Beschluss des BPatG München 25. Senat vom 14.09.2021, AZ 25 W (pat) 586/20

BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 14.09.2021, AZ 25 W (pat) 586/20, ECLI:DE:BPatG:2021:140921B25Wpat586.20.0

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. September 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Kriener sowie der Richterin k.A. Fehlhammer beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die Wortfolge

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natürlich Vermögen schaffen

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ist am 13. Mai 2020 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 35: Dienstleistungen auf dem Gebiet von Jointventures [Unternehmensberatung]; Analyse von Marktforschungsdaten; Bereitstellung von unternehmensbezogenen Handels- und Geschäftsinformationen; Beratung bei der Erstellung von Marktberichten; Betriebswirtschaftliche Beratung; Betriebswirtschaftliche Beratung für Unternehmen in Bezug auf Unternehmensgründungen; Bewertungen in Bezug auf Geschäftsangelegenheiten professioneller Betriebe; Analyse von Marktforschungsdaten und -statistiken; Beratungsdienste in Bezug auf Geschäftsanalysen; Beratung in Bezug auf Unternehmensorganisation und -führung; Beratung in Fragen der Unternehmensstrategie; Fachliche Beratung von Unternehmen in Bezug auf den Geschäftsbetrieb; Bewertungen in Bezug auf Geschäftsangelegenheiten kommerzieller Betriebe; Betriebswirtschaftliche Bewertung von Geschäftsmöglichkeiten; Beratung in Fragen der Unternehmensorganisation und der Betriebswirtschaft; Bereitstellung von statistischen Wirtschaftsinformationen; Beschaffung von Geschäftsinformationen in Bezug auf Unternehmensaktivitäten; Beratung und Ermittlungen in Geschäftsangelegenheiten; Unternehmensberatung hinsichtlich Geschäftsrisiken; Dienstleistungen von Wirtschaftlichkeitsberatern für Unternehmen; Dienstleistungen auf dem Gebiet von Unternehmenszusammenschlüssen [Unternehmensberatung]; Beratung bei der Vorbereitung und Durchführung von Handelstransaktionen; Betriebswirtschaftliche Auswertungen und Analysen; Dienstleistungen von Wirtschaftlichkeitsberatern für Geschäftsbetriebe; Benchmarking [Bewertung der Unternehmens-organisation]; Beratung bezüglich Unternehmensakquisitionen; Bereitstellen von Online-Vergleichen von Finanzdienstleistungen; Betriebswirtschaftliche Beratung bei Unternehmensverkäufen; Beratung in Fragen der Unternehmensplanung; Aufstellung von Kosten-Preis-Analysen; Beratungsdienste in Geschäftsangelegenheiten; Beratungsdienste in Bezug auf die Unternehmensplanung; Benchmarking [betriebswirtschaftliche Vergleichsdienste]; Analyse von Unternehmensstatistiken;

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Klasse 36: Beratung über Finanzplanung; Computergestützte Erteilung von Auskünften über Finanzgeschäfte; Dienstleistungen der Verwaltung von Vermögensanlagen; Dienstleistungen im Bereich der Kapitalanlagegeschäfte; Beratung über Finanzanlagen; Vermittlung von Wertpapieren; Vermittlung von Finanzdienstleistungen; Finanzielle Beratung über Risikomanagement; Finanzdienstleistungen in Form von Wertpapiergeschäften; Finanzdienstleistungen; Treuhandverwaltung von Kapitalanlagen; Erstellung von Finanzanalysen über Anleihemärkte; Erteilen von Auskünften über Wertpapiere; Abwickeln von Finanzanlagegeschäften im Wertpapierbereich; Treuhandverwaltung von Kapitalvermögen; Dienstleistungen der Verwaltung von Kapitalanlagen; Dienstleistungen der Verwaltung von Anlagefonds; Finanzberatung über Vermögensverwaltung; Erstellung von Finanzanalysen in Bezug auf Wertpapiere; Beratung über Firmenfinanzierungen; Finanzielle Beratungsdienste; Erteilen von Auskünften über den Aktien- und Wertpapiermarkt; Beratung in Finanzangelegenheiten; Vermögensverwaltung; Computergestützte Finanzberatung; Beratung in Bezug auf Finanzstrategien; Beratung in Bezug auf Finanzanlagen; Dienstleistungen der Finanzplanung; Beratungsdienste zu Finanzanlagen; Finanzberatung über Wertpapiere; Analyse von Finanzanlagen und Aktienrecherche; Dienstleistungen der Wertpapierbestandsverwaltung; Finanzielle Beratung über Treuhandverhältnisse; Dokumentation von Finanzanlagegeschäften; Treuhandverwaltung von Geldanlagen; Erteilen von Auskünften zu Aktien- und Wertpapieren; Finanzberatung im Bereich des Risikomanagements; Dienstleistungen von Agenturen für Bonds und andere Wertpapiere; Beratung über Wertpapiere; Finanzielle Bewertung; Treuhänderische Vermögensverwaltung; Abwickeln von Wertpapierbörsengeschäften; Finanzdienstleistungen in Bezug auf internationale Wertpapiere; Computergestützte Erteilung von Auskünften über Wertpapiere; Vermögensverwaltung durch Treuhänder; Dienstleistungen im Bereich des Finanzwesens; Finanzberatung über Kapitalanlagen; Beratung hinsichtlich der Unternehmensfinanzen; Dienstleistungen der Finanzanalyse und -recherchen; Erteilen von Finanzauskünften über Finanzanleihemärkte; Vermittlung von Finanzanlagen; Dienstleistungen im Bereich des Wertpapierhandels; Dienst-leistungen der Beratung im Bereich Kapitalanlagen; Durchführung von Finanzanalysen; Dienstleistungen von Treuhandverwaltern; Analyse von Finanzdaten; Finanzanalyse-Dienstleistungen bezüglich Investitionen; Dienstleistungen der Verwaltung von Wertpapierbeständen;

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Klasse 42: Wissenschaftliche Beratungsdienstleistungen.

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Die Anmeldung wird beim DPMA unter der Nummer 30 2020 218 296.1 geführt.

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Mit Beschluss vom 13. Juli 2020 hat die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA durch einen Beamten des gehobenen Dienstes unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 2. Juni 2020 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die angemeldete Wortfolge sei in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen lediglich ein beschreibender Hinweis darauf, dass ein Vermögen „selbstverständlich“ geschaffen werde bzw. werden könne. Ein derart beschreibendes Zeichen könne einen bestimmten Anbieter nicht betriebskennzeichnend individualisieren. Auch Werbeslogans, an die keine strengeren Anforderungen zu stellen seien als an andere Zeichen, müssten eine betriebliche Hinweiswirkung entfalten. Daran fehle es der angemeldeten Wortfolge, die sich in einer werbeüblichen Anpreisung erschöpfe. Auch unter Zugrundelegung sämtlicher im Duden gelisteter synonymer Bedeutungen des Adjektivs „natürlich“ wie „selbstverständlich“, „auf jeden Fall“, „bestimmt“, „sicherlich“, „selbstredend“ oder „garantiert“ weise das Anmeldezeichen letztlich beschreibend auf ein selbstverständliches bzw. garantiertes Angebot der Vermehrung von Vermögen hin. Eine Mehrdeutigkeit oder Interpretationsbedürftigkeit liege nicht vor. Im Übrigen sei der Begriff „natürlich“ werbeüblich, was auch vom Bundespatentgericht (beispielsweise in der Entscheidung 24 W (pat) 8/06 – Natürlich sind Sie schön.) so gesehen worden sei.

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Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, die er damit begründet, dass die Markenstelle nicht beachtet habe, dass die Begriffe „Vermögen schaffen“ in Kombination mit dem Wort „natürlich“ unterschiedliche Bedeutungen haben könnten. Neben der Interpretation des Amtes, dass auf jeden Fall, selbstredend, sicherlich oder garantiert Vermögen geschaffen werde, nehme die Wortfolge nämlich auch Bezug auf nachhaltige Geldanlagemöglichkeiten bzw. auf sogenannte grüne Geldanlagen. Die Wortfolge sei damit doppeldeutig. Hinzu komme, dass „Vermögen schaffen“, also Vermögensaufbau, bedeute, dass Geld angelegt werden müsse und die gewählte Form der Anlage für eine Rendite arbeiten müsse. Eine natürliche, selbstredende, selbstverständliche oder garantierte Vermögensmehrung gebe es damit nicht. Aufgrund dieses Widerspruchs rege die Wortfolge zum Nachdenken an. Der Ausdruck als Ganzes sei ungewöhnlich, darauf, ob die Einzelelemente für sich betrachtet beschreibend sind, komme es nicht an. Im Übrigen könne die Eintragung auch wegen § 23 MarkenG nicht verwehrt werden, der sicherstelle, dass Dritte Angaben, die Bestandteil einer Marke sind, beschreibend verwenden dürften.

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Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Juli 2020 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf vorgenannten Beschluss der Markenstelle für Klasse 36, auf die Schriftsätze des Anmelders, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 18. Juni 2021 nebst der ihm beigefügten Rechercheergebnisse und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „natürlich Vermögen schaffen“ als Marke steht in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 42 das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH MarkenR 2010, 439 Rn. 41 bis 57 – Flugbörse).

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Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor), oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt wird (vgl. BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).

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Werbeslogans und sonstige spruchartige Wortfolgen – wie die angemeldete – sind bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft wie andere Wortmarken zu behandeln. Sie unterliegen keinen strengeren Schutzvoraussetzungen und müssen insbesondere keinen phantasievollen Überschuss aufweisen oder einen selbständig schutzfähigen Bestandteil enthalten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 8 Rn. 267 m. w. N.). Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr in Slogans bzw. werblich-sachbezogenen Wortfolgen regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sieht, wenn der Slogan eine bloße Werbefunktion ausübt, die z. B. darin besteht, die Qualität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen anzupreisen, es sei denn, dass die Werbefunktion im Vergleich zur Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 35 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Die Unterscheidungskraft ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere dann zu bejahen, wenn die jeweilige Marke nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung besteht, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweist, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder beim Verkehr einen Denkprozess auslösen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 57 – VORSPRUNG DURCH TECHNIK; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 279), wobei Kürze, Originalität und Prägnanz der jeweiligen Wortfolge wesentliche Indizien für die Bejahung der Unterscheidungskraft sein können.

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Gemessen an den eben dargestellten Maßstäben kann dem zur Eintragung angemeldeten Zeichen keine Unterscheidungskraft zugebilligt werden.

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2. Die Wortfolge „natürlich Vermögen schaffen“ ist gebildet aus dem selbst vom Anmelder als im Bereich der Vermögensverwaltung üblich bezeichneten Ausdruck „Vermögen schaffen“ und dem vorangestellten Adverb „natürlich“. Letzteres wird auch im Sinne von „zur Natur gehörend, in der Natur vorkommend, nicht künstlich“ (vgl. „www.duden.de“) bzw. „sich auf die Natur beziehend, naturgemäß“ (vgl. „www.wiktionary.com“) und damit genauso wie das Adjektiv „natürlich“ verstanden. Insbesondere in Kombination mit Verben wird damit schlagwortartig darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit sich auf Naturprodukte bezieht oder unter besonderer Berücksichtigung der Belange der Natur, also ressourcenschonend und nachhaltig erbracht wird. So wird mit Formulierungen wie „natürlich kaufen“, „natürlich shoppen“ oder „natürlich einkaufen“ der Erwerb von natürlich hergestellten Waren bezeichnet (vgl. „https://www.beautynailhairsalons.com/DE/Mahlow/1741534466073919/Natürlich-kaufen“, „https://shop.meine-naturzeit.de“ und „https://www.nabu.de/wir-ueber-uns/produkte/shop/index.html“ als Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 18. Juni 2021). Mit „natürlich wirtschaften“ wird die Gewinnung erneuerbarer Energie mittels Photovoltaik umschrieben (vgl. „https://microart-roding.de/natuerlich-wirtschaften/“ als Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 18. Juni 2021). Ein Wirtschaftsmodell, das insbesondere den Naturschutz im Blick hat, nennt sich „Modell für natürliches Handeln“ (vgl. „https://natureeco.org“ als Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 18. Juni 2021). Auch im vorliegend einschlägigen Finanzbereich finden sich vergleichbare Formulierungen wie „natürlich investieren“ oder „natürlich finanzieren“, womit Investitionen in nachhaltige Anlagekonzepte gemeint sind (vgl. der bereits von der Markenstelle zitierte Slogan der Ö… GmbH sowie ergänzend „https://taz.de/!1191180/“, „www.projekt21plus.de/aktienfonds-geldanlagen“ und Handelsregisterauszug der „Ö… GmbH – Natürlich finanzieren“ als Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 18. Juni 2021).

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3. Der in Rede stehende Slogan „natürlich Vermögen schaffen“ ist daher ohne weiteres als Hinweis auf eine Vermögensmehrung mittels nachhaltiger Anlageformen zu verstehen. In dieser Bedeutung, die ihm der Anmelder selbst in seiner Beschwerdebegründung vom 10. September 2020 beimisst, stellt er sich als rein sachbezogene Aussage in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen dar:

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a) In Verbindung mit den Dienstleistungen der Klasse 35 macht das Anmeldezeichen deutlich, dass die Unternehmensberatung-, -analyse, -bewertung und der Unternehmensvergleich wie auch die beanspruchten Tätigkeiten zur Beschaffung und Bereitstellung von Informationen bzw. Online-Vergleichen darauf ausgerichtet sind, dem Kunden im Einklang mit der Natur Vermögen zu verschaffen oder dessen Vermögen zu vermehren. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass Betriebe dahingehend informiert und beraten werden, in naturschonende und zukunftsorientierte Techniken wie Elektromobilität zu investieren.

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b) Bezogen auf die Dienstleistungen der Klasse 36 lässt sich dem Slogan „natürlich Vermögen schaffen“ nur die Sachaussage entnehmen, dass sie der Schaffung bzw. Vermehrung von Vermögen dienen und die ihren Gegenstand bildenden Vermögenswerte bzw. Kapitalanlagen naturneutral angelegt und verwaltet werden, so dass sie den Anforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes entsprechen. Gerade aufgrund der verstärkt geführten Klimadebatte kommt nachhaltigen oder auch grünen Geldanlagen eine besondere Bedeutung zu (vgl. Google-Recherchelisten zu den Begriffen „Nachhaltige Geldanlagen“ und „Grüne Geldanlagen“ als Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis vom 18. Juni 2021), wobei Geld in die Erzeugung erneuerbarer Energien oder die Entwicklung emissionsfreier Antriebe investiert wird.

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c) Ebenso wie bei den Dienstleistungen der Klasse 35 bringt das in Rede stehende Zeichen auch im Zusammenhang mit den wissenschaftlichen Beratungsdienstleistungen der Klasse 42 nur zum Ausdruck, dass mit ihrer Hilfe Vermögen erworben werden kann, das den Anforderungen an die Nachhaltigkeit entspricht und damit die Umwelt nicht belastet.

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Damit weist die angemeldete Wortfolge zu sämtlichen beanspruchten Dienstleistungen einen sachlichen Bezug auf, der ihrer Eignung als individualisierendes Betriebskennzeichen entgegensteht. Eine über die von ihr vermittelte Sachbotschaft hinausgehende Eigentümlichkeit, Prägnanz oder Interpretationsbedürftigkeit, die ihr zur Schutzfähigkeit verhelfen könnten, vermag der Senat nicht festzustellen.

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4. Dass die in Rede stehende Begriffskombination neben der oben dargelegten Bedeutung auch im Sinne von „selbstverständliche, garantierte Vermögensvermehrung“ verstanden werden kann, wovon die Markenstelle vorrangig ausgegangen ist und worauf auch der Anmelder in seinem Schriftsatz vom 30. Juli 2021 nunmehr als maßgeblich abstellt, führt zu keiner anderen Bewertung. Auch dieses Verständnis wäre rein sachbezogen. Vor dem Hintergrund der bereits genannten vergleichbar gebildeten und nachweislich benutzten Ausdrücke sowie der Aktualität des Themas „nachhaltige Investitionen“ bzw. „grüne Geldanlagen“ steht für den Senat jedoch ein Verständnis im Sinne einer Vermögensmehrung mittels nachhaltiger Anlageformen im Vordergrund (vgl. ergänzend den Artikel „Grüne Slogans: Marken positionieren sich nachhaltig“ unter „https://www.slogans.de/magazin/gruene-slogans-marken-positionieren-sich-nach-haltig-1068“ als Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis vom 18. Juni 2021).

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5. Auch der Verweis auf § 23 MarkenG vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Die Vorschrift sichert die freie Verwendbarkeit von beschreibenden Angaben neben bzw. unabhängig von § 8 Abs. 2 Nr. 1 sowie Nr. 2 MarkenG und hat gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Einfluss auf die Auslegung und Anwendung der Eintragungshindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 775f. Rn. 25, 28 – Chiemsee; GRUR 2003, 604, 607f. Rn. 57 bis 59 – Libertel; GRUR 2004, 946, 947 Rn. 32, 33 – Nichols). Vielmehr muss die Prüfung einer Markenanmeldung im Interesse der Allgemeinheit streng und vollständig sein, um ungerechtfertigte Eintragungen zu vermeiden (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 57, 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 200).

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Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.