Neue Regeln für Verbraucherverträge über Apps, Software und andere digitale Produkte sowie Neuregelungen im Kaufrecht – insbesondere für den Kauf von Sachen mit digitalen Elementen
Zum Jahresbeginn treten zwei große Reformen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Kraft: ein Gesetz, mit dem das Kaufrecht im BGB angepasst wird; und ein Gesetz, mit dem das BGB ergänzt wird um Regelungen für Verträge, die die Bereitstellung „digitaler Produkte“ zum Gegenstand haben. Beide Gesetze gehen zurück auf Richtlinien der Europäischen Union.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt:
„
Es waren geniale Juristen, die Ende des 19. Jahrhunderts das Bürgerliche Gesetzbuch entworfen haben. Doch von Apps, E-Books und Streamingdiensten wussten sie – naturgemäß – noch nichts. Heute sind diese digitalen Produkte aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Deshalb braucht das BGB ein Update. Wenn eine App nicht richtig funktioniert, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher genauso gut geschützt sein wie beim Kauf einer Sache. Infolge der Gesetzesänderungen zum 1. Januar 2022 ist dies künftig gewährleistet. Endlich erhalten wir passgenaue gesetzliche Vorgaben für Verträge über digitale Produkte. Außerdem wird unser Kaufrecht in einigen wichtigen Punkten modernisiert. Für mich ist klar: Diesen großen Reformen müssen in dieser Legislaturperiode weitere folgen. Bei der Anpassung unserer Rechtsordnung an das digitale Zeitalter gibt es noch viel zu tun.“
1. Neue Regeln für Verbraucherverträge über digitale Produkte
Mit den neuen Regeln für Verbraucherverträge über digitale Produkte erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher einheitliche Gewährleistungsrechte bei der Nutzung von digitalen Produkten wie Apps, E-Books oder Streamingdiensten.
Die neuen Regeln werden Teil des BGB. Dort eingefügt werden sie durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Richtlinie (EU) 2019/770).
Die wesentlichen Inhalte der ab dem 1. Januar 2022 geltenden neuen Regeln lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
- Die neuen Regeln gelten für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Als Oberbegriff für diese Vertragsgegenstände verwendet das Gesetz den Begriff „digitale Produkte“. Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden, zum Beispiel Software, E-Books, Musikdateien oder Videoclips. Digitale Dienstleistungen erfassen etwa Musik- und Videostreaming-Dienste, soziale Netzwerke und Online-Spiele. Es ist unerheblich, ob es sich bei dem Vertrag um einen Kauf-, Dienst-, Werk-, Schenkungs- oder Mietvertrag handelt. Die neuen Regelungen gelten für alle Vertragsarten. Eine Ausnahme bilden hier nur Kaufverträge über Waren mit digitalen Elementen (z.B. Smartphones oder Notebooks mit Betriebssystem); hier finden die neuen kaufrechtlichen Regeln Anwendung (dazu sogleich).
- Die Neuregelungen sind auch anwendbar auf Verträge über digitale Produkte, die „mit personenbezogenen Daten bezahlt“ werden. Ein Beispiel hierfür ist die vermeintlich kostenlose Nutzung sozialer Netzwerke, bei denen der Verbraucher vorab in die Nutzung seiner personenbezogenen Daten einwilligen muss.
- Verbraucherinnen und Verbrauchern stehen bei Anwendbarkeit der Vorschriften umfassende Gewährleistungsrechte zu. Je nach Umständen des Falls sind dies: ein Anspruch auf Nacherfüllung (gerichtet zum Beispiel auf Lieferung eines neuen, fehlerfreien digitalen Produkts), ein Recht zur Minderung (des vereinbarten Preises), ein Recht zur Beendigung des Vertrags sowie Schadensersatzansprüche.
- Unternehmerinnen und Unternehmer sind verpflichtet, Aktualisierungen (Updates) bereitzustellen, damit die digitalen Produkte vertragsgemäß bleiben. Das umfasst auch Sicherheitsupdates. Die Länge des Zeitraums, für den solche Aktualisierungen bereitzustellen sind, variiert. Bei fortlaufenden Vertragsbeziehungen (z.B. Abonnements) gilt diese Verpflichtung über die gesamte Vertragsdauer. Bei einmalig zu erfüllenden Verträgen wie Kaufverträgen gilt sie für einen Zeitraum, den Verbraucherinnen und Verbraucher vernünftigerweise erwarten können. Dieser Zeitraum ist flexibel. Für eine Betriebssoftware wird er zum Beispiel länger sein als für eine Software, die keine entsprechend zentrale Funktion hat.
2. Neuregelungen im Kaufrecht – insbesondere für den Kauf von Waren mit digitalen Elementen
Mit den Neuregelungen im Kaufrecht werden die Gewährleistungsrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Kauf gestärkt – insbesondere beim Kauf von Waren mit digitalen Elementen. Zugleich wird dadurch das Kaufrecht der EU-Mitgliedstaaten noch näher einander angeglichen. Hiervon werden gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen profitieren. Die Rechtsharmonisierung verringert die Kosten der Anpassung von Verträgen beim grenzüberschreitenden Handel.
Die neuen Regelungen sind Teil des BGB. Dort eingefügt werden sie durch das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags. Das Gesetz dient der Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs).
Das Gesetz führt ab dem 1. Januar 2022 insbesondere zu folgenden Änderungen des geltenden Rechts:
- Erwirbt ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware mit digitalen Elementen – zum Beispiel ein Smartphone –, so gilt künftig eine Verpflichtung zur Aktualisierung (Updateverpflichtung). Auch nach Übergabe der Kaufsache müssen deren Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit gewährleistet werden. Die Verpflichtung besteht für den Zeitraum, in dem die Verbraucherin oder der Verbraucher Aktualisierungen aufgrund der Art und des Zwecks der Sache erwarten kann. Maßgeblich dafür, wie lange dieser Zeitraum reicht, sind etwa Werbeaussagen, der Kaufpreis und die Materialien, die zur Herstellung der Kaufsache verwendet wurden.
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Sonderbestimmungen gibt es künftig für den Kauf von Sachen, für die eine dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente vereinbart ist: beispielsweise ein Notebook mit integrierten und für einen bestimmten Zeitraum bereitgestellten Software-Anwendungen. So muss der Verkäufer etwa dafür Sorge tragen, dass die in der Sache enthaltenen digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums mangelfrei sind und bleiben.
3. Verlängerte Frist für die Beweislastumkehr
Bei Verträgen mit Verbrauchern über die Bereitstellung digitaler Produkte und über den Kauf von Waren wird die Frist für die sogenannte „Beweislastumkehr“ verlängert: also für die Vermutung, dass ein aufgetretener Mangel bereits im Zeitpunkt der Bereitstellung oder Übergabe vorlag. Diese Frist beträgt künftig ein Jahr nach Bereitstellung des digitalen Produkts oder Übergabe der Ware. Im bisherigen Verbrauchsgüterkaufrecht beträgt diese Frist sechs Monate. Von der Verlängerung ausgenommen wurde der Verkauf lebender Tiere. Für diese Verträge gilt weiterhin eine Beweislastumkehr-Frist von sechs Monaten.