Verhandlungstermin am 24. März 2022, 9:00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 422/21, 437/21 und 478/21 („Dieselverfahren“; Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist)
Ausgabejahr2022
Erscheinungsdatum16.02.2022
Nr. 021/2022
Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in drei gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden „Dieselverfahren“ erneut darüber zu entscheiden, wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche des Fahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG begann.
Sachverhalt:
In den drei Verfahren nimmt die jeweilige Klagepartei die beklagte Volkswagen AG als Fahrzeug- bzw. Motorherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.
Im Verfahren VII ZR 422/21 erwarb der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin im Dezember 2011 einen neuen Pkw Audi Q5 2.0 TDI zum Preis von 54.000 €.
Der Kläger im Verfahren VII ZR 437/21 erwarb im November 2010 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Passat Variant zum Preis von 18.900 €.
Der Kläger im Verfahren VII ZR 478/21 erwarb im Oktober 2014 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Sharan 2.0 TDI zum Preis von 29.500 €.
Die Fahrzeuge sind jeweils mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ausgestattet. Diese verfügten zum Zeitpunkt des Kaufs über eine Software, welche erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte.
Ab September 2015 wurde – ausgehend von einer Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 – über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA 189 ausführlich in den Medien berichtet. Ab Oktober 2015 bestand für alle Kunden die Möglichkeit, auf der Homepage der Beklagten zu überprüfen, ob ihre Fahrzeuge über die vorgenannte Software verfügten.
Die Klageparteien verlangen mit ihren jeweils im Jahr 2020 eingereichten Klagen im Wesentlichen – unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung – die Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Sie behaupten, erst im Jahr 2017 von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs vom sogenannten Abgasskandal erfahren zu haben. Die Beklagte hat jeweils die Einrede der Verjährung erhoben.
Bisheriger Prozessverlauf:
Die Klagen hatten vor dem Berufungsgericht überwiegend Erfolg. Das Berufungsgericht hat jeweils im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung aus § 826 BGB sei nicht verjährt, da die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB erst mit Schluss des Jahres 2017 zu laufen begonnen habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klageparteien bis zum Ende des Jahres 2016 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hätten. Zudem stelle es kein grob fahrlässiges Verhalten dar, wenn der Besitzer eines Fahrzeugs der Beklagten im Jahr 2015 oder 2016 – ohne von der Beklagten individuell informiert worden zu sein – keine eigenen Nachforschungen hinsichtlich der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal unternommen habe.
Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen erstrebt die Beklagte jeweils die vollständige Abweisung der Klage.
Vorinstanzen:
VII ZR 422/21
Landgericht Ellwangen – Urteil vom 25. September 2020 – 5 O 246/20
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 13. April 2021 – 12 U 327/20
und
VII ZR 437/21
Landgericht Ellwangen – Urteil vom 20. November 2020 – 3 O 292/20
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 4. Mai 2021 – 12 U 381/20
und
VII ZR 478/21
Landgericht Ulm – Urteil vom 15. September 2020 – 6 O 90/20
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 27. April 2021 – 12 U 309/20
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]
§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Karlsruhe, den 16. Februar 2022
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