BVerfG 2. Senat 1. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 06.04.2022, AZ 2 BvR 2110/21, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220406.2bvr211021
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 4 EUGrdRCh, Art 3 MRK
Verfahrensgang
vorgehend OLG Frankfurt, 1. November 2021, Az: 1 Ausl A 123/21, Beschluss
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen an eine substantiierte Begründung gemäß § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG genügt.
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1. Wendet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden, argumentativen Auseinandersetzung mit der Entscheidung und deren konkreter Begründung (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>; BVerfGK 19, 388 <395>; stRspr) dahingehend, dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt unter Anknüpfung an die beziehungsweise Auseinandersetzung mit der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 f.>; 79, 292 <301>; 99, 84 <87>; BVerfGK 1, 227 <228>; 3, 213 <216>; 13, 128 <132>; 13, 544 <546>; stRspr) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidung gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte Grundrecht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 <19 f.>; 65, 227 <232 f.>; 67, 90 <94>; 89, 155 <171>; BVerfGK 9, 174 <184 f.>; stRspr). Dabei sind auch die relevanten Dokumente vorzulegen oder inhaltlich wiederzugegeben, soweit ohne ihre Kenntnis eine Einschätzung, ob die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben kann, nicht möglich ist (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; BVerfGK 14, 402 <417>).
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Ein Beschwerdeführer ist gehalten, seine Verfassungsbeschwerde bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls nachträglich zu ergänzen (vgl. BVerfGE 106, 210 <214 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Juni 2021 – 1 BvR 2771/18 -, Rn. 57 und 64; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Februar 2022 – 2 BvR 2027/19 -, Rn. 5). Ihn trifft eine aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG fließende Begründungslast für das (Fort-)Bestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Oktober 2021 – 1 BvR 1416/17 -, Rn. 7; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Februar 2022 – 2 BvR 2027/19 -, Rn. 5).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Insbesondere hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt, dass das Oberlandesgericht seiner Verpflichtung nach Art. 4 GRCh, auf der zweiten Prüfungsstufe im Einzelfall gründlich zu prüfen und durch zusätzliche Informationen aufzuklären, ob der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung in einer rumänischen Haftanstalt einer Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein wird, nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 156, 182 <200 ff. Rn. 42 ff.>). Der Beschwerdeführer hat die von den rumänischen Behörden abgegebenen weiteren Erklärungen hinsichtlich der ihn im Falle seiner Übergabe erwartenden Haftbedingungen sowie den nach Eingang dieser zusätzlichen Informationen ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2022 – 1 Ausl A 123/21 – nicht vorgelegt. In diesem Beschluss hat das Oberlandesgericht unter anderem festgestellt, dass die rumänischen Behörden in den ergänzenden Erklärungen für die konkret bezeichneten Haftanstalten klargestellt hätten, dass sich die Angabe von 3 m² individueller Haftraum auf eine Gemeinschaftszelle beziehe und die Berechnung der Raumfläche die sanitären Anlagen nicht einbeziehe. Aus den ergänzenden Mitteilungen der rumänischen Behörden ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für unzureichende Haftbedingungen, die zu den beengten räumlichen Verhältnissen hinzutreten und einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh beziehungsweise Art. 3 EMRK begründen könnten. Denn die rumänischen Behörden hätten nunmehr im Einzelnen Angaben zu Bewegung, Frischluft und Tageslicht, Belüftung, Raumtemperatur und Beheizung in den Wintermonaten sowie zur Wahrung der Intimsphäre der Gefangenen und den Sanitär- und Hygienebedingungen gemacht. Hinweise auf defizitäre Haftbedingungen ergäben sich hieraus insgesamt nicht. Der Beschwerdeführer hat es versäumt, sich mit diesen weiteren Erklärungen der rumänischen Behörden sowie mit der vom Oberlandesgericht im Beschluss vom 14. Januar 2022 vorgenommenen Prüfung der den Beschwerdeführer im Falle seiner Überstellung erwartenden Haftbedingungen auseinanderzusetzen. Inwieweit das Oberlandesgericht trotz dieser Prüfung die Aufklärungs- und Prüfungspflichten aus Art. 4 GRCh verletzt haben könnte, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen.
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3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.