BPatG München 30. Senat, Beschluss vom 07.04.2022, AZ 30 W (pat) 35/20, ECLI:DE:BPatG:2022:070422B30Wpat35.20.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2014 030 263
(hier: Löschungsverfahren S 132/16)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. April 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Dr. Weitzel und des Richters Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die am 22. Mai 2014 angemeldete Wortmarke
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Kremlinoff
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wurde am 17. Juni 2014 für die Waren der
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„Klasse 29: Fleisch; Geräucherte Wurst; Lebensmittelpasteten aus Fleisch; Wurst und Würste; Wurstwaren
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Klasse 30: Fertiggerichte, die Teigwaren enthalten; Gefüllte Teigwaren“
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in das Markenregister eintragen.
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Mit einem am 1. Juli 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin die vollständige Löschung dieser Marke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG beantragt.
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Die Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag, der ihr am 29. Juli 2016 zugestellt worden war, mit am 3. August 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schriftsatz widersprochen.
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Mit Beschluss vom 14. August 2020 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts den Löschungsantrag zurückgewiesen.
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Zur Begründung ist ausgeführt, die angegriffene Marke sei keine beschreibende Angabe i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und verfüge über hinreichende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Bei der streitgegenständlichen Marke
Kremlinoff handele es sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien um eine Wortneuschöpfung aus dem Begriff „Kreml“ und einer im Russischen typischen Endung für Eigennamen. Nach der von der Antragstellerin vorgelegten beglaubigten Übersetzung stelle das Markenwort eine künstlich erschaffene Kreation dar. Zwar könnten auch Wortneubildungen zur Beschreibung von Produktmerkmalen i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingesetzt werden. Das setze aber insbesondere voraus, dass die fragliche Bezeichnung eine ohne weiteres verständliche, glatt beschreibende Aussage vermittele, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Endung „-inoff“ besitze – auch nach dem Vortrag der Antragstellerin – keinerlei Bedeutungsgehalt, insbesondere nicht im Hinblick auf Produkteigenschaften. Damit könne der Wortbestandteil auch in Kombination mit einem anderen Begriff keine unmittelbar beschreibende Gesamtaussage bilden. Die streitgegenständliche Marke
Kremlinoff stelle sich allenfalls als Wortspiel dar, das Assoziationen an den Kreml, den russischen Regierungssitz, wecke und darüber hinaus durch die typische Namensendung eine Art Personifizierung beinhalte. Eine eindeutige, unmissverständliche Sachaussage werde hingegen nicht erzeugt.
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Aus diesem Grund könne der Marke auch nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Ihr Bedeutungsgehalt erschöpfe sich weder in einer unmittelbar warenbeschreibenden Angabe noch in einer Aussage mit sachlichem Bezug zu den beanspruchten Waren. Zwar möge der Begriff
Kremlinoff Vorstellungen und Erwartungen hinsichtlich einer besonderen, dem russischen Herrscher- und heutigem Regierungssitz angemessene Qualität wecken. Allerdings vermittele die Marke einen derartigen Hinweis allenfalls sehr indirekt, so dass die Bezeichnung weniger eine klare und eindeutige Werbebotschaft sei als eine sprechende Marke mit beschreibendem Anklang.
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Gegen die Zurückweisung des Löschungsantrags durch die Markenabteilung 3.4 wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, zu der sie jedoch weder einen Antrag gestellt noch eine Begründung eingereicht hat.
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Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat sie eine beglaubigte Übersetzung eingereicht (Anlage AS 1), wonach es sich bei dem Begriff
Kremlinoff um ein Kunstwort handele und die Endung „-inoff“ ein gewöhnlich in Nachnamen vorkommendes Suffix ohne Bedeutungsgehalt sei. Das Markenwort werde deshalb durch den Bestandteil „Kreml“ gekennzeichnet. Die angesprochenen russischsprachigen Durchschnittsverbraucher würden dies ohne weiteres erkennen. So denke der Verkehr, dass eine mit
Kremlinoff gekennzeichnete Wurst aus dem Kreml komme bzw. im Kreml verzehrt werde. Die maßgeblichen Verkehrskreise würden die vorliegende Bezeichnung deshalb als Herkunfts- und Qualitätsangabe dahingehend verstehen, dass das Produkt eine sehr hohe „Abstammung“, nämlich den Kreml habe.
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Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
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Vor der Markenabteilung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, bei dem Wort
Kremlinoff handele es sich um einen Fantasiebegriff. Das ergebe sich aus der von der Antragstellerin selbst vorgelegten beglaubigten Übersetzung. Als Fantasiebegriff sei die angegriffene Marke eine typische unterscheidungskräftige Bezeichnung, die auch nicht freihaltebedürftig sei.
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Allein das Benutzen des Wortstamms „Kreml“ reiche nicht aus, um der Marke die Unterscheidungskraft abzusprechen. Bloße Assoziationen und eine durch mehrere Gedankenschritte hergestellte Verbindung mit dem Wort „Kreml“ reichten für die Verneinung jeglicher Unterscheidungskraft nicht aus. Überdies werde ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in
Kremlinoff keinerlei beschreibende Sachangabe für Wurst- und Fleischwaren erkennen. Der Verkehr habe deshalb kein Interesse an der freien Verwendung der angegriffenen Marke.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
19
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist für ihre Zulässigkeit kein (konkreter) Antrag erforderlich. Fehlt, wie vorliegend, ein Antrag, muss von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang ausgegangen werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 66 Rn. 40).
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Die Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg, denn die angegriffene Marke stellt sich nicht als beschreibende Angabe i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar. Überdies verfügt sie über hinreichende markenrechtliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung der Wortmarke
Kremlinoff daher zu Recht zurückgewiesen (§§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 54 MarkenG).
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A. Schon während des Löschungsverfahrens vor der Markenabteilung ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. I 2018, S. 2357) mit Wirkung vom 14. Januar 2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.
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Da der Löschungsantrag am 1. Juli 2016 und damit vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist, ist § 50 Abs. 2 MarkenG in seiner bisher geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 8 MarkenG n. F.). Die neue Fassung des § 50 Abs. 1 MarkenG ist seit ihrem Inkrafttreten am 14. Januar 2019 anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung existiert (vgl. BGH I ZB 42/19 Rn. 24 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II; BGH I ZB 21/20 Rn. 10 – Black Friday).
23
Weiter anzuwenden ist auch die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 54 MarkenG in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Abs. 3 MarkenrechtsmodernisierungsG).
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Dem in seiner Begründung konkret auf die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG gestützten und auch ansonsten nach §§ 54, 50 MarkenG zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdeführerin hat die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG widersprochen, so dass die Voraussetzungen zur Durchführung des Löschungsverfahrens gemäß § 54 Abs. 2 S. 3 MarkenG vorliegen.
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B. Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 MarkenG verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (BGH GRUR 2014, 565 (Nr. 10) – smartbook; GRUR 2014, 483 (Nr. 22) – test; GRUR 2013, 1143 (Nr. 15) – Aus Akten werden Fakten) bestanden hat als auch – soweit es um die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-9 MarkenG geht – im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen, nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden habe (vgl. BGH GRUR 2014, 565 Rn. 18 – smartbook; BPatG GRUR 2006, 155 –; Salatfix).
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1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 408). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 30, 31 – Chiemsee; GRUR 2004 Rn. 56 – Postkantoor). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 442 und 443).
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Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 97 – Postkantoor; MarkenR 2008, 160 Rn. 35 – HAIRTRANSFER; GRUR Int. 2010, 503 Rn. 37 – Patentconsult; GRUR 2010, 534 Rn. 52 – PRANAHAUS; BGH GRUR 2012, 272 Rn. 12, 17 – Rheinpark-Center Neuss; GRUR 2012, 276 Rn. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.; siehe auch Ströbele in Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 431ff.). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es – in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich – ein oder mehrere Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT).
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2. Nach diesen Maßstäben besteht an der angegriffenen Wortmarke
Kremlinoff kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Sie besteht nicht ausschließlich aus warenbeschreibenden Angaben, so dass ein Bedürfnis an einer freien Verwendbarkeit der Allgemeinheit, insbesondere der Mitbewerber der Anmelderin nicht besteht.
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Nach dem übereinstimmenden Parteivortrag handelt es sich bei
Kremlinoff um eine Wortneuschöpfung aus dem Begriff „Kreml“ und einer im Russischen typischen Endung für Eigennamen wie Davidoff und Smirnoff. Das ergibt sich aus der von der Antragstellerin vorgelegten beglaubigten Übersetzung vom 30. Juni 2016, der die Markeninhaberin „in vollem Umfang“ zustimmt. Dieser zufolge handelt es sich bei
Kremlinoff um ein künstlich erschaffenes Wort.
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Aus der bloßen Neuheit einer Marke kann allerdings noch nichts über ihre (fehlende) Eignung zur Beschreibung hergeleitet werden (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 8 Rn. 440), weil auch Wortneubildungen einen produktbeschreibenden Aussagegehalt aufweisen können (BPatG 30 W (pat) 513/20 – eBikeKey). Das setzt jedoch voraus, dass der beschreibende Aussagegehalt einer Angabe so deutlich und unmissverständlich hervortritt, dass diese ihre Funktion als Sachbegriff ohne weiteres erfüllen kann (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., § 8 Rn. 603). Dazu müssen die beteiligten Verkehrskreise einen konkreten und direkten Bezug zwischen der Marke und den beanspruchten Waren herstellen können (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., § 8 Rn. 441). Das ist vorliegend nicht der Fall.
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Zwar mag die Endung „-inoff“ dem Verkehr z.B. als Suffix in Nachnamen geläufig sein, nicht aber- worauf die Markenstelle zutreffend abgestellt hat – als sachbezogene Angabe zur Benennung von Produkteigenschaften. Unbestritten hat sie für sich betrachtet keinen Bedeutungsgehalt. Soweit die Antragstellerin daraus schließt, der Verkehr werde sich lediglich an dem Bestandteil „Kreml“ orientieren und der Marke deshalb die beschreibende Bedeutung beimessen, die Wurst komme aus dem Kreml oder werde dort verzehrt, kann dem nicht gefolgt werden. So bemisst sich das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausschließlich danach, ob die Marke, hier
Kremlinoff, in ihrer angemeldeten Form für sich eine beschreibende Angabe darstellt, ohne dass weitere Elemente hinzugedacht oder weggelassen werden dürfen (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., § 8 Rn. 450)
. Die unstrittig bedeutungslose und damit nicht sachbeschreibende Endung „-inoff“ darf deshalb bei der Schutzfähigkeitsprüfung nicht vernachlässigt werden. Sie macht aus dem Gesamtbegriff ein Fantasiewort ohne unmittelbar beschreibende Bedeutung. Soweit sich aus
Kremlinoff Assoziationen an den Kreml, den russischen Regierungssitz, ergeben mögen und das Markenwort darüber hinaus durch die typische Namensendung eine Art Personifizierung beinhaltet, liegt darin gerade keine eindeutige, unmissverständliche Sachaussage. Die angegriffene Marke erfüllt damit nicht den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil sie zur Beschreibung der beanspruchten Waren nicht geeignet ist und deshalb auch nicht von Mitbewerbern benötigt wird.
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3. Der angegriffenen Marke
Kremlinoff kann in Bezug auf die beanspruchten Waren auch nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.
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a. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2015, 1198, Rn. 59 – Kit Kat; BGH GRUR 2020, 411, Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301, Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934, Rn. 9) – OUI; jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2014, 373, Rn. 20 – KORNSPITZ; GRUR 2010, 228, Rn. 33 – Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung nicht nur umfassend, sondern auch streng sein muss, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 12.09.2019, C-541/18, Rn. 28 – #darferdas?); entsprechendes gilt im Löschungsverfahren. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O., Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
34
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376, Rn. 11 – grill meister).
35
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. EuGH GRUR 2013, 519, Rn. 46 – Deichmann; GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186, Rn. 30 und 32 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 Rn. 12 – DüsseldorfCongress; GRUR 2014, 569, Rn. 14 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat).
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b. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen kommt der streitgegenständlichen Marke
Kremlinoff die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu.
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Der Bedeutungsgehalt der angegriffenen Marke erschöpft sich, wie bereits ausgeführt, nicht in einer unmittelbar warenbeschreibenden Angabe. Zudem wird der maßgebliche Verkehr dem Markenwort keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen.
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Zwar mag eine Kennzeichnung der Waren mit
Kremlinoff beim Verkehr die von der Antragstellerin angeführten Vorstellungen und Erwartungen hinsichtlich einer besonderen, dem russischen Herrscher- und heutigen Regierungssitz angemessenen Qualität wecken. Allerdings vermittelt sie – wie die Markenabteilung zutreffend ausgeführt hat – einen derartigen Hinweis allenfalls nur sehr indirekt, so dass die Bezeichnung auf den Verkehr, zu dem wegen der lateinischen Schreibweise auch deutschsprachige Verbraucher zählen, nicht wie eine Werbebotschaft wirkt. Dafür ist der erforderliche Interpretationsaufwand zu groß. Der Verkehr müsste zunächst den Bestandteil „Kreml“ erkennen, was wegen der Silbentrennung „Krem-li-noff“ nicht ohne weiteres auf der Hand liegt. Soweit „Kreml“ erkannt wird, bleibt es überdies vage und verschwommen, welches Qualitätsmerkmal sich aus der Anspielung auf den russischen Herrscher- und heutigen Regierungssitz ergibt. Es ist nicht erkennbar und wurde von der Antragstellerin auch nicht belegt, dass der Begriff „Kreml“ gebräuchlich ist, um auf die besondere Qualität von Nahrungsmitteln hinzuweisen. Auch die nach der Antragstellerin in
Kremlinoff enthaltene Anspielung auf eine „sehr hohe Abstammung“ ist zu unbestimmt, um das Markenwort ausschließlich als werbemäßigen Qualitätshinweis zu verstehen.
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Im Ergebnis ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass der angesprochene Verkehr dem Kunstwort
Kremlinoff einen betrieblichen Herkunftshinweis entnimmt. Insofern kann nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verneint werden.
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4. Die Beschwerde der Antragstellerin ist daher zurückzuweisen.
41
C.Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.