BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 30.09.2021, AZ 1 WB 18/21, ECLI:DE:BVerwG:2021:300921B1WB18.21.0
Tenor
Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 10. September 2020 und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 15. Februar 2021 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Tatbestand
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung für den Bereich Verschlusssachenschutz (Ü 2-VS).
2
Der 1974 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 2034 enden. Im März 2020 wurde er zum Oberstleutnant befördert und zum Januar 2020 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Seit Januar 2017 wird er – … – bei der … verwendet. Dort wird er nicht in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eingesetzt.
3
2008 wurde für den Antragsteller eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung für den Bereich Verschlusssachenschutz (Ü 2) ohne Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen.
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2013 wurde gegen ihn wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafrechtlich ermittelt. Nach seiner Vernehmung als Beschuldigter wurde das Strafverfahren am 28. Juni 2013 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Beschuldigte gebe an, den Unfall nicht bemerkt zu haben. Dies könne nicht widerlegt werden. Der Schaden sei gering. Aufgrund der konkreten Verkehrssituation sei der Anstoß nur schwer wahrnehmbar gewesen.
5
2014 wurde für ihn eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) in Auftrag gegeben. Nachdem im Juli 2015 bekannt wurde, dass sich der Antragsteller in verschiedenen Situationen abwertend über Ausländer, Einwanderer und Asylsuchende geäußert hatte, wurde wegen dieser und verschiedener beleidigender Äußerungen gegenüber von Kameraden gegen ihn durch Disziplinargerichtsbescheid vom 8. März 2016 ein Beförderungsverbot verhängt. Anschließend wurde die Sicherheitsüberprüfung am 1. Juni 2016 ohne Ergebnis eingestellt. Zuvor ergangene Mitteilungen über das Ergebnis einer Sicherheitsüberprüfung seien damit ungültig und berechtigten nicht mehr zur Zuweisung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Eine erneute Sicherheitsüberprüfung sei frühestens ab Oktober 2018 zuzulassen.
6
Dem Disziplinargerichtsbescheid liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde: Am 13. Mai 2015 sagte der Antragsteller in einem von ihm durchgeführten Unterricht in Anwesenheit von Rekruten und weiteren Soldaten zumindest sinngemäß: „Nicht jedes Negerlein, das nach Deutschland kommt, ist ein gutes Negerlein.“ Am 28. April 2015 äußerte er anlässlich einer Fußballübertragung gegenüber einem Hauptmann und einem Feldwebel über einen Fußballspieler sinngemäß „Scheiß Drecksslovene“ und „Scheiß Drecksslovake“. Am 7. Juli 2015 sagte er zu einem Hauptmann und einem Leutnant sinngemäß: „Irgendjemand muss ja für die Drecksneger bezahlen, die durchs Mittelmeer kommen.“ Weiter hat das Truppendienstgericht festgestellt, aus den Akten ergebe sich, dass der Soldat nicht als „böswilliger Schleifer“ oder ähnliches zu bewerten sei, sondern als „Raubatz“, der den Aufstieg zum Offizier nicht ausreichend verarbeitet habe. Sein Fehlverhalten sei von familiären Belastungen und einer daraus folgenden psychischen Überforderung begünstigt. Zweifel an der Verfassungstreue des Mannes stütze der Akteninhalt nicht.
7
Von der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen der Äußerungen sah die zuständige Staatsanwaltschaft ab, weil der Vorwurf keinen Straftatbestand erfülle.
8
Unter dem 17. Mai 2018 wurde das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst erneut mit der Durchführung einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung für den Bereich Verschlusssachen beauftragt.
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In diesem Rahmen gab der Antragsteller unter dem 8. Mai 2018 eine schriftliche Sicherheitserklärung ab. In dieser verneinte er – wie schon in seiner Sicherheitserklärung vom 27. Juli 2014 in dem eingestellten Verfahren – die Fragen unter Punkt 8 zu Wohnsitzen und Aufenthalten in Staaten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG. Der Antragsteller war 1998 und 2002/2003 jeweils im Rahmen von KFOR-Einsätzen in den Kosovo kommandiert.
10
Am 21. Mai 2019 wurde er durch den MAD befragt. In diesem Gespräch berichtete er im Hinblick auf straf- oder disziplinarrechtliche Verfehlungen der Vergangenheit von einer strafrechtlich mit einer Geldstrafe und disziplinarisch mit einer Ermahnung geahndeten Trunkenheitsfahrt im Jahr 2004. 2009 sei gegen ihn disziplinarrechtlich ein Beförderungsverbot und eine Bezügekürzung sowie strafrechtlich eine Geldstrafe verhängt worden, weil er sich zu Unrecht drei Stunden Dienst zu ungünstigen Zeiten zuerkannt habe. Weitere strafrechtliche Verfehlungen habe er nicht begangen und es sei aktuell auch kein weiteres Verfahren anhängig. Außerdem äußerte er sich zu seiner finanziellen Situation, seinem Alkoholkonsum und einer psychotherapeutischen Behandlung.
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Im Rahmen der Ermittlungen wurden auch Auskünfte vom Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers, von der Leiterin des Sanitätsversorgungszentrums, seiner Truppenärztin sowie eines Facharztes für Psychiatrie im Facharztzentrum … eingeholt, Auszüge aus seiner Gesundheitsakte beigezogen und ein Drogenschnelltest durchgeführt.
12
Unter dem 11. Mai 2020 hörte der Geheimschutzbeauftragte den Antragsteller schriftlich zu der beabsichtigten Feststellung eines Sicherheitsrisikos an.
Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ergäben sich daraus, dass er es in der Befragung durch den MAD unterlassen habe, Angaben zu einem Strafverfahren wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Jahr 2013 zu machen. Außerdem habe er in seiner Sicherheitserklärung keine Angaben zu Auslandsaufenthalten im Rahmen von KFOR-Einsätzen 1998 und 2002/2003 gemacht. Zweifel an seiner Zuverlässigkeit würde wegen der Einschätzung der Leiterin des Sanitätsversorgungszentrums auch seine psychische Erkrankung und sein Alkoholkonsum aufwerfen. Zudem gebe es Zweifel an seinem Bekenntnis zur bzw. seinem jederzeitigen Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung, weil er sich 2015 als Major und Vorgesetzter mehrfach auch im Beisein von Rekruten ausländerfeindlich geäußert habe.
13
Auf Wunsch des Antragstellers wurde er am 30. Juni 2020 beim Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamtes persönlich angehört. Hierbei gab er an, die Auslandsaufenthalte im Kosovo in der Sicherheitserklärung nicht angegeben zu haben, weil er die Frage auf private und nicht auf dienstliche Aufenthalte bezogen habe. Zu dem 2013 eingeleiteten Strafverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort habe er dem MAD darüber berichtet, dass es die Anzeige gegeben, die Polizei ihn aufgesucht habe und dass er von dem abgefahrenen Außenspiegel nichts bemerkt habe. Auf den Vorhalt, dass nicht das Verfahren an sich den sicherheitserheblichen Umstand darstelle, sondern der Umstand, dass er nach dem Bericht des MAD das Verfahren nicht von sich aus angegeben habe, gab der Antragsteller an, dass er sich daran nicht erinnern könne und ihm das Verfahren dann wohl nicht mehr präsent gewesen sei. Er habe das Verfahren nicht vorsätzlich verschwiegen. Die ausländerfeindlichen Äußerungen habe er getätigt. Sie seien „unpassend und mehr als dämlich“ gewesen. Er habe sich als Chef falsch verhalten und das Urteil des Truppendienstgerichts akzeptiert. Dieses habe aber auch festgestellt, dass keine Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden. Er sei wegen eines Burnouts in psychotherapeutischer Behandlung und nach Abschluss einer Reha-Maßnahme wieder voll dienstfähig. Sein Arzt habe ihm eine Kurzzeittherapie empfohlen, die er begonnen, aber aus Zeitmangel noch nicht abgeschlossen habe. Er wolle zum Erhalt seiner Dienstfähigkeit auch noch in Kur gehen, was sich durch Corona verschoben habe.
14
Unter dem 27. Mai 2020 befürwortete sein Disziplinarvorgesetzter die Wiedererteilung der Sicherheitsüberprüfung der Stufe 2. Diese sei mit Blick auf die weitere Verwendungsplanung des Antragstellers schnellstmöglich anzustreben. Der Sanitätsdienst der … empfahl nach Einsicht in die Gesundheitsakte des Antragstellers unter dem 23. Juni 2020 ebenfalls die Erteilung der Sicherheitsüberprüfung Stufe 2, im Zweifelsfall unter Auflagen. Aus ärztlicher Sicht stelle der Antragsteller kein Sicherheitsrisiko dar.
15
Unter dem 10. September 2020 stellte der Geheimschutzbeauftragte des Streitkräfteamtes der Bundeswehr fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 2) Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten. Mit Schreiben vom selben Tage, dem Antragsteller am 14. September 2020 ausgehändigt, wurde ihm dies mitgeteilt. Wegen der für ihn sprechenden Aspekte sei allerdings eine Wiederholungsprüfung bereits nach Ablauf von drei Jahren vorzeitig zugelassen worden.
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Dafür waren nach den Entscheidungsgründen vom 9. September 2020, folgende Gründe maßgeblich: Durchgreifende Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG würden sich aus dem Dienstvergehen in der Form von ausländerfeindlichen Äußerungen des Antragstellers sowie aus unwahren Angaben in der Sicherheitserklärung und der Befragung durch den MAD ergeben. Der Antragsteller habe trotz entsprechender Fragen die beiden Aufenthalte im Kosovo während seiner Auslandseinsätze und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verschwiegen. Entgegen der vorläufigen Bewertung des Anhörungsschreibens würden aber keine Sicherheitsbedenken aus der psychischen Verfassung des Antragstellers und seinem Alkoholkonsum folgen. Jedoch gebe es im Hinblick auf seine ausländerfeindlichen Äußerungen auch Zweifel an seinem uneingeschränkten Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und seinem jederzeitigen Eintreten für ihren Erhalt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG. Durch diese Äußerungen als Vorgesetzter im Beisein von Rekruten habe er den Erwartungen an das Demokratieverständnis eines Staatsbürgers in Uniform nicht entsprochen. Seine Einlassungen in der persönlichen Anhörung änderten dies nicht. Wegen der Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers sei nicht vorhersehbar, wie dieser sich ggf. bei der Aufklärung von Vorkommnissen beim Umgang mit Verschlusssachen verhalten werde. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er seiner Wahrheits- und Offenbarungspflicht hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte nicht vollumfänglich nachkommen werde. Zu Gunsten des Antragstellers sei zu werten, dass er seit 2016 nicht mehr disziplinarrechtlich aufgefallen sei und keine ausländerfeindlichen Aussagen tätige. Er habe im persönlichen Gespräch einen positiven Eindruck gemacht und Reue gezeigt. Für ihn spreche die Stellungnahme seines Disziplinarvorgesetzten. Derzeit könne dennoch noch keine positive Prognose getroffen werden. Im Zweifel sei den Sicherheitsinteressen Vorrang zu geben. Nach Abwägung aller Umstände sei es aber angemessen, eine Wiederholungsprüfung schon nach drei Jahren vorzeitig zuzulassen.
17
Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 21. September 2020, beim Bundesministerium der Verteidigung am 23. September 2020 eingegangen, Beschwerde eingelegt. Die Prognose sei unzutreffend. Er bestreite die ausländerfeindlichen Äußerungen nicht, diese verwirklichten aber kein kriminelles Unrecht. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Der Disziplinargerichtsbescheid stelle fest, dass keine Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden. Sein Disziplinarvorgesetzter habe ihn als zuverlässig, glaub- und vertrauenswürdig beschrieben. Nicht bei der Prognose berücksichtigt worden sei, dass der Sachverhalt fünf Jahre zurückliege und er sich nachbewährt habe. Seine Beurteilung, eine förmliche Anerkennung vom 22. Oktober 2020 und die Stellungnahme seines Disziplinarvorgesetzten zeigten seine positive Persönlichkeitsentwicklung. Nicht berücksichtigt sei auch seine zeitnahe zum Ablauf des Beförderungsverbotes erfolgte Beförderung. Der Bereich Extremismusabwehr des MAD habe keine Zweifel an seiner Verfassungstreue, auch wenn der Bericht dazu verloren gegangen sei. Das Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Verlassens des Unfallortes sei 2013 eingestellt worden und ihm daher bei der Befragung nicht mehr präsent gewesen. Auf Nachfrage habe er dann wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er in der Sicherheitserklärung Angaben zu den dem Dienstherrn bekannten Auslandseinsätzen hätte machen müssen. Auflagen seien nicht einmal geprüft worden.
18
Mit Beschwerdebescheid vom 15. Februar 2021, dem Antragsteller zugestellt am 18. Februar 2021, wurde seine Beschwerde zurückgewiesen. Der im Schreiben vom 10. September 2020 dargestellte Sachverhalt begründe aus den dort angeführten Gründen Zweifel an der uneingeschränkten Zuverlässigkeit und dem jederzeitigen Eintreten des Antragstellers für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen der Verkehrsstraftat eingestellt worden sei, sei unerheblich. Er sei nach vergangenen Strafverfahren gefragt worden und hätte von diesem Verfahren Kenntnis gehabt. Wegen der unterschiedlichen Prüfparameter sei die Einschätzung des Truppendienstgerichts zur Verfassungstreue des Antragstellers ebenso wenig bindend wie die interne Einschätzung einer Fachabteilung des MAD. Die in Rede stehenden ausländerfeindlichen Äußerungen begründeten Zweifel daran, dass der Antragsteller jederzeit für die Werte der Verfassung einstehe. Wegen der Häufigkeit der Vorfälle handele es sich nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat. Daran ändere die Einschätzung des Disziplinarvorgesetzten und die förmliche Anerkennung nichts. Wegen der unterbliebenen Angabe der Auslandseinsätze könne zu seinen Gunsten eine Kenntnis des Dienstherrn angenommen werden. Dies könne jedoch dahinstehen, da bereits ein Grund nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SÜG vorliege. Die Beförderung sei bei der Ermessensentscheidung hinreichend berücksichtigt. Eine Auflagenentscheidung als milderes Mittel scheide aus. Jedoch eine vorzeitige Wiederholungsprüfung zugelassen worden. Zu seinen Gunsten seien die Stellungnahme des Disziplinarvorgesetzten, die förmliche Anerkennung und die Beförderung als Nachbewährung berücksichtigt. Im Zweifel sei aber nach § 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG dem Sicherheitsinteresse Vorrang zu geben.
19
Hiergegen hat der Antragsteller am 11. März 2021 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 13. April 2021 dem Senat vorgelegt.
20
Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein Beschwerdevorbringen. Er macht insbesondere geltend, der Befragungsbericht des MAD zeige, dass er keine falschen Angaben gemacht habe. Es sei unverhältnismäßig, von ihm eine noch längere Nachbewährung zu verlangen. Er besitze seit fünf Jahren keine gültige Sicherheitsüberprüfung mehr. Unter Einbeziehung der Bearbeitungszeit könne er im günstigsten Fall 2025 mit einer erneuten Sicherheitsüberprüfung rechnen. Demnach habe er sich zehn Jahre lang nachbewährt. Die Alternative einer Erteilung unter Auflagen sei nicht geprüft worden.
21
Der Antragsteller beantragt,
die Feststellung des Sicherheitsrisikos durch den Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamtes der Bundeswehr vom 10. September 2020 aufzuheben und das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
22
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
23
Zur Begründung wiederholt es die Ausführungen von Bescheid und Beschwerdebescheid. Die Einwände des Antragstellers änderten hieran nichts. Über den Antragsteller hätten über einen erheblichen Zeitraum fortwährend neue Erkenntnisse in Gestalt von Straf- und Disziplinarverfahren vorgelegen. Zudem habe er in Sicherheitserklärungen 2014 und 2018 und in einer Befragung 2019 unwahre Angaben gemacht. Deswegen könne von einer sicherheitsmäßigen Bewährung in diesem Zeitraum nicht gesprochen werden. Die zugunsten des Antragstellers sprechenden Aspekte seien berücksichtigt worden. Auf die verkürzte Wirkungsdauer des festgestellten Sicherheitsrisikos werde hingewiesen. Mithin könne bereits 2023 eine erneute Prüfung erfolgen. Eine Auflagenentscheidung sei aufgrund des Gesamtsachverhaltes und wegen des Zweifelssatzes aus § 14 Abs. 3 SÜG nicht möglich.
24
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
25
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat im Anfechtungsantrag Erfolg.
26
1. Allein der Anfechtungsantrag ist zulässig.
27
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheides angefochten werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. April 2019 – 1 WB 3.19 – juris Rn. 17 m.w.N.).
28
Unzulässig mangels Antragsbefugnis ist allerdings der zusätzlich gestellte Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, über die Ü 2-Sicherheitsfreigabe hinsichtlich des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2016 – 1 WB 35.15 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 30 Rn. 25 und vom 18. Dezember 2019 – 1 WB 6.19 – juris Rn. 26). Dieser Antrag war daher zurückzuweisen.
29
2. Der Antrag ist begründet, soweit er zulässig ist. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Streitkräfteamt vom 10. September 2020 in Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 15. Februar 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller daher in seinen Rechten.
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a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesministerium der Verteidigung beim Senat (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 – 1 WB 37.07 – BVerwGE 130, 291 Rn. 35), hier mithin der 13. April 2021. Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 – 1 WDS-VR 7.07 – Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 Rn. 23, vom 30. Januar 2014 – 1 WB 47.13 – juris Rn. 29 und vom 17. April 2019 – 1 WB 3.19 – juris Rn. 22).
31
Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 – 1 WB 37.07 – BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m.w.N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle – hier: dem Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt -, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
32
Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 1 WB 12.11 – BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m.w.N.).
33
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine „Beweislast“, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 – 1 WB 58.11 – juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 <353>).
34
b) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SÜG, Nr. 2418 ZDv A-1130/3) zwar formell ordnungsgemäß erfolgt, aber materiell rechtswidrig.
35
aa) Bei der Sicherheitsüberprüfung wurde nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Insbesondere hatte der Antragsteller Gelegenheit – und hat hiervon auch Gebrauch gemacht -, sich vor der Feststellung des Sicherheitsrisikos persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 SÜG i.V.m. § 6 Abs. 1 SÜG; vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – 1 WB 57.12 – BVerwGE 148, 267 Rn. 54 ff.). Soweit die Gründe der Entscheidung durch das Vorlageschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung um weitere Ausführungen ergänzt wurden, ist dies mit Zustimmung des Geheimschutzbeauftragten erfolgt; eine erneute Anhörung des Antragstellers hierzu war nicht erforderlich, weil keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen in das Verfahren eingeführt, vielmehr lediglich die Schlussfolgerungen aus diesen und die in die Ausübung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeflossenen Erwägungen erläutert und ergänzt wurden.
36
bb) Der Geheimschutzbeauftragte hat den ihm zukommenden Spielraum überschritten, soweit er seine Bewertung auf Zweifel am Bekenntnis des Antragstellers zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG) stützt.
37
(1) Insofern geht er zwar in tatsächlicher Hinsicht von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt aus. Die im seit dem 21. März 2016 rechtskräftigen Disziplinargerichtsbescheid festgestellten und oben wiedergegebenen ausländerfeindlichen Äußerungen getätigt zu haben, räumt der Antragsteller ausdrücklich ein.
38
(2) Der Geheimschutzbeauftragte ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass rechtsextremistische, ausländerfeindliche und rassistischen Äußerungen Indizien für ein mangelndes Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und die fehlende Bereitschaft, für ihre Erhaltung jederzeit einzutreten, sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1997 – 2 WD 24.96 – BVerwGE 113, 48 <51 f.> und Beschluss vom 27. Juli 2020 – 2 WDB 5.20 – Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 40). Die Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ist ein elementarer Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Rassistische Beleidigungen sind mit der Garantie der Menschenwürde nicht vereinbar. Wer sich in einer, Menschen anderer Hautfarben oder Nationalitäten extrem herabwürdigenden Weise in der Öffentlichkeit oder im Kameradenkreis äußert, begründet grundsätzlich Zweifel daran, dass er jederzeit für die Wahrung der Menschenrechte und die Grundwerte des Staates eintreten wird, dem treu zu dienen und dessen Grundordnung zu schützen, zentrale Dienstpflichten sind (§§ 7, 8 SG). Zweifel an der künftigen Erfüllung dieser Pflichten können ein Sicherheitsrisiko im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG begründen.
39
(3) Jedoch hat der Geheimschutzbeauftragte vorliegend bei der ihm obliegenden Prognose über die künftige Wahrung der Verfassungstreuepflicht durch den Antragsteller zum einen sachfremd repressive Erwägungen angestellt und zum anderen für die Prognose wesentliche Umstände auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Erwägungen des Beschwerdebescheids nicht nachvollziehbar in seine Einschätzung eingestellt.
40
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Feststellung eines Sicherheitsrisikos keine zusätzliche Ebene der repressiven Reaktion auf ein Fehlverhalten des Betroffenen – gegebenenfalls, wie hier, nach dessen disziplinarrechtlicher Ahndung – dar, sondern eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Dezember 2009 – 1 WB 58.09 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 22 Rn. 29, vom 24. April 2012 – 1 WB 62.11 – juris Rn. 31, vom 21. Mai 2015 – 1 WB 54.14 – BVerwGE 152, 152 Rn. 40 und vom 17. April 2019 – 1 WB 3.19 – Rn. 33). Der Geheimschutzbeauftragte hat sich deshalb bei der Beurteilung, ob ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, prognostisch zur künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen und seiner Verhältnisse zu äußern und dabei im Falle des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG darzulegen, warum die vorliegenden sicherheitserheblichen Erkenntnisse für die Zukunft Zweifel an der Verfassungstreue und dadurch ein Sicherheitsrisiko begründen.
41
Hier hat der Geheimschutzbeauftragte sich im Kern auf repressive Erwägungen gestützt, soweit er darauf rekurriert, dass der Antragsteller mit den in Rede stehenden Äußerungen als Vorgesetzter im Beisein von Rekruten unter Beweis gestellt habe, dass er den Erwartungen an einen Staatsbürger in Uniform bezüglich seines Demokratieverständnisses nicht entspreche. Denn damit referiert er rechtliche Erwägungen für die Verletzung von Dienstpflichten aus § 10 Abs. 3, Abs. 6, §§ 12, 17 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1 SG, die auch den Disziplinargerichtsbescheid tragen. Nichts Anderes gilt für die Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat gehandelt hat, was im Rahmen der Bemessung einer Disziplinarmaßnahme von Bedeutung ist.
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(b) Über diese repressiven Erwägungen hinausgehend referieren die Entscheidungsgründe des Geheimschutzbeauftragten zwar eine Vielzahl für eine positive Persönlichkeitsentwicklung des Antragstellers sprechender Aspekte, nämlich seine tadelfreie Führung seit 2016, den positiven Eindruck in der persönlichen Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten, die Reue des Antragstellers über sein Fehlverhalten sowie die positive Stellungnahme des Disziplinarvorgesetzten. Wieso gleichwohl eine negative Prognose gestellt wird, wird nicht ansatzweise erläutert, diese vielmehr nur konstatiert. Damit ist die Prognose aber nicht nachvollziehbar das Ergebnis einer Abwägung der für und gegen die künftige Wahrung der Verfassungstreuepflicht durch den Antragsteller sprechenden Aspekte.
43
Der Beschwerdebescheid referiert darüber hinaus, dass weder das Truppendienstgericht noch eine interne Einschätzung einer Fachabteilung des BAMAD Zweifel an der Verfassungstreue des Antragstellers hätten. Auch wenn diese Einschätzungen den Geheimschutzbeauftragten nicht binden, so kommt ihnen doch zumindest indizielle Bedeutung zu, die der Geheimschutzbeauftragte ebenfalls in seine Gesamtabwägung einzustellen und zu würdigen hat. Hinzu kommt noch, dass das Truppendienstgericht die in Rede stehenden Äußerungen auch nicht als Verletzung von § 8 SG gewertet hat. Wieso auch diese Aspekte kein anderes Ergebnis ermöglichen, wird ebenfalls nicht ansatzweise erläutert. Dies gilt auch für die Äußerungen zu den von der Beschwerde vorgebrachten Aspekten der förmlichen Anerkennung und der Beförderung. Wieso diese Aspekte im Bescheid des Geheimschutzbeauftragten noch nicht einmal bei der Ausübung des Ermessens erwähnt werden und lediglich die zuvor mit anderen Erwägungen gerechtfertigte Verkürzung der Frist für eine Wiederholungsprüfung tragen sollen, ist nicht ansatzweise erläutert. Dies wird vielmehr lediglich formularmäßig und stereotyp behauptet.
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Hinzu kommt noch, dass die Vollstreckung der Disziplinarmaßnahme sachwidrig bei der prognostischen Gesamtbetrachtung nicht eingestellt wurde. Gegen den Antragsteller wurde u.a. wegen der genannten und auch weiterer herabwürdigender Äußerungen ein Beförderungsverbot für die Dauer von 30 Monaten verhängt. Dieses war zum Zeitpunkt des Beschwerdebescheides durch den Zeitablauf vollständig vollstreckt, so dass vom Eintritt der pflichtenmahnenden Wirkung der Maßnahme zumindest indiziell ausgegangen werden kann. Auch dieser Umstand spricht für die künftige Einhaltung der durch die Äußerung verletzten Pflichten und wäre damit geeignet, zu einer günstigen Prognose beizutragen.
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Nicht in die Prognose eingestellt worden ist auch, dass in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Rechtskraft des Disziplinargerichtsbescheides bereits ein Sicherheitsüberprüfungsverfahren mit dem Ergebnis eingestellt wurde, dass zuvor erteilte Sicherheitsbescheide unwirksam und frühestens ab Oktober 2018 eine erneute Sicherheitsüberprüfung möglich sei. Vor diesem Hintergrund war zu erläutern, warum trotz des Ablaufes der genannten Frist auch in einem neuen Sicherheitsüberprüfungsverfahren die bereits im vorangegangen Verfahren vorliegenden Umstände die Feststellung eines Sicherheitsrisikos rechtfertigten.
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Vor diesem Hintergrund bedarf es zudem in sich schlüssiger Erläuterungen, warum trotz gewichtiger für eine positive Persönlichkeitsentwicklung sprechender Aspekte drei ausländerfeindliche Äußerungen aus dem April und dem Juni 2015 im April 2021 noch so erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue des Antragstellers begründen, dass diese ein über die abstrakte Besorgnis hinausgehendes Sicherheitsrisiko begründen. Hieran fehlt es aber.
47
cc) Die für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos selbständig tragenden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) können die angegriffenen Bescheide ebenfalls nicht rechtfertigen. Der Geheimschutzbeauftragte leitet die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers aus einer vorsätzlich unwahren Angabe im Verfahren der Sicherheitsüberprüfung und dem bereits genannten Dienstvergehen des Antragstellers aus dem Jahr 2015 ab.
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(1) Falsche Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren sind grundsätzlich geeignet, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG nach sich zu ziehen (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2018 – 1 WB 24.17 – NVwZ 2019, 65 Leitsatz und Rn. 30 ff. m.w.N. und vom 18. Dezember 2019 – 1 WB 6.19 – Rn. 39). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG begründen, unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene eine Straftat oder ein Dienstvergehen begangen hat, die – ggf. auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften oder zur dienstlichen Tätigkeit – ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lassen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2008 – 1 WB 37.07 – BVerwGE 130, 291 Rn. 26, vom 30. Mai 2012 – 1 WB 58.11 – juris Rn. 35 und vom 21. Juli 2016 – 1 WB 35.15 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 30 Rn. 42).
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(a) Soweit der Geheimschutzbeauftragte seiner Einschätzung zu einem Sicherheitsrisiko gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG vorsätzlich falsche Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren zugrunde legt, geht er nicht von einem vollständig zutreffend ermittelten Sachverhalt aus.
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Zwar trifft es zu, dass der Antragsteller in seiner Sicherheitserklärung vom 8. Mai 2018 die Auslandsaufenthalte im Rahmen seiner Auslandseinsätze nicht angegeben hatte. Dieses Versäumnis wird ihm nach den insoweit maßgeblichen Ausführungen im Beschwerdebescheid allerdings nicht mehr vorgehalten. Da hier – zutreffend – die Kenntnis des Dienstherrn, der den Antragsteller zu den in Rede stehenden Auslandsaufenthalten kommandiert hatte, zugrunde gelegt werden kann, lässt der Beschwerdebescheid die Bedeutung dieses Umstandes für die Prognose offen. Das objektiv tatsächlich vorliegende Unterlassen, ist mithin nicht entscheidungstragend.
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Bewusst unwahre Angaben zu dem Ermittlungsverfahren wegen der Verkehrsstraftat 2013 in der Befragung durch den MAD sind nicht mit der gebotenen Gewissheit festzustellen. Ausweislich des hierzu vorgelegten Protokolls hat der Antragsteller nach Ausführungen zu anderen straf- bzw. disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren erklärt, weitere strafrechtliche Verfehlungen nicht begangen zu haben. Es sei aktuell auch kein weiteres Verfahren anhängig. Diese Aussage ist zutreffend gewesen. Aktuell – und damit zum Zeitpunkt der Befragung – war das strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2013 nämlich eingestellt und damit nicht mehr anhängig. Eine strafrechtliche Verfehlung hatte der Antragsteller auch in diesem Zusammenhang nicht begangen. Zwar war gegen ihn wegen Unfallflucht ermittelt worden. Diese Ermittlungen waren aber deshalb eingestellt worden, weil ihm eine Straftat nicht nachweisbar war. Wegen der Unschuldsvermutung war die Angabe in der Befragung damit ohne Weiteres richtig. Der Beschwerdebescheid behauptet zwar, der Antragsteller sei auch nach früher anhängigen Strafverfahren gefragt worden. Eine solche Frage ist aber nicht nachgewiesen. Sie ergibt sich nicht nach der Niederschrift der Befragung, die gerade nur von aktuell anhängigen Verfahren spricht. Der Antragsteller kann sich nach einer schriftsätzlichen Erklärung auf Nachfrage im gerichtlichen Verfahren an eine entsprechende Frage nicht erinnern. Vor diesem Hintergrund ist nicht feststellbar, dass der Antragsteller das fragliche Ermittlungsverfahren vorsätzlich verschwiegen hatte.
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(b) Im Ergebnis fehlt für die Prognose eines Sicherheitsrisikos nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG eine ausreichende Grundlage. Denn Ausgangs- und Beschwerdebescheid stellen insoweit kumulativ auf die – wie ausgeführt tatsächlich unzutreffend festgestellten – Annahmen zu unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren und das Dienstvergehen ab. Dass der letztere Aspekt die Einschätzung auch allein tragen könnte, wird nicht vorgebracht und ist angesichts des Zeitablaufes seit dem Dienstvergehen und der positiven Persönlichkeitsentwicklung des Antragstellers nicht ersichtlich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO. Da die Zurückweisung lediglich den Verpflichtungsantrag betrifft, für den kein Rechtsschutzinteresse besteht, der keine zusätzlichen Kosten ausgelöst hat und angesichts des zulässigen Streitgegenstandes von untergeordneter Bedeutung ist, ist der Anteil des Unterliegens in bei der Kostenquote zu vernachlässigender Weise gering (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).