BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 11.05.2022, AZ 29 W (pat) 11/19, ECLI:DE:BPatG:2022:110522B29Wpat11.19.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2016 226 316
(hier: Löschungsverfahren S 72/17 Lösch)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und den Richter Posselt
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Januar 2019 wird aufgehoben, soweit darin die Löschung der Eintragung der Marke 30 2016 226 316 auch im Umfang der Waren der
Klasse 19: Akustikbauplatten aus Holz für Decken; Akustikbauplatten aus Holz für Wände; Asphaltreparaturmassen auf Teerbasis [Baumaterialien]; Außenrollläden aus Holz; Balken [kleine], nicht aus Metall; Eisenbahnschwellen aus Holz; Fensterläden aus Holz; Fensterrahmen aus Holz; Gartenschuppen aus Holz; Gerüste aus Holz; Gips zum Reparieren von Holzrissen; Gips zum Reparieren von Rissen in Holzarbeiten; Holzleitplanken für Straßen; Holzmasten, -pfosten für elektrische Starkstromleitungen; Kleine Balken [nicht aus Metall]; Lärmschutzwände aus Holz; Mit Aluminium verkleidete Holzfensterrahmen; Straßenmarkierungsfolien und -platten aus Kunststoff; Zäune zur Erosionskontrolle [Baumaterialien, nicht aus Metall]; alle vorgenannten Waren nicht im Bereich der Dämmung und Isolierung für Wärme- und Kälteanwendungen;
Klasse 27: Antirutschmaterial als Unterlage für Bodenbeläge; Aus Seilen gewobene Matten für Skipisten; Fahrzeugmatten und -teppiche; Fußmatten; Fußmatten aus Kautschuk; Japanische Reisstrohmatten [Tatami-Matten]; Kleine Teppiche für Tiere; Linoleum, Wachstuch; Läufer [Matten]; Matten; Matten [Fußbodenbeläge]; Matten aus Goza-Schilf; Matten aus Kork; Matten für Fahrzeuge [nicht angepasst]; Matten für Skipisten, aus Seilen gewoben; Matten zur Verhinderung von Kratzern durch Schuhabsätze in Fahrzeugen; Matten zur Verwendung beim Füttern von Haustieren; Mattierungen [Matten]; Moketts [Teppiche]; Orientalische, nicht gewebte Teppiche [Mosen]; Ringkampf-Matten; Rückseitenverstärkung für Teppiche; Tapeten als selbstklebende dekorative Wandverkleidungen in Zimmergröße; Tapeten aus Kork; Tapeten aus Papier; Tapeten mit textilen Belägen; Teppiche aus Fell; Teppiche, Vorleger und Matten; Teppicheinlagen; Textile Teppiche; Unterlagen für Matten; Unterlagen für Teppiche;
angeordnet wurde. Im vorgenannten Umfang wird der Löschungsantrag zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
Gründe
I.
1
Die Beschwerde der Markeninhaberin richtet sich gegen den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 29. Januar 2019, mit dem diese die Löschung der Marke 30 2016 226 316 wegen bösgläubiger Anmeldung angeordnet hat.
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Bei der Beschwerdeführerin und Markeninhaberin handelt es sich um eine Agentur, die sich auf Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und Asien sowie auf die Vermittlung von Unternehmenskäufen und technischem Know-how spezialisiert hat. Die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens standen etwa im Zeitraum Anfang 2016 bis Mai 2017 in Vertragsverhandlungen über den Verkauf der Unternehmenssparte „Heizfolien“ der Firma S… GmbH. Die Beschwerdegegnerin und Antragstellerin war alleinige Inhaberin der S… GmbH, die wegen Vermögenslosigkeit im Februar 2021 von Amts wegen im Handelsregister gelöscht wurde. Die S… GmbH wiederum hat von der 2008 gegründeten M… GmbH, die im Jahr 2013 nach Insolvenz aufgelöst worden war, im Rahmen des Insolvenzverfahrens am 13. November 2013 Vermögenswerte oder zumindest Teile davon vom Insolvenzverwalter erworben.
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Die angegriffene Wortmarke 30 2016 226 316
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M-Therm
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ist am 16. September 2016 angemeldet und am 24.Oktober 2016 für Waren aus den Klassen 11, 19 und 27 zugunsten der Beschwerdeführerin in das Markenregister eingetragen worden. Seit einer auf Antrag der Markeninhaberin vom 27. Februar 2017 betreffend die Waren der Klasse 19 erfolgten Teillöschung wegen Verzichts und der Aufnahme eines Disclaimers lautet das Warenverzeichnis wie folgt:
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Klasse 11: Brenner für Heizungsanlagen; Elektrische Heizplatten; Elektrische Heizplatten zum Erwärmen von Speisen; Elektrische Heizungsanlagen; Gasbeheizte Heizungsanlagen; Heizplatten; Heizplatten [für Haushaltszwecke]; Heizradiatoren; Heizungsanlagen; Heizungsanlagen für Fahrzeuge; Heizungsanlagen für Flüssigkeiten; Heizungsanlagen für Gas; Heizungsanlagen für gewerbliche Zwecke; Heizungsanlagen für Nitratlösungen; Heizungsanlagen mit geschlossenem Regelkreis; Heizungsanlagen zum Einbau in Fenster; Heizungsanlagen zum Einbau in Verglasungen; Heizungsanlagen zur Verwendung mit gasförmigen Brennstoffen; Industrielle Heizungsanlagen; Kessel für Heizungsanlagen; Magnetsteuerungen für automatisch arbeitende Ventile [Teile von Heizungsanlagen]; Mit Sonnenenergie betriebene Heizungsanlagen; Rohrschlangen als Teile von Heizungsanlagen; Steuereinheiten [Thermostatventile] für Heizungsanlagen; Steuergeräte [Thermostatventile] für Heizungsanlagen; Temperaturempfindliche Steuerungen für automatisch arbeitende Ventile [Teile von Heizungsanlagen]; Thermostatventile [Teile von Heizungsanlagen]; Wärmeregelungsgeräte [Ventile] als Teile von Heizungsanlagen;
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Klasse 19: Abgehängte Deckensysteme, nicht aus Metall, bestehend aus Platten; Akustikbauplatten aus Holz für Decken; Akustikbauplatten aus Holz für Wände; Asphaltreparaturmassen auf Teerbasis [Baumaterialien]; Außenrollläden aus Holz; Balken [kleine], nicht aus Metall; Bauelemente aus Holz; Baumaterialien [nicht aus Metall] für die Zugluftabdichtung; Baumaterialien aus Beton; Baumaterialien aus Beton verstärkt mit Kunststoff- und Glasfasern; Baumaterialien aus Bitumen; Baumaterialien aus Glas; Baumaterialien aus Holz; Baumaterialien aus Kalk; Baumaterialien aus Kunststein; Baumaterialien aus Natursteinen; Baumaterialien in Form von aromatischen Zedernplanken; Baumaterialien, nicht aus Metall, als Überzug; Bauplatten aus Holz; Bauplatten aus Holz und wasserabweisenden Harzen; Bauschreinerprodukte aus Holz für Bauzwecke; Bauteile aus Holzimitat; Bearbeitetes Holz; Bodenfliesen aus Holz; Bretter; Bretter [Bauholz]; Bretter aus Holz; Bretter aus Holzfasern; Bretterwege, nicht aus Metall; Brettmaterial aus Polyethylen als Holzersatz; Brückenlager [Baumaterialien] nicht aus Metall; Dachschalungen aus Holz; Dachsparren aus Holz; Deckenplatten aus Holz; Eisenbahnschwellen aus Holz; Faserplatten aus Holzfasern zusammengefügt mit Harz und Spanplattenteilen; Fensterläden aus Holz; Fensterrahmen aus Holz; Feuchtigkeitshemmende Baumaterialien, nicht aus Metall; Fliesen aus Holz; Formteile aus Holz; Fußbodenbretter aus Holz; Fußböden aus Holz; Garten- schuppen aus Holz; Geformtes Holz; Gerüste aus Holz; Gips zum Reparieren von Holzrissen; Gips zum Reparieren von Rissen in Holzarbeiten; Gläserne Baumaterialien; Holz; Holz [Baumaterial]; Holz [geformt]; Holz [pressbar]; Holz [teilweise bearbeitet]; Holz für Bauten; Holz für Bauzwecke; Holz für Konstruktionszwecke; Holz und Holzimitate; Holz zum Bauen; Holz zur Herstellung von Haushaltsgegenständen; Holzbalken; Holzbohlen; Holzbordüren; Holzbretter; Holzbretter für Bauzwecke; Holzdielen; Holzfaserbeton; Holzfaserbretter; Holzfaser- platten; Holzfaserverstärkte Zementplatten [Platten aus Zementwolle]; Holzfurniere; Holzfußbodenbretter; Holzfußböden; Holzfußböden für Sporteinrichtungen; Holzgebäude; Holzgeländer; Holzklötze; Holzlaminate; Holzleisten; Holzleisten für Täfelungen; Holzleitplanken für Straßen; Holzmasten, -pfosten für elektrische Starkstromleitungen; Holzpaneelen; Holzpappe für Bauzwecke; Holzpflasterblöcke; Holzplanken; Holzplatten; Holzprofile; Holzrohre; Holzspanplatten; Holzteer; Holzträger; Holztäfelung; Holztüren; Holztüren für Gebäude; Holzverbindungen; Holzverkleidung; Holzvertäfelungen; Kaminsimse aus Holz; Kaminumrandungen [Kaminsimse und Kaminsimsteile] aus Holz; Kleine Balken [nicht aus Metall]; Konserviertes Holz [nicht faulendes Holz]; Laminate aus Holz; Laminiertes Holz; Leisten aus Holz; Lärmschutzwände aus Holz; Mit Aluminium verkleidete Holzfensterrahmen; Nagelplatten [nicht aus Metall] zur Verwendung beim Bau von Holzkonstruktionen; Natursteine für Verblendungen [Baumaterialien]; Nicht metallische Balken für Bauzwecke; Nicht metallische Balken für Höhlenwände; Nicht metallische Balken für Mauerwerke; Nicht metallische Baumaterialien mit schalldämmenden Eigenschaften; Parkett aus Holz; Parkettböden aus Holz; Pfosten aus Holz; Pfähle aus Holz; Platten [Fliesen], nicht aus Metall; Platten aus Beton; Platten aus Gips; Platten aus Holzpartikeln; Platten aus Holzspänen; Platten aus Schiefer; Platten aus Zement; Plattenverglasungsmaterialien für Bauzwecke; Polystyren-Platten für Bauzwecke; Pressbares Holz; Profile aus nachgebildetem Holz; Randabschlussblenden aus Sperrholz; Randabschlusspaneelen aus Sperrholz; Spanplatten mit Holzlaminierung; Sperrholz; Sperrholz für Bauzwecke; Sperrholzbretter; Sperrholzplatten; Straßen-markierungsfolien und -platten aus Kunststoff; Strohpappe [Baumaterialien]; Teilweise bearbeitetes Holz; Teilweise verarbeitetes Holz; Transportable Bauten aus Holz; Trockenbaukantenleisten, nicht aus Metall [Baumaterialien]; Türrahmen aus Holz; Verglaste Platten [mit nicht metallischem Rahmen] für Bauzwecke; Verkleidungstafeln aus Holz; Verschalungen aus Holz; Verschalungselemente aus Holz; Wintergärten aus Holz; Zugerichtetes Holz; Zugeschnittenes Holz; Zwischenwände als Baumaterialien [nicht aus Metall]; Zäune zur Erosionskontrolle [Baumaterialien, nicht aus Metall]; alle vorgenannten Waren nicht im Bereich der Dämmung und Isolierung für Wärme- und Kälteanwendungen;
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Klasse 27: Antirutschmaterial als Unterlage für Bodenbeläge; Aus Seilen gewobene Matten für Skipisten; Bahnförmige Fußbodenbeläge [Matten] zur Verwendung bei sportliche Aktivitäten; Beläge aus Linoleum zum Aufbringen auf Wände; Bodenbeläge [Oberböden]; Bodenbeläge aus Gummi; Bodenbeläge aus Linoleum in Form von Fliesen; Bodenbeläge aus Linoleum zum Aufbringen auf Fußböden; Bodenbeläge aus Vinyl; Fahrzeugmatten und -teppiche; Fechtbahnen [Bodenbeläge]; Fußbodenbeläge und künstliche Bodenbeläge; Fußmatten; Fußmatten aus Kautschuk; Japanische Reisstrohmatten [Tatami-Matten]; Kleine Teppiche für Tiere; Korkplatten [Bodenbeläge]; Künstliche Bodenbeläge; Linoleum als Bodenbelag für bestehende Böden; Linoleum als Fußbodenbelag; Linoleum, Wachstuch; Läufer [Matten]; Matten; Matten [Fußbodenbeläge]; Matten aus Goza-Schilf; Matten aus Kork; Matten für Fahrzeuge [nicht angepasst]; Matten für Skipisten, aus Seilen gewoben; Matten zur Verhinderung von Kratzern durch Schuhabsätze in Fahrzeugen; Matten zur Verwendung beim Füttern von Haustieren; Mattierungen [Matten]; Moketts [Teppiche]; Orientalische, nicht gewebte Teppiche [Mosen]; Ringkampf-Matten; Rückseitenverstärkung für Teppiche; Tapeten; Tapeten als selbstklebende dekorative Wandverkleidungen in Zimmergröße; Tapeten aus Kork; Tapeten aus Papier; Tapeten mit textilen Belägen; Tapeten, nicht aus textilem Material; Tapeten, nicht aus textilem Material mit isolierenden Eigenschaften; Teppiche aus Fell; Teppiche, Vorleger und Matten; Teppicheinlagen; Textile Teppiche; Unterlagen für Matten; Unterlagen für Teppiche.
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Mit Schriftsatz vom 27. April 2017 hat die Beschwerdegegnerin die vollständige Löschung der Marke wegen Nichtigkeit aufgrund bösgläubiger Anmeldung gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. beantragt.
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Sie macht geltend, dem Geschäftsführer der Anmelderin, Herrn F…, sei zum Zeitpunkt der Anmeldung die langjährige Vorbenutzung der Marke und des Firmenkennzeichens „M-Therm“ für die identischen Waren durch die Antragstellerin bzw. durch die M… GmbH und später deren Rechtsnachfolgerin S… GmbH offensichtlich bekannt gewesen. Darüber hinaus sei die Anmeldung nur erfolgt, um im Streitfall in rechtsmissbräuchlicher Weise Druck auf die Antragstellerin und deren Geschäftsführer Herrn B… auszuüben. Eine eigene Benutzung der Marke „M-Therm“ für die beanspruchten Waren durch die Anmelderin sei zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen.
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Die Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag, der mittels Übergabeeinschreiben vom 4. Mai 2017 am 19. Mai 2017 versandt wurde, mit einem am 30. Juni 2017 im Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schreiben widersprochen.
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Mit Beschluss vom 28. Januar 2019 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die Eintragung der angegriffenen Marke wegen Bösgläubigkeit gelöscht, der Markeninhaberin die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Gegenstandswert des Löschungsverfahrens auf 50.000,00 € festgesetzt. Zur Begründung ist im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
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Bei Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls stehe fest, dass die angegriffene Marke bösgläubig angemeldet und daher entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG eingetragen worden sei. Die Antragstellerin habe zum Anmeldezeitpunkt über einen Besitzstand an dem Zeichen „M-Therm“ für ein Heizfoliensystem verfügt. Unter dieser Bezeichnung seien in erheblichem Umfang elektrische Niederspannungs-Heizfolien für Boden, Wand und Decke produziert worden. Dies habe sie belegt durch Prospekte aus dem Tätigkeitszeitraum der S… GmbH, Preislisten und Rechnungen aus den Jahren 2014 bis 2017, sowie
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Screenshots der Domain
www.m-therm.com. In diesen Besitzstand habe die Antragsgegnerin durch die Markenanmeldung objektiv eingegriffen, die ihr ein auch gegen die Vorbenutzerin wirksames Ausschließlichkeitsrecht verschafft habe. Die Markenabteilung gehe davon aus, dass die Antragstellerin dieser Markenanmeldung nicht zugestimmt habe. Die Markeninhaberin behaupte zwar das Gegenteil, ihre Aussagen hierzu seien aber widersprüchlich. So habe angeblich Herr F… Anfang September etwa zwei Wochen vor der Markenanmeldung
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angefragt, warum die Marke nicht angemeldet worden sei. Andererseits solle Herr B… bereits bei einer Besprechung Anfang Mai 2016 zugestimmt haben, die
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Marke in Deutschland und China anzumelden. Die Antragstellerin bestreite diese Zustimmung. Dieser Frage brauche aber nicht näher nachgegangen zu werden, denn eine Zustimmung wäre nach der Interessenlage nur bei eigener und vollständiger Vertragstreue der Markeninhaberin wirksam gewesen, an der es hier fehle.
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Zwischen den Parteien sei am 6. Januar 2016 ein Vorvertrag („Letter of intent“) geschlossen worden, am 23. Juni 2016 habe Herr F… eine Zusatzvereinbarung hierzu unterschrieben, wonach bis 30. Juni 2016 die Summe von … € zu zahlen gewesen sei und bis 10. Juli 2016 und 20. Juli 2016 jeweils nochmals der gleiche Betrag. Diese Zahlungstermine seien nicht eingehalten worden, vielmehr seien am 15. September 2016 insgesamt … € überwiesen worden. Einen Tag darauf sei dann die Marke angemeldet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht vertragstreu gehandelt, was von ihrem Vertreter an sich auch nicht bestritten werde. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass eine Markenanmeldung in Deutschland durchaus sinnvoll sei und zwar auch von einer Agentur, die primär ein Joint Venture mit einem chinesischen Unternehmen habe vermitteln sollen. Eine Marke könne leicht übertragen oder lizenziert werden, also auch an den chinesischen Erwerber, nachdem der Vertrieb in den deutschsprachigen Ländern nicht eingestellt werden sollte. Soweit die Vertreter der Antragstellerin hierzu das Gegenteil behaupteten, seien sie im Irrtum. Auch eine solche, an sich denkbare, Markenanmeldung stehe aber unter dem Vorbehalt der Vertragstreue der Antragsgegnerin, die nicht gegeben gewesen wäre. Vielmehr habe die Marke als Druckmittel gegen die Antragstellerin dienen sollen. Ohne Leistung der vereinbarten Anzahlungen habe die Markenanmeldung nicht dem wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin entsprochen.
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Die Markeninhaberin sehe sich zu ihrem Vorgehen berechtigt, weil die von der Antragstellerin zu erbringende Gegenleistung in Gestalt einer werthaltigen Firmenübertragung der S… GmbH nicht gegeben gewesen sei. Insbesondere sei die S… GmbH zur Produktion der Heizfolien nicht in der Lage gewesen, da sie nicht mehr über technische Schutzrechte verfügt habe. Diese seien an Herrn Dr. B1… gegangen. Die Fragen der gewerblichen Schutzrechte seien in der sogenannten „Legal Due Diligence“, welche der Markeninhaberin am 25. April 2016 zugesandt worden sei, ausgeführt worden. Die deutsche Patentanmeldung DE 10 2011 122 630 A1 sei von der Firma M… GmbH am 22. Dezember 2011 angemeldet worden. Als Erfinder werde Dr. B1…, der damalige technische Leiter dieser Firma genannt. In der „Legal Due Diligence“ sei geregelt, dass sich die Antragstellerin verpflichte, dieses Patent auf die Markeninhaberin zu übertragen, was nach dem Sachverhalt ein mögliches Szenario hätte sein können. Im Übrigen seien für die Rezeptur der sogenannten „Pasta“ technische Schutzrechte wohl nicht unbedingt erforderlich. Selbst wenn aber hinsichtlich des Unternehmensgegenstands, den die Antragsgegnerin zu kaufen beabsichtigte, Mängel oder offene Fragen gegeben gewesen wären, habe sie keinesfalls die Anzahlung von … € einseitig mindern dürfen, ohne dies der Antragstellerin zu kommunizieren.
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Die Markenanmeldung stelle sich vor dem Hintergrund der nicht gegebenen Vertragstreue der Antragsgegnerin als Druckmittel dar, mit dem man z. B. den Kaufpreis mindern konnte. Deren Vertreter habe mittels Abmahnung vom 28. April 2017 der Antragstellerin verboten, die Marke „M-Therm“ weiter zu verwenden und sie aufgefordert, das Logo von bereits verkauften Waren zu entfernen. Ferner liege noch eine E-Mail des Herrn F… vom 18. April 2017
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vor, mittels derer die Antragstellerin unter Druck hätte gesetzt werden sollen. Ein markenrechtlich zweckfremder Einsatz anlässlich einer späteren Rechtsausübung könne anerkanntermaßen den Schluss auf eine bereits im Anmeldezeitpunkt vorliegende wettbewerbswidrige Behinderungsabsicht erlauben. So lägen die Dinge im vorliegenden Fall. Die Markeninhaberin habe zwar an sich an dem Vertrag mit der Antragstellerin festhalten wollen, aber eben nicht zu seriösen Konditionen, sondern unter Einsatz erpresserischer Mittel. Wichtigstes Instrument in diesem Zusammenhang sei die Markenanmeldung gewesen.
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Dass die Antragstellerin ihrerseits nicht vertragstreu gewesen sei und u. a. Verhandlungen mit einem gewissen Herrn D… aufgenommen habe, sei eine Behauptung, für die keine Beweise angeboten worden seien. Nachdem die Antragstellerin wegen nicht geleisteter Anzahlung den Vertrag mit der Markeninhaberin gekündigt habe, habe man es der Antragstellerin auch nicht verwehren können, sich nach anderen Vertragspartnern umzuschauen. Insgesamt spreche daher alles für eine bösgläubige Markenanmeldung der Antragsgegnerin, so dass die streitgegenständliche Marke zu löschen sei.
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Gegen diesen Löschungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin und Markeninhaberin.
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Sie macht geltend, die Argumentation der Markenabteilung sei in tatsächlicher Hinsicht unzureichend dargestellt und rechtlich unzutreffend. Es werde bestritten, dass die S… GmbH ab 2014 in erheblichem Umfang Heizfolien produziert und verkauft habe. Nach der Insolvenz der M… GmbH im Jahr 2013 habe die S… GmbH lediglich große Teile von deren Restbeständen erworben, die sie an die Antragsgegnerin übertragen habe, die aber weitestgehend mängelbehaftet und nicht weiter verwendbar gewesen seien. Die S… GmbH sei gar nicht in der Lage gewesen, die Heizfolien zu produzieren. Dafür sei aus technischer Sicht zwingend eine Beschichtung erforderlich, die sogenannte „Pasta“. Die S… GmbH habe jedoch nicht die Erlaubnis zur Herstellung dieser Pasta gehabt. Sie habe lediglich Teile aus der Insolvenzmasse gekauft, und zwar gerade nicht die Schutz- und Patentrechte. Letztere habe der damalige Insolvenzverwalter an den Erfinder Herrn Dr. B1… veräußert, der sie dann beim DPMA im Patentregister auf sich habe umschreiben lassen. Die Antragstellerin sei folglich nie Inhaberin der Schutz- und Patentrechte der M… GmbH gewesen. Sie sei daher auch nicht Vorbenutzerin geworden und damit im hiesigen Löschungsverfahren schon nicht aktivlegitimiert. Die von der Antragstellerin im Rahmen der „Due Diligence“ als Beleg für die Patentinhaberschaft vorgelegte (angebliche) Rechnung des Insolvenzverwalters, auf der der Verkauf der immateriellen Werte an die S… GmbH dokumentiert werde, sei nicht vollständig und von dem Insolvenzverwalter gar nicht in dieser, einen falschen Eindruck hervorrufenden, Ausgestaltung verfasst worden. Die vorgelegte Urkunde sei daher unecht und deren Verwendung im Verkehr erwecke zudem den Verdacht einer strafbaren Handlung. Im Rahmen der technischen „Due diligence“ seien der Markeninhaberin auch keinesfalls sämtliche relevanten Informationen zum Unternehmen S… GmbH mitgeteilt worden. Die „Due diligence“ verweise auf ein „Brain pack“, das u. a. den Hinweis auf eine Offenlegungsschrift DE 10 2011 122 630 „Patent für Heizpaste“ enthalte. Tatsächlich sei diese Behauptung unzutreffend gewesen, Inhaber des Patents sei Herr Dr. B1….
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Unwahr sei der Vortrag, die Antragsgegnerin habe eigenmächtig und ohne Kenntnis der Antragstellerin oder der S… GmbH die Marke angemeldet. Was die im „Letter of intent“ und ihrer Zusatzvereinbarung geregelten Anzahlungen betreffe, sei die Markeninhaberin wegen der Lieferung mangelhafter Waren, aber auch der unklaren markenrechtlichen Situation misstrauisch geworden, so dass sie dann eine einmalige Zahlung von … € geleistet habe. Nachdem sich die Ermittlungsergebnisse wie dargestellt herauskristallisiert hätten, seien keine weiteren Anzahlungen mehr geleistet worden. Ein zur Kündigung berechtigender Zahlungsverzug habe nicht vorgelegen. Hintergrund der fristlosen Kündigung sei auch nicht die ausgebliebene Zahlung gewesen, vielmehr verdichteten sich die Hinweise, dass die Antragstellerin unter Umgehung der Markeninhaberin Kontakt zu einem gewissen Herrn D… und dessen Firma namens S1… aufgenommen habe, um Verkaufsgespräche mit diesem in Gang zu setzen. Dies sei der eigentliche Grund der Kündigung durch die Antragstellerin gewesen. Eine bösgläubige Anmeldung durch die Antragsgegnerin liege jedenfalls nicht vor.
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Die Beschwerdeführerin hat schließlich mitgeteilt, dass sie die Vereinbarungen mit der Antragstellerin („Letter of Intent“ vom 6. Januar 2016 und die „Legal Due Diligence“) wegen arglistiger Täuschung angefochten und Strafanzeige wegen Betrugs erstattet habe.
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Die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin beantragt,
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1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Januar 2019 aufzuheben und den Nichtigkeitsantrag zurückzuweisen;
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2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Die Beschwerdegegnerin und Antragstellerin beantragt,
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die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Beschwerdebegründung der Markeninhaberin erschöpfe sich in bloßen Wiederholungen ihres Vortrags aus dem Amtsverfahren. Darüber hinaus gebe sie Ausführungen des angegriffenen Beschlusses falsch wieder und ziehe daraus auch unzutreffende Schlüsse. Wie der streitgegenständliche Beschluss sachgemäß feststelle, habe die Markenanmeldung ohne rechtzeitige und vollständige Leistung der Anzahlung nicht dem wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin entsprochen und sei damit als geplantes Druckmittel in bösgläubiger Weise erfolgt.
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Die durch die Antragsgegnerin mehrfach vorgetragene Behauptung, dass die Beschwerdegegnerin nicht in der Lage gewesen sei, ihrerseits ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, sei unzutreffend und im Übrigen für die Frage der Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Markenanmeldung völlig irrelevant. Vielmehr stelle diese Argumentation lediglich den Versuch dar, im Nachhinein die wettbewerbswidrige Behinderungsabsicht zu legitimieren. In diesem Zusammenhang sei der Beschwerdeführerin offensichtlich jedes Mittel recht. Neben der behaupteten Urkundenfälschung und der Stellung einer Strafanzeige wegen Betruges, solle der zwischen den Parteien am 6. Januar 2016 geschlossene (und durch die Beschwerdegegnerin bereits mit Schreiben vom 17. April 2017 gekündigte) Vertrag auch noch wegen arglistiger Täuschung gemäß §123 BGB angefochten werden. Für die Frage der Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung komme es aber ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anmeldung an und nicht auf etwaige später auftretende Rechtfertigungsgründe. Die Markenanmeldung der Antragsgegnerin sei am 16. September 2016 erfolgt, ohne dass zu diesem Zeitpunkt die Zahlung gemäß der Zusatzvereinbarung geleistet gewesen wäre. Weder in den Schreiben von Herrn F… an Herrn B… vom 18. und 19. April 2017 noch in dem
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anwaltlichen Abmahnschreiben vom 28. April 2017 finde sich der Vorwurf oder auch nur ein Hinweis auf eine Vertragsverletzung auf Seiten der Beschwerdegegnerin. Vielmehr zeigten diese Schreiben eindrucksvoll, dass die Beschwerdeführerin unter allen Umständen am Vertrag habe festhalten wollen. Die behaupteten „Vertragsverletzungen“ seien damit erst im Nachhinein erfunden worden, um so die vertragswidrige Einbehaltung der Anzahlung und die bösgläubige Markenanmeldung zu rechtfertigen.
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Ohnehin sei der Vorwurf der Vertragsverletzung auf Seiten der Beschwerdegegnerin unbegründet. Der am 6. Januar 2016 unterzeichnete „Letter of intent“ sowie die Zusatzvereinbarung vom 23. Juni 2016 beschrieben den Bestand und den möglichen Verkauf eines sog. „Brain Packs“. Dabei habe es sich um eine Vielzahl von Unterlagen gehandelt, die Know-how zum Thema „Produktion von Heizfolien“ umfassten, das die M… GmbH durch jahrelange Forschung und Entwicklung gesammelt, und das die Rechtsnachfolgerin der M… GmbH – die S… GmbH – vom damaligen Insolvenzverwalter gekauft habe. Der Inhalt dieses „Brain Packs“ sei in einer Auflistung zusammengefasst, die von der Beschwerdeführerin im Rahmen ihres Schriftsatzes vom 17. November 2017 eingereicht wurde. Unter anderem sei im Rahmen dieser Auflistung auch die Offenlegungsschrift der deutschen Patentanmeldung DE 10 2011122 630.7 angeführt, die – auch schon zu diesem Zeitpunkt – als Erfinder und Anmelder Herrn Dr. B1… nenne, der selbst
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technischer Leiter der Firma M… GmbH gewesen sei. In diesem Zusammenhang habe die Beschwerdegegnerin mehrfach gegenüber der Beschwerdeführerin deutlich gemacht, dass die den Kernbereich der Vereinbarung betreffende „Pasta“ nicht von der Lehre dieses Patents Gebrauch mache. Dies werde deutlich mit Blick auf die Formulierung in dem „Protokoll“ zur technischen „Due diligence“, in dem sich unter Punkt 11 der Hinweis finde „[…] Die Rezeptur ist außerhalb des Patentes per Software vorgeführt.“. Zudem zeige sich dieses Verständnis der Parteien auch in den Ausführungen von Herrn F… in seinem Schreiben vom 19. April 2017 „jetzige Rezeptur nicht mit Patent gleich“.
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Auch der gestellte Strafantrag gegen den Geschäftsführer der Beschwerdegegnerin habe keinerlei Relevanz für das Löschungsverfahren und sei darüber hinaus unbegründet. Im Übrigen sei auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin wegen falscher Anschuldigungen angeregt worden. Die Anfechtungserklärung der Beschwerdeführerin sei ebenfalls nicht nur rechtlich irrelevant und unbegründet, sondern auch unzulässig, da der zwischen den Parteien am 8. Januar 2016 geschlossene Vertrag unter Nr. 9 ausdrücklich „Schweizer Recht“ für anwendbar erkläre und etwaige Fragen zum Vertragsbestand bzw. zur Anfechtung nach Schweizer Recht zu beurteilen seien. Eine Anfechtung nach § 123 BGB sei daher ausgeschlossen. Schließlich habe die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt einer Markenanmeldung durch die Antragsgegnerin zugestimmt.
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Der Senat hat im Wege der Amtshilfe die Akten zum Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Beschwerdegegnerin wegen Betrugs angefordert und sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (Bl. 253 d. A.). Das Amtsgericht Zittau (Az: 9 Ls 140 Js 24948/18) hat mit Beschluss vom 4. Mai 2021 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.
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Nachdem zunächst aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 16. September 2021 (Bl. 149/150 d. A.) zum Nachweis einer Zustimmung zu der Anmeldung der streitgegenständlichen Marke die hierzu von der Beschwerdeführerin benannten Zeugen geladen worden waren, hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. Januar 2022 (Bl. 226 d. A.) auf diese Zeugen verzichtet.
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In der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2022 ist zwischen den Parteien ein widerruflicher Vergleich geschlossen und für den Fall des Widerrufs Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt worden. Eine Einigung ist nicht zustande gekommen. Die Beschwerdeführerin hat einem Übergang ins schriftliche Verfahren nicht zugestimmt.
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Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 22. Februar 2022 hat die Beschwerdegegnerin unter Vorlage verschiedener Unterlagen weiter vorgetragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2022 und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg, denn insoweit entfaltet die Streitmarke keine Sperrwirkung. Im Übrigen jedoch hat die Markenabteilung 3.4 zutreffend das Vorliegen einer bösgläubigen Markenanmeldung bejaht, so dass insoweit die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marke gem. § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. vorliegen.
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A) Im Laufe des Löschungsverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Das Eintragungshindernis der bösgläubigen Anmeldung aus Art. 3 Abs. 2 d) Marken-Richtlinie a. F. (RL 2008/95/EG) findet sich nun in Art. 4 Abs. 2 Marken-Richtlinie n. F. (RL (EU) 2015/2436) und wird umgesetzt durch die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG n. F., die mit der zuvor und auch im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke gültigen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a. F. übereinstimmt. Da der Löschungsantrag vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist, ist § 50 Abs. 1 und 2 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG in seiner bisher geltenden Fassung (im Folgenden MarkenG) anzuwenden (§ 158 Abs. 8 MarkenG n. F.).
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Ebenfalls weiter anzuwenden ist die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 54 MarkenG in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Abs. 3 MarkenrechtsmodernisierungsG).
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B)Der Löschungsantrag ist zulässig.
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Der Löschungsantrag wurde ordnungsgemäß gestellt, insbesondere wurde das geltend gemachte konkrete Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG im Löschungsantrag ausdrücklich benannt (vgl. zum Erfordernis der Angabe des konkreten Schutzhindernisses: BGH GRUR 2016, 500 Rn. 11 – Fünf-Streifen- Schuh).
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Der Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse kann von jeder Person gestellt werden (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG); es handelt sich also um einen Popularantrag. Der Beschwerdegegnerin fehlt daher – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – nicht die Aktivlegitimation.
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Dem Löschungsantrag ist zudem rechtzeitig widersprochen worden. Die Antragsgegnerin hat dem ihr am 19. Mai 2017 zugesandten Löschungsantrag mit am 30. Juni 2017 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz fristgerecht widersprochen. Somit war das Löschungsverfahren mit Sachprüfung durchzuführen (§ 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG).
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C)Der Löschungsantrag ist auch überwiegend begründet.
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1. Bösgläubigkeit eines Anmelders im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG n. F.) liegt vor, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig – insbesondere im Sinne wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit – erfolgt ist (vgl. BGH GRUR 2016, 380 –; GLÜCKSPILZ; GRUR 2004, 510, 511 – S 100; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 1025). Der Schutzversagungsgrund soll Anmeldungen von Marken erfassen, die von vornherein nicht dazu bestimmt sind, im Interesse eines lauteren Wettbewerbs Waren und Dienstleistungen als solche eines bestimmten Unternehmens zu individualisieren, sondern Dritte im Wettbewerb zu behindern (Hacker, Markenrecht, 5. Auflage, Rn. 182 und 184). Ein Anmelder handelt aber nicht allein deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe Zeichen für dieselben Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben (vgl. EuGH GRUR Int. 2013, 792, Rn. 37 – Malaysia Dairy Industries). Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen. Die rechtliche Beurteilung, ob eine Marke bösgläubig angemeldet worden ist, hat umfassend und unter Berücksichtigung aller im Einzelfall erheblichen Faktoren zu erfolgen (EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 37, 51–53 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 – lvadal).
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Abzustellen ist insoweit ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anmeldung und nicht daneben auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (vgl. EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 35 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth;
BGH GRUR 2016, 380BGH GRUR 2016, 380Rn. 12 – GLÜCKSPILZ). Dies schließt jedoch eine
BGH GRUR 2016, 380Rn. 12 – GLÜCKSPILZ). Dies schließt jedoch eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus. Aus diesem Verhalten können sich vielmehr Anhaltspunkte für oder gegen eine zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht ergeben (vgl. BGH a. a. O. Rn. 14 – Glückspilz; BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1043).
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In der Rechtsprechung sind im Wesentlichen drei Fallgruppen bösgläubiger Markenanmeldungen herausgearbeitet worden. Zum einen handelt es sich um die Anmeldung sogenannter „Spekulationsmarken“, d. h. Marken, welche der Anmelder lediglich mit dem Ziel schützen lassen möchte, gutgläubige Dritte unter Druck zu setzen, ohne dass ein eigener ernsthafter Benutzungswille des Markenanmelders vorliegt (vgl. BGH GRUR 2020, 292 Rn. 7 – Da Vinci; BGH GRUR 2001, 242 – Classe E). Des Weiteren wird Bösgläubigkeit in den Fällen bejaht, in denen Marken mit dem Ziel angemeldet werden, den erkannten schutzwürdigen Besitzstand eines Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund zu stören oder den weiteren Gebrauch der Bezeichnung durch den Vorbenutzer zu sperren (vgl. BGH GRUR 2008, 160 – CORDARONE; BGH GRUR 2001, 242 – Classe E). Schließlich kann der Erwerb eines formalen Markenrechts, unabhängig vom Bestehen eines schutzwürdigen inländischen Besitzstandes eines Dritten, auch dann bösgläubig sein, wenn sich die Anmeldung der Marke unter anderen Gesichtspunkten als wettbewerbs- oder sittenwidrig darstellt. Das wettbewerblich Verwerfliche kann insoweit insbesondere darin gesehen werden, dass ein Markenanmelder die mit der Eintragung der Marke verbundene – an sich unbedenkliche – Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt. Dabei ist die maßgebliche Grenze zur Bösgläubigkeit dann überschritten, wenn das Verhalten des Markenanmelders bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH GRUR 2008, 621, 624 Rn. 32 – AKADEMIKS; GRUR 2008, 160, Rn. 18 – CORDARONE; GRUR 2005, 414, 417- Russisches Schaumgebäck; BGH GRUR 2005, 581, 582 – The Colour of Elégance). Daher wird die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht schon durch die Behauptung oder den Nachweis eines eigenen Benutzungswillens ausgeschlossen (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1103).
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2. In Anwendung der dargelegten Grundsätze hat die Markenabteilung 3.4 in dem angegriffenen Beschluss die Voraussetzungen einer bösgläubigen Anmeldung dem Grund nach zutreffend bejaht.
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Wenngleich beim Vortrag beider Parteien – insbesondere auch nach einem Abgleich mit den im Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin eingereichten Unterlagen – Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten festzustellen und viele Fragen auch in der mündlichen Verhandlung offen geblieben sind, so sprechen die unstreitigen Umstände und allein schon die eigene Einlassung der Beschwerdeführerin dafür, dass diese die verfahrensgegenständliche Marke jedenfalls in der Absicht des zweckwidrigen Einsatzes ihrer Sperrwirkung als Mittel im Wettbewerbskampf angemeldet hat, nämlich als Druckmittel in den zwischen den Beteiligten anhängigen Vertragsverhandlungen.
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a) Nach dem Vorbingen der Antragstellerin war die Bezeichnung „M-Therm“ viele Jahre vor der streitgegenständlichen Markenanmeldung zur Kennzeichnung von elektrischen Niederspannungs-Heizfolien für Boden, Wand und Decke eingesetzt worden. Zwar verfügte die Antragstellerin zum maßgeblichen Anmeldezeitpunkt nicht über ein Unternehmenskennzeichen „M-Therm“ im Geschäftsbereich der Heizfoliensysteme in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG, wie sie immer wieder ausgeführt hat. Denn ein solches ist mit Aufgabe der Geschäftstätigkeit der „M… GmbH“ erloschen und auch nicht wieder neu entstanden, weil die spätere Verwenderin in Deutschland unter S… GmbH firmiert hatte. Allerdings hat die Antragstellerin – worauf die Markenabteilung 3.4. zutreffend hingewiesen hat – ausreichend dargelegt und durch die im Amtsverfahren vorgelegten Unterlagen, nämlich Prospekte, Preislisten, Rechnungen und sonstige Firmenunterlagen, belegt, dass die Bezeichnung „M-Therm“ für ein Heizfoliensystem markenmäßig benutzt wurde.
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b) Ein durch die Anmeldung gestörter Besitzstand müsste hinreichend bekannt, tatsächlich ausreichend und rechtlich schutzwürdig sein (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1085 ff). Die Markenabteilung 3.4 hat einen solchen schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin bejaht, in den die Antragsgegnerin in Behinderungsabsicht eingegriffen habe. Demgegenüber hat die Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren pauschal bestritten, dass die S… GmbH ab 2014 in erheblichem Umfang Heizfolien produziert und verkauft habe und ferner vorgetragen, nach der Insolvenz der M… GmbH im Jahr 2013 habe die S… GmbH lediglich große Teile von Restbeständen erworben, die sich aber dann nach Übertragung an die Antragsgegnerin als weitestgehend mängelbehaftet und nicht weiter verwendbar herausgestellt hätten. Dieser Vortrag der Markeninhaberin ist unsubstantiiert. Zudem wirft er die Frage auf, warum die Antragsgegnerin trotz dieser Mängel und trotz der Erkenntnis, dass die Antragstellerin nicht Inhaberin der vermeintlich zwingend für die Produktion erforderlichen Patentanmeldung war, überhaupt noch eine Anzahlung in Höhe von … Euro geleistet hat und auch im Weiteren noch an dem Geschäft festhalten
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wollte.
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Letztlich kann aber offenbleiben, ob die Antragstellerin unter Berücksichtigung dieser Einwände der Beschwerdeführerin ausreichend zu einem zu ihren Gunsten bestehenden schutzwürdigen Besitzstand im Inland zum Zeitpunkt der Anmeldung der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke vorgetragen hat.
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c) Denn jedenfalls ist festzustellen, dass die Streitmarke in erster Linie zum zweckfremden Einsatz ihrer Sperrwirkung im Wettbewerb angemeldet worden ist.
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Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Markenanmeldung erfolgt ist, „
da die Beschwerdeführerin festgestellt hat, dass die Vertragspflichten seitens der Beschwerdegegnerin nicht erfüllt wurden. Insbesondere sei das Patent nicht übertragen worden.Deshalb war man der Auffassung, dadurch einen gewissen Druck auf die Beschwerdegegnerin aufbauen zu können.“. Bereits diese Einlassung legt eine Behinderungsabsicht nahe, nämlich, dass die Markenanmeldung als Druckmittel in den zwischen den Beteiligten anhängigen Vertragsverhandlungen genutzt werden sollte.
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Folgende weitere Umstände sprechen darüber hinaus für eine Bösgläubigkeit in der Person des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin bei Anmeldung der Streitmarke:
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aa) Dass der Geschäftsführer der Antragsgegnerin im Anmeldezeitpunkt um die Verwendung des Zeichens „
M-Therm“ durch die Antragstellerin wusste, steht im Hinblick auf die entsprechenden Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien betreffend die Übernahme der M-Therm-Heizfoliensparte außer Frage.
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bb) Unstreitig ist zudem, dass die Antragsgegnerin ihren Verpflichtungen zur Anzahlung aus dem „Letter of Intent“ samt Zusatzvereinbarung vom 23. Juni 2016 nicht nachgekommen ist. Keine der zum 30. Juni 2016, 10. Juli 2016 und 20. Juli 2016 vereinbarten Zahlungen in Höhe von jeweils … Euro ist erfolgt.
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Vielmehr hat die Antragsgegnerin, ohne dies der Antragstellerin zu kommunizieren oder zu erklären, verspätet eine Zahlung in Höhe von … Euro geleistet; ob diese am 15. September 2016 erfolgt ist, also einen Tag vor der Markenanmeldung, wie es die Markenabteilung 3.4 aufgrund des Vortrags der Antragstellerin angenommen hat oder am 22. Juli 2016, wie es die Daten aus der beigezogenen Strafakte nahelegen, ist insofern unerheblich.
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cc) Es lässt sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin der Markenanmeldung zugestimmt hat. Die Beschwerdeführerin hat eine solche Zustimmung behauptet, die Beschwerdegegnerin hat diese aber bestritten. Da die Beschwerdegegnerin nicht gehalten ist, eine negative Tatsache zu belegen, trägt die Beschwerdeführerin insoweit die Feststellungslast. Zwar findet sich in dem sog. „Legal Due Diligence“-Schreiben des Rechtsanwalts W… (Anlage A10) vom 25. April 2016 zum einen
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ein Hinweis, dass es bisher keine Markeneintragung von „M-Therm“ gebe, weil man von deren Schutzunfähigkeit ausgegangen sei, sowie zum anderen eine Erklärung, dass die „E… AG bereit ist, einen Schutz für das Gebrauchsmuster des Logos beim DPMA zu veranlassen“. Dies spricht zwar dafür, dass eine Markenanmeldung thematisiert wurde, allerdings ist der Erklärung auch zu entnehmen, dass diese durch die Beschwerde
gegnerin veranlasst werden sollte und gerade nicht durch die Beschwerdeführerin selbst. Der Schluss auf eine Einwilligung der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin zur Markenanmeldung durch die Antragsgegnerin auf deren Namen lässt sich hierdurch jedenfalls nicht ziehen. Andere Nachweise ist die Beschwerdeführerin schuldig geblieben. So hat sie zwar zunächst als Zeugen für ihren Vortrag, Herr B… habe auf Bitten des Herrn F… Anfang Mai 2016 bei einer Besprechung zugestimmt, dass die Antragsgegnerin die Marke M-Therm in Deutschland und China auf ihren Namen anmelden dürfe, Herrn G… und Frau L… benannt, auf diese Zeugen aber sodann nach Ladung verzichtet.
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Auch aus den übrigen Umständen lassen sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Zustimmung entnehmen, zumal der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdeführerin – insbesondere hinsichtlich der Daten – widersprüchlich ist, wie schon die Markenabteilung in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat.
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dd) Kurz nach der Kündigung des „Letter of Intent“ und der Alleinvertriebsvereinbarung im April 2017 durch die Antragstellerin hat der Geschäftsführer der Antragsgegnerin und Markeninhaberin per E-Mail vom 18. April 2017 die Kündigung als nicht akzeptabel zurückgewiesen und erstmals – also etwa 7 Monate nach Anmeldung bzw. 6 Monate nach Eintragung der Streitmarke beim DPMA – auf die Markeneintragung „hingewiesen“ sowie sodann per E-Mail vom 19. April 2017 der Antragstellerin die weitere Markennutzung untersagt. Schließlich hat sein anwaltlicher Vertreter mit Abmahnschreiben vom 28. April 2017 der Antragstellerin die weitere Nutzung der Marke „M-Therm“ verboten und sie aufgefordert, das Logo von den bereits verkauften Produkten zu entfernen.
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ee) Aus all dem lässt sich der Schluss ziehen, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke gerade deshalb erfolgt ist, um die Antragstellerin zu behindern. Dem gegenüber sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke die Markenanmeldung in redlicher Absicht vorgenommen hat.
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Es mag zwar Einiges darauf hindeuten, dass die Antragstellerin ihrerseits ihren Pflichten aus dem Vorvertrag nicht ohne weiteres hätte nachkommen können, nämlich der Übertragung der Rechte an der Patentanmeldung 10 2011 122 630.7. Wenngleich in diesem Zusammenhang die Formulierungen in den vorvertraglichen Unterlagen in rechtlicher Hinsicht äußerst ungenau und verwirrend sind (vgl. z. B. Anlage A7: Schreiben B…/Agentur Seidenstraße „Sie erhalten noch das Patent für die Paste mit der Rezept selber machen, oder in China produzieren zu Lassen“; „Letter of Intent“ Anlage A1/A8: Ziffer 4.2: “…der Patentübertrag in Auftrag gegeben“; Protokoll Technische Due Diligence, A9: Punkt 11 „Das Patent 630 vom 22.11.2011 ist gültig“; Legal Due Diligence, A10: Punkt IV 1. “Hieraus ergeben sich alle Patentanmeldungen, …“ sowie Punkt 3a.E. „…verpflichtet sich die Firma E…, dieses Patent auf die Seidenstraße Technology…übertragen zu lassen.“), so vermitteln sie durchaus den – unzutreffenden – Eindruck, die Übertragung der Rechte aus der Patentanmeldung würde im Einflussbereich der Beschwerdegegnerin liegen. Allerdings hat die Markenabteilung insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Umstand eine Markenanmeldung ohne Zustimmung und Kenntnis des Vorbenutzers sowie ohne eigene Vertragstreue nicht rechtfertigen würde.
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Der Annahme der Behinderungsabsicht der Inhaberin der angegriffenen Marke steht auch nicht entgegen, dass die Übertragung der Markenrechte bzw. die entsprechende Markenanmeldung Inhalt der vorvertraglichen Absprachen war. Damit kommt zum Ausdruck, dass die Beschwerdeführerin einen eigenen Willen zur Benutzung der Streitmarke gehabt hat. Dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Vermittlungsagentur handelt, steht – anders als die Beschwerdegegnerin meint – einer solch eigenen Benutzungsabsicht nicht entgegen, da diese die Marke auch auf den künftigen Erwerber übertragen oder Lizenzen erteilen kann. Insofern hätte eine solche Markenanmeldung durchaus flankierend während der Verhandlungen vorgenommen werden können. Zum einen fehlt es aber – wie bereits dargelegt – an einem Nachweis der Zustimmung der Beschwerdegegnerin sowie an der Vertragstreue der Beschwerdeführerin. Zum anderen schließt der eigene Benutzungswille der Beschwerdeführerin die Absicht der Behinderung der Antragstellerin nicht aus, da die Behinderung nur ein wesentliches Motiv für die Markenanmeldung sein muss (vgl. BGH GRUR 2008, 621 Rn. 32 – AKADEMIKS).
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Nach den Gesamtumständen ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Markeninhaberin die Streitmarke in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des zweckwidrigen Einsatzes ihrer Sperrwirkung, nämlich als Druckmittel in den Vertragsverhandlungen, angemeldet hat,
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d) Die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung kommt insoweit allerdings nur in Betracht, wenn die Streitmarke überhaupt eine Sperrwirkung zu entfalten vermag. Erforderlich ist danach, dass eine gleiche oder ähnliche Bezeichnung für identische oder ähnliche Waren/Dienstleistungen als Marke angemeldet wird (BGH GRUR 2009, 992 Rn. 17 – Schuhverzierung; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 31.01.2019, 28 W (pat) 33/17 – Bode Panzer; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 1040, 1074). Damit erweist sich der Löschungsausspruch der Markenabteilung 3.4 als etwas zu weitgehend.
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Da es für die Beurteilung einer Bösgläubigkeit maßgeblich auf den Anmeldezeitpunkt ankommt, ist der nachträglich in Klasse 19 durch Teilverzicht gemäß § 48 Abs. 1 MarkenG eingefügte Disclaimer „alle vorgenannten Waren nicht im Bereich der Dämmung und Isolierung für Wärme- und Kälteanwendungen“ bei der Beurteilung einer solchen Sperrwirkung nicht zu berücksichtigen.
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In Bezug auf die im Tenor genannten Waren vermag die Streitmarke ersichtlich keine Sperrwirkung gegen die Verwendung der Bezeichnung M-Therm im Zusammenhang mit Produkten für ein Heizfoliensystem zu entfalten. Denn die speziellen Waren wie beispielsweise „Asphaltreparaturmassen auf Teerbasis [Baumaterialien]; Eisenbahnschwellen aus Holz; Holzleitplanken für Straßen; Holzmasten, -pfosten für elektrische Starkstromleitungen; Lärmschutzwände aus Holz; Zäune zur Erosionskontrolle [Baumaterialien, nicht aus Metall]“ der Klasse 19 oder die Waren der Klasse 27 – beispielsweise „Fahrzeugmatten und -teppiche; Japanische Reisstrohmatten [Tatami-Matten]; Kleine Teppiche für Tiere“ – haben mit dem M-Therm-Heizfoliensystem, wie es durch die Beschwerdegegnerin dargelegt und nachgewiesen wurde, nichts zu tun. Diese haben unterschiedliche betriebliche Herkunftsstätten und sind regelmäßig nicht für die Anwendung im Zusammenhang mit Heizfoliensystemen bestimmt.
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Die übrigen Waren dagegen, nämlich diejenigen aus Klasse 11, ein großer Teil der Waren der Klasse 19 sowie ein Teil der Waren der Klasse 27 betreffen den Anwendungsbereich der M-Therm-Heizfoliensysteme, was von der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt worden ist.
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Insoweit ist die Löschung der Streitmarke zu Recht angeordnet worden, so dass die Beschwerde überwiegend erfolglos bleibt.
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3. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des Vorbringens der Beschwerdegegnerin im Nachgang zur mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.
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Der weitere Vortrag der Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 22. Februar 2022 erfolgte nach Schluss der mündlichen Verhandlung, so dass für diesen die Vorschrift des § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 296 a ZPO gilt. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel bleiben danach unberücksichtigt. Allerdings kann das Gericht gemäß § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wiedereröffnen. Ein solcher Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung im Hinblick auf den Vortrag der Beschwerdegegnerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz war allerdings nicht veranlasst. Denn das gemäß § 296 a ZPO verspätete Vorbringen beschränkt sich zum Teil auf eine Wiederholung früheren eigenen Vortrags und enthält lediglich in Bezug auf die Frage, für welche weiteren Waren das Kennzeichen M-Therm verwendet worden sein soll, neuen Vortrag. So seien z. B. Hotels in Skiregionen mit Gummimatten bzw. rutschfesten, winterfesten Fußmatten gegen Schnee und Eis ausgerüstet und Matten für Liegeplätze für Nutztiere (Ferkel) und Haustiere geliefert worden. Dieser Vortrag ist allerdings unsubstantiiert; er erschöpft sich insoweit in bloßen Behauptungen. Auf den auf der veralteten Homepage der „M…“ wiedergegebenen Fotos von Referenzprojekten sind – ungeachtet der Tatsache, dass weitere konkrete Angaben als Nachweis ohnehin fehlen – solche Produkte schon nicht zu erkennen.
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D. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Zwar trägt in markenrechtlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG grundsätzlich jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst. Das Gericht kann jedoch gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestimmen, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren, einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht.
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Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bedarf es stets besonderer Umstände. Solche von der Norm abweichenden Umstände liegen hier vor. Da die Streitmarke – wie dargelegt – bösgläubig angemeldet worden ist, entspricht es der Billigkeit, der Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 71 Rn. 19).