Die Darlegungs- und Beweislast für die einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ausschließende Einwilligung des Eigentümers… (Urteil des BGH 5. Zivilsenat)

BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 13.05.2022, AZ V ZR 7/21, ECLI:DE:BGH:2022:130522UVZR7.21.0

§ 1004 Abs 1 BGB

Leitsatz

Die Darlegungs- und Beweislast für die einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ausschließende Einwilligung des Eigentümers in die Einwirkung auf sein Eigentum trägt der Anspruchsgegner.

Verfahrensgang

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 17. Dezember 2020, Az: 15 U 25/19
vorgehend LG Hamburg, 5. Dezember 2017, Az: 411 HKO 15/17

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird – unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels und der Anschlussrevision der Beklagten – das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts – 15. Zivilsenat – vom 17. Dezember 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin in Bezug auf die von ihr in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge zu 1 (Haupt- und Hilfsantrag) zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien erbringen Telekommunikationsdienstleistungen. Die Klägerin betreibt deutschlandweit ein Mobilfunknetz. Die Beklagte, die nicht über ein eigenes Mobilfunknetz verfügt, übernimmt für andere Unternehmen die massenweise Zustellung (sog. Terminierung) maschinenerzeugter Kurznachrichten an deren Kunden (sog. Application to Person-SMS, A2P-SMS) wie beispielsweise die Übermittlung mobiler Transaktionsnummern (mTAN) im Auftrag von Bankinstituten.

2

In dem Mobilfunknetz der Klägerin findet das netzinterne Signalisierungssystem SS7 Anwendung. Die Terminierung von SMS innerhalb des Netzes der Klägerin erfolgt über deren Short Message Service Center (SMSC). Das Mobilfunknetz der Klägerin ist zudem über Netzzusammenschaltungspunkte (sog. Signal Transfer Points [STP]) mit anderen Mobilfunknetzen verknüpft. Eine solche Verknüpfung ist für das sog. Roaming, der Fähigkeit eines Mobilfunkteilnehmers, ein anderes Netzwerk als sein Heimatnetzwerk zu nutzen, erforderlich. Dabei bestehen an den jeweiligen STP Zugangssperren für Datentransaktionen wie SMS-Terminierungen, die nur durch eine Authentifizierung mit sog. Global Titles (GT) überwunden werden können. Bei den GT handelt es sich um Zugangskennungen, die einem Netzbetreiber durch eine Regulierungsbehörde zugeteilt werden. In den Systemen der Klägerin sind die GT ihrer Roamingpartner hinterlegt, so dass an den STP der Absender anhand des von ihm verwendeten GT verifiziert werden kann.

3

Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag, der regelt, dass die Beklagte direkt an das SMSC der Klägerin angeschlossen wird. Die Beklagte kann hierüber die an die Mobilfunkteilnehmer der Klägerin gerichteten SMS an das SMSC der Klägerin weiterleiten; die Klägerin stellt sodann die SMS zu und berechnet der Beklagten hierfür ein Entgelt. Die Klägerin schloss zudem mit den ausländischen Mobilfunknetzbetreibern V.        M.          und M.         AG jeweils Roamingverträge, die diese Unternehmen zu einem Zugriff über STP auf das Mobilfunknetz der Klägerin berechtigen. Dabei ist in den Vertrag mit der M.             AG auch deren Tochterunternehmen, die T.            AG, einbezogen.

4

Die Beklagte nutzte über die ihr von der Klägerin unmittelbar vertraglich eingeräumte Möglichkeit hinaus einen weiteren, sog. indirekten Weg zur Terminierung von A2P-SMS in deren Mobilfunknetz. Grundlage hierfür waren Kooperationsverträge, die die Beklagte sowohl mit der T.                  AG als auch mit der V.        M.         abgeschlossen hat. Diese Verträge regeln die technische Zusammenschaltung des virtuellen SMSC der Beklagten mit denen der Vertragspartner mit der Folge, dass die Beklagte deren vorhandene Mobilfunkinfrastruktur mitbenutzen konnte. Zudem überließen die Vertragspartner der Beklagten dieser zur eigenen Verwendung ihnen zugeteilte und bei der Klägerin hinterlegte GT. Zur SMS-Terminierung in das Netz der Klägerin stieß die Beklagte die hierfür notwendigen technischen Prozesse dann über ihr eigenes virtuelles SMSC an, indem sie von diesem aus die für die SMS-Terminierung benötigten Daten per Internet und damit per Internet Protocol (IP) über ein SIGTRAN-Gateway, einer Schnittstelle zwischen der externen IP-basierten Infrastruktur und der netzinternen Signalisierungswelt SS7, an das mit ihr kooperierende Mobilfunknetz sandte. Aufgrund der zusätzlichen Verwendung der ihr überlassenen GT wurden die SMS von diesem Mobilfunknetz über die STP und im beschriebenen zweiphasigen Verfahren in dem Netz der Klägerin terminiert. Dabei erfasste das System der Klägerin je nach dem eingesetzten GT den Zugriff als einen solchen der T.              AG oder der V.        M.        .

5

Im Sommer 2014 stellte die Beklagte der Klägerin mit deren Zustimmung eine Schwachstelle im Bereich des mTAN-Verfahrens vor, nämlich die Möglichkeit der Manipulation der im Heimatregister (Home Location Register, HLR) für eine SIM-Kartenkennzeichnung hinterlegten Daten, wofür sie unter Einsatz eines GT auf das Netz der Klägerin zugriff. Am 6. November 2014 demonstrierte die Beklagte diese aus ihrer Sicht bestehende Sicherheitslücke einem ihrer Kunden ohne Wissen der Klägerin.

6

Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen unberechtigter Eigentumsbeeinträchtigung ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Im Laufe des Rechtsstreits veranlasste die Klägerin, dass ihre Roamingpartner die von ihnen selbst genutzten GT auf einer sog. white list erfassen lassen mussten, um damit weiter auf das Netz der Klägerin zugreifen zu können. Die M.              AG bzw. T.               AG und die V.          M.          registrierten ihre an die Beklagte weitergereichten GT nicht, so dass diese einen Zugriff auf das Netz der Klägerin nicht mehr ermöglichen.

7

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Änderung von Daten im HLR wie bei der Demonstration der Sicherheitslücke (im Folgenden auch als „show case“ bezeichnet) erfolgt, des Zugriffs auf ihr Mobilfunknetz auf dem geschilderten indirekten Weg sowie insbesondere der Terminierung von A2P-SMS auf eine Weise, die ihr eine Abrechnung nicht ermöglicht, in Anspruch. Sie verlangt außerdem die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der behaupteten vereitelten Abrechnung ihrer Leistungen. Das Landgericht hat der Klage nur im Hinblick auf die mit der Klägerin nicht abgestimmte Demonstration der Sicherheitslücke stattgegeben und die Beklagte insofern strafbewehrt verurteilt, es zu unterlassen, Zugangsdaten zu einem STP des Mobilfunknetzes der Klägerin ohne deren Zustimmung zu nutzen, um Daten im HLR ohne Zustimmung der Klägerin zu ändern. Die Klägerin hat dagegen Berufung, die Beklagte hat Anschlussberufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin dabei mit dem Haupt- und Hilfsantrag zu 1 zuletzt beantragt, die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen

über einen STP zum Netz der Klägerin unter Verwendung von gemieteten oder geliehen GT eines Roamingpartners der Klägerin und unter Einsatz der hierzu erforderlichen Technik (SIGTRAN-Gateway und eigene Netzwerktechnik/virtuelles SMSC) in SS7 Daten in das Netz der Klägerin einzuleiten, auszulesen und zu verändern, insbesondere im geschäftlichen Verkehr in der vorgenannten Art und Weise in SS7 Daten in das Netz der Klägerin einzuleiten, um A2P-SMS an Mobilfunkteilnehmer der Klägerin zuzustellen,

hilfsweise, zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr STP zum Netz der Klägerin gegen deren Willen zu verwenden, ohne unmittelbare vertragliche Vereinbarung mit der Klägerin mit einen von einem Roamingpartner der Klägerin abgeleiteten GT einzusetzen, um über SS7 ein Netzelement der Klägerin (HLR oder SMSC) anzusteuern, um digitale Daten in Form von A2P-SMS Daten einzuleiten und auszulesen.

8

Mit dem Haupt- und Hilfsantrag zu 2 hat sie beantragt, es der Beklagten zu verbieten, STP zum Netz der Klägerin zur Zustellung von SMS Dritter in einer Art und Weise zu verwenden, die eine Abrechnung durch die Klägerin nicht ermöglicht. Mit ihrem Antrag zu 3 hat sie zudem weiterhin die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der behaupteten vereitelten Abrechnung verlangt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin sowie die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Die Beklagte will mit der Anschlussrevision die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Die Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

9

Das Berufungsgericht hält die Berufung teilweise für unzulässig. Soweit die Klägerin von der Beklagten mit dem Hauptantrag zu 1 weiter auch die Unterlassung begehre, in SS7 Daten auszulesen oder zu verändern, fehle es an einer Beschwer, jedenfalls sei die Berufung wie auch im Übrigen unbegründet. Über den durch das erstinstanzliche Urteil zuerkannten Anspruch hinaus stünden der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche weder aus §§ 903, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB noch aus §§ 3, 8 UWG zu. Die Beklagte wirke zwar auf das im Hinblick auf die technische Infrastruktur als Sache zu betrachtende Mobilfunknetz der Klägerin ein, indem sie unter Verwendung von GT eines Roamingpartners der Klägerin in SS7 Daten in das Netz einleite, um A2P-SMS zuzustellen. Es fehle aber an einer Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB. Eine solche liege nur vor, wenn eine Einwirkung auf eine Sache gegen den Willen des Eigentümers erfolge, wofür die Klägerin darlegungspflichtig sei. Da sie ihr Netz in technischer Hinsicht dafür geöffnet habe, dass Daten in SS7 über STP unter Verwendung von GT in ihr Mobilfunknetz eingeleitet würden, entspreche eine derartige Nutzung ihrem Willen. Dass gerade die Nutzung durch die Beklagte nicht von ihrem Willen umfasst sei, ergebe sich weder aus den vorgelegten Roamingverträgen noch aus sonstigen Umständen. Insbesondere sei davon auszugehen, dass die Klägerin für die Nutzung ihres Mobilfunknetzes durch die Beklagte die dafür vorgesehene Vergütung erhalte. Dass die Beklagte eine vertragskonforme Abrechnung vereitelt habe, habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Der Beklagten sei auch keine unlautere geschäftliche Handlung vorzuwerfen. Da es an einer hinreichenden Darlegung der behaupteten schadensstiftenden Handlung fehle, stünden der Klägerin auch keine Schadensersatzansprüche zu. Die Hilfsanträge stellten sich jeweils als Konkretisierung eines schon im Hauptantrag als Minus erkennbaren Verlangens dar, bildeten keinen eigenen Streitgegenstand und seien nicht begründet.

10

Die Anschlussberufung der Beklagten sei ebenfalls unbegründet. Die Klägerin könne von der Beklagten nach §§ 903, 1004 BGB verlangen, es zu unterlassen, Zugangsdaten zu einem STP zur Änderung von Daten im HLR einer Mobilfunknummer zu nutzen. Für eine derartige Nutzung habe die Klägerin ihr Netz nicht eröffnet, weswegen sie ihrem Willen widerspreche. Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen könne sich die Beklagte nicht berufen. Der Umstand, dass die Beklagte kein Interesse und derzeit keine Möglichkeit habe, den „show case“ zu wiederholen, reiche zur Widerlegung der indizierten Wiederholungsgefahr nicht aus.

II.

11

Dies hält rechtlicher Prüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Die Revision hat teilweise Erfolg. Die Anschlussrevision ist unbegründet.

12

A. Revision

13

1. Das Rechtsmittel der Klägerin ist im Hinblick auf den Hauptantrag zu 1 begründet.

14

a) Anders, als das Berufungsgericht meint, war die Berufung im Hinblick auf den Hauptantrag zu 1 insgesamt zulässig, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2021 – V ZR 181/19, NZI 2021, 669 Rn. 23; BGH, Urteil vom 6. April 2017 – III ZR 368/16, BGHZ 214, 324 Rn. 14 mwN). Die für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer lag bereits darin, dass die in erster Instanz entsprechend dem nunmehrigen Hauptantrag zu 1 formulierten Hilfsanträge zu 1 und 2 abgewiesen worden sind (sog. formelle Beschwer, vgl. Senat, Urteil vom 17. Februar 2017 – V ZR 147/16, NJW-RR 2017, 1040 Rn. 6; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2021 – VI ZR 1173/20, NJW-RR 2022, 205 Rn. 10, jeweils mwN). Die Beschwer war dabei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch bezüglich des gesamten Hauptantrags zu 1 gegeben. Die Tatsache, dass die Beklagte in erster Instanz verurteilt worden ist, es zu unterlassen, Zugangsdaten zu einem STP des Mobilfunknetzes der Klägerin ohne deren Zustimmung zu nutzen, um Daten im HLR ohne deren Zustimmung zu ändern, ließ die Beschwer nicht teilweise entfallen. Denn das mit dem Hauptantrag zu 1 verfolgte Rechtsschutzziel ist nicht teilweise mit der bereits erfolgten Verurteilung identisch. Vielmehr ist der Hauptantrag bei sachgerechter Auslegung darauf gerichtet, dass die Beklagte es zu unterlassen hat, im geschäftlichen Verkehr über einen STP zum Mobilfunknetz der Klägerin unter Verwendung von gemieteten und geliehenen GT eines Roamingpartners der Klägerin und unter Einsatz der hierzu erforderlichen Technik in SS7 Daten einzuleiten, auszulesen und zu verändern, um A2P-SMS an Mobilfunkteilnehmer der Klägerin zuzustellen.

15

aa) Nach dem Wortlaut bezieht sich der Antrag allerdings darauf, dass der Beklagten allgemein die Einleitung, das Auslesen und das Verändern von Daten in das Mobilfunknetz über den näher beschriebenen Weg der Klägerin verboten werden soll, „insbesondere“ die Einleitung von Daten zur Zustellung von A2P-SMS. Für die Auslegung von Anträgen ist aber nicht allein der Wortlaut maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er aus der Klagebegründung, den sonstigen Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgeht. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Die Auslegung des klägerischen Antrags kann auch noch das Revisionsgericht vornehmen (Senat, Urteil vom 26. Februar 2016 – V ZR 250/14, NJW 2016, 2181 Rn. 18 mwN).

16

bb) Hiervon ausgehend ist der Antrag dahin zu verstehen, dass die Beklagte die Einleitung, das Auslesen und das Verändern von Daten zur Zustellung von A2P-SMS unterlassen soll. Zwar dient im Allgemeinen ein mit „insbesondere“ eingeleiteter Teil eines Unterlassungsantrags zur Erläuterung des in erster Linie beantragten abstrakten Verbots (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 Rn. 13 mwN), führt also nicht zu einer Einschränkung des vorhergehend formulierten Klagebegehrens, sondern stellt eine Auslegungshilfe dar (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2017 – I ZR 134/16, GRUR 2018, 417 Rn. 28 mwN). Hier liegt es aber ausnahmsweise anders. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Hilfsantrag zu 2 bis zu dem mit „insbesondere“ eingeleiteten Teil identisch mit dem Hauptantrag zu 1 formuliert ist und lediglich im Rahmen des folgenden zweiten Teils auf eine andere Handlung, nämlich derjenigen, bei der Terminierung von A2P-SMS Abrechnungsprozesse zu stören, verweist. Würde der „insbesondere“-Zusatz insofern nur eine Erläuterung darstellen, wären letztlich zwei identische Anträge gestellt worden, was ersichtlich nicht der Interessenlage der Klägerin entspricht. Zudem bezieht sich auch der Hilfsantrag zu 1 nur auf den Vorgang der Zustellung von A2P-SMS. Dieser war, wie die Klägerin in der Revisionsverhandlung erläutert hat, für den Fall gestellt, dass die erkennenden Gerichte die Notwendigkeit sahen, die mit dem Hauptantrag zu 1 geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB und § 8 Abs. 1 UWG in jeweils eigenen Anträgen geltend zu machen; eine inhaltliche Einschränkung des Inhalts des Hauptantrags war hingegen nicht gewollt. Auch dies zeigt, dass nach dem erkennbaren Willen der Klägerin Gegenstand auch des mit dem Hauptantrag zu 1 beantragten Unterlassens die Einleitung von Daten zum Zwecke der Terminierung von A2P-SMS war. Die Formulierung im ersten Teil des Antrags „Daten in das Netz der Klägerin einzuleiten, auszulesen oder zu verändern“ bezeichnet dabei – wie die Klägerin in der Revisionsverhandlung klargestellt hat – in technischer Hinsicht die Vorgänge, die für die Zustellung von A2P-SMS auf dem indirekten Weg notwendig sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Hinblick auf das Auslesen und Verändern der Daten die Revision nicht weiterverfolgt habe und insoweit eine stillschweigende Rücknahme erfolgt sei, bestehen, anders als die Beklagte in der Revisionsverhandlung ausgeführt hat, nicht.

17

b) Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich der mit dem Hauptantrag zu 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht verneinen. Seine Annahme, die Klägerin könne von der Beklagten nicht die Unterlassung des Einleitens, Auslesens und Veränderns von Daten in SS7 über STP unter Verwendung von gemieteten oder geliehenen GT zur Einleitung von A2P-SMS verlangen, ist rechtsfehlerhaft.

18

aa) Zutreffend und von der Revision auch nicht mit Substanz angegriffen geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass sich ein Unterlassungsanspruch nicht aus wettbewerbsrechtlichen Vorschriften ergibt. Es führt insofern aus, die Klägerin könne sich nicht auf § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 UWG stützen, weil es sich bei der Einleitung von Befehlen in das Netz der Klägerin mangels eines Adressaten nicht um eine Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG handele. Der Anspruch folge auch nicht aus § 8 Abs. 1 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 4 UWG bzw. i.V.m. der entsprechenden Regelung in § 4 Nr. 10 UWG in der bis zum 9. Dezember 2015 geltenden Fassung, da es an einer wettbewerbswidrigen Behinderung fehle. Weder habe die Klägerin hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Beklagte infolge der Nutzung der STP eine kostengünstigere Leistung habe anbieten können, noch, dass besondere Umstände vorgelegen hätten, die das Ausnutzen eines möglichen Vertragsbruchs ihrer Geschäftspartner als unlauter erscheinen ließen. Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere ergibt sich aus der Einleitung von SMS in das Netz der Klägerin auf dem indirekten Weg, die allein Gegenstand des Antrags zu 1 ist, keine Umgehung der Abrechnungsmöglichkeiten der Klägerin; mögliche Manipulationen sind vielmehr Gegenstand des Antrags zu 2.

19

bb) Das Berufungsgericht verneint jedoch rechtsfehlerhaft das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer dann, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen; sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. Dabei besteht angesichts eines erfolgten rechtswidrigen Eingriffs eine tatsächliche Vermutung dafür, dass weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, also Wiederholungsgefahr gegeben ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 27. November 2020 – V ZR 121/19, NZM 2021, 321 Rn. 33 mwN).

20

(1) Richtig ist im Ausgangspunkt, dass es sich bei den dem Betrieb des Mobilfunknetzes der Klägerin dienenden technischen – körperlich abgrenzbaren – Anlagen um Sachen im Sinne von § 90 BGB handelt, auf welche die Beklagte mit der Einleitung von Daten oder Signalen in das Mobilfunknetz infolge der damit einhergehenden Mitnutzung dieser Infrastruktureinrichtungen eingewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 – KZR 31/08, WM 2010, 1950 Rn. 61). Soweit die Beklagte in der Revisionsverhandlung der Sache nach geltend gemacht hat, sie nutze nicht selbst den indirekten Weg, sondern „übergebe“ die Daten den Roamingpartnern der Klägerin, entspricht dies nicht den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts; danach sind die für die SMS-Terminierungen notwendigen technischen Prozesse vielmehr über das SMSC der Beklagten unter Verwendung der ihr von den Roamingpartnern der Klägerin zur Verfügung gestellten GT angestoßen und gesteuert worden.

21

(2) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme, diese in der Vergangenheit erfolgte Einwirkung durch die Beklagte begründe keinen Unterlassungsanspruch, weil nicht davon auszugehen sei, dass die Beklagte das Netz gegen den Willen der Klägerin nutze.

22

(a) Das Berufungsgericht gibt insofern zwar die Rechtsprechung des Senats wieder, wonach die Einwirkung auf eine fremde Sache nur dann zu einer Eigentumsbeeinträchtigung führt, wenn sie gegen den Willen des Eigentümers erfolgt (vgl. Senat, Urteil vom 19. September 2003 – V ZR 319/01, BGHZ 156, 172, 175; vgl. auch Senat, Urteil vom 19. Dezember 2014 – V ZR 324/13, NJW 2015, 2037 Rn. 10). Hintergrund hierfür ist, dass der Eigentümer durch eine seinem Willen entsprechende Einwirkung in der ihm durch § 903 Satz 1 BGB eingeräumten Dispositionsbefugnis, nämlich der Befugnis, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren, nicht nachteilig betroffen wird, so dass es an einem Widerspruch zum Inhalt seines Eigentumsrechts fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 19. September 2003 – V ZR 319/01, BGHZ 156, 172, 175). Richtig ist auch, dass es der Klägerin nach allgemeinen Regeln obliegt, die Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. Staudinger/Thole, BGB [2019], § 1004, Rn. 585 f.; MüKoBGB/Raff, 8. Aufl., § 1004 Rn. 324; BeckOGK/Spohnheimer, BGB [1.2.2022], § 1004 Rn. 304; vgl. auch Senat, Urteil vom 19. Dezember 2014 – V ZR 324/13, NJW 2015, 2037 Rn. 11).

23

(b) Eine Einwilligung der Klägerin stellt das Berufungsgericht nicht positiv fest. Entgegen seiner Rechtsansicht hat nicht der Eigentümer dazulegen und zu beweisen, dass die Einwirkung auf sein Eigentum gegen seinen Willen erfolgt. Die Darlegungs- und Beweislast für die einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ausschließende Einwilligung des Eigentümers in die Einwirkung auf sein Eigentum trägt vielmehr der Anspruchsgegner.

24

Dabei kann dahinstehen, ob diese Einwilligung des Eigentümers als negative Voraussetzung des Tatbestandes des § 1004 Abs. 1 BGB (so die oben, Rn. 22, zitierte Rechtsprechung des Senats und wohl auch Staudinger/Thole, BGB [2019], § 1004 Rn. 59; BeckOGK/Spohnheimer, BGB [1.2.2022], § 1004 Rn. 80, 83; Jauernig/Berger, BGB, 18. Aufl., § 1004 Rn. 4; BeckOK BGB/Fritzsche [1.2.2022], § 1004 Rn. 34 f., siehe aber auch Rn. 108), als allgemeiner Rechtfertigungsgrund (NK-BGB/Schmidt-Räntsch/Keukenschrijver, 5. Aufl., § 1004 Rn. 90; so wohl auch RGZ 131, 335, 336) oder als ein Unterfall der Duldungspflicht des § 1004 Abs. 2 BGB (so wohl Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1004 Rn. 37) anzusehen ist. In jedem Fall obliegt es dem Anspruchsgegner, zu beweisen, dass der Eigentümer in die Einwirkung eingewilligt hat.

25

(aa) Grundsätzlich trägt zwar der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen (vgl. Senat, Urteil vom 13. November 1998 – V ZR 386/97, NJW 1999, 352, 353; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – VII ZR 185/13, MDR 2016, 1443 Rn. 18, Urteil vom 5. Dezember 2012 – VIII ZR 74/12, MDR 2013, 327 Rn. 28). Ergibt sich aber aus dem Gesetz – ausdrücklich oder durch Auslegung -, dass eine Rechtsfolge für den Regelfall als angemessen bewertet wird, trifft denjenigen die Darlegungs- und Beweislast, der die Voraussetzungen für eine Ausnahme behauptet (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1992 – XI ZR 84/91, NJW-RR 1992, 751, 753; vgl. auch Senat, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 431/02, NJW-RR 2003, 1432, 1433; BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – VI ZR 310/08, NJW 2009, 3231, 3232 und allgemein Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl., § 286 Rn. 118; HK-ZPO/Saenger, ZPO, 9. Aufl., § 286 Rn. 58).

26

(bb) Nach der gesetzlichen Konzeption des § 1004 Abs. 1 BGB ist davon auszugehen, dass eine Einwirkung auf eine fremde Sache regelmäßig mit einer Eigentumsbeeinträchtigung einhergeht und dass die Einwilligung des Eigentümers in die Einwirkung den Ausnahmefall darstellt. Der Eigentümer einer Sache kann gemäß § 903 Satz 1 BGB mit dieser grundsätzlich nach Belieben verfahren und insbesondere andere von jeder Einwirkung ausschließen. Hieraus ergibt sich die grundsätzliche Rechtsmacht des Eigentümers, über die Art und den Umfang der Nutzung seiner Sache selbst zu entscheiden (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 14/12, NJW 2013, 1809 Rn. 14; Urteil vom 19. September 2003 – V ZR 319/01, BGHZ 156, 172, 178; vgl. auch BVerfG NJW 2010, 220 f.), insbesondere auch darüber, ob und wie die Sache gewerblich genutzt werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 14/12, NJW 2013, 1809 Rn. 14; Senat, Urteil vom 19. September 2003 – V ZR 319/01, BGHZ 156, 172, 178). Solange sich der Eigentümer nicht – ausdrücklich oder konkludent – dafür entscheidet, eine Einwirkung zu dulden, ist davon auszugehen, dass er von seinem in § 903 Satz 1 BGB verankerten Ausschließungsrecht Gebrauch macht, so dass sich die Einwirkung als eine zu unterlassende Beeinträchtigung seines Eigentums darstellt (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juli 2011 – V ZR 154/10, NZM 2011, 632 Rn. 14; Urteil vom 4. Februar 2005 – V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1367; Urteil vom 19. September 2003 – V ZR 319/01, BGHZ 156, 172, 178; BeckOK BGB/Fritzsche [1.2.2022], § 1004 Rn. 34 f.).

27

(cc) Aufgrund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses obliegt es auch dann, wenn man die Einwilligung im Tatbestand verortet, dem Anspruchsgegner, hier also der Beklagten, die Einwilligung des Eigentümers darzulegen und zu beweisen. Soweit die Entscheidung des Senats vom 19. Dezember 2014 (V ZR 324/13, NJW 2015, 2037 Rn. 10 f.) anders verstanden werden könnte, hält der Senat daran nicht fest. Sieht man die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund oder als Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB an, ergibt sich die Darlegungs- und Beweislast des Anspruchsgegners aus den allgemeinen Regeln, wonach das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen und Duldungspflichten derjenige beweisen muss, der sich darauf beruft (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 – V ZR 172/07, NVwZ 2008, 1150 Rn. 28, insoweit nicht in BGHZ 177, 165 abgedruckt; Urteil vom 2. Dezember 1988 – V ZR 26/88, BGHZ 106, 142, 145; MüKoBGB/Raff, 8. Aufl., § 1004 Rn. 325; BeckOGK/Spohnheimer, BGB [1.2.2022], § 1004 Rn. 203, 305; Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1004 Rn. 52; BeckOK BGB/Fritzsche [1.2.2002], § 1004 Rn. 133; Staudinger/Thole, BGB [2019], § 1004 Rn. 587).

28

(c) Hiernach ist es Sache der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass die Klägerin mit der Einwirkung auf ihr Eigentum einverstanden war. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin mit der Einleitung von Daten in SS7 über STP durch geliehenen GT zur Einleitung von A2P-SMS durch die Beklagten einverstanden war.

29

(aa) Ein Einverständnis ergibt sich nicht daraus, dass sie den Zugriff auf ihr Mobilfunknetz über STP in technischer Hinsicht eröffnet hat. Die Einleitung von Daten oder Signalen durch die Beklagte ist nicht zwangsläufige Folge der eigenen Dispositionen der Klägerin, sondern setzt die Überwindung eines Zugangshindernisses durch aktives Tun der Beklagten voraus. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt maßgeblich von demjenigen, der dem Urteil des Senats vom 19. September 2003 betreffend die Durchleitung von Signalen durch ein Breitbandkabelnetz (V ZR 319/01, BGHZ 156, 172) zugrunde lag. Dort hatte die Betreiberin eines Breitbandkabelnetzes ihr Netz mit einem anderen Netz ohne Filtereinrichtungen derart zusammengeschaltet, dass in das andere Netz eingespeiste Signale aufgrund der technischen Gegebenheiten zwangsläufig auch in das Netz der Kabelnetzbetreiberin gelangen mussten. Die durch die Verbindung der Netze von der Betreiberin selbst bewirkte – unvermeidliche – Ein- bzw. Durchleitung von Signalen in ihr eigenes Netz widersprach deshalb als solche nicht ihrer eigentumsrechtlichen Dispositionsbefugnis (vgl. im Einzelnen Senat, Urteil vom 19. September 2003 – V ZR 319/01, NJW 2003, 3762 f., insoweit nicht vollständig abgedruckt in BGHZ 156, 172). Die Klägerin hingegen hat ihr Netz mit technischen Zugangsbeschränkungen ausgestattet und so Vorkehrungen gegen eine beliebige Einspeisung von Signalen getroffen. Dies macht deutlich, dass sie den Zugang zu ihrem Netz nur unter bestimmten Bedingungen gewähren will.

30

(bb) Dass nach dem Willen der Klägerin auch die Beklagte die Schutzvorkehrungen an den STP mittels von Dritten überlassene GT überwinden können sollte, lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat vielmehr aufgrund der von ihm angenommenen Darlegungslast der Klägerin lediglich ausgeführt, dass sich ein entgegenstehender Wille der Klägerin nicht ergebe. Auch kann aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Schluss gezogen werden, dass es, wie die Beklagte in der Revisionsverhandlung der Sache nach ausgeführt hat, nach den technischen Gegebenheiten und den Üblichkeiten im Geschäftsverkehr keinen Unterschied mache, wer die Prozesse anstoße, die zu einer Überwindung der Schutzvorkehrungen an den STP durch registrierte GT führen.

31

(cc) Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Klägerin zur Duldung des Vorgehens der Beklagten nach § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet ist. Zwar kann sich eine Duldungspflicht des Eigentümers nach § 1004 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung des § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB auch aus abgeleitetem Recht ergeben (vgl. Senat, Urteil vom 10. November 2006 – V ZR 46/06, WuM 2007, 29 Rn. 8 mwN). Insofern wäre es denkbar, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin zur Nutzung der GT aus abgeleitetem, vertraglichem Recht der ausländischen Netzbetreiber berechtigt ist. Weil den Anspruchsgegner die Darlegungs- und Beweislast für die Duldungspflicht des Eigentümers nach § 1004 Abs. 2 BGB trifft (siehe oben Rn. 27), ist es aber Sache der Beklagten, eine solche Berechtigung vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen.

32

(3) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

33

(a) Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ist nicht bereits deswegen zu verneinen, weil die künftige Nutzung gemieteter GT nach Lage der Verhältnisse ausgeschlossen erscheint und es deshalb an einer Wiederholungsgefahr fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 14. Oktober 1994 – V ZR 76/73, NJW 1995, 132, 134 zu § 862 BGB). Die Beklagte hat die verlangte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hindert die Einführung der sog. white list die Annahme der Wiederholungsgefahr nicht. Der weitere Einsatz der bislang durch die Beklagte verwendeten GT der T.          AG oder der V.          M.         ist zwar nach derzeitigem Stand mangels Registrierung nicht zu besorgen. Nicht sicher ausgeschlossen ist aber, dass auf der Liste registrierte GT an die Beklagte noch weitergereicht worden sind oder künftig weitergereicht werden.

34

(b) Nach den bisherigen Feststellungen ist auch der von der Beklagten nach § 242 BGB geltend gemachte kartellrechtliche Duldungseinwand wegen missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung offensichtlich nicht gegeben. Die Argumentation der Beklagten, die Klägerin verstoße als marktbeherrschendes Unternehmen gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot nach Art. 102 AEUV und § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 GWB in der bis zum 18. Januar 2021 geltenden Fassung, weil sie ausländischen Netzbetreibern den Zugang über STP mittels zugeteilter GT gewähre, während sie ihr, der Beklagten, denselben Zugang versage, greift nicht durch. Die Beklagte legt weder dar, warum die Klägerin ihr gegenüber kartellrechtlich verpflichtet sein sollte, eine – hier unterstellt – eigenmächtige und vertragswidrige Weitergabe von Zugangskennungen durch die Roamingpartner zu dulden, noch verweist sie auf Vortrag, wonach sich die Klägerin weigert, der Beklagten gegen angemessenes Entgelt den in Streit stehenden indirekten Zugang zu ihrem Netz zu gewähren. Soweit die Beklagte in der Revisionsverhandlung geltend gemacht hat, die Nutzung des indirekten Zugangs sei erforderlich, weil die ihr von der Klägerin für den direkten Weg zur Verfügung gestellten Kapazitäten nicht ausreichten, handelt es sich um neues und damit revisionsrechtlich nicht berücksichtigungsfähiges Vorbringen.

35

Die Sache war daher auch nicht, wie von der Beklagten angeregt, an den Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (§ 94 Abs. 1 Nr. 3 lit. a GWB i.V.m. § 87 Satz 2 GWB) abzugeben. Nach dessen ständiger Rechtsprechung kann der Zivilsenat seine Zuständigkeit bejahen, wenn er keine ernsthaften Zweifel daran hat, dass sich der Klageanspruch nicht aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herleiten lässt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 – KZR 60/18, WRP 2020, 198 Rn. 25). Gleiches gilt, wenn eine kartellrechtliche Vorfrage von dem Zivilsenat ohne Weiteres selbst beantwortet werden kann, weil sich die Antwort unzweifelhaft aus der Anwendung des Gesetzes ergibt oder der Kartellsenat die Frage bereits geklärt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – VII ZR 186/11, BeckRS 2013, 1515; BeckOK KartellR/Bacher [7.1.2022], § 94 GWB Rn. 8 ff.; Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 94 GWB Rn. 13; MüKoEuWettbR/Kirchhoff, 3. Aufl., § 94 GWB Rn. 10). So liegt es hier. Der kartellrechtliche Anspruch, den die Beklagte im Rahmen ihres Einwandes nach § 242 BGB geltend macht, besteht auf Grundlage der bisherigen Feststellungen unzweifelhaft nicht.

36

2. Keinen Erfolg hat die Revision demgegenüber, soweit sich die Klägerin gegen die Abweisung ihres als Antrag zu 2 gestellten Unterlassungsantrags in Bezug auf die behauptete Abrechnungsvereitelung richtet.

37

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, ein entsprechender Unterlassungsanspruch ergebe sich weder aus § 1004 Abs. 1 BGB noch aus § 8 Abs. 1 UWG, weil die Klägerin nicht hinreichend dargelegt habe, dass die Beklagte auf ihr Netz auch unter Einsatz veränderter oder gefälschter GT zugegriffen und dadurch eine ordnungsgemäße Abrechnung ihrer Terminierungsleistungen vereitelt habe oder eine derartige Handlung drohe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

38

Die Würdigung der vorgetragenen Tatsachen durch das Berufungsgericht hat der Senat revisionsrechtlich nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht wesentliche Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder von der Revision gerügte Verfahrensfehler begangen hat (vgl. allgemein Senat, Urteil vom 16. April 2021 – V ZR 17/20, NJW 2021, 3060 Rn. 8). Einen solchen Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und als nicht durchgreifend erachtet; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).

39

b) Der Hilfsantrag zu 2 konkretisiert, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, den Hauptantrag. Auch der so formulierte Anspruch ist aus den genannten Gründen nicht gegeben.

40

3. Da das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen der behaupteten Abrechnungsvereitelung verneint, ist auch die Abweisung der mit dem Antrag zu 3 beantragten Feststellung einer Schadensersatzpflicht zu Recht erfolgt.

41

B. Anschlussrevision

42

Die zulässige Anschlussrevision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, der am 6. November 2014 durch die Beklagte vorgenommene Zugriff auf das Mobilfunknetz der Klägerin zur Veränderung der Standortdaten einer SIM-Kartenkennzeichnung begründe einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

43

1. An einer Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB fehlt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deshalb, weil der Vorgang nur mit einer kurzzeitigen Nutzung des Mobilfunknetzes der Klägerin verbunden war. Eines weitergehenden „physikalischen Eingriffs auf Netzelemente“ bedarf es insoweit nicht. Die kurze Dauer des Eingriffs und seine geringfügige Intensität mit Blick auf die Substanz der Infrastruktureinrichtungen liegen in der Natur der digitalen Übertragung. Gleichwohl stellt sich die Mitbenutzung eines Mobilfunknetzes ohne Zustimmung des Eigentümers als Eigentumsbeeinträchtigung dar. Ob die Klägerin zu Dispositionen gezwungen war, ihr Entgelte entgangen oder sonstige nachteilige Folgen entstanden sind, ist hierfür unerheblich.

44

2. Richtig ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Eigentumsbeeinträchtigung sei rechtswidrig gewesen. Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen.

45

Ob der in § 824 Abs. 2 BGB, § 193 StGB in Bezug auf Äußerungsdelikte normierte Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Falle von Eigentumsbeeinträchtigungen überhaupt Anwendung finden kann, ist zweifelhaft, bedarf hier aber keiner Entscheidung. Das Berufungsgericht geht ohne Rechtsfehler davon aus, die Beklagte habe schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die praktische Demonstration einer – der Klägerin bereits offenbarten – Sicherheitslücke gegenüber einem einzelnen Bankkunden zur Herstellung der Netzsicherheit geeignet und erforderlich gewesen sein sollte. Es erschließt sich nicht, wie die Bank die Sicherheitslücke aufgrund der Demonstration überhaupt hätte schließen können; ein eigenmächtiger Zugriff auf das Netz der Klägerin wäre aber selbst dann nicht gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte hätte vielmehr die zuständige Aufsichtsbehörde informieren können. Ob die Beklagte zur Unterrichtung ihres Kunden verpflichtet war, ist unerheblich. Eine Informationspflicht, etwa nach § 93 Abs. 2 TKG aF, erlaubte keinen tatsächlichen Eingriff in das Netz der Klägerin. Für die Sichtweise der Anschlussrevision, die Klägerin habe den erneuten „show case“ provoziert, und die Beklagte habe sich in einer Zwangslage befunden, besteht danach keine Grundlage. Gleiches gilt für den Verweis auf einen mutmaßlichen Willen der Klägerin, zumal die Beklagte in der Anschlussrevision selbst vorträgt, deren Mitarbeiter hätten abwehrend reagiert.

46

3. Zu Recht bejaht das Berufungsgericht auch eine Wiederholungsgefahr. Ob diese besteht, ist eine Tatfrage, die revisionsrechtlich nur auf Rechtsfehler zu überprüfen ist (Senat, Urteil vom 27. November 2020 – V ZR 121/19, NZM 2021, 321 Rn. 32; Urteil vom 30. Oktober 1998 – V ZR 64/98, BGHZ 140, 1, 10 f. mwN). Angesichts eines erfolgten rechtwidrigen Eingriffs besteht – wie ausgeführt (Rn. 19) – eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich die Beeinträchtigung wiederholt.

47

a) Die Wiederholungsgefahr ist nicht dadurch entfallen, dass die Sicherheitslücke, welche die Beklagte ihrem Kunden demonstriert hat, zwischenzeitlich geschlossen worden ist. Ein auf Wiederholungsgefahr gründender Unterlassungsanspruch erstreckt sich nicht nur auf identische Verletzungshandlungen, sondern erfasst im Interesse eines wirksamen Rechtschutzes ebenso alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – I ZR 146/20, GRUR 2022, 399 Rn. 11; Urteil vom 29. Juni 2010 – KZR 31/08, WM 2010, 1950 Rn. 51). Die Beklagte hat keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. Die Annahme, sie könnte bei Auftreten einer ähnlichen Sicherheitslücke vergleichbare Handlungen vornehmen, ist deshalb begründet.

48

b) Die Demonstration einer Sicherheitslücke gegenüber Dritten unter Zugriff auf das Netz der Klägerin wäre auch nicht nunmehr aufgrund geänderter Rechtslage erlaubt. Richtig ist, dass ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch nur begründet ist, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zu dem Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zu dem Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 – I ZR 135/19, WRP 2021, 627 Rn. 24 mwN; Urteil vom 28. April 2016 – I ZR 23/15, GRUR 2016, 1073 Rn. 16 mwN). Anders als die Beklagte meint, lässt sich ihr Vorgehen jedoch weder auf Art. 32 Abs. 1 DSGVO noch auf § 5 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) stützen. Art. 32 DSGVO dient der Sicherheit der Verarbeitung personenbezogener Daten. Aus der Vorschrift ergibt sich hingegen nicht die Befugnis, gegen den Willen des Netzbetreibers auf sein Mobilfunknetz zuzugreifen, um Dritten eine Sicherheitslücke vorzuführen, die den Schutz personenbezogener Daten gefährden könnte. Unter welchen Voraussetzungen die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses nach § 5 GeschGehG ausnahmsweise nicht unter die Handlungsverbote des § 4 GeschGehG fällt, ist ebenfalls nicht von Belang. Die Klägerin macht vorliegend keine Verletzung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen geltend, sondern eine Eigentumsverletzung. Zur Störung des Eigentums der Klägerin berechtigt die Beklagte überdies kein Erlaubnistatbestand des § 3 GeschGehG.

III.

49

1. Danach kann das angefochtene Urteil (nur) insoweit keinen Bestand haben, als die Berufung der Klägerin in Bezug auf ihre Haupt- und Hilfsanträge zu 1 zurückgewiesen worden ist, und ist in diesem Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht eine mögliche Einwilligung der Klägerin unter Zugrundlegung der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten erneut prüfen muss. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

50

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

51

a) Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Beklagte darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, dass die Klägerin mit der Einwirkung der Beklagten auf ihr Eigentum einverstanden war.

52

b) Ob die Klägerin möglicherweise nach § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung des indirekten Zugriffs der Beklagten unter Einsatz der von den ausländischen Roamingpartnern „gemieteten“ oder „geliehenen“ GT verpflichtet war, hängt von der erneut vorzunehmenden Auslegung der mit den Roamingpartnern geschlossenen Verträge ab. Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Verträge ausländischem Recht unterfallen, hat es zunächst das maßgebliche Recht nach Maßgabe des § 293 ZPO zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2020 – IV ZR 62/19, NJW-RR 2020, 802 Rn. 23 f.) und die Auslegung auf dieser Grundlage vorzunehmen.

  • Stresemann
  • Brückner
  • Göbel
  • Malik
  • Laube