BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 16.05.2022, AZ 1 W-VR 12/22, ECLI:DE:BVerwG:2022:160522B1WVR12.22.0
Tenor
Das Bundesministerium der Verteidigung wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über seine Beschwerde vom 2. März 2022 vorläufig zur Basisausbildung zum Kommandosoldaten Heer zuzulassen.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren (§ 3 Abs. 2 WBO) erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
Tatbestand
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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in seinem Rechtsstreit um die Zulassung zur Basisausbildung zum Kommandosoldaten Heer.
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Der … geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit und Offizier des Truppendienstes. Ein Antrag auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten für das Auswahljahr 2021 scheiterte. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem Juni 2024 enden. Im August 2020 wurde er zum Hauptmann befördert und zum 1. Juli 2020 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Seit dem 28. Juni 2021 wird er bei … verwendet.
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Durch seit dem 28. Juni 2016 rechtskräftiges Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 15. Juni 2016 wurde gegen ihn ein Beförderungsverbot für die Dauer von 36 Monaten verhängt. Das sachgleiche rechtskräftige Strafurteil, mit dem der Antragsteller wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Mittäterschaft unter Vorbehalt einer Geldstrafe verwarnt wurde, stellte folgenden Sachverhalt fest:
„Am 10.08.2014 gegen 01:30 Uhr schubsten die Angeklagten sowie der Verurteilte G. in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken in …, den Geschädigten S. zweimal gewaltsam zu Boden und forderten von ihm die Herausgabe seiner weißen Segeltuchschuhe, um diese dauerhaft und unberechtigt für eigene Zwecke zu behalten bzw. zu verwenden. Als sich der Geschädigte S. weigerte, bedrängten sie diesen weiter. Nachdem sich der Geschädigte S. schließlich als Polizeibeamter zu erkennen gab, flüchteten die Angeklagten sowie der Verurteilte G., wobei der Geschädigte S. den Verurteilten G. überwältigen konnte. Durch die Einwirkungen der Angeklagten sowie des Verurteilten G. erlitt der Geschädigte S., wie von den Angeklagten sowie dem Verurteilten G. zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, Schmerzen am rechten Knie sowie eine Hautabschürfung am linken Knie.“
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Am 6. Dezember 2017 bewarb sich der Antragsteller für eine Verwendung als Kommandosoldat im … An den Teilen 1 bis 3 der Potentialfeststellung zum Kommandosoldaten und einem zehnwöchigen Qualifizierungsprogramm zum Kommandosoldaten hat er mit Erfolg teilgenommen. Mit Bescheid vom 23. November 2021, dem Antragsteller ausgehändigt am 24. Februar 2022, verweigerte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Einplanung des Antragstellers in die Basisausbildung zum Kommandosoldaten. Zwar habe der Antragsteller erfolgreich an der Potentialfeststellung teilgenommen. Auch sei vorbehaltlich einer noch zu absolvierenden Schießausbildung seine Basisausbildung zum Kommandosoldaten ab August 2022 vorgesehen. Diesem Ausbildungsplan könne aber wegen charakterlicher Eignungszweifel nicht zugestimmt werden. Der Antragsteller sei 2016 in einem Disziplinarverfahren zu einem Beförderungsverbot und 2015 im sachgleichen Strafverfahren zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Daher bestünden Zweifel an der charakterlichen Eignung zum Kommandosoldaten, sodass der Basisausbildung jedenfalls nicht vor Juli 2023 zugestimmt werden könne.
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Hiergegen beschwerte sich der Antragsteller unter dem 2. März 2022. Das Schreiben ist beim Bundesministerium der Verteidigung am 10. März 2022 eingegangen. Über seine Beschwerde ist noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 4. April 2022 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Er macht geltend, sein Anordnungsanspruch ergebe sich aus seinem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Zulassungsantrag. Dessen Ablehnung basiere auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage und einer Fehlbewertung des absolvierten Auswahlverfahrens. Durch das Strafgericht sei er nicht zu einer Geldstrafe verurteilt, sondern lediglich verwarnt worden. Nach Ablauf des Beförderungsverbotes sei er befördert worden. Er habe sich ausweislich verschiedener Beurteilungen durch herausragende Leistungen hervorgetan und hohe Einsatzbereitschaft gezeigt, förmliche Anerkennungen und Leistungsprämien erhalten und sich so nachbewährt. Sein Disziplinarvorgesetzter habe ihm die charakterliche Eignung schriftlich bestätigt. 2023 werde die Disziplinarmaßnahme aus seiner Personalakte getilgt. Die lang zurückliegende, persönlichkeitsfremde Tat untergeordneter Bedeutung rechtfertige den Schluss auf Charaktermängel nicht. Zudem sei ihm im Auswahlverfahren und im Sicherheitsüberprüfungsverfahren die charakterliche Eignung bereits attestiert worden. Die für die Ausbildung geforderte Zuverlässigkeit ergebe sich aus dem Fehlen von Vorstrafen und dem erfolgreichen Abschluss des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens der Stufe 2. Seinem Personalführer sei seine Bewerbung für die Ausbildung und der Fortschritt des Auswahlverfahrens bekannt gewesen. Dieser habe ihm in Kenntnis des Vorfalles aus 2014 personalwirtschaftliche Veränderungen in Abhängigkeit vom Ergebnis des Auswahlverfahrens in Aussicht gestellt. Gründe für eine Rücknahme dieser Bewertung gebe es nicht. Die Grundsätze der Senatsentscheidung vom 31. März 2021 (1 WB 12.21) seien analog anwendbar.
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Der Anordnungsgrund ergebe sich aus den Nachteilen, die ihm entstünden, wenn er die Ausbildung nicht im Mai 2022 beginnen könne. Eine spätere Teilnahme an der Ausbildung gefährde den Ausbildungserfolg. Zudem erfolge eine Übernahme als Berufsoffizier in der AVR Spezialkräfte regelmäßig mit dem Ausbildungsabschluss, sodass ein verspäteter Ausbildungsbeginn den Statuswechsel verzögern oder sogar gefährden könne. Bei einer Verwendung im … verkürzten sich zudem Beförderungszeiten, sodass sich durch eine Verzögerung der entsprechenden Verwendung Laufbahnnachteile ergeben könnten. Mit der Einsteuerung in die Kommandoausbildung … sei die Gewährung einer Erschwerniszulage und einer Prämie verbunden.
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Der Antragsteller beantragt,
dem Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihn vorläufig zur Basisausbildung zum Kommandosoldaten Heer, Ausbildungsbeginn: Mai 2022, zuzulassen, solange nicht über seine Beschwerde auf Teilnahme an der Basisausbildung zum Kommandosoldaten Heer bestandskräftig entschieden ist.
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Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch. Das Ermessen über seine Zulassung zu der beantragten Ausbildung sei nicht auf Null reduziert, vielmehr pflichtgemäß ablehnend ausgeübt worden. Wegen des noch nicht getilgten Dienstvergehens sei ihm mit Recht die charakterliche Eignung abgesprochen worden, die nach Nr. 423 der Konzeptionellen Dokumentenlandschaft (KD) K-9000/76 für die Zulassung zur Ausbildung zum Kommandosoldaten gefordert werde. Zwar treffe es zu, dass der Antragsteller im sachgleichen Strafverfahren nicht zu einer Geldstrafe verurteilt, sondern nur verwarnt worden sei. Grundlage der Feststellung sei aber nicht die verhängte Strafe, sondern der zugrundeliegende Sachverhalt. Die für ihn sprechenden Aspekte des disziplinargerichtlichen Urteils und des Strafurteils seien bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt worden. Erschwerend zu berücksichtigen sei, dass er zum Tatzeitpunkt bereits Leutnant und damit Vorgesetzter gewesen sei. Die Urteile könnten bis zum Ablauf der Tilgungsfrist am 15. Juni 2023 berücksichtigt werden. Die Absolvierung des Potentialfeststellungsverfahrens enthalte keine Feststellung seiner charakterlichen Eignung. Zur Teilnahme sei er durch seine Stammeinheit, nicht durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr kommandiert worden. Dieses habe sich zu seiner charakterlichen Eignung noch gar nicht geäußert und müsse eine entsprechende Feststellung daher auch nicht vor Ablehnung seines Antrages zurücknehmen. Dadurch unterscheide sich der vorliegende Fall von der vom Antragsteller zitierten Senatsentscheidung.
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Mangels Anordnungsanspruches komme es auf einen Anordnungsgrund nicht mehr an. Die der im August 2022 beginnenden Basisausbildung zum Kommandosoldaten notwendig vorgeschaltete Schießausbildung beginne am 16. Mai 2022. Die Anreise hierzu müsse spätestens bis zum 30. Mai 2022 erfolgen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerdeverfahren gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft. Er kann – wie hier – auch schon vor Rechtshängigkeit des Antrages auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Zulässigkeit des Antrages steht § 3 Abs. 2 WBO nicht entgegen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat in seiner Stellungnahme vom 19. April 2022 ausdrücklich erklärt, dass Abhilfe nicht erfolgen wird. Dem Erfordernis, dass die nach § 3 Abs. 2 WBO zuständige Stelle vor einer gerichtlichen Entscheidung Gelegenheit gehabt haben soll, selbst eine einstweilige Maßnahme zu treffen, ist damit Rechnung getragen (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2017 – 1 WDS-VR 8.17 – juris Rn. 15).
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Der Antragsteller begehrt mit der beantragten einstweiligen Anordnung keine Vorwegnahme der Hauptsache, die nur ausnahmsweise aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht käme (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. September 2017 – 1 WDS-VR 4.17 – juris Rn. 15 m.w.N.). Soweit sich der Antrag auf die vorläufige Teilnahme an der Ausbildung zum Kommandosoldaten Heer einschließlich der am 16. Mai 2022 beginnenden, vorgeschalteten Schießausbildung richtet, nimmt er die in der Hauptsache begehrte endgültige Zulassung nicht vorweg, sichert diese vielmehr; selbst im Falle eines erfolgreichen Abschlusses der notwendigen Lehrgänge könnte der Antragsteller hieraus nämlich kein „Recht aus abgelegter Prüfung“ im Sinne eines Anspruches auf Zulassung herleiten (BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2018 – 1 WDS-VR 11.17 – juris Rn. 13).
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2. Der Antrag ist auch begründet.
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a) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemacht. Die Ablehnung seiner Zulassung zur Ausbildung zum Kommandosoldaten mangels charakterlicher Eignung ist bei summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung und damit auch nicht auf eine entsprechende Ausbildung. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über die Verwendung eines Soldaten und die Ausbildung hierfür entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2002 – 1 WB 30.02 – Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m.w.N.).
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Die Verwendung eines Soldaten in einer bestimmten Funktion – hier als Kommandosoldat Heer – setzt die Eignung für die entsprechende Verwendung und Ausbildung voraus. Teil der Eignung eines Soldaten für einen bestimmten Kreis von Verwendungen ist auch seine charakterliche Eignung. Diese wird für Verwendungen als Kommandosoldat in Nr. 423 der Konzeptionellen Dokumentenlandschaft (KD) K-9000/76 „Personal Spezialkräfte Bundeswehr“ und in Nr. 406 Satz 2 Bereichsvorschrift C1-1335/0-1320 konkretisiert. Hiernach muss das Anforderungsprofil zukünftiger Kommandosoldaten bereits im Anwärter erkennbar sein und umfasst die Identifikation mit der Aufgabe, Charakterfestigkeit und Zivilcourage, die Eigenschaft als Teamplayer und soziale Kompetenz, Standhaftigkeit und Belastbarkeit, Kritikfähigkeit mit Willen zur Verbesserung, eine souveräne Persönlichkeit und eine gefestigte Werteorientierung.
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Dem Dienstherrn steht bei der Entscheidung über die Eignung eines Soldaten ein Beurteilungsspielraum zu, den er unter Berücksichtigung des von dem Soldaten wahrzunehmenden Dienstpostens auszufüllen hat; demzufolge beschränkt sich die gerichtliche Nachprüfung auf die Kontrolle, ob er bei der Entscheidung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen des Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 – 1 WB 60.11 – NVwZ 2013, 1227 Rn. 34 m.w.N., vom 25. Juni 2020 – 1 WB 77.19 – Buchholz 449 § 3 SG Nr. 103 Rn. 28 und vom 2. Juni 2021 – 1 WB 18.20 – Buchholz 449 § 3 SG Nr. 111 Rn. 18). Bei der Prüfung der Eignung ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles geboten, bei der neben dem Umstand, dass der Antragsteller als Leutnant ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hatte, auch der Zeitablauf seit dem Dienstvergehen, die erzieherische Wirkung des Verfahrens und der Maßnahme sowie die Führung des Antragstellers in der Folge einzustellen sind (BVerwG, Beschluss vom 31. März 2021 – 1 WB 12.21 – juris Rn. 39).
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bb) Hiernach kommt es nicht darauf an, ob mit der Zulassung des Antragstellers zum Verfahren der Feststellung seines Potentials zum Kommandosoldaten und seiner erfolgreichen Teilnahme die Feststellung seiner auch charakterlichen Eignung verbunden war, die nur unter den Voraussetzungen nach §§ 48, 49 Abs. 2 VwVfG korrigiert werden kann. Denn der angegriffene Bescheid überschreitet auch als erstmalige Entscheidung über die Eignung des Antragstellers für die Ausbildung zum Kommandosoldaten den Beurteilungsspielraum des Dienstherrn.
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Der Bescheid enthält keine fehlerfreie und nachvollziehbare Begründung für das negative Gesamturteil. Er argumentiert bereits mit der in tatsächlicher Hinsicht unzutreffenden Feststellung, das Strafgericht habe den Antragsteller zu einer Geldstrafe verurteilt, obwohl es ihn in Wirklichkeit nur verwarnt hat. Vor allem ist die, wie ausgeführt, gebotene Gesamtabwägung aller aktuell für und gegen eine charakterliche Eignung sprechenden Umstände nicht erfolgt. Diese kann sich nämlich nicht auf eine Auswertung des Inhaltes der angeführten Urteile beschränken. Vielmehr hat sie sich auch damit auseinanderzusetzen, ob die erzieherische Wirkung der Disziplinarmaßnahme durch das Ende des Beförderungsverbotes eingetreten, dass der Antragsteller zwischenzeitlich befördert und in welcher Weise er zwischenzeitlich mehrfach beurteilt worden ist. Sie muss die Persönlichkeitsentwicklung seit dem Dienstvergehen insgesamt in den Blick nehmen und hat dabei auch die vom Antragsteller zutreffend angeführten Umstände – mehrere förmliche Anerkennungen, eine Leistungsprämie, die in den zwischenzeitlich erstellten Beurteilungen zum Ausdruck kommenden Einschätzungen zu Eignung und Leistung des Antragstellers, die ohne Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossene Sicherheitsüberprüfung zur Ü2 und die dienstliche Stellungnahme seines Disziplinarvorgesetzten – zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung muss sich gemäß § 39 VwVfG auch in der Begründung eines ablehnenden Bescheides niederschlagen.
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Dass eine Abwägung unter vollständiger Einbeziehung aller erheblichen Gesichtspunkte erfolgt wäre, ist bei summarischer Prüfung aber weder der Begründung des angegriffenen Bescheides noch der den Bescheid erläuternden und die Entscheidung über die Beschwerde vorbereitenden Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung zu entnehmen. Letztere führt zwar an, dass die in den Urteilen getroffenen Feststellungen vollständig ausgewertet wurden. Damit ist aber nicht dargetan, dass die Gesamtabwägung auch die Persönlichkeitsentwicklung nach den in Rede stehenden Urteilen in den Blick genommen und auf diese Weise alle erheblichen Umstände ausgewertet hat. Angesichts der Vielzahl positiver Umstände ist ein durchschlagendes Argument für eine negative Gesamtbewertung der charakterlichen Eignung bei summarischer Prüfung derzeit auch nicht ersichtlich.
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Da das Bundesministerium der Verteidigung die Ablehnung der Ausbildung zum Kommandosoldaten auch nicht auf andere Gründe gestützt hat, ist bei der in einem Eilverfahren nur möglichen vorläufigen Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG im vorliegenden Fall bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens ausnahmsweise den Anspruch auf Versetzung haben kann.
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b) Für die begehrte einstweilige Anordnung besteht auch ein Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO).
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Der Antragsteller hat substantiiert vorgetragen, dass ohne die vorläufige Zulassung zur Ausbildung der Ausbildungserfolg gefährdet wäre und er infolge einer späteren Verwendung als Kommandosoldat erst nach einem Erfolg einer späteren Hauptsache finanzielle Nachteile und Laufbahnnachteile erleiden könne. Dem ist das Bundesministerium der Verteidigung in der Sache nicht entgegengetreten. Damit ist glaubhaft gemacht, dass dem Antragsteller ohne die beantragte einstweilige Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstehen würden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2006 – 1 WDS-VR 3.06 – Rn. 21).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.