BVerfG 1. Senat 1. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 26.04.2022, AZ 1 BvR 674/22, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220426.1bvr067422
Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 6 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG
Verfahrensgang
vorgehend AG Halle (Saale), 29. November 2021, Az: 22 F 219/21 EASO, Beschluss
vorgehend AG Halle (Saale), 12. Februar 2021, Az: 22 F 219/21 EASO, Beschluss
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
I.
1
1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführenden zu 1) und 2) im eigenen Namen und im Namen ihres 2018 geborenen Sohnes, dem Beschwerdeführer zu 3), gegen dessen Inobhutnahme durch das Jugendamt sowie gegen den vorläufigen Entzug von wesentlichen Teilen des Sorgerechts für diesen durch familiengerichtliche Entscheidungen.
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a) Nachdem die Beschwerdeführerin zu 2) dem Jugendamt von Gewalt des Beschwerdeführers zu 1) gegenüber dem Sohn und aggressivem Verhalten ihr gegenüber berichtet und mitgeteilt hatte, dass sie den Sohn nicht schützen könne, suchte sie mit Unterstützung des Jugendamts Ende August 2020 eine Mutter-Kind-Einrichtung auf. Dort wurde ein erheblicher Unterstützungsbedarf der Mutter bei der Grundversorgung, Betreuung, Erziehung und altersentsprechenden Förderung des Sohnes festgestellt, der durch ambulante Maßnahmen nicht abzudecken sei. Der Sohn leidet unter kombinierter Entwicklungsverzögerung und Mikrozephalie mit feinmotorischen und koordinativen muskulären Problemen und Verhaltensauffälligkeiten, was in einem humangenetischen Gutachten bestätigt wurde. Die Beschwerdeführenden zu 1) und 2) lehnten nach kurzer Zeit eine weitere Unterbringung in der Einrichtung ab, woraufhin das Jugendamt mit angegriffenem Bescheid vom 2. September 2020 den Beschwerdeführer zu 3) in der Einrichtung in Obhut nahm; gegen diesen Bescheid gingen die Eltern verwaltungsgerichtlich nicht vor.
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b) Im familiengerichtlichen Eilverfahren zum Sorgerecht erklärten sich die Beschwerdeführenden zu 1) und 2) im Oktober 2020 mit einer weiteren Unterbringung des Sohnes bis zum Abschluss der im parallel eingeleiteten Hauptsacheverfahren laufenden Begutachtung, bei der sie mitwirken wollten, einverstanden. Daraufhin wurde der Inobhutnahmebescheid vom Jugendamt aufgehoben. Im Februar 2021 wandten sie sich jedoch gegen die weitere stationäre Unterbringung des Beschwerdeführers zu 3) und verlangten dessen Herausgabe. Daraufhin ordnete das Jugendamt mit angegriffenem Bescheid vom 9. Februar 2021 erneut dessen Inobhutnahme an. Auch dagegen gingen sie verwaltungsgerichtlich nicht vor.
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Ohne vorherige Anhörungen entzog das Familiengericht mit angegriffenem Beschluss vom 12. Februar 2021 den beschwerdeführenden Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitssorge sowie die Rechte nach §§ 27 ff. Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) auf Hilfe zur Erziehung und übertrug diese Teilbereiche auf das Jugendamt als Amtspfleger. Zur Begründung nahm es im Wesentlichen auf einen Bericht des Jugendamts vom 9. Februar 2021 Bezug. Nachdem das Familiengericht die Beschwerdeführenden und das Jugendamt persönlich angehört hatte, hielt es mit angegriffenem Beschluss vom 19. November 2021 seinen Beschluss vom 12. Februar 2021 unter Verweis auf dessen Gründe aufrecht.
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c) Die dagegen von den Eltern eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2022 zurück. Eine sofortige Rückkehr des Beschwerdeführers zu 3) in den Haushalt der Eltern würde eine Gefahr für das Kind darstellen. Für das Hauptsacheverfahren wies es daraufhin, dass dort abzuklären sein werde, ob der besondere Förderungs- und Betreuungsbedarf des Kindes auch ambulant abgedeckt werden könne und ob die Eltern dazu bereit wären, solche ambulanten Maßnahmen anzunehmen. Weiterhin bedürfe der Klärung, ob und wenn ja welche Entwicklungsdefizite und Gefahren bei einer Betreuung durch die Eltern zu erwarten seien, die im Fall einer stationären Betreuung des Kindes ausgeschlossen werden könnten. In die Betrachtung seien auch die Eltern-Kind-Bindungen einzubeziehen, welche durch die stationäre Unterbringung wesentlich beeinträchtigt würden. Falls die Eltern weiter nicht an der Begutachtung durch einen Sachverständigen mitwirkten, könnten Dritte befragt werden oder die Eltern zu einem Gerichtstermin geladen und in Anwesenheit des Sachverständigen angehört werden.
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2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführenden unter anderem die Verletzung von Art. 6 Abs. 3 GG und bezüglich des familiengerichtlichen Beschlusses vom 12. Februar 2021 dessen Erlass ohne vorherige Anhörungen.
II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte beziehungsweise grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführenden angezeigt, denn die Verfassungsbeschwerde ist insgesamt unzulässig.
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1. Es lässt sich der Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen, dass sich die Beschwerdeführenden auch gegen die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts vom 28. Januar 2022 wenden. Insoweit führen sie aus, bei diesem Beschluss handele es sich lediglich „um ein weiteres Verbrechen“, der Beschluss spiele aber hier keine Rolle. Das lässt nicht den Willen erkennen, die Entscheidung zur verfassungsgerichtlichen Prüfung zu stellen. Die darauf erstreckte Verfassungsbeschwerde wäre auch offensichtlich unzulässig, weil entgegen den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG jede inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschluss des Beschwerdegerichts fehlt.
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2. Soweit die Beschwerdeführenden die Bescheide über die Inobhutnahme des Beschwerdeführers zu 3) durch das Jugendamt angreifen, haben sie weder die Beschwerdefrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gewahrt (a) noch den Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft (b).
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a) Eine Verfassungsbeschwerde ist nach § 93 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BVerfGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen und zu begründen. Der letzte Bescheid des Jugendamts über die Inobhutnahme wurde den Beschwerdeführenden zu 1) und 2) spätestens Ende Februar 2021 bekannt gemacht. Ihre Verfassungsbeschwerde ging erst am 1. März 2022, also über ein Jahr später, beim Bundesverfassungsgericht ein, sodass die Verfassungsbeschwerde insoweit nicht fristgemäß eingelegt wurde.
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b) Zudem haben die Beschwerdeführenden insoweit den Rechtsweg vor den Fachgerichten entgegen § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht erschöpft.
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Die Inobhutnahme stellt nach in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nahezu einhellig vertretener Auffassung einen Verwaltungsakt des Jugendamts dar, für dessen Überprüfung die Verwaltungsgerichte zuständig sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. September 2009 – 4 LA 706/07 -, juris, Rn. 9; Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 12 CS 16.2181 -, juris, Rn. 3; zu teilweise davon abweichenden Auffassungen in der Rechtslehre siehe Köhler, ZKJ 2019, 12 <14 Fn.17>). Auch wenn das Jugendamt bei Widerspruch der Eltern gegen eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes herbeiführen muss, prüft das Familiengericht nur prospektiv erforderliche sorgerechtliche Maßnahmen, nicht aber retrospektiv die Rechtmäßigkeit der zuvor erfolgten Inobhutnahme durch das Jugendamt (vgl. BVerfGK 11, 323 <332>; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 4 WF 145/18 -, juris, Rn. 14 m.w.N.). Die Beschwerdeführenden zu 1) und 2) wurden in den Inobhutnahmebescheiden auch zutreffend darüber belehrt, dass diese auf dem Verwaltungsrechtsweg überprüft werden können. Auch wenn sie mittlerweile nicht mehr Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihren Sohn sind, würde dies die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO für eine Anfechtungs- bzw. (nach Erledigung) Fortsetzungsfeststellungsklage nicht entfallen lassen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 12 CS 16.2181 -, juris, Rn. 5).
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Die Beschwerdeführenden sind gegen die angegriffenen Inobhutnahmebescheide aber nicht verwaltungsgerichtlich vorgegangen; jedenfalls fehlt dazu jeglicher Vortrag. Gründe nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, warum etwa auch fachgerichtlicher Eilrechtsschutz unzumutbar wäre, wurden weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
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3. Soweit sich die Beschwerdeführenden gegen Beschlüsse des Familiengerichts wenden, fehlt ihnen das Rechtsschutzbedürfnis. Beide Beschlüsse sind durch die nicht angegriffene Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts vom 28. Januar 2022 prozessual überholt (a). Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde insoweit auch nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen (b).
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a) Entscheidet eine Instanz in vollem Umfang über den Verfahrensgegenstand einer vorangegangenen Entscheidung, ist die vorangegangene Entscheidung in der Regel prozessual überholt und die Verfassungsbeschwerde dann insoweit unzulässig (vgl. BVerfGK 10, 134 <138>). Ein Angriff auch der vorangegangenen fachgerichtlichen Entscheidung kann dann geboten sein, wenn sie einen selbstständigen Verfassungsverstoß enthält oder Tatsachenfeststellungen relevant sind, die nur in dieser Instanz getroffen werden konnten, weil das letztinstanzliche Gericht zum Beispiel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Dies ist im Verfahren über Beschwerden gegen Nebenentscheidungen nach dem Familienverfahrensgesetz nicht der Fall. Denn das Beschwerdegericht ist insoweit eine zweite Tatsacheninstanz. Das bedeutet, dass das Beschwerdegericht die Sache zu prüfen und eine eigene Sachentscheidung zu treffen hat.
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Hier hat das Oberlandesgericht nochmals geprüft und sich mit den Argumenten der Beschwerdeführer auseinandergesetzt. Ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu BVerfGE 81, 138 <140 f.>) bezüglich der amtsgerichtlichen Beschlüsse haben die Beschwerdeführenden nicht in substantiierter und nachvollziehbarer Weise dargelegt. Es ist auch nicht ersichtlich.
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b) Die Beschwerdeführenden haben zudem die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte nicht in einer den Begründungs- und Substantiierungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise dargetan. Bei gegen gerichtliche Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerden zählt zu diesen Anforderungen auch die Vorlage der angegriffenen Entscheidungen und derjenigen Schriftstücke, ohne deren Kenntnis sich die Berechtigung der geltend gemachten Rügen nicht beurteilen lässt, zumindest aber deren Wiedergabe ihrem wesentlichen Inhalt nach. Nur so wird das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob die Entscheidungen mit dem Grundgesetz in Einklang stehen (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>; 129, 269 <278>).
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Dem genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Die Beschwerdeführenden haben versäumt für die verfassungsgerichtliche Prüfung erforderliche Unterlagen vorzulegen oder deren wesentlichen Inhalt wiederzugeben. So fehlt vor allem der Bericht des Jugendamts vom 9. Februar 2021, auf den das Familiengericht seine Entscheidung ganz maßgeblich stützt. Ohne Kenntnis zumindest der wesentlichen Inhalte dieses Berichts kann nicht beurteilt werden, ob der mit einer Trennung des Beschwerdeführers zu 3) von seinen Eltern verbundene vorläufige Sorgerechtsentzug verfassungsrechtlicher Prüfung standhielte.
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4. Insbesondere wegen der unterbliebenen Vorlage von entscheidungserheblichen Unterlagen kann nicht beurteilt werden, ob die familiengerichtlichen Beschlüsse über die vorläufige Entziehung wesentlicher Teile des Sorgerechts den dafür maßgeblichen verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG genügen, auch wenn daran ‒ soweit ohne die fehlenden Unterlagen beurteilbar ‒ Zweifel bestehen. Diese Zweifel rühren vor allem aus den wenig konkreten Feststellungen der Fachgerichte zu Art und Ausmaß der Kindeswohlgefährdung sowie aus der fehlenden Auseinandersetzung mit den Folgen der Fremdunterbringung des Beschwerdeführers zu 3) her.
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a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz dieses Rechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>).
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aa) Eine ‒ hier vorliegende ‒ räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar, der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen oder aufrechterhalten werden darf (vgl. nur BVerfGE 60, 79, <88 ff.>; stRspr). Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt diesen Eingriff lediglich unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 72, 122, <140>; 136, 382 <391 Rn. 28>; stRspr). Eine solche Gefährdung des Kindes ist dann anzunehmen, wenn bei ihm bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2018 – 1 BvR 383/18 -, Rn. 16 m.w.N.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2020 – 1 BvR 572/20 -, Rn. 22; stRspr).
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bb) Für die Fachgerichte ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG das Gebot, die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und sie vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten. Die Fachgerichte werden dem regelmäßig nicht gerecht, wenn sie ihren Blick nur auf die Verhaltensweisen der Eltern lenken, ohne die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für das Kind darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2014 – 1 BvR 725/14 -, Rn. 24 und 26 f.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. November 2014 – 1 BvR 1178/14 -, Rn. 37 m.w.N.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2020 – 1 BvR 572/20 -, Rn. 23).
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cc) Auch sind die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern durch eine Fremdunterbringung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGK 19, 295 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2020 – 1 BvR 836/20 -, Rn. 25) und müssen durch die hinreichend gewisse Aussicht auf Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessert (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2020 – 1 BvR 836/20 -, Rn. 25).
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b) Soweit dies auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen beurteilt werden kann, bestehen Zweifel, ob das Familiengericht (und auch Oberlandesgericht in seiner nicht angegriffenen Beschwerdeentscheidung) diese grundsätzlich auch im fachrechtlichen Eilverfahren zu beachtenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Feststellungen einer Kindeswohlgefährdung sowie die Folgen einer Fremdunterbringung hinreichend in den Blick genommen haben.
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Beide Gerichte beziehen sich nur ganz allgemein auf eine Kindeswohlgefährdung bei Rückkehr des Beschwerdeführers zu 3) in den Haushalt der Beschwerdeführenden zu 1) und 2), ohne diese Gefahr konkret zu benennen oder sie nach Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit zu bewerten. Ausführungen zu möglichen negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern durch die Fremdunterbringung erfolgen nicht. Soweit das Oberlandesgericht das Familiengericht darauf hingewiesen hat, was im Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht noch zu ermitteln sein wird, entspricht der Inhalt dieser Hinweise zwar im Wesentlichen den Anforderungen, die sich aus Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG für das Verfahren vor den Fachgerichten ergeben. Allerdings sind auch in einem einstweiligen Anordnungsverfahren unter Berücksichtigung der im Eilverfahren vorhandenen Möglichkeiten nachvollziehbare Ausführungen zur konkreten Art und zum Gewicht der Gefahren, die dem Kind bei einem Verbleib im elterlichen Haushalt drohen könnten, sowie zu einer richterlichen Einschätzung der zeitlichen Dringlichkeit der Fremdunterbringung verfassungsrechtlich notwendig (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, Rn. 26). Dies gilt nur dann nicht, wenn sich wegen befürchteter sehr hoher Schadensintensität und außergewöhnlichen Zeitdrucks die notwendigen richterlichen Ermittlungen, Darlegungen und Einschätzungen ausnahmsweise erübrigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, Rn. 26, 34 f.).
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5. Im bereits eingeleiteten Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge werden die Fachgerichte die verfassungsrechtlichen Erfordernisse ausreichend konkreter Feststellungen zu Art und Schwere der Kindeswohlgefährdung sowie zu den negativen Folgen einer Fremdunterbringung in den Blick nehmen müssen, zumal durch das bereits beauftragte Sachverständigengutachten und die Erkenntnisse der wohl eingeleiteten fachwissenschaftlichen Abklärung der Verhaltensauffälligkeiten des Sohnes eine breitere Erkenntnisgrundlage zur Verfügung stehen wird.
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6. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.