Beschluss des BVerwG 4. Senat vom 11.05.2022, AZ 4 VR 3/21

BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 11.05.2022, AZ 4 VR 3/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:110522B4VR3.21.0

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragstellerinnen gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel – Pkt. Meppen, Bl. 4201 im Abschnitt Pkt. Nordvelen – Pkt. Legden Süd wird für den Bereich der Umgehung A., Masten Nr. 89 – 96A angeordnet.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen jeweils zur Hälfte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerinnen begehren Eilrechtsschutz gegen die Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung.

2

Gegenstand des von der Bezirksregierung Münster unter dem 30. September 2021 erlassenen Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel – Pkt. Meppen im Abschnitt Pkt. Nordvelen – Pkt. Legden Süd. Vorhabenträgerin ist die Beigeladene. Das Vorhaben ist Teil des in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 1 EnLAG unter Nr. 5 aufgeführten Vorhabens „Neubau Höchstspannungsleitung Dörpen/West – Niederrhein, Nennspannung 380 kV“, das in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnLAG als Pilotvorhaben für den Einsatz von Erdkabeln benannt wird.

3

Der ausschließlich als Freileitung geplante, 15,3 km lange Abschnitt soll in weiten Teilen als Ersatzneubau in der bestehenden Trasse einer 220-kV-Freileitung (Bl. 2304) zwischen dem vorhandenen Mast 77 und dem Mast 114B umgesetzt werden. Im Bereich der Ortslage der Stadt A. verlässt die geplante Leitung den Trassenraum der alten Leitung auf einer Länge von 2,6 km. Die Leitung wird über 3,2 km von Mast 89 bis Mast 96A in Richtung Nordwesten verschwenkt, wodurch ein bislang überspanntes Gewerbegebiet umgangen wird. Der geplante Trassenverlauf quert hauptsächlich landwirtschaftlich genutzte Flächen; daneben werden auf einer jeweils kurzen Strecke ein Waldgebiet und das FFH-Gebiet „B.“ überspannt.

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Von der geplanten Umgehungstrasse werden Grundstücke der Antragstellerinnen insbesondere für den Bau von Masten und durch Schutzstreifen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen bzw. durch Waldschutzstreifen in Anspruch genommen.

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Am 8. Dezember 2021 haben die Antragstellerinnen Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben – BVerwG 4 A 11.21 – und zugleich vorläufigen Rechtsschutz, beschränkt auf den Streckenabschnitt der Umgehung A., beantragt. Sie machen geltend, der Planfeststellungsbeschluss verstoße insbesondere gegen Bestimmungen des Artenschutzrechts und des Habitatrechts und die Abwägung zugunsten einer Umgehung der Ortslage A. als Freileitung anstelle eines Erdkabels sei fehlerhaft.

II

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Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Nr. 5 der Anlage zum EnLAG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig.

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1. Der Antrag ist zulässig. Er ist statthaft, weil der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nach § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG sofort vollziehbar ist. Die Antragstellerinnen sind als Eigentümerinnen von Grundstücken, auf denen Masten errichtet oder die von den Schutzstreifen des Vorhabens erfasst werden, entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.

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Der Senat ist auf die Prüfung der binnen der Begründungsfrist des § 43e Abs. 1 Satz 2 EnWG vorgetragenen Gründe beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2021 – 4 VR 6.20 – juris Rn. 6). Ob die von den Antragstellerinnen gegen diese Vorschrift geltend gemachten unionsrechtlichen Einwände durchgreifen, bedarf keiner Entscheidung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerinnen, die das ganze Planfeststellungsverfahren mit sachkundiger Unterstützung kritisch begleitet und in vielfältiger Weise Einwendungen auch gegen die nunmehr dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden Unterlagen erhoben haben, gehindert gewesen wären, ihre Einwände fristgerecht vorzutragen und – insoweit zulässig – nach Ablauf der Frist und in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu vertiefen. Sie waren vielmehr in der Lage, den aus ihrer Sicht maßgeblichen Streitstoff zu benennen.

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2. Der Antrag ist begründet. Der Senat ordnet die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellerinnen erhobenen Klagen im begehrten, auf einen Teil der planfestgestellten Leitungsstrecke begrenzten, Umfang an. Das Interesse der Antragstellerinnen, von den Auswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, überwiegt das durch die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit betonte öffentliche Interesse und das private Interesse der Beigeladenen an der Vollziehung des betreffenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses. Denn nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich der Planfeststellungsbeschluss jedenfalls in Bezug auf die Umgehung A. als rechtswidrig. Diese Interessenabwägung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund geboten, dass mit der Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens vollendete Tatsachen geschaffen würden, deren Auswirkungen bei einem Obsiegen der Antragstellerinnen im Hauptverfahren nur teilweise rückgängig gemacht werden könnten.

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Die Antragstellerinnen beanstanden sowohl eine Vielzahl von Rechtsfehlern in Bezug auf Vorgaben des zwingenden Rechts, insbesondere des Artenschutzrechts in Bezug auf Fledermäuse und Brutvögel sowie des Habitatrechts, als auch die Abwägungsentscheidung zugunsten einer Freileitung auf der gewählten Trasse. Eine umfassende Rechtsprüfung ist in diesem Verfahren nicht geboten, insbesondere bedarf es nicht der Bezeichnung von Rechtsfragen, deren Beantwortung derzeit gegebenenfalls als offen erscheint. Denn schon ein Rechtsfehler, der auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses im gesamten Bereich der Umgehung A. durchschlägt, rechtfertigt die begehrte Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

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a) Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass die geplante Freileitung im Zuge der Querung des FFH-Gebiets B. zwischen Mast 95 und Mast 96 nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der dort zu beachtenden Erhaltungsziele im Sinne von § 34 Abs. 1 BNatSchG führen wird (PFB S. 212 ff.). Diese Bewertung beruht jedenfalls in Bezug auf den Wirkfaktor „Beseitigung von Vegetation bzw. Habitaten (baubedingt)“ auf einer unzureichenden Prüfung.

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Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Rahmen einer Vorprüfung festzustellen. Vorprüfung und Verträglichkeitsprüfung sind naturschutzrechtlich obligatorische Verfahrensschritte (BVerwG, Urteil vom 10. April 2013 – 4 C 3.12 – BVerwGE 146, 176 Rn. 10). Eine Gefahr, welche eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich macht, liegt vor, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Plan oder das Projekt das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigt (EuGH, Urteile vom 7. September 2004 – C-127/02 [ECLI:EU:C:2004:482], Waddenvereniging – Rn. 44 und vom 16. Juli 2020 – C-411/19 [ECLI:EU:C:2020:580], WWF Italia Onlus u.a. – Rn. 34). Die FFH-Vorprüfung beschränkt sich auf die Frage, ob nach Lage der Dinge ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkungen besteht. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG verlangt keine formalisierte Durchführung der Vorprüfung, sondern regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Verträglichkeitsprüfung geboten ist. Fehlen diese Voraussetzungen, weil eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Gebiets ohne vertiefte Prüfung ausgeschlossen werden kann, so ist der Verzicht auf eine Verträglichkeitsprüfung nicht rechtsfehlerhaft (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 – 9 A 12.19 – juris Rn. 419 m.w.N. <in BVerwGE 170, 33 nicht abgedruckt>). Die Notwendigkeit einer Verträglichkeitsprüfung kann auch im gerichtlichen Verfahren festgestellt werden (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 C 35.13 – Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 33).

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aa) Nach der „Umweltstudie – Anhang D, FFH-Verträglichkeitsuntersuchung für die FFH-Gebiete ‚B.‘ und ‚C.'“ (Anlage Nr. 12 D2 D – FFH-VU -), der sich die Planfeststellungsbehörde angeschlossen hat (PFB S. 214), war lediglich hinsichtlich der Wirkfaktoren „Verunfallung von Vögeln durch Leitungsanflug (anlagebedingt)“ und „Fallenwirkung (baubedingt)“ eine – dort so bezeichnete – „vertiefende“ FFH-Verträglichkeitsuntersuchung durchzuführen (FFH-VU Kap. 5, S. 47 ff.). Beeinträchtigungen durch die übrigen Wirkfaktoren konnten danach bereits auf Ebene einer „FFH-Prognose“, d.h. einer Vorprüfung, (FFH-VU Kap. 3, S. 16 ff., Kap. 1 S. 5), ausgeschlossen werden. Dies erfasst lediglich die Wirkfaktoren „Störung durch optische Reize/anthropogene Aktivitäten mit der Folge der temporären Vergrämung störungsempfindlicher Vogel- und Säugetierarten (baubedingt)“ und „Veränderung der Habitatstruktur mit der Folge Meidung trassennaher Flächen durch Vögel (anlagebedingt)“ (FFH-VU S. 34 f.). Dem vorgelagert ist allerdings – und von der Planfeststellungsbehörde ersichtlich mitgemeint – eine Ermittlung betrachtungsrelevanter Wirkpfade und Wirkweiten (FFH-VU Kap. 2, S. 6 ff.). In diesem Rahmen werden weitere potenzielle Wirkfaktoren untersucht und von der näheren Betrachtung ausgeschlossen, weil eine Beeinträchtigung von geschützten Lebensraumtypen oder Arten nicht zu erwarten ist.

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Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung schließt unter Ziffer 2.1.1.2 (S. 8) den Wirkfaktor „Beseitigung von Vegetation bzw. Habitaten (baubedingt)“ auch für die Seilzugtrasse aus. Aus den Ausführungen in der Umweltstudie, den weiteren planfestgestellten Unterlagen und den Erläuterungen durch den Antragsgegner und die Beigeladene im gerichtlichen Verfahren ergibt sich aber nicht, dass angesichts der damit verbundenen Einwirkungen auf geschützte Lebensraumtypen eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets von vornherein ausgeschlossen und eine nähere Betrachtung in der FFH-Verträglichkeitsprüfung entbehrlich ist.

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bb) Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung beschränkt sich auf den Hinweis, dass es aufgrund der erforderlichen Seilzugtrasse von ca. 3,5 m Breite innerhalb geschlossener Gehölzbestände zu einer zeitweisen Beeinträchtigung der Biotope und von Pflanzen und Tieren kommen könne. Weitere Erläuterungen zu Art und Umfang der betroffenen geschützten Lebensraumtypen fehlen. Die Ausführungen konzentrieren sich auf eine mögliche Beeinträchtigung von Tieren, wobei in den Vordergrund gestellt wird, dass die verschiedenen für den Bau der Leitung benötigten Flächen größtenteils außerhalb des FFH-Gebiets lägen. Der Erläuterungsbericht (Anl. 1 S. 42 f.) führt aus, dass das Vorseil zwischen Winden- und Trommelplatz, die am jeweiligen Abspannmast eingerichtet werden, je nach Geländebeschaffenheit mit einem Traktor oder anderen geländegängigen Fahrzeugen zwischen den Masten verlegt wird. Die Umweltstudie 2015 (Anl. 12 S. 3-15) legt dar, dass die Durchführung des Seilzugs eine begehbare/befahrbare Trasse von Mast zu Mast, d.h. in Waldbeständen eine Schneise bis zu 3 m Breite, erfordert.

16

Bestände von habitatrechtlich geschützten Waldlebensraumtypen sind hier berührt. Zwar ist die Annahme der Antragstellerinnen unzutreffend, dass auch der prioritäre Lebensraumtyp (LRT) 91E0* (Erlen-Eschen- und Weichholz-Auenwälder) betroffen ist. Die Vermutung, am Ufersaum der B. habe sich auch an dieser Stelle dieser Lebensraumtyp ausgebildet, wird von der präzisen Kartierung in der Bestandskarte (Bl. 8) für das Maßnahmenkonzept für das FFH-Gebiet B. des Kreises D. – Untere Naturschutzbehörde – nicht bestätigt, die diesen Lebensraumtyp nur auf kleinen Flächen etwa 270 m südlich der Querung verzeichnet. Die Bestandskarte belegt, dass entgegen dem Vorbringen der Antragstellerinnen der LRT 9190 (alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen) auf dem linken Ufer der B. nicht auf einer Länge von etwa 100 m gequert wird. Vielmehr folgt in der Trassenachse von Mast 95 zu Mast 96 auf den Biotoptyp AC1 (Schwarzerlenmischwald mit heimischen Laubbaumarten) zunächst der Biotoptyp LB1 (feuchte Hochstaudenflur, flächenhaft), und erst danach auf einer Strecke von (lediglich) etwa 25 – 30 m ein Waldstück im Grenzbereich der LRT 9190 im Norden und LRT 9110 (Hainsimsen-Buchenwald) im Süden, bevor auf der letzten Teilstrecke im FFH-Gebiet wieder der Biotoptyp LB1 verzeichnet ist.

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Zu Unrecht meint die Beigeladene, die LRT 9110 und 9190 zählten nicht zu den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets B.. Bereits der Planfeststellungsbeschluss (S. 213) geht im Anschluss an die FFH-VU (Tab. 3-5, S. 30) davon aus, dass die Angaben im Standard-Datenbogen, Stand Mai 2017, durch die Angaben im Maßnahmenkonzept zu ergänzen sind. Der Standard-Datenbogen, Stand Juni 2021, hat diese Änderung mittlerweile nachgezeichnet. Daraus ergibt sich im Übrigen auch, dass der LRT 6430 (feuchte Hochstaudenfluren) nicht mehr zu den Erhaltungszielen zählt; dass dieser Lebensraumtyp durch den Seilzug in nicht nur kurzfristiger und folglich relevanter Weise in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, behaupten auch die Antragstellerinnen nicht.

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Nach Auffassung der Beigeladenen werden die Auswirkungen der Verlegung eines Vorseils dadurch minimiert, dass gegebenenfalls durch eine händische Verlegung das Schlagen einer vollständigen Schneise vermieden werden könne. Auch wenn man eine solche Vorgehensweise, die in den planfestgestellten Unterlagen bislang nicht verbindlich vorgegeben wird, zugrunde legen sollte, ist nicht dargetan, dass das Maß der Beeinträchtigung des Lebensraumtyps hinter der Relevanzschwelle zurückbleibt. Bei händischer Verlegung des Vorseils muss zwar nicht das Unterholz auf der gesamten Breite von 3 bzw. 3,5 m beseitigt werden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch große und alte Bäume gefällt werden müssen, die in der Trassenachse als der dem Vorseil im gespannten Zustand vor dem Hochziehen vorgegebenen geraden Linie wurzeln. Aber selbst wenn dies vermieden werden kann, drohen beim Hochziehen des Vorseils vom Boden nach oben Schädigungen im Kronenbereich der Bäume. Mit dieser Begründung wird in anderen Planfeststellungsverfahren bei Waldüberspannungen die Verlegung des Vorseils mit dem Hubschrauber vorgesehen, um Beeinträchtigungen gesetzlich geschützter Biotope und anderer empfindlicher Bereiche zu vermeiden (siehe etwa das Vorhaben 380-kV-Netzverstärkung Grafenrheinfeld-Kupferzell-Großgartach, Antrag auf Planfeststellungsbeschluss nach § 19 NABEG, Abschnitt 1, Erläuterungsbericht S. 24).

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Vor diesem Hintergrund hat das Ergebnis der Wirkfaktorenermittlung als sachlicher Teil der FFH-Vorprüfung in der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung in Bezug auf die Auswirkungen des Seilzugs keinen Bestand (vgl. zur Relevanzschwelle auch BfN, FFH-VP-Info (https://ffh-vp-info.de), FFH-Lebensraumtypen, LRT 9110, 9190 Wirkfaktor 2-1, jeweils Auswertungskategorie 4). Auf eine FFH-Verträglichkeitsprüfung konnte insoweit nicht verzichtet werden.

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cc) Soweit die Beigeladene abschließend darauf verweist, dass auch bei Heranziehung der im FuE-Vorhaben „Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP, Endbericht zum Teil Fachkonventionen“, Stand 2007, bearbeitet von Lamprecht/Trautner, vorgeschlagenen flächenbezogenen Orientierungswerte eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets jedenfalls nicht zu befürchten sei, ist dies unbeachtlich. Denn eine gebotene FFH-Verträglichkeitsprüfung kann im Prozess nicht nachgeholt werden (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 Rn. 84 m.w.N.).

21

b) Der Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BNatSchG wegen Missachtung der dort normierten präventiven Zulassungssperre für das Vorhaben führt nicht nur zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses, soweit die Querung des FFH-Gebiets B. betroffen ist. Dieser Rechtsfehler schlägt auf die Rechtmäßigkeit der Abwägungsentscheidung über die Umgehung A. in ihrer Gesamtheit durch.

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Der Planfeststellungsbeschluss (S. 125) folgt dem grundsätzlichen Ausgangspunkt in der Abwägung der Beigeladenen (siehe PFB S. 122), wonach die Nutzung des bestehenden Trassenraums leichte Vorteile für die Schutzgüter Natur und Landschaft habe, dem aber bei der planfestgestellten Trasse deutliche Vorteile für das Schutzgut Mensch gegenüberstünden, die sich in der Gesamtschau durchsetzten. Dieser Abwägung wird der Boden entzogen, wenn entgegen der ihr zugrundeliegenden Annahme eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets B. nicht ausgeschlossen werden kann, sodass die bei der Nutzung des bestehenden Trassenraums bestehenden Vorteile ein deutlich größeres Gewicht erlangen. Dies gilt nicht zuletzt auch deswegen, weil die Bestandstrasse im FFH-Gebiet B. keine als Erhaltungsziel ausgewiesenen Lebensraumtypen quert (siehe Bl. 9 der Bestandskarte des Maßnahmenkonzepts).

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 39 Abs. 1 GKG.