BSG 1. Senat, Beschluss vom 18.11.2021, AZ B 1 KR 69/21 B, ECLI:DE:BSG:2021:181121BB1KR6921B0
Verfahrensgang
vorgehend SG Köln, 16. August 2019, Az: S 21 KR 944/19, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Mai 2021, Az: L 16 KR 402/21, Urteil
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
1
I. Der Vater der 2011 geborenen Klägerin hat mit einem am 29.7.2021 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 21.7.2021 selbst Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 27.5.2021, ihm zugestellt am 21.7.2021, eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Klägerin beantragt.
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II. 1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann nämlich einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn – ua – die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.
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Ein Rechtsmittelkläger ist nämlich nur dann an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist wegen Bedürftigkeit ohne sein Verschulden gehindert, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist einen Antrag auf Bewilligung von PKH stellt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) auf dem vorgeschriebenen Formular einreicht
(vgl zB BSG vom 25.7.2007 – B 1 KR 80/07 B – mwN; BSG vom 13.4.1981 – 11 BA 46/81 – SozR 1750 § 117 Nr 1 und vom 30.4.1982 – 7 BH 10/82 – SozR 1750 § 117 Nr 3; BVerfG vom 20.10.1981 – 2 BvR 1058/81 – SozR 1750 § 117 Nr 2). Der Vater der Klägerin hat zwar am 13.8.2021 eine Erklärung vom 7.8.2021 und am 16.8.2021 eine Erklärung vom 11.8.2021 über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht. Im vorliegenden Verfahren wäre es jedoch erforderlich gewesen, eine auf seine Tochter, die minderjährige Klägerin, lautende Erklärung vorzulegen. Diese Erklärung ist von beiden Elternteilen, denen die elterliche Sorge
(§ 1626 BGB) zusteht und von ihnen grundsätzlich gemeinsam ausgeübt wird
(§ 1629 Abs 1 Satz 1 BGB), zu unterschreiben, da ihnen als Getrenntlebende kein Alleinvertretungsrecht im sozialgerichtlichen Verfahren zusteht
(vgl § 1687 Abs 1 Satz 1 und 4 BGB; BSG vom 2.7.2009 – B 14 AS 54/08 R – BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 24 ff; vgl zur sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 SGB I und dem Aspekt der lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit BSG, aaO, RdNr 19 f). Außerdem müssen die Eltern als Unterhaltsverpflichtete Angaben zu ihren eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen machen
(OVG Lüneburg vom 19.1.2021 – 8 PA 5/21 – juris). Auf diese Erfordernisse ist die Klägerin durch Schreiben des Berichterstatters vom 25.8.2021 nochmals klarstellend hingewiesen worden.
4
Die Klägerin hat eine auf sie lautende Erklärung bisher nicht, und damit nicht innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
(§ 160a Abs 1 Satz 2, § 64 Abs 3 SGG), die mit der Zustellung des LSG-Urteils am 21.7.2021 begann und mit dem Ablauf des 23.8.2021 endete, beim BSG auf dem vorgeschriebenen Formular eingereicht. Unerheblich ist deshalb, dass zwar der Vater der Klägerin – wie oben dargelegt – eine Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgegeben hat, hingegen nicht ihre Mutter.
5
Selbst wenn die Monatsfrist für die nicht wirksam vertretene Klägerin nicht zu laufen begonnen haben sollte
(vgl auchBSG vom 2.7.2009 – B 14 AS 54/08 R – BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 28), ist dem sie vertretenden Vater hinreichend Zeit eingeräumt worden, eine Erklärung der Mutter oder eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 Satz 1 BGB herbeizuführen und den Senat in Reaktion auf die Berichterstatterschreiben vom 4.8. und vom 25.8.2021 davon in Kenntnis zu setzen. Mit Berichterstatterschreiben vom 25.8.2021 ist dem Vater der Klägerin sogar eine ausdrückliche Frist von einem Monat gesetzt worden. Der Vater der Klägerin hat zwar umgehend auf die Berichterstatterschreiben reagiert, jedoch nicht in der gebotenen Weise. Es gehört nicht zu den prozessualen Aufgaben des Senats, eigenständig mit der Mutter der Klägerin in Kontakt zu treten, wie dies der Vater der Klägerin wünscht. Aus den von ihm übersandten Unterlagen geht jedenfalls hervor, dass zwischen ihm und der Mutter der Klägerin ein anderweitiger Sorgerechtsstreit geführt wird. Der Vater der Klägerin hat hingegen nicht erklärt, dass er in dieser Sache das Familiengericht zur Herbeiführung einer Entscheidung nach § 1628 BGB angerufen habe oder umgehend anrufen werde. Eines weiteren Zuwartens des Senats bedurfte es angesichts dieser Umstände nicht.
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2. Die von dem Vater der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, da sie nicht von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist
(§ 73 Abs 4 SGG).
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Die Verwerfung des Rechtsmittels der Klägerin erfolgt entsprechend § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter
(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.