnahmen 2 bis 4 und 21 bis 24 gehalten, vgl. Absatz [0021]. Darüber hinaus können gemäß Absatz [0023] auf die Aufnahmen Kontaktschienen 7, 8 aufgelegt werden, so dass im Ergebnis eine Wärmebehandlung in einem Bereich über die ganze Breite der B-Säule möglich ist. Ferner sind nach Absatz [0024] noch zusätzliche Aufnahmen 9, 10 vorgesehen, die separat zuschaltbar sind, oder gemäß Absatz [0025] weitere Aufnahmen 11, 12 bzw. zusätzliche Massen 13, 14, die erst zeitverzögert zugeschaltet werden. Durch diese Maßnahmen erhält das offenbarte Transportgestell eine große Flexibilität, wie auch in Absatz [0025] ausgeführt.

133

Für den Fachmann erschöpft sich die durch die Druckschrift offenbarte Lehre insofern nicht ausschließlich in dem in den Figuren 1 bis 4 dargestellten Ausführungsbeispiel.  Vielmehr lehrt die Druckschrift D11 dem Fachmann das Transportgestell entsprechend der geforderten Bedürfnisse anzupassen. Es gibt ihm somit die Möglichkeit grundsätzlich jene Bereiche partiell wärmezubehandeln, die er in Anwendung seines Fachwissens und der sich ihm stellenden Randbedingungen an der B-Säule dafür vorsehen möchte. Die Druckschrift D11 selbst gibt dabei bereits die Anregung, dies unter dem Aspekt des Crashverhaltens, vgl. Absatz [0002], unter dem Aspekt der Rissbildung, vgl. Absatz [0012], oder in Bereichen in denen andere Bauteile angebunden werden sollen, vgl. Absatz [0013], – sowie es Merkmal M8
H0.1 fordert – zu tun.

134

Unter diesen Aspekten kann die in dem Merkmal M7
H0, H0.1, H0.2 geforderte Anordnung der wärmebehandelten bzw. nicht wärmebehandelten Bereiche und deren Eignung gemäß Merkmal M8
H0.1 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.  Denn dieses stellt eine Maßnahme dar, die sich für den Fachmann aus seinem Fachwissen heraus ergibt, ohne dass er hierzu erfinderisch tätig werden muss. So wird eine B-Säule fachüblich sowohl in ihrem oberen Teil wie in ihrem unteren Teil an die Karosserie des Fahrzeugs angebunden, so dass eine Wärmebehandlung dieser Bereiche für den Fachmann bereits durch die vorgenannten, der Druckschrift D11 entnehmbaren Anregungen nahegelegt ist. Das Vorsehen eines darüber bzw. darunter überstehenden nicht wärmebehandelten Flanschbereiches wiederum obliegt dem Fachmann naheliegend unter dem Aspekt des Crashverhaltens der B-Säule in deren eingebautem Zustand. Besondere Umstände, die eine Anwendung dieses allgemeinen Wissens in dem im Streitfall zu beurteilenden Zusammenhang als nicht möglich, schwierig oder untunlich erscheinen lassen konnten, sind dabei weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Vielmehr offenbart bereits die Druckschrift D11 in den Figuren 2 und 3 einen überstehenden nicht wärmebehandelten Flanschbereich – dort im Bereich des Säulenkopfes -, der sich an einen über die ganze Breite der B-Säule mittels der Kontaktschiene 7, 8 wärmebehandelten Bereich anschließt. Ähnliches belegt die Druckschrift D21, die eine gezielte Einstellung von Abschnitten mit hoher Festigkeit, also nicht wärmebehandelten Bereichen, und duktilen Abschnitten, also wärmebehandelten Bereichen, an der B-Säule lehrt, um ein optimiertes Crashverhalten der B-Säule zu erlangen. Dabei ist nicht nur das Vorsehen eines wie in den Figuren der Druckschrift D21 dargestellten, singulären duktilen Abschnitts möglich, sondern, wie auf Seite 3, letzter Absatz, ausgeführt, auch ein mehrmaliger Wechsel dieser Bereiche über die Höhe der B-Säule.

135

Auch das darüber hinaus dem Patentanspruch 1 hinzugefügte Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

136

So lehrt die Druckschrift D11 in ihrem Patentanspruch 5 dass, die Transportgestelle zur Wärmebehandlung eine Temperatur von 300°C bis 930°C aufweisen. Für die in Absatz [0004] exemplarisch angegebene Stahlsorte, die zur Fertigung der B-Säulen herangezogen wird, ist für den Fachmann bei einer Wärmebehandlung in diesem Temperaturbereich in den wärmebehandelten Bereichen eine Zugfestigkeit zu erwarten, die den in dem Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 geforderten Wertebereich zumindest teilweise miteinschließt. Dies belegt die Druckschrift D14, die für die analoge Stahlsorte, vgl. Absatz [0011], bei Anlasstemperaturen von bereits 620°C eine Herabsetzung der Zugfestigkeit auf Werte von etwa 820 N/mm² lehrt vgl. Absatz [0012]. Darüber hinaus schlägt die bereits benannte Druckschrift D21 für B-Säulen, ebenfalls für die analoge Stahlsorte, vgl. Seiten 2/3, vor, in den wärmebehandelten Bereichen eine Zugfestigkeit von unter 850 N/mm² bis hin zu 500 n/mm² einzustellen, vgl. Patentanspruch 1 sowie Seite 3.

137

7. Hilfsantrag 0.2

138

Auch der Hilfsantrag 0.2 der Beschwerdeführerin hat keinen Erfolg. Denn die in dem Patentanspruch 1 vorgenommenen Änderungen bewirken eine Erweiterung des Schutzbereichs des Patents im Sinne des § 22 Abs. 1 PatG, die auch im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren unzulässig ist, vgl. BGH – Spleißkammer, a.a.O.; BGH GRUR 1998, 901 – Polymermasse.

139

7.1  Im Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 0.2 ist das Merkmal M1 des erteilten Patentanspruchs 1 durch das Merkmal M1
H0.2 ersetzt. Darüber hinaus beinhaltet der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 0.2 gegenüber dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung wiederum zusätzlich die Merkmale M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 und M7
H0, H0.1, H0.2 sowie das an Merkmal M1
H0.2 angepasste Merkmal M8
H0.1, welches nun als Merkmal M8
H0.2 bezeichnet wird.

140

Die neuen bzw. angepassten Merkmale des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 0.2 lauten:

141

M1
H0.2  Karosserie, die folgendes umfasst: B-Säule (4)

142

M8
H0.2 wobei in den wärmebehandelten Bereichen (WB) die B-Säule (4) an die Karosserie angebunden ist

143

Der Patentanspruch richtet sich gemäß dem neuen Merkmal M1
H0.2 somit nun auf eine Karosserie, die unter anderem eine B-Säule umfasst. Damit wird in der Folge die in dem Merkmal M8
H0.1 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 0.1 bisher nur geforderte Eignung zu einem nun geforderten Ist-Bestand.

144

7.2 Der erteilte Patentanspruch 1 schützt eine „Kraftfahrzeugsäule“. Der Gegenstand, für den die Patentinhaberin im Weg einer geänderten Verteidigung nach Hilfsantrag 0.2 Schutz beantragt, ist demgegenüber eine „Karosserie, die eine B-Säule umfasst“. Der Begriff „Karosserie“ ist dabei nicht nur als Eignung der B-Säule für eine Karosserie zu verstehen, sondern definiert, da erstgenannt und darüber hinaus dem Wortlaut folgend, die B-Säule einschließend einen deutlich weitreichenderen Gegenstand als in der erteilten Fassung beansprucht.

145

Selbst wenn ein solcher Gegenstand durch das erteilte Patent offenbart werden sollte, wird er von ihm aber, da nicht in einem Patentanspruch unter Schutz gestellt, nicht geschützt. Eine nachträgliche Einbeziehung eines solchen, vom Streitpatent nicht geschützten Gegenstands in dieses ist nicht nur im Nichtigkeitsverfahren, sondern auch im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht möglich. Ein Gegenstand, der durch das erteilte Patent zwar offenbart, von ihm aber nicht geschützt ist, kann im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren somit nicht nachträglich in das Patent einbezogen und unter Schutz gestellt werden. Das Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren dient insofern nicht der Gestaltung des Patents; diese Funktion ist vielmehr einzig dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen, vgl. BGH GRUR 2005, 145 – elektronisches Modul.

146

Der Hilfsantrag 0.2 ist daher unzulässig.

147

8. Hilfsanträge 1 bis 4

148

Die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 4 beruhen gegenüber der der Druckschrift D11 entnehmbaren Lehre ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie sind daher allesamt nicht patentfähig.

149

8.1: Der jeweilige Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 umfasst folgende geänderte bzw. hinzugefügte Merkmale:

150

a)  In den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zusätzlich das Merkmal M6
H1, H2 mit aufgenommen, welches wie folgt lautet:

151

M6
H1, H2 wobei die wärmebehandelten Bereiche (WB) eine Zugfestigkeit zwischen 500 N/mm² und 1000 N/mm² aufweisen

152

Das Merkmal M6
H1, H2 definiert gegenüber dem Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 beschränkend die Zugfestigkeit, welche in den wärmebehandelten Bereichen durch die Wärmebehandlung eingestellt ist. Diese liegt in einem Wertebereich zwischen 500 N/mm² und 1000 N/mm², womit dieser Wertebereich größer ist, als der Wertebereich welcher durch das Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 definiert ist und diesen vollumfänglich umfasst. Darüber hinaus legt das Merkmal M6
H1, H2 aufgrund seiner Formulierung im Plural fest, dass die Kraftfahrzeugsäule nun wiederum zwingend mehrere wärmebehandelte Bereiche aufweist.

153

b)  In den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 zusätzlich das Merkmal M9
H2 mit aufgenommen, welches wie folgt lautet:

154

M9
H2  und dass Fügeflansche (3) partiell wärmebehandelt sind

155

Die beanspruchte Kraftfahrzeugsäule weist gemäß diesem neuen Merkmal Fügeflansche auf, die zumindest bereichsweise ebenfalls wärmebehandelt sind. Absatz [0016] der Streitpatentschrift definiert Fügeflansche als Bereiche der Kraftfahrzeugsäule, die mit anderen Bauteilen gekoppelt sind. So kann unter einem Fügeflansch beispielsweise der Anbindungsbereich an das Fahrzeugdach bzw. an die Spritzschutzwand oder aber auch an einen Schweller zu verstehen sein, vgl. Absatz [0017] der Streitpatentschrift.

156

c)   In den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zusätzlich das Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 mit aufgenommen, zu dessen Auslegung auf Hilfsantrag 0 verwiesen wird.

157

d)  In Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 4 ist das Merkmal M1 des erteilten Patentanspruchs 1 durch das Merkmal M1
H0, H0.1, H4 ersetzt. Darüber hinaus ist in den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 gegenüber dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 3 zusätzlich das Merkmal M10
H4 mit aufgenommen, welches wie folgt lautet:

158

M10
H4 wobei die B-Säule (4) partiell wärmebehandelte Fügeflansche (3) aufweist, die in einem oberen Teil (6) der B-Säule (4) zur Anbindung an einen Dachrahmen, in einem mittleren Teil (5) zur Anbindung weiterer Bauteile und in einem unteren Teil (7) zur Anbindung an einen Schweller dienen

159

Merkmal M10
H4 beansprucht in etwa analog zu Merkmal M9
H2, dass die nun gemäß Merkmal M1
H0, H0.1, H4 explizit beanspruchte B-Säule partiell wärmebehandelte Fügeflansche aufweist. Diese sind zumindest in einem oberen Teil, in einem mittleren Teil und in einem unteren Teil der B-Säule vorgesehen. Der zumindest eine Fügeflansch im oberen Teil ist zur Anbindung an einen Dachrahmen, der zumindest eine Fügeflansch im mittleren Teil zur Anbindung weiterer Bauteile und der zumindest eine Fügeflansch im unteren Teil zur Anbindung an einen Schweller geeignet.

160

8.2 Die in den Hauptansprüchen der Hilfsanträge 1 bis 4 beanspruchten Gegenstände sind bereits den ursprünglichen Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörig zu entnehmen und ebenfalls für den Fachmann ausführbar. Die ursprüngliche Offenbarung der jeweils mit den Hilfsanträgen 1 bis 4 beanspruchten Gegenstände wurde im Einspruchsbeschwerdeverfahren von den Verfahrensbeteiligten auch nicht bestritten.

161

So ist das den Patentansprüchen 1 in der Fassung nach den Hilfsanträgen 1 und 2 hinzugefügte und den erteilten Gegenstand beschränkende Merkmal M6
H1, H2 dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 10 bzw. dem erteilten Patentanspruch 9 entnommen sowie darüber hinaus in Absatz [0024] der OS bzw. in Absatz [0026] der Streitpatentschrift offenbart. Das dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem Hilfsantrag 2 zusätzlich hinzugefügte Merkmal M9
H2 ergibt sich aus dem Absatz [0014] der OS bzw. Absatz [0016] der Streitpatentschrift. Zu dem Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 wird auf die Ausführungen zu Hilfsantrag 0 verwiesen. Das Merkmal M10
H4 ergibt sich aus den Absätzen [0043] bis [0045] der OS in Verbindung mit dem Inhalt des Patentanspruchs 4 der OS bzw. den Absätzen [0044] und [0046] i.V.m. Patentanspruch 3 der Streitpatentschrift.

162

8.3  Die in den Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 beanspruchte Kraftfahrzeugsäule bzw. die in dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 4 beanspruchte B-Säule beruhen ebenfalls gegenüber dem Inhalt der Druckschrift D11 unter Berücksichtigung des dem Streitpatent zugrunde zulegenden Fachwissens des Fachmanns, belegt durch die Druckschriften D14, D21 und D25, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

163

a)  Wie vorstehend zu den Hilfsanträgen 0 und 0.1 dargelegt, kann das Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Da das dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 einzige hinzugefügte Merkmal M6
H1, H2 das Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 inhaltlich vollständig umfasst, gilt dies auch für das Merkmal M6
H1, H2, welches somit ebenfalls ausgehend von der der Druckschrift D11 entnehmbaren Lehre eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann.

164

b)   Wie vorstehend zu den Hilfsanträgen 0 und 0.1 dargelegt, ist der Druckschrift D11 die Anregung zu entnehmen, die Wärmebehandlung in jenen Bereichen vorzusehen, in denen andere Bauteile angebunden werden sollen, vgl. Absatz [0013]. Da es sich bei Fügeflanschen um solche Bereiche handelt, kann auch das gegenüber dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 zusätzlich hinzugefügte Merkmal M9
H2 auch in Kombination mit dem Merkmal M6
H1, H2 ausgehend von der Lehre der Druckschrift D11 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Darüber hinaus offenbaren auch die Figuren 1 und 2, wie vorstehend bereits dargelegt, das Vorsehen eines wärmebehandelten Bereichs im Bereich des Säulenkopfs, also dem Bereich, in welchem dieser mit der Karosserie verbunden wird.

165

c)   Wie vorstehend zu den Hilfsanträgen 0 und 0.1 dargelegt, kann das einzige dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 3 gegenüber der erteilten Fassung hinzugefügte Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

166

d) Wie bereits zu Hilfsantrag 0 und 0.1 ausgeführt, kann das Vorsehen von wärmebehandelten Bereichen in dem oberen Bereich der B-Säule, in welchen diese an die Karosserie angebunden wird, dort üblicherweise an den Dachrahmen, und in dem unteren Teil der B-Säule, in dem diese ebenfalls an die Karosserie angebunden wird, dort üblicherweise an den Schweller, eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Sollte der Fachmann es darüber hinaus vorsehen wollen, weitere Bauteile an der B-Säule zu befestigen, wird er auch dort, der Anregung des Absatzes [0013] der Druckschrift D11 folgend, naheliegend einen wärmebehandelten Bereich vorsehen.

167

Somit kann ebenfalls das Merkmal M10
H4 eine erfinderische Tätigkeit auch in Kombination mit dem Merkmal M6
H0, H0.1, H0.2, H3, H4 nicht begründen.

168

9. Bei dieser Sach- und Aktenlage war die Beschwerde der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin daher insgesamt zurückzuweisen.