BSG 4. Senat, Beschluss vom 06.01.2022, AZ B 4 AS 314/21 B, ECLI:DE:BSG:2022:060122BB4AS31421B0
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 105 Abs 2 S 2 SGG, § 105 Abs 2 S 3 SGG
Verfahrensgang
vorgehend SG Dresden, 10. August 2020, Az: S 5 SV 108/19, Gerichtsbescheid
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 3. September 2021, Az: L 2 SV 17/20, Urteil
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. September 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen,
wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in der vorgenannten Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
1
Die Klägerin selbst hat mit Schreiben vom 14.10.2021 gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Der Senat lässt offen, ob es zur Unzulässigkeit des Antrags führt, dass die Antragsschrift offenbar von einer nicht zur Vertretung vor dem BSG berechtigten Person
(vgl § 73 Abs 4 Satz 2 SGG) verfasst wurde, oder ob dies unschädlich ist, weil letztlich die Klägerin, die sich im Prozesskostenhilfeverfahren vor dem BSG nicht vertreten lassen muss
(§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG), die Antragsschrift unterzeichnet hat.
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Der PKH-Antrag ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter
(§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen
(§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
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Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
(Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht
(Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann
(Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nicht erkennbar.
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Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil es – ebenso wie das SG – die Feststellungsklage der Klägerin wegen deren Subsidiarität für unzulässig erachtet hat. Dies wirft eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf, da die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage in der Rechtsprechung bereits geklärt sind
(vgl zur Subsidiarität der Feststellungsklage etwa BSG vom 8.5.2007 – B 2 U 3/06 R – SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 21; BSG vom 28.3.2013 – B 4 AS 42/12 R – BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 12; vgl auch BSG vom 2.8.2001 – B 7 AL 18/00 R – SozR 3-1500 § 55 Nr 34 RdNr 11 zum Feststellungsinteresse; BSG vom 28.8.2007 – B 7/7a AL 16/06 R – SozR 4-1500 § 131 Nr 3 RdNr 11 zur Fortsetzungsfeststellungsklage). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist anhand der jeweiligen konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen
(BSG vom 4.11.2021 – B 11 AL 15/21 BH – juris RdNr 3).
5
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht
(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
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Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann
(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Auffassung des LSG, dass die Feststellungsanträge unzulässig seien, fehlerhaft ist. Auch ist nicht ersichtlich, dass – wie die Klägerin offenbar meint – der Entscheidung des LSG entgegengestanden hätte, dass die Klägerin nach Erlass des Gerichtsbescheides gemäß § 105 Abs 2 Satz 2 SGG mündliche Verhandlung beantragt hätte. Dabei kann dahinstehen, ob man dem Schriftsatz der Klägerin vom 14.8.2020 einen solchen Antrag überhaupt entnehmen kann. Jedenfalls wäre ein solcher Antrag unstatthaft gewesen, weil gegen die Entscheidung des LSG die Berufung statthaft gewesen ist. § 105 Abs 2 Satz 3 SGG konnte daher mangels zulässigen Antrags auf mündliche Verhandlung nicht zur Anwendung kommen, so dass das LSG schon deswegen über die Berufung entscheiden durfte
(vgl BSG vom 31.1.2017 – B 13 R 33/16 BH – juris RdNr 18).
7
Auch die Mitwirkung der Präsidentin des LSG an der Entscheidung des Berufungsgerichts stellt keinen Verfahrensmangel dar. Die Klägerin trägt insoweit vor, die Präsidentin sei „wegen ihrer Funktion als Disziplinarvorgesetzte und Verantwortliche für die Entscheidung über geltend gemachte Staatshaftungsansprüche sowie über Regress – dem Gesetz nach – vom Verfahren ausgeschlossen“ und wäre „auch sonst abzulehnen“. Indes gehen die gesetzlichen Regelungen selbst davon aus, dass auch dienstaufsichtsführende Richter spruchrichterliche Tätigkeiten ausüben dürfen, also nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen sind
(vgl § 30 Abs 1, § 33 Abs 1 Satz 1 SGG; § 6 SGG iVm § 21e Abs 1 Satz 3 GVG). Dass vom Präsidenten eines Gerichts dienstaufsichtsführende und spruchrichterliche Tätigkeiten ausgeübt werden, ist nicht zuletzt deswegen unproblematisch, weil beide Aufgaben strikt getrennt sind
(vgl § 26 Abs 1 DRiG). Gegenstand der Dienstaufsicht als Teil der Gerichtsverwaltung kann gerade nicht die in richterlicher Unabhängigkeit
(Art 97 Abs 1 GG) ausgeübte spruchrichterliche Tätigkeit sein
(vgl dazu Burkiczak in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, 2. Aufl 2021, § 9 RdNr 17 ff, Stand 1.11.2021; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 9 RdNr 6, 6a). Ein Ablehnungsgesuch schließlich hat die Klägerin vor dem LSG nicht gestellt, so dass hierauf die Nichtzulassungsbeschwerde schon deswegen nicht gestützt werden kann
(vgl Flint in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 60 RdNr 176).
8
Keinen Verfahrensmangel begründet auch der Umstand, dass das LSG am selben Tag über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren entschieden hat, an dem es die Berufung zurückgewiesen hat. Dies gilt schon deswegen, weil nicht erkennbar ist, unter welchem Gesichtspunkt für das Berufungsverfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden haben sollte. Fehler bei der Ablehnung von PKH führen nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn zwar die Ablehnung verfahrensfehlerhaft spät zustande gekommen ist, in der Sache aber zu keinem Zeitpunkt eine Gewährung von PKH in Betracht gekommen und die Ablehnung deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden ist
(vgl BSG vom 2.9.2019 – B 14 AS 251/18 B – juris RdNr 6 mwN; BSG vom 22.7.2020 – B 13 R 17/19 BH – juris RdNr 8 mwN). Unabhängig davon unterliegen gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO diejenigen Entscheidungen des Berufungsgerichts, die dem Endurteil vorausgegangen sind, der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht, wenn sie unanfechtbar sind. Da PKH-Beschlüsse des LSG gemäß § 177 SGG unanfechtbar sind, kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Rüge angeblich fehlerhafter Behandlung eines PKH-Antrages gestützt werden
(BSG vom 12.3.2021 – B 4 AS 378/20 B – juris RdNr 5 mwN). Ob etwas anderes gilt, wenn die Entscheidung über PKH auf Willkür beruht
(so etwa BSG vom 17.7.2020 – B 1 KR 3/20 BH – juris RdNr 19), kann dahinstehen, denn Anhaltspunkte für eine willkürliche Entscheidung bestehen nicht. Das Argument der Klägerin, die Entscheidung über das PKH-Gesuch müsse so rechtzeitig vor der Hauptsacheentscheidung ergehen, dass gegen sie ein Rechtsmittel eingelegt werden könne, übersieht, dass gegen die Entscheidung des LSG über den PKH-Antrag gerade kein Rechtsmittel gegeben ist.
9
Schließlich vermag auch die Rüge der Klägerin, dass LSG hätte Beiladungen zu Unrecht unterlassen, nicht durchzugreifen. Das Unterlassen einer einfachen Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG stellt grundsätzlich keinen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG dar
(zuletzt etwa BSG vom 28.10.2021 – B 1 KR 90/20 B – juris RdNr 12 mwN). Und selbst eine – hier nicht ersichtliche – Verletzung des § 75 Abs 2 SGG müsste jedenfalls deswegen ohne Folgen bleiben, weil die Berufung unter keinen Umständen zum Erfolg führen kann
(vgl BSG vom 25.10.2012 – B 9 VJ 5/10 B – juris RdNr 14).
10
Auf die Frage, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von PKH vorliegen, kommt es damit nicht an.
11
Die von der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist deshalb als unzulässig zu verwerfen
(§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Die Verwerfung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Meßling Söhngen Burkiczak