Übernimmt der gewerbliche Mieter eine Verpflichtung zur Umgestaltung der Mietsache als (teilweise) Gegenleistung… (Urteil des BGH 12. Zivilsenat)

BGH 12. Zivilsenat, Urteil vom 31.03.2021, AZ XII ZR 42/20, ECLI:DE:BGH:2021:310321UXIIZR42.20.0

§ 548 Abs 1 BGB

Leitsatz

Übernimmt der gewerbliche Mieter eine Verpflichtung zur Umgestaltung der Mietsache als (teilweise) Gegenleistung für die Gebrauchsgewährung und bezieht sich die Umgestaltungspflicht auf den Zustand des Mietobjekts bei dessen Rückgabe, gilt für Ersatzansprüche wegen Nichterfüllung oder nicht vollständiger Erfüllung der Verpflichtung die kurze Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB (im Anschluss an BGH, Urteil vom 8. Dezember 1982 – VIII ZR 219/81, BGHZ 86, 71 = NJW 1983, 679 und Senatsurteil vom 8. Januar 2014 – XII ZR 12/13 – NJW 2014, 920).

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 1. April 2020, Az: 12 U 160/19, Urteil
vorgehend LG Kiel, 27. August 2019, Az: 8 O 241/18

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 1. April 2020 insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers wegen seines Antrags auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 21.596,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. August 2018 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger vermietete der Beklagten Teilbereiche einer Halle zum Betrieb einer stahlverarbeitenden Werkstatt nebst Lager. Mit Ergänzungsvertrag vom 1. Januar 2006 vermietete er weitere 70 qm in der Halle zu einem monatlichen Nettobetrag von 100,00 € zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer. Im Anschluss daran heißt es in dem Vertrag:

„Der Mieter verpflichtet sich als Gegenleistung folgende Wertverbesserung in dem angemieteten Objekt vorzunehmen:

– Isolierung und fehlende Wandverkleidung an der hintersten Giebelseite auf eigene Kosten vorzunehmen. Wertverbesserung ca. 6.000,00 €

– Ausgleich und Versiegelung des Betonfußbodens in der Halle und im Werkraum. Wertverbesserung ca. 2.000,00 bis 2.500,00 €“.

2

Die genannten Arbeiten waren nach der Vorstellung der Beklagten erforderlich, um eine immissionsrechtliche Genehmigung für die von ihr auf der Erweiterungsfläche geplante Herstellung von Kunststoffprodukten zu erlangen.

3

Im Januar 2009 schlossen die Parteien einen neuen Mietvertrag über das bisherige Mietobjekt, in dem ebenfalls die Verpflichtung der Beklagten zur „Versiegelung des Hallenbodens und Isolierung des rückwärtigen Teilbereichs Raumabteilung der Halle gem. ehemaliger Zusatzvereinbarung vom 01.01.2006“ auf ihre Kosten vereinbart war. In der Folgezeit nahm die Beklagte Abstand von ihren Kunststoffverarbeitungsplänen und führte auch die vereinbarten Umbauarbeiten nicht durch.

4

Nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 30. November 2017 und Räumung der Mietsache zum 15. Februar 2018 verlangt der Kläger unter anderem Schadensersatz in Höhe der Herstellungskosten für die Wandverkleidung an der Giebelseite (2.269,40 €) sowie für die Bodenversiegelung (19.327,28 €), insgesamt 21.596,68 €.

5

Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine vom Oberlandesgericht zugelassene Revision.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

7

Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Zwar könne eine Pflichtverletzung darin liegen, dass die Beklagte die vereinbarten Umbauarbeiten nicht vorgenommen habe. Daraus könne aber kein Schadensersatz nach § 281 BGB verlangt werden, weil der Primäranspruch auf Durchführung der Umbauarbeiten bereits verjährt sei. Ob es einer ausdrücklichen Erhebung der Einrede insoweit bedürfe oder ob der Schadensersatzanspruch nach § 281 BGB bereits bei Einredebehaftung der Primärforderung ausgeschlossen sei, könne dahinstehen, weil die Beklagte die Verjährungseinrede zumindest konkludent erhoben habe. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB habe am 31. Dezember 2012 geendet, da die Umbauverpflichtung im Zeitpunkt ihrer Begründung und Erneuerung durch die Verträge von 2006 und 2009 jeweils sofort fällig gewesen sei. Dies folge aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis, wonach die Wertsteigerung durch den Umbau ein Teil der Gegenleistung für die Überlassung der Mietfläche gewesen sei. Die Verjährungsregel des § 548 BGB sei nicht einschlägig, da es sich nicht um Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache handle, sondern um eine als Hauptleistungspflicht übernommene Umbauverpflichtung des Mieters.

II.

8

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht nimmt das Oberlandesgericht an, der Kläger könne von der Beklagten keinen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB verlangen.

9

1. Zutreffend geht das Oberlandesgericht allerdings davon aus, dass nach § 281 Abs. 1, § 280 Abs. 3 BGB dem Gläubiger ein Anspruch aus dem Schuldverhältnis zustehen muss, der nicht durch eine dauernde oder aufschiebende Einrede gehemmt und der fällig ist (BGH Urteil vom 7. März 2013 – VII ZR 162/12 – NJW 2013, 1431 Rn. 20 mwN). Daher stünde eine eingetretene Verjährung des Primäranspruchs auch der Durchsetzung des Sekundäranspruchs entgegen.

10

2. Eine Verjährung des Primäranspruchs ist jedoch nicht eingetreten. Zwar hat das Oberlandesgericht den Vertrag in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgelegt, dass die vom Mieter übernommene Umbauverpflichtung eine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung darstellte und mangels abweichender Vereinbarung zur sofortigen Erfüllung fällig war (§ 271 Abs. 1 BGB). Daraus folgt aber nichts für die Verjährung der Ansprüche des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache in vertraglich vereinbartem Zustand. Soweit die übernommene Umbauverpflichtung, unter Berücksichtigung der nachfolgend zu erwartenden Abnutzung, den bei der Rückgabe geschuldeten Zustand der Mietsache vertraglich festlegt, verjähren die Ersatzansprüche des Vermieters wegen eines davon abweichenden Zustands in sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 BGB).

11

a) Verspricht der Mieter eine Umgestaltung der Mietsache auf seine Kosten, so kann dies zwar einen Teil der als Gegenleistung für die Gebrauchsgewährung geschuldeten Miete darstellen (vgl. BGHZ 86, 71, 77 = NJW 1983, 679, 680). Die Vorschrift des § 548 Abs. 1 BGB erfasst jedoch auch Erfüllungsansprüche, die zugleich als Hauptpflicht ausgebildet sind, sofern sie den Zustand festlegen, den die Mietsache im Zeitpunkt der Rückgabe haben soll (vgl. BGHZ 86, 71, 78 = NJW 1983, 679, 681).

12

b) Der Anwendungsbereich des § 548 Abs. 1 BGB ist weit auszulegen (Senatsurteil vom 8. Januar 2014 – XII ZR 12/13 – NJW 2014, 920 Rn. 16). Der Begriff der Verschlechterung i.S.d. § 548 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass der Zustand der Mietsache im Vergleich zum Beginn des Mietverhältnisses schlechter geworden ist. Gleichzustellen sind vielmehr Forderungen, die sich daraus ergeben, dass die Mietsache in dem Zeitpunkt, in dem sie der Vermieter zurückerhält, in einer für ihn nachteiligen Weise von dem Zustand abweicht, den sie nach dem Vertrag bei Rückgabe haben soll (vgl. BGHZ 86, 71, 77 f. = NJW 1983, 679, 681). Auch für solche Fälle bezweckt § 548 BGB eine zeitlich klar umgrenzte Abwicklung der beiderseitigen Ansprüche nach Beendigung des Mietvertrags. Danach kommt es bei einer vom Mieter übernommenen Verpflichtung zur Umgestaltung der Mietsache darauf an, ob sie sich auf den Zustand des Mietobjekts bei dessen Rückgabe bezieht. In dem Fall hat die Nichterfüllung oder nicht vollständige Erfüllung dieses Anspruchs eine Verschlechterung der Mietsache im Sinne des § 548 Abs. 1 BGB zur Folge (vgl. BGHZ 86, 71, 77 f. = NJW 1983, 679, 681). § 548 Abs. 1 BGB erfasst sämtliche Schadensersatzansprüche des Vermieters, die ihren Grund darin haben, dass der Mieter die Mietsache als solche zwar zurückgegeben hat, diese sich aber nicht in dem bei der Rückgabe vertraglich geschuldeten Zustand befindet (Senatsurteil vom 8. Januar 2014 – XII ZR 12/13 – NJW 2014, 920 Rn. 16 mwN).

13

c) Im vorliegenden Fall sind die vorzunehmenden Umbauarbeiten mit den Attributen „Wertverbesserung ca. 6.000,00 €“ bzw. „Wertverbesserung ca. 2.000,00 bis 2.500,00 €“ gekennzeichnet. Daraus folgt, dass die gemietete Fläche nicht nur für spezielle Bedürfnisse der Nutzung durch die Beklagte angepasst werden sollte, sondern dass durch die bezeichneten Maßnahmen eine konkrete Wertverbesserung der Mietsache selbst, auch für künftige Nutzungen, bewirkt werden sollte. Die als Gegenleistung zur Gebrauchsgewährung übernommenen Umbauarbeiten bezeichnen damit einen veränderten Zustand des Mietobjekts als bei dessen Rückgabe geschuldet, nämlich mit durchgeführter Isolierung, Wandverkleidung und Bodenversiegelung unter Berücksichtigung einer nachfolgenden, vertragsgemäßen Abnutzung.

14

d) Weil die Klage am 11. August 2018 und somit noch innerhalb von sechs Monaten nach Rückerhalt der Mietsache erhoben worden ist, steht die Verjährungseinrede dem geltend gemachten Ersatzanspruch nicht entgegen. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob die in § 25 Nr. 6 des zuletzt geschlossenen Mietvertrags formularmäßig getroffene Vereinbarung, wonach die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache in zwölf Monaten verjähren, wirksam ist (vgl. Guhling in Guhling/Günter Gewerberaummiete 2. Aufl. § 548 BGB Rn. 73).

15

e) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht wegen etwaiger Bedenken gegen die fiktive Schadensabrechnung als richtig. Nach der Rechtsprechung des Senats können Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung ohne weiteres auch fiktiv abgerechnet werden (vgl. etwa Senatsurteile vom 12. März 2014 – XII ZR 108/13 – NJW 2014, 1444 Rn. 31 und vom 27. Juni 2018 – XII ZR 79/17 – NZM 2018, 717 Rn. 16 ff.). Soweit der VII. Zivilsenat in einer Bausache entschieden hat, dass eine fiktive Schadensbemessung von Mängelbeseitigungskosten außer Betracht bleibt (BGHZ 218, 1 = NJW 2018, 1463; vgl. auch BGH Beschluss vom 8. Oktober 2020 – VII ARZ 1/20 – NJW 2021, 53), beruht das auf Besonderheiten des Werkvertragsrechts, insbesondere dem Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB, die bei den Ersatzansprüchen des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache keine Parallele finden (vgl. auch BGH Urteil vom 12. März 2021 – V ZR 33/19 – zur Veröffentlichung bestimmt).

16

3. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da bezüglich der weiteren Anspruchsvoraussetzungen einschließlich der Schadenshöhe noch keine Feststellungen getroffen sind.

  • Dose
  • Schilling
  • Günter
  • Nedden-Boeger
  • Guhling