Beschluss des BVerwG 5. Senat vom 26.01.2022, AZ 5 B 10/21, 5 B 10/21 (5 C 2/22)

BVerwG 5. Senat, Beschluss vom 26.01.2022, AZ 5 B 10/21, 5 B 10/21 (5 C 2/22), ECLI:DE:BVerwG:2022:260122B5B10.21.0

Verfahrensgang

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 13. Januar 2021, Az: 12 BV 16.1676, Beschluss
vorgehend VG Ansbach, 30. Juni 2016, Az: AN 6 K 14.01778, Urteil

Tenor

Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Revision gegen den Beschluss vom 13. Januar 2021 wird geändert.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ihr in einer verbindlichen Tagespflegevereinbarung Kündigungsfristen vorzugeben.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision verworfen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene, auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat nur in dem im Tenor bezeichneten Umfang Erfolg.

2

Eine Teilzulassung der Revision ist zulässig, weil dem Ausgangsverfahren unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde liegen. Die Klägerin hat zum einen im Wege der Leistungs- bzw. der Verpflichtungsklage Ansprüche auf eine höhere Sachaufwandserstattung und einen höheren Anerkennungsbetrag nach § 23 Abs. 2 SGB VIII geltend gemacht; zum anderen hat sie im Wege der Feststellungsklage eine Entscheidung darüber begehrt, ob die Beklagte berechtigt ist, ihr in einer verbindlichen Tagespflegevereinbarung Kündigungsfristen vorzugeben. Hierbei handelt es sich um durch verschiedene Klageanträge und unterschiedliche Klagegründe gekennzeichnete selbstständige prozessuale Ansprüche.

3

1. Bezüglich der im Wege der Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage verfolgten Ansprüche nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB VIII macht die Beschwerde allein den Zulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend. Sie ist insoweit unzulässig, weil sie die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verfehlt.

4

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerdebegründung muss im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 2020 – 5 B 30.19 D – juris Rn. 10 m.w.N.). Die Beschwerde rügt hingegen nur allgemein, die angegriffene Entscheidung stehe „im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts“. Es fehlt sowohl an der konkreten Bezeichnung einer Entscheidung, von der abgewichen worden sein soll, wie auch an jeder Herausarbeitung einander widersprechender Rechtssätze. Mit der bloßen Rüge einer unzutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht erfolgreich dargelegt werden.

5

2. Die Revision ist aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, soweit sie das im Wege der Feststellungsklage verfolgte Begehren betrifft, die Beklagte sei der Klägerin gegenüber zu einer verbindlichen Vorgabe von Kündigungsfristen in einer „Tagespflegevereinbarung“ nicht berechtigt. Das Revisionsverfahren kann dem Senat voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob der Jugendhilfeträger die Zahlung von Geldleistungen nach § 23 SGB VIII von einer bestimmten Regelung der Kündigungsfristen in einer „Tagespflegevereinbarung“ abhängig machen darf.