Beschluss des BVerwG 1. Wehrdienstsenat vom 17.05.2022, AZ 1 WB 43/21

BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 17.05.2022, AZ 1 WB 43/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:170522B1WB43.21.0

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Antrag betrifft einen Konkurrentenstreit um den mit der Besoldungsgruppe A 12 bewerteten Dienstposten „Einheitsführer …“ (DP-ID …) an der …

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Der … geborene Antragsteller ist Berufssoldat und Offizier des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September 2030 enden. Am … 2013 wurde er zum Hauptmann befördert und mit Wirkung vom 1. Mai 2013 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Er wird derzeit als … beim … verwendet.

3

Am 29. Oktober 2020 entschied der …leiter … des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr, den streitgegenständlichen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen.

4

Nach dem Auswahlrational lag der Entscheidung die nicht datierte Organisationsgrundentscheidung PSt … zugrunde, nach der die Besetzung nur mit einem Aufsteiger erfolgen könne, da geeignete Offiziere des militärfachlichen Dienstes (A 12) nicht verfügbar seien.

5

Die Aufgaben des Dienstpostens wurden wie folgt beschrieben:

– Leiten/Durchführen für Laufbahn-/Verwendungs- und sonstigen Lehrgängen

– Vorbereiten/Durchführen/Nachbereiten von Ausbildungsanteilen

– Abstimmen/Koordinieren der Lehrgangsablaufmodelle sowie Aktualisieren von Lehrplänen und Ausbildungsunterlagen

– Führen der Inspektion als Disziplinarvorgesetzter nach Stufe I.

6

Im Anforderungsprofil sind als zwingende Kriterien aufgeführt:

– Vorverwendung auf DP …

– Vorverwendung auf DP … oder als … im Stab …

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Wünschenswerte Kriterien seien:

– SLP ENG 3332

– Auslandseinsatz oder vglb. Dauereinsatzaufgabe.

8

In der tabellarischen Darstellung des Kandidatenfeldes sind zehn Offiziere angeführt, darunter auch der Antragsteller. Abschließend wird die Empfehlung, den Beigeladenen auszuwählen, wie folgt begründet:

„Insgesamt wurden 28 OffzMilFD in der Dotierungshöhe A11 betrachtet. Davon erfüllen sieben OffzMilFD die zwingenden Bedarfsträgerforderungen in Gänze.

Dargestellt sind die drei leistungsstärksten OffzMilFD in der AVR …

Hptm … hat schriftlich aus persönlichen Gründen auf eine Mitbetrachtung verzichtet.

Hptm B. wird als die absolute Spitze seiner Vergleichsgruppe beschrieben und grenzt sich im Leistungsvergleich im Wesentlichen zu Hptm … ab.“

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Nachdem der Antragsteller nach eigenen Angaben in einem Telefonat am 15. Februar 2021 hiervon Kenntnis erhalten hatte, legte er mit mittels PKI-Karte der Bundeswehr elektronisch signierter E-Mail vom 19. Februar 2021 hiergegen Beschwerde ein. Die an das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr adressierte E-Mail ging bei diesem am 19. Februar 2021 und am 24. Februar 2021 beim Bundesministerium der Verteidigung ein. Der Antragsteller machte geltend, der Beigeladene erfülle die formale Voraussetzung der Bedarfsträgerforderung aus der ZDv A-1300/38 nicht, die eine Vorverwendung als … und … sowie eine aufbauende Verwendung als Offizier im … oder an der … verlange. Dass die Vorverwendung des Beigeladenen als … für die …ausbildung an der … ersatzweise als höherwertig betrachtet worden sei, führe die Bedarfsträgerforderung ad absurdum. Er erfülle alle Bedarfsträgerforderungen, so dass nicht ein Kandidat ausgewählt werden dürfe, für den dies nicht gelte. Anscheinend sei der Beigeladene gezielt bevorzugt worden.

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Unter dem 1. März 2021 teilte das Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller mit, dass sein Rechtsbehelf am 24. Februar 2021 eingegangen sei. Mit Schreiben vom 12. April 2021 wurde er informiert, dass die Überprüfung noch nicht abgeschlossen sei und sich wegen der Beteiligung weiterer Stellen verzögere. Mit E-Mail vom 22. April 2021 wurde ihm schließlich mitgeteilt, dass die nur digital unterzeichnete Beschwerde nicht formgerecht sei. Er wurde gebeten, eine unterschriebene Ausfertigung zu übersenden. Diese ging noch am selben Tag beim Bundesministerium der Verteidigung per Fax ein.

11

Unter dem 19. Mai 2021 beantragte der Antragsteller unter Verweis auf seine Beschwerde seine Versetzung auf den streitgegenständlichen Dienstposten. Durch dem Antragsteller am 24. Juni 2021 eröffneten Bescheid vom 23. Juni 2021 wurde der Versetzungsantrag vom 19. Mai 2021 abgelehnt. Der Antragsteller erfülle die „harten“ Kriterien, habe sich im Leistungsvergleich mit dem Beigeladenen aber nicht durchsetzen können.

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Mit Bescheid vom 24. August 2021, dem Antragsteller ausgehändigt am 3. September 2021, wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Die Beschwerde sei nicht innerhalb der laufenden Frist formgerecht eingelegt worden. Der Beschwerdeanlass sei dem Antragsteller bereits am 15. Februar 2021 bekanntgegeben worden, so dass die Monatsfrist mit dem 15. März 2021 ende. Eine Rechtsbehelfsbelehrung sei für eine truppendienstliche Erstmaßnahme des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr nicht vorgeschrieben. Innerhalb der Frist sei nur die lediglich digital unterzeichnete Beschwerde beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen, während die für die Wahrung der Schriftform notwendige Unterschrift erst am 22. April 2021 dort vorgelegen habe. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor.

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Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 27. September 2021, beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen am 29. September 2021, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 12. Oktober 2021 dem Senat vorgelegt.

14

Der Antragsteller trägt vor, die Beschwerde sei fristgerecht zu Hochzeiten der Corona-Pandemie eingelegt worden. In dieser Zeit sei vermehrt digital gearbeitet und die PKI-Karte für Unterschriften auf digitalen Dokumenten genutzt worden. Dass sie keine qualifizierte Signatur darstelle, sei der ZDv A-2160/6 nicht zu entnehmen. Die Signatur mittels PKI-Karte lasse ihn zweifelsfrei als Urheber erkennen, es fehle nur eine Zertifizierung durch eine zivile Institution. Das Bundesministerium der Verteidigung habe nicht rechtzeitig auf die fehlende Unterschrift hingewiesen und ihm so die Möglichkeit genommen, rechtzeitig formgerecht Beschwerde einzulegen. Dies widerspreche dem Grundsatz der fairen Verfahrensführung. Die verzögerte Hinweiserteilung sei auch durch die Pandemie nicht gerechtfertigt, da bereits mit Schreiben vom 1. März 2021 der Beschwerdeeingang bestätigt worden sei.

Die Auswahlentscheidung sei rechtswidrig. Der Beigeladene erfülle anders als er das zwingende Kriterium einer Vorverwendung in einer …kompanie nicht. Bedarfsträgerforderungen an die Qualifikation des Dienstposteninhabers seien nicht berücksichtigt. Dem Beigeladenen fehle die praktische Erfahrung in der Führung … im In- und Ausland. Seine Verwendung als … sei besoldungsrechtlich nicht höherwertig. Auf der ersten Stufe sei der einzige Kandidat ausgewählt worden, der zwingende Bedarfsträgeranforderungen nicht erfülle. Schon dies mache die Entscheidung fehlerhaft. Der nach der Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung ihm vorzuziehende weitere Hauptmann sei in einem anderen Auswahlverfahren ausgewählt worden, so dass die Entscheidung danach auch nach dieser Alternativbetrachtung auf ihn hätte fallen müssen. Nicht berücksichtigt worden sei auch, dass einige der weiteren Kandidaten in einem niedriger besoldeten Statusamt beurteilt worden seien als er. In analoger Anwendung der für Beamte geltenden Bestimmungen müssten die Leistungswerte der Beurteilung dem angepasst werden. Danach sei nur noch ein ebenfalls im Statusamt A 11 beurteilter Kandidat als im Wesentlichen ebenso leistungsstark wie er zu bewerten. Im Vergleich mit diesem verfüge er aber über die besseren Sprachkenntnisse und sei daher auszuwählen gewesen.

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Der Antragsteller beantragt,

den Beschwerdebescheid vom 24. August 2021 aufzuheben und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts – Wehrdienstsenate die Beschwerde erneut zu bescheiden.

16

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

17

Die Beschwerde sei zurecht als unzulässig zurückgewiesen worden, so dass der Antrag unbegründet sei. Die Einlegung einer Beschwerde mittels PKI-Karte genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Ein Fall des § 7 WBO liege nicht vor. Auch ohne Belehrung müssten dem Antragsteller die Formvorschriften für eine Beschwerde bekannt sein.

Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung, da er selbst dann nicht auszuwählen wäre, wenn seine Einwände gegen die Auswahlentscheidung durchgriffen. Neben dem Beigeladenen würden auch vier weitere Hauptleute die zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils erfüllen. Im Leistungsvergleich seien – außer dem Beigeladenen – noch zwei weitere Hauptleute im Wesentlichen ebenso leistungsstark wie der Antragsteller. Von diesen erfülle einer anders als der Antragsteller alle wünschenswerten Kriterien. Dieser verfüge zudem über eine bessere Entwicklungsprognose.

Außerdem sei der Beigeladene mit Recht ausgewählt worden. Zwar sei die Tätigkeit als … besoldungsrechtlich nicht höherwertig. Der Dienstherr dürfe aber auch eine inhaltliche Komponente berücksichtigen. Auf dem streitgegenständlichen Dienstposten seien vor allem Ausbildungsaufgaben zu erfüllen. Hierfür sei der Beigeladene als langjähriger … besonders gut qualifiziert. Er sei im Wesentlichen ebenso leistungsstark wie der Antragsteller. Zwar sei er in einem niedrigeren Statusamt beurteilt worden. Für Soldaten würden aber andere Regularien gelten als für Beamte. Für erstere werde ein sogenannter Statuszuschlag von 0,3 angesetzt. Der Beigeladene sei daher auf der dritten Stufe auszuwählen gewesen, da er anders als der Antragsteller alle wünschenswerten Kriterien erfülle und über die bessere Entwicklungsprognose verfüge.

18

Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

19

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

20

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg. Seinem Erfolg steht die Bestandskraft der Auswahlentscheidung entgegen, die mangels fristgerecht in der gebotenen Form erhobener Beschwerde eingetreten ist.

21

1. Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (BVerwG, Beschluss vom 27. November 2014 – 1 WB 61.13 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 32 m. w. N.). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheids knüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus. Etwas Anderes gilt nur, wenn für eine truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine spezielle gesetzliche Regelung oder durch eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen (BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 WB 43.12 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 87 Rn. 30).

22

2. Kenntnis vom Beschwerdeanlass – nämlich der Entscheidung, den streitgegenständlichen Dienstposten nicht mit ihm, sondern dem Beigeladenen zu besetzen – hatte der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben durch telefonische Mitteilung vom 15. Februar 2021 erlangt. Damit lief die Frist am 16. Februar 2021 an und endete gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB (ebenso über § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB) mit Ablauf des 15. März 2021 (Montag).

23

3. Das handschriftlich unterzeichnete und damit dem Schriftformerfordernis genügende Beschwerdeschreiben ging erst am 22. April 2021 und damit nach Fristende beim Bundesministerium der Verteidigung als zuständiger Beschwerdestelle im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO ein. Die mittels PKI-Karte signierte E-Mail gleichen Inhalts ging zwar innerhalb der Frist beim Bundesministerium der Verteidigung ein, genügte aber nicht dem Formerfordernis aus § 6 Abs. 2 WBO, § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG (BVerwG, Beschluss vom 25. November 2021 – 1 WB 27.21 – juris Rn. 18 ff).

24

Zwar kann nach § 3a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 79 VwVfG das Schriftformerfordernis aus § 6 Abs. 2 Satz 1 WBO auch durch eine elektronische Form ersetzt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2020 – 2 WRB 1.20 – BVerwGE 169, 112 Rn. 14). Allerdings genügt die Lotus-Notes-Nachricht des Antragstellers nicht den Anforderungen des § 3a VwVfG an eine sichere elektronische Form. Dabei ist schon fraglich, ob die Beschwerdestelle im Sinne des § 3a Abs. 1 VwVfG ausdrücklich oder konkludent einen Zugang für die Übermittlung elektronischer schriftformersetzender Dokumente eröffnet hat. Jedenfalls genügt nach § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG eine E-Mail der elektronischen Form nur, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.

25

Die Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur ergeben sich seit dem 1. Juli 2016 aus der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABI. L 257 S. 73; im Folgenden: eIDAS-VO; vgl. Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 3a Rn. 18). Nach Art. 3 Nr. 12 eIDAS-VO ist eine qualifizierte elektronische Signatur eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht. Art. 3 Nr. 15 eIDAS-VO definiert das qualifizierte Zertifikat für elektronische Signaturen als von einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter ausgestelltes Zertifikat für elektronische Signaturen, das die Anforderungen des Anhangs I erfüllt. Qualifizierter Vertrauensdiensteanbieter ist gemäß Art. 3 Nr. 20 eIDAS-VO ein Vertrauensdiensteanbieter, der einen oder mehrere qualifizierte Vertrauensdienste erbringt und dem von der Aufsichtsstelle der Status eines qualifizierten Anbieters verliehen wurde. Art. 24 eIDAS-VO formuliert Anforderungen an qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter. Deren Einhaltung wird von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen als Aufsichtsstelle überprüft und dann bescheinigt (Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 3a Rn. 20). Von der qualifizierten elektronischen Signatur unterscheidet die eIDAS-VO die fortgeschrittene elektronische Signatur gemäß Art. 3 Nr. 11 und Art. 26 eIDAS-VO. Für diese gelten hiernach geringere Anforderungen: Sie ist zwar auch eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet und ermöglicht seine Identifizierung. Sie wird jedoch nicht von einem externen Zertifizierungsdiensteanbieter herausgegeben und überwacht. Schon unter Geltung von § 4 Abs. 2 der Signaturverordnung vom 16. November 2001 (BGBl. I S. 3074) kamen als Zertifizierungsdiensteanbieter für eine qualifizierte elektronische Signatur nur akkreditierte Anbieter in Betracht.

26

Bereits in der Rahmendienstvereinbarung über die Nutzung elektronischer Signaturen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. Mai 2012 kommt zum Ausdruck, dass im Rahmen der Public Key Infrastructure (PKI) der Bundeswehr von einer externen Zertifizierungsstelle genehmigte qualifizierte elektronische Signaturen und andere elektronische Signaturen nebeneinander Verwendung finden. Nach Punkt 2.4.1 der Zertifizierungsrichtlinie der PKIBw, Anteil Verwaltungs-PKI, vom 15. Juli 2020 stellt die Bundeswehr Certification Authority Zertifikate aus, mit denen fortgeschrittene Signaturen erzeugt werden können. Sie ist jedoch kein angezeigter oder akkreditierter Zertifizierungsdiensteanbieter wie etwa die Bundesnotarkammer, die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Post AG und die Deutsche Telekom AG.

27

Hiernach genügt die Nutzung der dem Antragsteller für die Signatur elektronischer Schreiben zur Verfügung gestellte PKI-Karte der Bundeswehr nicht den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Vielmehr handelt es sich hier lediglich um eine fortgeschrittene elektronische Signatur im Sinne von Art. 26 eIDAS-VO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2020 – 2 WRB 1.20 – BVerwGE 169, 112 Rn. 15).

28

Soweit § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 bis 4 VwVfG darüber hinaus weitere sichere Verfahren als zulässige elektronische Formen zulässt, wird das normale Lotus-Notes-System der Bundeswehr hiervon ebenfalls nicht erfasst. Da das Gesetz die zulässigen elektronischen Formen aus Gründen der Rechtssicherheit abschließend regelt, ist es nicht möglich, andere nach Ansicht eines Beteiligten vergleichbar sichere Verfahren ohne gesetzliche Zulassung ebenfalls anzuerkennen. Der Eingang der elektronisch signierten E-Mail beim Bundesministerium der Verteidigung am 24. Februar 2021 wahrt daher die Frist nicht.

29

4. Der Fristablauf wurde nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von § 7 WBO als unabwendbarer Zufall zu werten sind.

30

a) Es liegt zunächst kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor. Die Auswahlentscheidung zur Besetzung eines förderlichen Dienstpostens bedurfte als truppendienstliche Erstmaßnahme, gegen die nicht unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffnet ist, keiner Rechtsbehelfsbelehrung, weil die Regelungen über die Beschwerdeeinlegung als jedem Soldaten bekannt vorausgesetzt werden können (BVerwG, Beschlüsse vom 6. Oktober 2015 – 1 WDS-VR 1.15 – Buchholz 449 § 3 SG Nr. 80 Rn. 39 m. w. N., vom 1. März 2018 – 1 WB 27.17 – Buchholz 11 Art. 6 GG Nr. 189 Rn. 22 und vom 21. November 2019 – 1 WB 16.19 – juris Rn. 22).

31

b) Ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO ist auch nicht darin zu sehen, dass der Antragsteller nicht rechtzeitig gemäß § 25 Abs. 1 VwVfG auf den Formmangel hingewiesen worden wäre. Die Regelungen über Formen und Fristen einer Beschwerde gegen truppendienstgerichtliche Erstmaßnahmen können als jedem Soldaten bekannt vorausgesetzt werden, weil eine umfangreiche Belehrung darüber Gegenstand der militärischen Ausbildung ist. Dem Beschwerdeführer mussten diese Regelungen präsent sein. Daher durfte er nicht darauf vertrauen, eine Beschwerde in einer gesetzlich nicht vorgesehenen unsicheren Kommunikationsform einlegen zu können; derartige Fehleinschätzungen liegen im Risiko- und Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers und können keinen unabwendbaren Zufall im Sinne des § 7 WBO begründen (BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2020 – 2 WRB 1.20 – BVerwGE 169, 112 Rn. 17 m. w. N.). Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens. Das Recht auf ein faires Verfahren geht nicht soweit, dass die öffentlichen Stellen dem Bürger die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien abnehmen müssen (vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 26. August 2010 – 9 L 773/10.DA – juris Rn. 24). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die Beschwerdestelle in einem Konkurrentenstreit um einen Dienstposten auch dem Beigeladenen gegenüber Neutralität zu wahren hat und nicht einseitig zugunsten eines Beteiligten in einen Rechtsstreit eingreifen darf. In dieser Verfahrenskonstellation war die Beschwerdestelle nicht gehalten, einen rechtlich nicht vorgeschriebenen Hinweis zu erteilen, der geeignet war, die Position des ausgewählten Konkurrenten nachteilig zu beeinflussen. Da das Bundesministerium der Verteidigung hiernach zu einem Hinweis nicht verpflichtet war, ist ohne Bedeutung, dass der Hinweis erst nach Fristablauf erging.

32

c) Ein Fristmangel ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil die Beschwerdestelle dessen ungeachtet in der Sache entschieden hätte (BVerwG, Beschlüsse vom 27. November 2014 – 1 WB 61.13 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 41 und vom 28. Februar 2019 – 1 WB 40.18 – juris Rn. 12). Denn zum einen hat das Bundesministerium für Verteidigung die Beschwerde wegen der Verfristung als unzulässig zurückgewiesen und sich nur im Rahmen der dienstaufsichtlichen Erwägungen mit der Begründetheit der Beschwerde befasst. Das Ergebnis einer dienstaufsichtlichen Prüfung ist einer wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. August 2007 – 1 WB 51.06 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 Rn. 20, vom 23. Mai 2019 – 1 WB 8.19 – juris Rn. 19 m. w. N. und vom 26. November 2020 – 1 WB 75.19 – juris Rn. 26). Zum anderen kann auch eine Sachprüfung der für die Beschwerdeentscheidung zuständigen Stelle eine gerichtliche Sachentscheidung dann nicht eröffnen, wenn – wie hier – mit dem Ablauf der Beschwerdefrist zugunsten eines Dritten – nämlich des ausgewählten Konkurrenten – Bestandskraft eingetreten ist (BVerwG, Beschluss vom 27. November 2014 – 1 WB 61.13 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 38 f.).

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5. Der Beigeladene, der keinen eigenen Sachantrag gestellt hat, trägt seine Aufwendungen selbst.