Dem verfahrenseinleitenden Schriftstück müssen sich mit Bestimmtheit zumindest Gegenstand und Grund des gegen den… (Beschluss des BGH 9. Zivilsenat)

BGH 9. Zivilsenat, Beschluss vom 10.03.2022, AZ IX ZB 36/20, ECLI:DE:BGH:2022:100322BIXZB36.20.0

Art 34 Nr 2 EGV 44/2001

Leitsatz

Dem verfahrenseinleitenden Schriftstück müssen sich mit Bestimmtheit zumindest Gegenstand und Grund des gegen den Beklagten gerichteten Antrags sowie die Aufforderung, sich vor Gericht einzulassen, oder, nach Art des laufenden Verfahrens, die Möglichkeit zur Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs entnehmen lassen.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 10. Juni 2020, Az: I-3 W 71/17
vorgehend LG Düsseldorf, 17. März 2017, Az: 22 O 20/17

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2020 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen mit Sitz in Italien. Sie nahm die Antragsgegner im Rahmen eines Strafverfahrens vor einem Gericht in Italien wegen einer wettbewerbsschädigenden Verleumdung zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Voruntersuchungsrichter des Gerichts richtete am 22. Juni 2009 ein Schreiben an die Antragsgegner, das eine Terminsmitteilung enthielt. Gegenstand des Termins war ein „Einspruchsakt (…) der geschädigten Partei (…) mit welchem darum angefragt worden ist, dass die Voruntersuchungen fortgesetzt werden“. Die Straftaten seien in den Akten genauer erläutert.

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Am 13. Januar 2010 richtete die Staatsanwaltschaft bei dem Gericht ein Schreiben an die Antragsgegner, in dem darauf hingewiesen wurde, dass diesen eine Strafverteidigerin beigeordnet worden sei. Damit verbunden war der Hinweis, dass die Antragsgegner „unter Untersuchung stehen wegen der Straftat laut Art. 595, Komma III, Ital. Strafgesetzbuch, vorgefallen in Misinto am 20.06.2007 zu Lasten von G.     C.     (…), Rechtsvertreter der Firma D.        s.r.l. mit Sitz in M.       (…)“. Ferner wurden die Antragsgegner aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen ab Erhalt des Schreibens ein Wahldomizil auf italienischem Staatsgebiet zu begründen. Für den Fall, dass dies nicht geschehe, wurden die Antragsgegner darauf hingewiesen, dass „die Akten des gegenwärtigen Verfahrens mittels Zustellung“ an die beigeordnete Strafverteidigerin bekannt gemacht würden.

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Mit Urteil vom 25. September 2013 wurden die Antragsgegner durch das Gericht wegen Verleumdung jeweils zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 100.000 € an die Antragstellerin verurteilt. Die Antragsgegner hatten sich an diesem Verfahren nicht beteiligt. Das Gericht stellte das Urteil nicht den Antragsgegnern, sondern der beigeordneten Strafverteidigerin zu.

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Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 übersandten die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin den Antragsgegnern eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vom 25. September 2013 und nahmen sie auf Zahlung in Anspruch. Hierdurch erlangten die Antragsgegner von der Existenz des Urteils erstmals Kenntnis.

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Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung des italienischen Urteils beantragt, soweit die Antragsgegner zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden sind. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts hat dem Antrag stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegner hat das Oberlandesgericht die angefochtene Entscheidung aufgehoben und den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

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1. Das Verfahren richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO aF). Gemäß Art. 66 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO nF) findet auf – wie hier – vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren weiterhin die EuGVVO aF Anwendung. Daneben sind die Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) vom 19. Februar 2001 in der Fassung vom 30. November 2015 (BGBl. I S. 2146) entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2018 – IX ZB 10/18, WM 2018, 1658 Rn. 9 mwN).

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2. Die EuGVVO aF ist auch auf zivilrechtliche Ansprüche anzuwenden, die vor einem Strafgericht geltend gemacht werden (vgl. Art. 5 Nr. 4 EuGVVO aF). Dies gilt auch für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, die – wie hier – von einem Strafgericht im Adhäsionsverfahren über solche Ansprüche erlassen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 1993 – C-172/91, Sonntag, Slg. 1993,I-01963 Rn. 16; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 1 EuGVVO Rn. 13).

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3. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es fehle bereits an den formellen Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung. Die Antragstellerin habe bei ihrem Antrag nicht das Formblatt nach Art. 54 Anhang V EuGVVO aF, sondern stattdessen das Formblatt nach Art. 53 Anhang I EuGVVO nF vorgelegt, und dieses sei nicht ordnungsgemäß ausgefüllt gewesen. So sei die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks durch das Formblatt nicht belegt, weil dort nur die Zustellung einer Entscheidung nach Abschluss des italienischen Strafprozesses mitgeteilt worden sei. Tatsächlich hätten die Antragsgegner auch kein verfahrenseinleitendes Schriftstück erhalten, weshalb der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF gegeben sei. Als verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne der Norm komme allenfalls das Schreiben der Staatsanwaltschaft M.    vom 13. Januar 2010 in Betracht. Insoweit könne dahinstehen, ob die Antragstellerin – was zweifelhaft sei – eine Zustellung auch an den Antragsgegner zu 2 nachgewiesen habe. Denn das Schreiben vom 13. Januar 2010 stelle schon deshalb kein verfahrenseinleitendes Schriftstück dar, weil es keine Informationen über eine zivilrechtliche Inanspruchnahme enthalten, sondern sich nur auf strafrechtliche Vorwürfe bezogen habe.

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4. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 15 Abs. 1 AVAG, Art. 44 EuGVVO aF statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Dabei prüft der Bundesgerichtshof ebenso wie bei der Nichtzulassungsbeschwerde nur die Zulassungsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495 Rn. 4 mwN).

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a) Die Rechtsbeschwerde zeigt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist, oder wenn andere (tatsächliche oder wirtschaftliche) Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223; vom 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181, 190 f; vom 11. Mai 2004 – XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 137). Stellt sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts, ist bereits mit der sich voraussichtlich in einem künftigen Rechtsbeschwerdeverfahren ergebenden Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne der § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegeben (vgl. BVerfG, NVwZ 2016, 378 Rn. 13 mwN; MünchKomm-ZPO/Krüger, 6. Aufl., § 543 Rn. 6).

14

bb) Im Streitfall stellt sich keine der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts. Die von der Rechtsbeschwerde aufgezeigte Rechtsfrage, ob das verfahrenseinleitende Schriftstück im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF im Adhäsionsverfahren eine Information über die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche enthalten muss, ist nicht entscheidungserheblich. Es fehlt schon an der Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks überhaupt.

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(1) Gemäß Art. 45 EuGVVO aF darf die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 EuGVVO aF aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF wird eine Entscheidung dann nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Der Begriff des verfahrenseinleitenden oder diesem gleichwertigen Schriftstücks bezeichnet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die von dem Recht des Ursprungsmitgliedsstaats vorgesehene Urkunde, durch deren Zustellung die in Anspruch genommene Partei erstmals offiziell von dem gegen sie eingeleiteten Verfahren Kenntnis erhält und deren rechtzeitige Zustellung sie in die Lage versetzt, ihre Rechte vor Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat geltend zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 1995 – C-474/93, Hengst Import BV, Slg. 1995, I-02113 Rn. 19; vom 8. Mai 2008 – C-14/07, Weiss und Partner GbR, Slg. 2008, I-03367 Rn. 73; vgl. auch Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 149).

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(2) Die den Antragsgegnern übermittelten Schriftstücke informieren schon nicht in ausreichender Weise über das Strafverfahren.

17

(a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat von den Besonderheiten bestimmter Verfahrensarten unabhängige Mindestanforderungen für den Inhalt des verfahrenseinleitenden oder gleichwertigen Schriftstücks aufgestellt. Da die rechtzeitige Zustellung die in Anspruch genommene Partei in die Lage versetzen soll, ihre Rechte in einem gerichtlichen Verfahren des Übermittlungsstaats geltend zu machen, müssen sich dem Schriftstück mit Bestimmtheit zumindest Gegenstand und Grund des gegen sie gerichteten Antrags sowie die Aufforderung, sich vor Gericht einzulassen, oder, nach Art des laufenden Verfahrens, die Möglichkeit zur Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs entnehmen lassen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 1993 – C-172/91, Sonntag, Slg. 1993, I-01963 Rn. 39; vom 13. Juli 1995 – C-474/93, Hengst Import BV, Slg. 1995, I-02113 Rn. 19 ff; vom 8. Mai 2008 – C-14/07, Weiss und Partner GbR, Slg. 2008, I-03367 Rn. 73; s. auch BGH, Beschluss vom 3. August 2011 – XII ZB 187/10, BGHZ 191, 9 Rn. 13; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 151; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn. 30). Es ist Sache der nationalen Gerichte, im Einzelfall zu prüfen, ob der Inhalt des verfahrenseinleitenden oder gleichwertigen Schriftstücks den vorgenannten Mindestanforderungen genügt (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Mai 2008, aaO Rn. 75; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Februar 1999 – IX ZB 2/98, ZIP 1999, 483, 485 unter III. 2, insoweit in BGHZ 140, 395 nicht abgedruckt; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, 4. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 154).

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(b) Gemessen hieran handelt es sich weder bei der Mitteilung des Voruntersuchungsrichters vom 22. Juni 2009 noch bei dem Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 13. Januar 2010 um ein verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF. Die Zustellung weiterer Schreiben an die Antragsgegner vor Erlass des italienischen Urteils vom 25. September 2013 hat die Antragstellerin nicht dargelegt.

19

(aa) Der Mitteilung des Voruntersuchungsrichters vom 22. Juni 2009 kann lediglich entnommen werden, dass eine strafrechtliche Voruntersuchung auf Veranlassung eines angeblich Geschädigten eingeleitet worden ist. Ob er sich auf die Streitigkeit einlässt oder nicht, kann der Empfänger eines solchen Schreibens schon deshalb nicht sachgerecht entscheiden, weil jegliche Informationen über Gegenstand und Grund der Untersuchung fehlen und lediglich in allgemeiner Form auf einen nicht näher spezifizierten Akteninhalt Bezug genommen wird. Dementsprechend gehen auch die Parteien übereinstimmend und rechtlich zutreffend davon aus, dass die Mitteilung vom 22. Juni 2009 kein verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF darstellt.

20

(bb) Das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 13. Januar 2010 genügt ebenfalls nicht den Mindestanforderungen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union an das verfahrenseinleitende Schriftstück zu stellen sind.

21

Das Schreiben vom 13. Januar 2010 enthält die Aufforderung nach Art. 169 der italienischen Strafprozessordnung (codice di procedura penale), eine Zustellungsanschrift in Italien zu benennen, sowie die Mitteilung über die Beiordnung einer Verteidigerin. Dem Schreiben lassen sich indes – ungeachtet der Frage, welche strafprozessuale Bedeutung eine solche Aufforderung nach italienischem Recht hat – im Streitfall nicht mit Bestimmtheit Gegenstand und Grund der Inanspruchnahme des Empfängers entnehmen. Mitgeteilt werden lediglich der Name des angeblich Geschädigten sowie Tatort und -zeit. Die angebliche Tathandlung ist hingegen nicht, auch nicht schlagwortartig, bezeichnet. Auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1999 – IX ZR 263/97, BGHZ 141, 286, 295 f; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl., Bd. I Art. 45 EuGVVO Rn. 40) wird der Verfahrensgegenstand hierdurch nicht hinreichend konkretisiert. Denn der Empfänger kann dem Schriftstück nicht entnehmen, welcher Vorgang ihm zur Last gelegt wird. Mangels Sachverhaltsbezeichnung vermag auch die bloße Bezugnahme auf eine nicht näher ausgeführte italienische Strafvorschrift die fehlende Angabe nicht zu ersetzen.

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Darüber hinaus kann der Empfänger auch deshalb nicht erkennen, ob er sich verteidigen muss, weil Informationen über den Stand des Verfahrens fehlen. Es lässt sich – anders als etwa nach Zustellung eines Mahnbescheids nach deutschem Recht – anhand des Schriftstücks nicht nachvollziehen, ob bereits ein Gericht mit der Sache befasst ist oder ob sich das Verfahren noch in einem vorgelagerten Stadium befindet, in dem kein Vollstreckungstitel erlassen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 1995 – C-474/93, Hengst Import BV, Slg. 1995, I-02113 Rn. 21; vom 8. Mai 2008 – C-14/07, Weiss und Partner GbR, Slg. 2008, I-03367 Rn. 63 f, 73).

23

Schließlich lässt sich dem Schriftstück auch keine Aufforderung, sich vor Gericht einzulassen, oder die Möglichkeit zur Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs entnehmen. Auf den Verfahrensgegenstand bezogene Handlungsoptionen im vorgenannten Sinne werden dem Empfänger des Schreibens nicht aufgezeigt.

24

b) Eine Entscheidung des Senats zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht erforderlich, soweit geltend gemacht wird, das Beschwerdegericht habe der Antragstellerin keine Gelegenheit zur Nachreichung eines ordnungsgemäß ausgefüllten Formblatts nach Art. 54 Anhang V EuGVVO aF gegeben. Ein zulassungsrelevanter Verstoß gegen den Anspruch der Antragstellerin auf die Gewähr rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liegt schon deshalb nicht vor, weil das Beschwerdegericht die formellen Mängel bei Antragstellung nicht zur tragenden Erwägung seiner Entscheidung gemacht hat.

25

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde stützt sich die angefochtene Entscheidung letztlich allein auf den Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF und enthält keine weitere tragende Begründung. Zwar hat das Beschwerdegericht einleitend ausgeführt, es habe wegen der Mängel des von der Antragstellerin eingereichten Formblatts schon an den formellen Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung gefehlt. Hieraus hat das Beschwerdegericht jedoch zutreffend (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2018 – IX ZB 15/16, IPRax 2020, 43 Rn. 7) nicht den Schluss gezogen, allein auf dieser Grundlage könne im Beschwerdeverfahren eine Entscheidung getroffen werden. Vielmehr hat es den Mängeln bei Antragstellung nur deshalb Gewicht beigemessen, weil nach seiner Auffassung kein verfahrenseinleitendes Schriftstück übermittelt worden sei.

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