Der Ausschluss von direktem Rechtsschutz gegen Entscheidungen über die Bundesfachplanung in § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG… (Beschluss des BVerwG 4. Senat)

BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 24.03.2021, AZ 4 VR 2/20, ECLI:DE:BVerwG:2021:240321B4VR2.20.0

Leitsatz

Der Ausschluss von direktem Rechtsschutz gegen Entscheidungen über die Bundesfachplanung in § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG ist verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen Völker- und Unionsrecht.

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller je zu 1/4.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragsteller – ein Landkreis (Antragsteller zu 1), zwei anerkannte Umweltvereinigungen (Antragsteller zu 2 und 3) und eine Kreisstadt (Antragstellerin zu 4) – begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Bundesfachplanungsentscheidung, mit der ein Trassenkorridor für eine Höchstspannungsleitung bestimmt wurde.

2

Die beigeladenen Vorhabenträger planen, eine vorwiegend als Erdkabel auszuführende Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung zwischen den Netzverknüpfungspunkten Wolmirstedt und Isar zu errichten (sog. SuedOstLink). Diese Leitung ist als Vorhaben Nr. 5 in der Anlage zum Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) aufgeführt. Das Gesamtvorhaben hat eine Länge von ca. 537 km. Es wurde von den Vorhabenträgern für die Bundesfachplanung in vier Abschnitte unterteilt.

3

Am 18. Dezember 2019 erließ die Bundesnetzagentur die von den Beigeladenen beantragte Bundesfachplanung für den Abschnitt C (Raum Hof – Raum Schwandorf), mit der ein ca. 136 km langer und ca. 1000 m breiter Trassenkorridor im Bereich zwischen den Koppelpunkten im Raum Hof und im Raum Schwandorf sowie entsprechende Landesübergangspunkte (Übergang vom Freistaat Thüringen zum Freistaat Bayern sowie von diesem zum Freistaat Sachsen) festgelegt wurden. Die Beigeladenen haben zwischenzeitlich die Planfeststellung für den Teilabschnitt C1 (Münchenreuth – Marktredwitz) und für den Teilabschnitt C2 (Marktredwitz – Pfreimd) beantragt. Die Bundesnetzagentur hat für den hier in Rede stehenden Abschnitt C auf dem Gebiet mehrerer Gemeinden Veränderungssperren erlassen. Planfeststellungsbeschlüsse liegen noch nicht vor.

4

Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen die Bundesfachplanungsentscheidung, gegen die sie zugleich Klage erhoben haben (BVerwG 4 A 1.20). Sie machen geltend, der Ausschluss direkten Rechtsschutzes gegen die Bundesfachplanungsentscheidung in § 15 NABEG sei verfassungs-, unions- und völkerrechtswidrig. Gegen die formell und materiell rechtswidrige Bundesfachplanungsentscheidung müsse Eilrechtsschutz gewährt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht sowie dem EuGH vorgelegt werden.

5

Die Antragsteller beantragen,

1. festzustellen, dass die am 20. Januar 2020 erhobene Klage gegen die Bundesfachplanungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2019 für den Abschnitt C: Raum Hof – Raum Schwandorf des Vorhabens Nummer 5 des Bundesbedarfsplans, Az 6.07.00.02/5-2-3/25.0, aufschiebende Wirkung hat,

hilfsweise, für den Fall, dass keine aufschiebende Wirkung eingetreten sein sollte,

die aufschiebende Wirkung der am 20. Januar 2020 erhobenen Klage gegen die Bundesfachplanungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2019 für den Abschnitt C: Raum Hof – Raum Schwandorf des Vorhabens Nummer 5 des Bundesbedarfsplans, Az. 6.07.00.02/5-2-3/25.0, anzuordnen,

2. zusätzlich zu den Anträgen zu 1 festzustellen, dass die Antragsgegnerin jegliche weiteren Folgemaßnahmen, insbesondere die Fortführung des Planfeststellungsverfahrens, zu unterlassen hat, bis über die Hauptsache abschließend gerichtlich entschieden worden ist,

3. hilfsweise für den Fall, dass die Anträge zu 1 und zu 2 unzulässig sein sollten,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Fortführung des Verfahrens und die Vollziehung der Bundesfachplanungsentscheidung vom 18. Dezember 2019 für den Abschnitt C: Raum Hof – Raum Schwandorf des Vorhabens Nummer 5 des Bundesbedarfsplans, Az. 6.07.00.02/5-2-3/25.0, insbesondere die Fortführung des Planfeststellungsverfahrens auszusetzen, bis über die Hauptsache abschließend gerichtlich entschieden worden ist.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

7

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Anträge abzulehnen.

8

Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen halten die Anträge für unzulässig und treten ihnen in der Sache entgegen.

II

9

Die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes – über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 6 Satz 1 BBPlG i.V.m. §§ 80, 80a, 123 VwGO entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 4 VR 1.19 – NVwZ 2019, 1357 Rn. 13) – sind unzulässig.

10

Es kann offen bleiben, ob die Anträge zu 1 und 2 im Hinblick auf die gewählte Antragsart statthaft und die Antragsteller antragsbefugt sind. Zweifel bestehen daran schon deshalb, weil die Bundesfachplanungsentscheidung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 NABEG keine „unmittelbare Außenwirkung“ haben soll, also insbesondere keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG i.V.m. §§ 80, 80a VwGO darstellen soll. Darauf kommt es aber nicht an. Unabhängig von der Antragsbefugnis der Antragsteller und der von ihnen aufgeworfenen Frage, ob der Bundesfachplanungsentscheidung entgegen der Vorstellung des Gesetzgebers Außenwirkung zukommt sowie welcher (einfachgesetzlichen) äußeren Handlungsform sie zuzuordnen ist, steht einer Sachentscheidung jedenfalls der in § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG geregelte Ausschluss des direkten Rechtsschutzes gegen die Bundesfachplanungsentscheidung entgegen. Dies betrifft sowohl die gestellten Haupt- als auch die Hilfsanträge.

11

Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG kann die Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Bundesfachplanung nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Zulassungsentscheidung für die jeweilige Ausbaumaßnahme überprüft werden. Damit sind Rechtsbehelfe unzulässig, die sich isoliert gegen die Bundesfachplanung als prozessualen Streitgegenstand wenden und diese unmittelbar zum Gegenstand gerichtlicher Kontrolle machen. Dieser Ausschluss prinzipalen Rechtsschutzes gegen die Bundesfachplanungsentscheidung gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift unabhängig von der Verfahrensart, also hier neben den Anträgen zu 1 und zu 2 auch für die weiteren Hilfsanträge. Er betrifft Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ebenso wie Hauptsacheverfahren und erstreckt sich auf Verfahren von Individualklägern gleichermaßen wie auf Klagen kommunaler Gebietskörperschaften, d.h. hier des Antragstellers zu 1 und der Antragstellerin zu 4. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG -) gilt der Ausschluss unmittelbaren Rechtsschutzes ferner für Rechtsbehelfe nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, hier also die Anträge der Antragstellerinnen zu 2 und 3.

12

Der Ausschluss der isolierten Anfechtbarkeit der Bundesfachplanungsentscheidung in § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG und § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG ist verfassungsgemäß (1.). Auch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung dieser Bestimmungen führt nicht zur Eröffnung direkten Rechtsschutzes gegen die Bundesfachplanungsentscheidung (2.). Unionsrecht steht der Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG und § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG ebenfalls nicht entgegen (3.).

13

1. Das Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 NABEG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

14

Nach der Konzeption des Gesetzgebers ist der Planungsprozess als gestuftes Verfahren ausgestaltet: Auf der ersten Stufe erfolgt die gesetzliche Bedarfsplanung, an die sich auf der zweiten Stufe die Bundesfachplanung anschließt (§§ 4 ff. NABEG). Durch sie werden Trassenkorridore bestimmt (vgl. § 4 Satz 1 und § 5 Abs. 1 NABEG), also Gebietsstreifen, in denen die Trasse der Stromleitung verläuft (vgl. § 3 Nr. 7 NABEG). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sind diese Trassenkorridore in der Regel zwischen 500 m und 1000 m breit (BT-Drs. 17/6073 S. 19). Die Bundesfachplanung endet mit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur (§ 12 NABEG), die nach dem Willen des Gesetzgebers „keine unmittelbare Außenwirkung“ (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 1 NABEG), aber im Verhältnis zu ihr nachfolgenden Landesplanungen und Bauleitplanungen „grundsätzlich Vorrang“ (§ 15 Abs. 1 Satz 2 NABEG) haben soll. Die Bundesfachplanungsentscheidung ist für das auf der nächsten Stufe folgende Planfeststellungsverfahren nach §§ 18 ff. NABEG verbindlich (§ 15 Abs. 1 Satz 1 NABEG), lässt das Vorhaben als solches aber noch nicht zu (keine Gestattungswirkung) und kann nach § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Zulassungsentscheidung für die jeweilige Ausbaumaßnahme überprüft werden.

15

Der Gesetzgeber hat sich damit für eine Ausgestaltung des Rechtsschutzes als konzentrierten Rechtsschutz am Ende eines gestuften Verfahrens und somit für das gesetzliche Regelmodell des Rechtsschutzes entschieden, wie es in § 44a VwGO zum Ausdruck kommt und auch in der komplexen Infrastrukturplanung z.B. von Verkehrswegen üblich ist (vgl. zur Linienbestimmung nach § 16 FStrG und § 13 WaStrG die Regelung in § 47 Abs. 4 UVPG sowie BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 – 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236 <252>). Das konzentrierte Rechtsschutzmodell ist auch in solchen komplexen Verfahren nicht von vornherein verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. „Garzweiler II“ – BVerfGE 134, 242 Rn. 194). Das Verfassungsrecht gibt nicht grundsätzlich vor, auf welche Weise – durch einen phasenspezifischen oder einen konzentrierten Rechtsschutz – der gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes besser Rechnung zu tragen ist. Der Gesetzgeber kann sich aus verfassungsrechtlich zulässigen Zweckmäßigkeitserwägungen für einen konzentrierten Rechtsschutz entscheiden (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 10. September 2008 – 1 BvR 1914/02 – juris Rn. 42 und vom 24. Oktober 2017 – 1 BvR 1026/13 – juris Rn. 36 ff. und 39). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eröffnung einer Anfechtungsbefugnis auf einer frühen Verfahrensstufe in der Regel mit dem Nachteil einer entsprechenden Anfechtungslast korrespondiert (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981 – 4 C 5.78 – BVerwGE 62, 342 <350> = juris Rn. 24). Die phasenweise Abschichtung des Rechtsschutzes führt zwar regelmäßig zu einer Vorverlagerung und damit zu einer entsprechenden Effektuierung, zugleich aber auch zu einer gewissen Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine nachfolgende Entscheidung, weil potentiell Betroffene zur Vermeidung von Präklusionseffekten vielfach gehalten sein werden, bereits die angreifbaren Vorentscheidungen auf frühen Verfahrensstufen anzufechten, was seinerseits einer Rechtfertigung bedarf (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. September 2008 – 1 BvR 1914/02 – juris Rn. 42 und Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 194).

16

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber seinen Spielraum in § 15 Abs. 3 nicht überschritten. Der Ausschluss der isolierten Anfechtbarkeit der Bundesfachplanungsentscheidung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG beruht auf verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Zweckmäßigkeitserwägungen und wahrt im Zusammenspiel mit der Möglichkeit inzidenter Kontrolle im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die Zulassungsentscheidung die verfassungsrechtlichen Grenzen des gesetzgeberischen Spielraums bei der Konzeption des Rechtsschutzes in komplexen Verwaltungsverfahren.

17

Das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz bezweckt die Beschleunigung des Ausbaus der länderübergreifenden und grenzüberschreitenden Höchstspannungsleitungen (vgl. § 1 Satz 1 NABEG; BT-Drs. 17/6073 S. 1 und S. 17 ff.). Der konzentrierte Rechtsschutz stellt einen Baustein innerhalb des gesetzgeberischen Beschleunigungskonzepts dar. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG zugrundeliegende Einschätzung des Gesetzgebers, dass die Konzentration des Rechtsschutzes auf die abschließende Zulassungsentscheidung der Beschleunigung zuträglich ist, indem eine unnötige oder eventuell mehrfache Inanspruchnahme der Gerichte in derselben Sache vermieden, Prozessverzögerungen entgegengewirkt und eine effektive und zügige Erreichung des Prozesszieles gewährleistet werden kann (vgl. entsprechend zur Rechtsschutzkonzentration nach § 44a VwGO BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 – 6 C 4.09 – BVerwGE 134, 368 Rn. 21; Schoch, in: Hoffmann-Riem, Schmidt-Aßmann, Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2. Aufl. 2013, § 50 Rn. 299). Aus verfassungsrechtlicher Perspektive genügt insofern bereits die Möglichkeit einer Zweckerreichung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 1015/15 – BVerfGE 142, 268 Rn. 69 m.w.N.).

18

Das Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 NABEG wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen, die für die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes aus der kommunalen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) (a) sowie aus einem etwaigen (Verfassungs-)Recht anerkannter Umweltverbände auf effektiven „überindividuellen“ Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) (b) und aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG) (c) folgen. Auch das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Folgerichtigkeitsgebot ist entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht verletzt (d).

19

a) Das Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 NABEG trägt der kommunalen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) hinreichend Rechnung.

20

aa) Auf die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Planungshoheit kann sich nur die Antragstellerin zu 4 als Gemeinde berufen. Der Antragsteller zu 1 ist als Landkreis ein Gemeindeverband im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 – 2 BvR 1619/83 u.a. – BVerfGE 79, 127 <150 f.>). Die Norm sichert den Gemeindeverbänden – anders als Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden – keinen bestimmten Aufgabenbereich (BVerfG, Urteil vom 21. November 2017 – 2 BvR 2177/16 – BVerfGE 147, 185 = juris Rn. 85 m.w.N.). Die Aufgabenzuweisung an die Kreise obliegt vielmehr dem Gesetzgeber, der den Landkreisen keine Zuständigkeit zur Bauleitplanung zugewiesen hat (BVerwG, Beschluss vom 21. August 1995 – 4 N 1.95 – BVerwGE 99, 127 <130>). Nichts Anderes gilt für die Regionalplanung, an der der Antragsteller zu 1 beteiligt ist (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BayLPlG), denn diese ist als Teil der Landesplanung Aufgabe des Staates (Art. 1 Abs. 4 BayLPlG) und nicht der Landkreise.

21

bb) Die Planungshoheit der Gemeinde umfasst das ihr als Selbstverwaltungskörperschaft zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung zugewiesene Recht auf Planung und Regelung der Bodennutzung in ihrem Gebiet, auf das nach Maßgabe des Gesetzesvorbehalts in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG („im Rahmen der Gesetze“) eingewirkt werden darf. Sie schließt das Recht ein, sich gegen Planungen anderer Stellen zur Wehr zu setzen, die die eigene Planungshoheit beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1972 – 4 C 17.71 – BVerwGE 40, 323 <328 ff.>). Direkter Rechtsschutz gegen materielle Beeinträchtigungen der Planungshoheit bereits auf der jeweiligen Verfahrensstufe ist von Verfassungs wegen dann geboten, wenn eine entsprechende Rechtsverletzung auf dem Rechtsweg gegen die abschließende Zulassungsentscheidung nicht mehr gerügt, abgewendet und gegebenenfalls rückgängig gemacht werden kann (vgl. BVerfG <Vorprüfungsausschuss>, Beschluss vom 12. Mai 1980 – 2 BvR 1434/79 – DVBl 1981, 374). Gegen überörtliche Fachplanungen kann eine Gemeinde sich allerdings nur wehren, wenn ein Vorhaben eine hinreichend konkrete und verfestigte Planung nachhaltig stört (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – 4 C 26.94 – BVerwGE 100, 388 <394> m.w.N.), wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden; zudem ist die Planungshoheit betroffen, wenn ein Vorhaben die Umsetzung bestehender Bebauungspläne faktisch erschwert oder die in ihnen zum Ausdruck kommende städtebauliche Ordnung nachhaltig stört (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2020 – 7 B 2.20 – NVwZ 2020, 1604 Rn. 8 m.w.N.). Reine „Freihaltebelange“ unterhalb dieser Schwelle sind demgegenüber nicht durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 2019 – 4 A 1.18 – BVerwGE 165, 166 Rn. 30). Denn nur befürchtete künftige Beeinträchtigungen der kommunalen Entwicklung sowie hieraus folgende faktische Belastungen der kommunalen Planung können eine Gemeinde nicht in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen und stellen keinen rechtlich relevanten Eingriff dar, gegen den eine Gemeinde sich zur Wehr setzen kann. Die Unbeschwertheit der eigenverantwortlichen örtlichen Planungsentscheidungen von noch nicht abschließend konkretisierten überörtlichen Planungen gehört nicht zu der durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsposition der Gemeinde, sondern ist Bestandteil der dieser Rechtsposition vorgegebenen Situation (BVerfG <Vorprüfungsausschuss>, Beschluss vom 12. Mai 1980 – 2 BvR 1434/79 – DVBl. 1981, 374).

22

cc) Nach diesen Maßstäben wirkt die Bundesfachplanung auf die gemeindliche Planungshoheit nicht in einer Weise ein, die die Eröffnung isolierten Rechtsschutzes bereits auf dieser Ebene des Planungsprozesses gebietet.

23

(1) Die Bundesfachplanung entfaltet typischerweise keine faktischen Vor- oder Auswirkungen auf die städtebauliche Situation einer Gemeinde. Insbesondere löst sie keinen „Abwanderungsprozess von Menschen, Betrieben und sonstigen öffentlichen und privaten Einrichtungen“ aus, wie dies beispielsweise bei dem großflächigen Tagebau, der Gegenstand der „Garzweiler II“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (- 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 277) war, der Fall war. Mit dem Ausmaß und den sozialen und räumlichen Auswirkungen von Großvorhaben dieser Art ist die hier in Rede stehende (Grob-)Trassierung einer Höchstspannungsleitung durch die Bundesfachplanung nicht annähernd vergleichbar.

24

(2) Die Bundesfachplanungsentscheidung bewirkt auch keine Störung oder Beeinträchtigung geltender Bebauungspläne oder sonst von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützter, hinreichend konkreter und verfestigter kommunaler Planungen.

25

Soweit die Bundesfachplanung bei der Festlegung des raumverträglichen Trassenkorridors (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NABEG) eine bereits konkretisierte und verfestigte oder eine in Kraft befindliche kommunale Bauleitplanung im Wege der Abwägung überwindet (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 NABEG; vgl. BT-Drs. 19/7375 S. 70), wird diese nicht beeinträchtigt, denn die Bundesfachplanungsentscheidung entfaltet im Verhältnis zu geltenden Bauleitplänen weder einen normhierarchischen Geltungs- oder Anwendungsvorrang noch eine Anpassungspflicht (vgl. demgegenüber für Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 BauGB BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2007 – 4 BN 17.07 – ZfBR 2007, 683). Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, der Bundesfachplanung die Wirkung eines Raumordnungsziels zu verleihen (vgl. Franke/Recht, ZUR 2021, 15 <20>).

26

Da die Bundesfachplanung nach dem Willen des Gesetzgebers keine Außenwirkung hat (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 1 NABEG), können Dritte sich nicht auf sie berufen, so dass sie auch auf diesem Wege keine bodenrechtliche Wirkung entfaltet und nicht in Konkurrenz zu geltenden Bebauungsplänen tritt. Die zuständigen Bauaufsichtsbehörden dürfen die Erteilung von Baugenehmigungen nicht unter Hinweis auf die Bundesfachplanung verweigern. Eine solche Praxis, die die Antragsteller vortragen, wäre rechtswidrig.

27

Erst das Inkrafttreten einer Veränderungssperre bewirkt, dass keine Vorhaben verwirklicht werden dürfen, die einer Verwirklichung der jeweiligen Stromleitung entgegenstehen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NABEG), und dass keine sonstigen erheblichen oder wesentlich wertsteigernden Veränderungen am Grundstück oder an baulichen Anlagen auf dem Grundstück durchgeführt werden dürfen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NABEG). Die Veränderungssperre ist jedoch keine automatische Rechtsfolge der Bundesfachplanungsentscheidung, sondern eine eigenständige Maßnahme, die von der Bundesnetzagentur gesondert erlassen wird, und die ihrerseits als Allgemeinverfügung (§ 16 Abs. 3 NABEG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG) isoliert anfechtbar ist. Soweit die Bundesfachplanungsentscheidung in Gestalt einer Veränderungssperre mittelbar bodenrechtliche Wirkung erlangt, indem sie entgegenstehende geltende Bebauungspläne überlagert, kann eine Gemeinde deshalb unter Umständen zur Anfechtung der Veränderungssperre unter Berufung auf ihre Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG befugt sein. Für sich genommen erfordert die Wirkung der Bundesfachplanungsentscheidung dies hingegen nicht.

28

(3) Die Bundesfachplanungsentscheidung entzieht auch nicht wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer künftigen gemeindlichen Planung.

29

Sie wirkt allerdings insofern vorübergehend auf die Planungshoheit der Gemeinde ein, als sie nach § 15 Abs. 1 Satz 2 NABEG „grundsätzlich Vorrang vor nachfolgenden Landesplanungen und Bauleitplanungen“ hat. Dieser grundsätzliche Vorrang der Bundesfachplanung gilt jedoch nur im Zeitraum bis zur Zulassungsentscheidung (§ 24 NABEG) für die planerische Abwägung der Gemeinde, soweit diese der Bundesfachplanung zeitlich nachfolgt. Er führt jedoch weder im Hinblick auf seine rechtliche Wirkung noch hinsichtlich seiner räumlichen Reichweite zu einem Entzug der Planungshoheit für wesentliche Teile des Gemeindegebiets.

30

Bei dem Vorrang der Bundesfachplanung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 NABEG handelt es sich um eine Abwägungsdirektive und damit zugleich um eine spezielle gesetzliche Verankerung und Betonung des allgemeinen planungsrechtlichen Prioritätsgrundsatzes (vgl. zu diesem BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 – 9 VR 14.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171 = NVwZ 2003, 207 <208>). Dies folgt aus der Formulierung „grundsätzlich“ in § 15 Abs. 1 Satz 2 NABEG, die darauf hindeutet, dass der Vorrang der Bundesfachplanung zwar im Regelfall gelten soll, in Ausnahmefällen jedoch auch der Landes- und Bauleitplanung höheres Gewicht zukommen kann. Damit setzt die Feststellung des Vorrangs der Bundesfachplanung eine Abwägungsentscheidung voraus (vgl. Kümper, NVwZ 2014, 1409 <1413>; de Witt, in: Theobald/Kühling, Energierecht, Stand September 2020, § 15 NABEG Rn. 6). Auch die ähnlich formulierte Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 3 FStrG, an der sich der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 15 Abs. 1 Satz 2 NABEG orientiert hat (vgl. BT-Drs. 17/6366 S. 19), ist der Abwägung zuzuordnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – 4 C 26.94 – BVerwGE 100, 388 <394>). § 15 Abs. 1 Satz 2 NABEG richtet sich demnach als Abwägungsdirektive an die gemeindliche Bauleitplanung im Zeitraum zwischen der Bundesfachplanungs- und der Zulassungsentscheidung, um trotz des gesetzlichen Ausschlusses der Außenwirkung (§ 15 Abs. 3 Satz 1 NABEG) „zu verhindern, dass ein festgelegter Trassenkorridor vor der Entscheidung nach § 24 NABEG durch Festlegung von entgegenstehenden Landes- oder Ortsplanungen undurchführbar wird“ (BR-Drs. 11/19 S. 85 f.; so auch BT-Drs. 19/7375 S. 75).

31

Der grundsätzliche Vorrang der Bundesfachplanung führt nicht dazu, dass ein wesentlicher Teil des Gemeindegebiets „der Planung entzogen“ wird. Es bestehen bereits Zweifel, ob ein Trassenkorridor mit einer Breite von 500 bis 1000 m typischerweise „wesentliche“ Teile des Gebiets einer Gemeinde umfasst. Jedenfalls aber entzieht die Bundesfachplanung die betreffende Fläche nicht „gänzlich der durchsetzbaren Planung“ (vgl. zu diesem Maßstab auch BVerwG, Urteil vom 11. April 1986 – 4 C 51.83 – BVerwGE 74, 124 <132>; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 – 2 BvR 584/76 u.a. – BVerfGE 56, 298 = juris Rn. 52). Das Gebot vorrangiger Berücksichtigung der Bundesfachplanung verlangt von der Gemeinde lediglich, vorübergehend entgegenstehende Planungen innerhalb des Trassenkorridors aufzuschieben. Das Gewicht der damit verbundenen Einwirkung der Bundesfachplanung auf die gemeindliche Planungshoheit nimmt im Verlauf des weiteren Planungsprozesses zeitnah ab. Denn der Trassenverlauf der Höchstspannungsleitung wird im Planfeststellungsverfahren – das sich typischerweise unmittelbar an die Bundesfachplanungsentscheidung anschließt (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 4 NABEG) – fortlaufend weiter konkretisiert. Flächen, die während des Planfeststellungsverfahrens als Alternative für den Verlauf der Trasse ausgeschieden werden, kann die Gemeinde daher in der Regel bereits vor Ergehen der Zulassungsentscheidung wieder überplanen, ohne dabei das Gebot der vorrangigen Berücksichtigung der Bundesfachplanung zu verletzen.

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Das grundsätzliche Gebot des Vorrangs der Bundesfachplanung bewirkt mithin nicht die von der Antragstellerin zu 4 befürchtete großräumige „Planungssperre“, sondern lediglich eine der Planungshoheit vorgegebene, von der Gemeinde hinzunehmende vorübergehende Planungsverzögerung.

33

b) Es kann offen bleiben, ob der Schutz von Art. 19 Abs. 4 GG auch anerkannten Umweltverbänden wie hier den Antragstellerinnen zu 2 und 3 bei der Wahrnehmung überindividuellen Rechtsschutzes zugute kommt (ebenfalls offen gelassen von BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2018 – 9 A 12.17 – DVBl 2018, 585 Rn. 11 und von BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juli 2018 – 1 BvR 1401/18 – NVwZ 2018, 1466 Rn. 3). Jedenfalls gewährleistet das konzentrierte Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 NABEG sowohl bei Verfahrensfehlern (aa) als auch bei Verstößen der Bundesfachplanungsentscheidung gegen materielles Umweltrecht (bb) hinreichend effektiven Rechtsschutz.

34

aa) In Bezug auf Verfahrensfehler – vor allem mit Blick auf die nach § 5 Abs. 7 NABEG durchzuführende Strategische Umweltprüfung (SUP) sowie die darauf bezogenen Beteiligungsrechte von anerkannten Umweltvereinigungen – führt § 15 Abs. 3 NABEG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG nicht zu einer eigenständigen verfassungsrelevanten Verringerung des Sanktionsniveaus.

35

Für Verfahrensrechte gilt bereits aufgrund von § 44a VwGO der Grundsatz konzentrierten Rechtsschutzes. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen oder Klagen auf deren Durchführung nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid vom 6. November 2019 – 4 A 2.19 – juris). Rechtsschutz gegen die Verletzung von Verfahrensrechten wird somit grundsätzlich – sofern nicht ein absolutes Verfahrensrecht besteht, das ausnahmsweise selbständig eingeklagt werden kann (vgl. zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG in der bis 2002 geltenden Fassung BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 C 7.88 – BVerwGE 87, 62 <69 ff.>) – nicht isoliert während des laufenden Verwaltungsverfahrens, sondern erst nachträglich im Rahmen der Anfechtung der Sachentscheidung gewährt. Der Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler kommt in gewissem Sinne daher stets „zu spät“.

36

Die Entscheidung des Gesetzgebers, Verfahrensrechte nicht isoliert einklagbar auszugestalten, sondern die Sanktionslast für ihre Verletzung einer nachfolgenden Sachentscheidung zuzuweisen und zugleich den Bestand dieser Sachentscheidung nur eingeschränkt – nämlich lediglich bei ergebniskausalen, nicht geheilten und nicht behebbaren oder absoluten Verfahrensfehlern – in Frage zu stellen, wird nicht in § 15 Abs. 3 NABEG und § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG getroffen, sondern diesen vorausgehend in § 44a VwGO sowie in §§ 45, 46, 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG und § 4 UmwRG. Diese Vorschriften fänden unbeschadet der Frage, ob das durch sie gewährleistete Sanktionsniveau seinerseits den Anforderungen von Art. 19 Abs. 4 GG genügt (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 BvR 1026/13 – DVBl 2018, 175 Rn. 43 ff.), auch im Falle der Eröffnung direkten Rechtsschutzes gegen die Bundesfachplanungsentscheidung Anwendung. Denn für Verfahrensfehler bei der Bundesfachplanungsentscheidung, die zu den „Plänen und Programmen“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG gehört, gilt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 UmwRG der Ausschluss isolierten Rechtsschutzes gemäß § 44a VwGO. Darüber hinaus findet nach § 4 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG das Fehlerfolgenregime des § 4 Abs. 1 und 2 UmwRG Anwendung. Demnach können nicht entscheidungserhebliche relative Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich sein und beachtliche Verfahrensfehler geheilt werden (§ 4 Abs. 1b UmwRG).

37

Für Verfahrensfehler beschränkt sich der Regelungsgehalt von § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG folglich darauf, der abschließenden Zulassungsentscheidung (anstelle der Bundesfachplanungsentscheidung) die Sanktionslast für Verfahrensfehler zuzuweisen. Die Bindungswirkung der Bundesfachplanungsentscheidung für das Planfeststellungsverfahren (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 NABEG) gewährleistet dabei, dass absolute oder ergebnisrelevante Verfahrensfehler des Bundesfachplanungsverfahrens, die nicht geheilt wurden und nicht behoben werden können, nach Maßgabe der allgemeinen Regeln (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 NABEG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG; § 4 UmwRG) auf die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentscheidung „durchschlagen“.

38

bb) Das Konzept des konzentrierten Rechtsschutzes in § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG unterliegt auch in Bezug auf seine Effektivität bei Verletzungen des materiellen Umweltrechts keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

39

Die Bundesfachplanung selbst hat noch keine tatsächlichen Umweltauswirkungen; diese entstehen erst durch die Errichtung und den Betrieb der planfestgestellten Höchstspannungsleitung. Der Rechtsschutz gegen Verletzungen des materiellen Umweltrechts ist ohne Schaden für Natur und Umwelt im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung möglich, da das Vorhaben zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht vollzogen ist und auch materielle Fehler der Bundesfachplanungsentscheidung aus den dargelegten Gründen auf die Zulassungsentscheidung „durchschlagen“.

40

Vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses besteht ein Bauverbot, denn der Planfeststellungsvorbehalt in § 18 Abs. 1 NABEG ist ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1982 – 4 C 26.78 – BVerwGE 64, 325 <328> m.w.N.). Der Planfeststellungsbeschluss ist zwar gemäß § 18 Abs. 5 NABEG i.V.m. § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG sofort vollziehbar. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines hiergegen eingelegten Rechtsbehelfs – in dessen Rahmen die Rechtmäßigkeit der Bundesfachplanung kontrolliert wird – kann aber nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt werden.

41

Die mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706) geschaffene Regelung zur Zulassung des vorzeitigen Baubeginns in § 44c EnWG ändert an der fehlenden tatsächlichen Vollzugsmöglichkeit vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nichts, da sie nach § 44c Abs. 1 EnWG unter anderem zur Voraussetzung hat, dass der Vorhabenträger grundsätzlich nur reversible Maßnahmen durchführt (§ 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnWG) und über die für die beabsichtigten Maßnahmen notwendigen privaten Rechte verfügt (§ 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EnWG). Dies wird auch in Anbetracht der Möglichkeiten zur vorzeitigen Besitzeinweisung und vorzeitigen Enteignung nach § 27 NABEG – da diese Maßnahmen jeweils nur unter der aufschiebenden Bedingung des Planfeststellungsbeschlusses ergehen (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 NABEG) – nicht vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses der Fall sein.

42

c) Das Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 NABEG ist auch mit dem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) – auf das sich im Übrigen keiner der Antragsteller berufen kann – vereinbar.

43

aa) Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes stellt ein wesentliches Element der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dar (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 190 und Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 BvR 1026/13 – NVwZ 2018, 573 Rn. 35). Der grundrechtlich gewährleistete Rechtsschutz bedarf allerdings der gesetzlichen Ausgestaltung, für die Art. 19 Abs. 4 GG dem Gesetzgeber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum lässt (vgl. oben II.1.). Dieser Spielraum stößt an die Grenzen von Art. 14 Abs. 1 GG, wenn der Rechtsschutz durch die Ausgestaltung des zur Enteignung führenden Verwaltungsverfahrens unmöglich gemacht, unzumutbar erschwert oder faktisch entwertet wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 191 f. m.w.N. und Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 BvR 1026/13 – Rn. 35 f. Insofern gelten sowohl für gestufte Rechtsschutzkonzepte bei „echter“ Verfahrensstufung (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 – 1 BvR 857/07 – BVerfGE 129, 1 = juris Rn. 101 ff.) als auch für konzentrierte Rechtsschutzkonzepte jeweils spezifische verfassungsrechtliche Anforderungen. In besonders gelagerten Einzelfällen kann Art. 19 Abs. 4 GG einen gestuften, phasenbegleitenden Rechtsschutz gebieten (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 219 ff. sowie Kammerbeschlüsse vom 10. September 2008 – 1 BvR 1914/02 – juris Rn. 42 und vom 24. Oktober 2017 – 1 BvR 1026/13 – juris Rn. 39). Das Verwaltungsverfahren und die gerichtliche Kontrollbefugnis müssen im Falle des konzentrierten Rechtsschutzes so beschaffen sein, dass auch in umfangreichen und langwierigen Verwaltungsverfahren eine umfassende und effektive Prüfung des abschließenden Eingriffsakts, einschließlich ihn tragender, von den Betroffenen aber nicht selbständig angreifbarer Vorentscheidungen, gewährleistet ist (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 194).

44

Von vorgelagerten Planungsstufen, die dem Individualrechtsschutz nicht zugänglich sind, dürfen keine irreversiblen, nachteiligen Rechtswirkungen für den betroffenen Bürger ausgehen. Bestandskraftfähige Teilentscheidungen müssen deshalb anfechtbar sein, soweit sie eine konkrete Betroffenheit des Eigentumsgrundrechts auslösen und den privaten Einzelnen in seinen Rechten verletzen können (vgl. Wahl, DÖV 1975, 373 <379>). Soweit erst die zur Außenverbindlichkeit führende Entscheidung auf der letzten Konkretisierungsstufe, der Zulassungsebene, den privaten Einzelnen in seinen Rechten verletzen kann, dürfen ihm Vorentscheidungen auf anderen Planungsebenen, die diese Rechtsverletzung vorbereiten, nicht als unangreifbar entgegengehalten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 83).

45

Ist eine umfassende, inzidente Kontrolle des angegriffenen Hoheitsakts zwar rechtlich vorgesehen, insbesondere mit Rücksicht auf die Dauer und Komplexität der Verwaltungsverfahren aber realistischerweise regelmäßig nicht zu erwarten, ist dies mit Art. 14 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht vereinbar. Dies ist der Fall, wenn Rechtsschutz erst zu einem Zeitpunkt eröffnet wird, zu dem im Hinblick auf Vorfestlegungen oder den weitgehenden tatsächlichen Vollzug des zugrunde liegenden Vorhabens eine grundsätzlich ergebnisoffene Überprüfung aller Enteignungsvoraussetzungen nicht mehr erwartet werden kann, oder wenn zu dem Zeitpunkt des Rechtsschutzes selbst bei Erfolg des Begehrens die Verletzung des Eigentums regelmäßig nicht mehr verhindert und auch nicht rückgängig gemacht werden kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 194).

46

bb) Gemessen an diesen Maßstäben steht § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG mit den aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen an den Rechtsschutz gegen Eigentumseingriffe in Einklang.

47

(1) Mit einer Entscheidung nach § 12 NABEG wird nicht in das Eigentumsgrundrecht eingegriffen.

48

(a) Die Bundesfachplanungsentscheidung hat keine Gestattungs- oder enteignungsrechtliche Vorwirkung und enthält auch keine sonstige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne einer Regelung in Bezug auf konkrete Grundstücke. Weder räumlich noch inhaltlich löst sie deren konkrete Betroffenheit aus.

49

In räumlicher Hinsicht wird mit der Bundesfachplanungsentscheidung lediglich ein Trassenkorridor bestimmt (§ 5 Abs. 1 NABEG), der in der Regel 500 m bis 1000 m breit ist (BT-Drs. 17/6073 S. 19). Die genaue Lage der geplanten Höchstspannungsleitung wird dabei noch nicht parzellenscharf festgelegt. Die Bundesfachplanung enthält keine abschließende Entscheidung in Bezug auf einen Verlauf der Trasse auf konkreten Grundstücken. Auch eine inhaltliche Betroffenheit (vgl. dazu Wahl, DÖV 1975, 373 <378>) bewirkt die Bundesfachplanung nicht. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NABEG hat sie zwar die entgegenstehenden Belange Dritter zu berücksichtigen, die Betroffenheit des erforderlichen Grundeigentums kann sie aber nur ebenenspezifisch im Sinne eines „Korridormaßstabs“ (vgl. Durner, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl. 2016, Kap. 102 Rn. 86) einstellen. Veranschaulicht wird dies durch die Berechnung der Antragsteller, wonach nur 6 % der Fläche der hier in Streit stehenden Bundesfachplanungsentscheidung von der späteren Planfeststellung umfasst sind.

50

Soweit die Bundesfachplanungsentscheidung den Erlass einer Veränderungssperre ermöglicht, ist diese nicht ihre automatische Rechtsfolge, sondern eine eigenständige Maßnahme, die ihrerseits als Allgemeinverfügung der direkten Anfechtung unterliegt (§ 16 Abs. 3 NABEG; vgl. oben).

51

(b) Die Bundesfachplanungsentscheidung entfaltet auch keine rechtliche Vorwirkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sie unterscheidet sich grundlegend von der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nach dem Bundesberggesetz, die Gegenstand der „Garzweiler II“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 278) war. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht den Rahmenbetriebsplan wegen des Gewichts und der Dauerhaftigkeit der durch ihn herbeigeführten nachteiligen Veränderungen als „funktionales Äquivalent“ zu einem Eingriff in das Eigentum angesehen. Er enthalte zu Lasten der betroffenen Eigentümer die Feststellung der grundsätzlichen Zulassungsfähigkeit des Tagebauvorhabens und überwinde mit Wirkung für die weiteren Schritte der Betriebsplanung entgegenstehende Eigentümerinteressen als Teil der zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen. Zudem stehe für inmitten des Abbaugebiets liegende Grundstücke deren Inanspruchnahme mit seinem Erlass fest. Bereits mit der Entscheidung über den Rahmenbetriebsplan werde in den von einem Tagebau betroffenen Gemeinden der „Abwanderungsprozess von Menschen, Betrieben und sonstigen öffentlichen und privaten Einrichtungen angestoßen“, der zu einer „zunehmend massiven Veränderung des mit einem Wohneigentum verbundenen sozialen und städtebaulichen Umfelds führt, so dass angesichts der vollständigen Beseitigung der sozialen Bezüge des Wohneigentums bereits zu diesem Zeitpunkt das Eigentum nachhaltig beeinträchtigt ist“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 276 ff.).

52

Wie ausgeführt, entfaltet die Bundesfachplanungsentscheidung solche Wirkungen nicht, insbesondere steht mit ihrem Erlass die Inanspruchnahme der innerhalb des Trassenkorridors gelegenen Grundstücke noch nicht fest.

53

(c) Bewirkt die Bundesfachplanung nach alledem keinen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht, so führt das Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht zu einem verfassungsrelevanten Rechtsschutzausfall zulasten solcher Eigentümer, deren Grundstücke im Zuge der nachfolgenden Konkretisierung der Trassenauswahl ausscheiden. Diesen Grundstückseigentümern fehlt es regelmäßig bereits an einer materiellen Rechtsposition, die einen Anspruch auf die Gewährung von (direktem oder inzidentem) Rechtsschutz überhaupt auslösen könnte. Der Einzelne hat einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nur insoweit, als ihm die jeweils gegebene Rechtslage eine Rechtsposition einräumt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juni 1998 – 1 BvR 650/97 u.a. – juris Rn. 12 m.w.N.). Das Eigentumsgrundrecht schützt jedoch nicht vor möglichen oder wahrscheinlichen Eingriffen.

54

(2) Die inzidente Kontrolle der Bundesfachplanung im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung ist hinreichend effektiv.

55

(a) Von dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz erhofft sich der Gesetzgeber eine Verkürzung der Verfahrensdauer bis zum Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses von zuvor acht bis zehn Jahren auf künftig vier bis fünf Jahre (vgl. BT-Drs. 17/6073 S. 5). Die daran ausgerichtete Verfahrensgestaltung lässt unter dem Blickwinkel von Art. 19 Abs. 4 GG die Absehbarkeit der inzidenten Kontrolle der Bundesfachplanung erwarten. Die Bundesnetzagentur ist verpflichtet, den Vorhabenträger nach Abschluss der Bundesfachplanung durch Bescheid aufzufordern, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist den erforderlichen Antrag auf Planfeststellung zu stellen (§ 12 Abs. 2 Satz 4 NABEG). Dies gewährleistet, dass das Planfeststellungsverfahren in der Regel innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach Abschluss der Bundesfachplanung beginnt. Der zeitliche Ablauf des Planfeststellungsverfahrens wird seinerseits gesteuert durch detaillierte gesetzliche Fristvorgaben (vgl. z.B. § 21 Abs. 5 Satz 1 und § 22 Abs. 1 bis 6 NABEG). Eine äußerste zeitliche Grenze markiert § 15 Abs. 2 NABEG, wonach die Geltungsdauer der Bundesfachplanungsentscheidung auf zehn bzw. – nach Verlängerung der Frist durch die Bundesnetzagentur – höchstens 15 Jahre befristet ist.

56

(b) Die nach § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG eröffnete Inzidentkontrolle ist von Gesetzes wegen „ergebnisoffen“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 194) konzipiert. Im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung unterliegt die Bundesfachplanung der Rechtmäßigkeitskontrolle in einem Umfang, der nicht geringer ist, als es bei direkter Anfechtbarkeit der Bundesfachplanungsentscheidung der Fall wäre. Die strikte Bindungswirkung der Bundesfachplanung für die Zulassungsentscheidung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 NABEG) führt dabei dazu, dass Fehler auf die Ebene der Vorhabenzulassung „durchschlagen“ und im Rahmen des hiergegen eröffneten Rechtsbehelfs grundsätzlich ohne Einbuße gerichtlich überprüfbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 83). Zudem ist eine Präklusion von Einwendungen, die für die Rechtmäßigkeit der Bundesfachplanungsentscheidung von Bedeutung sind, ausgeschlossen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 3 NABEG).

57

(c) Die ergebnisoffene Überprüfung der Bundesfachplanungsentscheidung im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung ist auch nicht faktisch ausgeschlossen.

58

Wie bereits ausgeführt, ist die inzidente Kontrolle der Bundesfachplanungsentscheidung nach der Konzeption des § 15 Abs. 3 NABEG bereits vor der Verwirklichung der Höchstspannungsleitung eröffnet. Sie trifft also nicht auf eine tatsächliche „Projektlage“, die keinen Korrekturen mehr zugänglich und bei der das Gesamtvorhaben „bereits seit langem ins Werk gesetzt“ ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 u.a. – BVerfGE 134, 242 Rn. 222 ff. und 317; vgl. auch zum tatsächlichen Hintergrund der „Garzweiler II“-Entscheidung ebd., Rn. 16, 21 und 49 f.). Soweit Vorbereitungs- und Sicherungsmaßnahmen bereits im Vorfeld der Zulassungsentscheidung eigenständige Eingriffe in das Eigentumsgrundrecht enthalten, hat der Gesetzgeber dem Eingriffscharakter dieser Maßnahmen Rechnung getragen, indem sie jeweils isoliert anfechtbar sind. Dies betrifft beispielsweise Vorbereitungsmaßnahmen nach § 18 Abs. 5 NABEG i.V.m. § 44 EnWG (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2020 – 4 VR 4.20 – juris) und die vorzeitige Besitzeinweisung und Enteignung (§ 27 Abs. 1 und 2 NABEG) sowie die Veränderungssperre gemäß § 16 NABEG.

59

Die Befürchtung der Antragsteller, die Möglichkeit einer abschnittsweisen Planfeststellung in Kombination mit der Rechtsschutzkonzentration könne eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes durch Festlegung von „Zwangspunkten“ zur Folge haben, ist unbegründet. Die abschnittsweise Planfeststellung führt gegebenenfalls zu einer mehrfachen inzidenten Kontrolle der Bundesfachplanungsentscheidung. Hierdurch wird der Rechtsschutz betroffener Eigentümer jedoch nicht verkürzt, sondern um Rechtsschutz gegen den „früheren“ Abschnitt erweitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 2000 – 4 B 47.00 – NVwZ 2001, 800 und Urteil vom 25. Januar 2012 – 9 A 6.10 – Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 21 m.w.N.). Zudem unterliegt die Abschnittsbildung der materiellen gerichtlichen Kontrolle darauf, ob sie dem Grundsatz umfassender Problembewältigung gerecht werden kann oder ein gebildeter Streckenabschnitt vor dem Hintergrund der Gesamtplanung der eigenen sachlichen Rechtfertigung entbehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 4 A 4.15 – BVerwGE 157, 73 Rn. 26; zur Zumutbarkeit der Klage gegen mehrere Planfeststellungen BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2017 – 4 A 11.16 u.a. – BVerwGE 159, 121 Rn. 35 und vom 18. Juni 2020 – 3 C 3.19 – NVwZ 2020, 1663 Rn. 59).

60

Der erhebliche zeitliche und wirtschaftliche Aufwand für das Bundesfachplanungsverfahren und die fehlende Möglichkeit zur einfachen „Fehlerkorrektur“ im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens führen ebenfalls nicht zu einer faktischen Vorfestlegung. Zwar schließt die Bindungswirkung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 NABEG die Heilung von Fehlern durch das Planfeststellungsverfahren aus; gegebenenfalls muss die Bundesfachplanungsentscheidung geändert werden (vgl. zur Planergänzung und zum ergänzenden Verfahren § 15 Abs. 3 Satz 3 NABEG i.V.m. § 75 Abs. 1a VwVfG). Dies sowie das Risiko, dass im Rahmen einer relativ späten gerichtlichen Inzidentkontrolle – nämlich erst nach Abschluss des mehrstufigen, sehr aufwändigen und komplexen Planungsprozesses – ein zur Rechtswidrigkeit der Bundesfachplanungsentscheidung führender Mangel erkannt wird, hat der Gesetzgeber unter Inanspruchnahme seines rechtspolitischen Spielraums bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzkonzepts der Allgemeinheit und den Vorhabenträgern zugewiesen. Ein faktisches Hemmnis für die Gerichte, die Rechtmäßigkeit der Bundesfachplanungsentscheidung ergebnisoffen zu kontrollieren, erwächst aus dieser Risikoverteilung nicht.

61

d) Soweit die Antragsteller geltend machen, es liege eine unzulässige Ungleichbehandlung des Verfahrens für die Planung von Höchstspannungsleitungen nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz im Vergleich mit der Planung für atomare Endlager nach dem Standortauswahlgesetz vom 5. Mai 2017 (StandAG, BGBl. I S. 1074) vor, rügen sie sinngemäß eine Verletzung des sogenannten Folgerichtigkeitsgebots. Es besteht jedoch kein Anlass, diesen speziell für das Rechtsregime des Steuerrechts als Ausprägung des Gebots der Abgabengleichheit entwickelten Maßstab (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – BVerfGE 138, 136 Rn. 123) auf den Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung von Rechtsschutzkonzepten anzuwenden. Im Übrigen liegt in der unterschiedlichen Behandlung von Energieleitungen und atomaren Endlagern keine rechtfertigungsbedürftige Systemwidrigkeit. Die Bundesfachplanung zielt auf ein Netz linienförmiger Höchstspannungsleitungen und ähnelt darin anderen linienförmigen Infrastrukturvorhaben wie z.B. Verkehrswegen (vgl. BT-Drs. 17/6366 S. 19). Damit ist die Standortauswahl für ein atomares Endlager für hochradioaktive Abfälle, das die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahre gewährleisten soll (§ 1 Abs. 2 Satz 2 StandAG; BT-Drs. 18/11398 S. 1) und auf besondere geologische Verhältnisse angewiesen ist, nicht annähernd vergleichbar.

62

e) Nach alledem ist der Ausschluss direkten Rechtsschutzes gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG verfassungsgemäß. Die von den Antragstellern begehrte Nichtanwendung der Norm im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens zur Vorlage der Vorschrift an das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht angezeigt.

63

Auf die von den Antragstellern aufgeworfene Frage, ob der Bundesfachplanungsentscheidung entgegen der Vorstellung des Gesetzgebers Außenwirkung zukommt und welcher (einfachgesetzlichen) äußeren Handlungsform sie dementsprechend zuzuordnen ist, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Der Gesetzgeber kann die Sanktionslast für die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme im Wege der Rechtsschutzkonzentration einer anderen, nachfolgenden Sachentscheidung zuweisen, sofern dem höherrangiges Recht nicht entgegensteht. Dies gilt grundsätzlich auch für außenwirksame Handlungen (vgl. zur Anwendbarkeit von § 44a VwGO auf Verwaltungsakte BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 C 16.15 – NVwZ 2017, 489 Rn. 19 und Beschluss vom 9. Mai 2019 – 4 VR 1.19 – juris Rn. 17).

64

2. Die völkerrechtsfreundliche Auslegung von § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG und § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG – die dem Zweck von § 1 UmwRG Rechnung trägt, Art. 9 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 (Aarhus-Konvention – AK -, BGBl. 2006 II S. 1251) sowie den Compliance-Beschluss V/9h der 5. Vertragsstaatenkonferenz der Aarhus-Konvention vom 2. Juli 2014 vollständig in das deutsche Recht umzusetzen (vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 32; BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2017 – 9 C 2.16 – BVerwGE 159, 95 Rn. 17 und vom 23. Juni 2020 – 9 A 22.19 – NVwZ 2021, 152 Rn. 18) – führt ebenfalls nicht zu einer direkten Anfechtbarkeit der Bundesfachplanungsentscheidung.

65

Weder Art. 9 Abs. 2 AK (a) noch Art. 9 Abs. 3 und 4 AK (b) gebieten die Eröffnung unmittelbaren Rechtsschutzes der Antragsteller gegen die Bundesfachplanungsentscheidung.

66

a) Der Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 AK ist nicht eröffnet. Die Bestimmung betrifft nur die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, für die Art. 6 AK und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen der Aarhus-Konvention gelten.

67

Nach Art. 6 Abs. 1 AK wendet jede Vertragspartei diese Vorschrift bei Entscheidungen darüber an, ob die in Anhang I AK aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden (Buchst. a), und wendet diesen Artikel in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht auch bei Entscheidungen über nicht in Anhang I AK aufgeführte geplante Tätigkeiten an, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können (Buchst. b). Art. 6 Abs. 1 AK bezieht sich damit allgemein auf „Entscheidungen“ über die genannten Tätigkeiten, mit denen festgestellt wird, dass diese ausgeführt werden dürfen, d.h. auf Zulassungs- bzw. Genehmigungsentscheidungen. Die Bundesfachplanungsentscheidung ist keine Zulassungsentscheidung in diesem Sinne.

68

b) Auch Art. 9 Abs. 3 AK verlangt keine direkte Anfechtbarkeit der Bundesfachplanung. Nach Art. 9 Abs. 3 AK stellt jede Vertragspartei zusätzlich und unbeschadet der in den Art. 9 Abs. 1 und 2 AK genannten Überprüfungsverfahren sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

69

Die konkrete Ausgestaltung des Rechtsschutzes gehört zu den „etwaige[n] in … innerstaatlichem Recht festgelegte[n] Kriterien“ im Sinne dieser Bestimmung und fällt als solche in den grundsätzlich bestehenden Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes (vgl. zum Gestaltungsspielraum bei Art. 9 Abs. 3 AK EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect – NVwZ 2018, 225 Rn. 48), indem sie die Voraussetzung der Klagefähigkeit von Mitgliedern der Öffentlichkeit regelt. Insofern verlangt Art. 9 Abs. 3 AK zwar den Zugang der Öffentlichkeit zu gerichtlichen Verfahren zur Anfechtung von Handlungen und Unterlassungen, die gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verstoßen und gebietet grundsätzlich auch den Zugang zur Kontrolle von Plänen und Programmen wie der Bundesfachplanung. Die Bestimmung schreibt aber nicht vor, wie diese Verfahren ausgestaltet sein müssen und erlaubt damit grundsätzlich einen konzentrierten Rechtsschutz wie er in § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG vorgesehen ist.

70

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Spruchpraxis des Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC), die bei der Auslegung der Aarhus-Konvention als Orientierungshilfe herangezogen werden kann. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist insbesondere dem Bericht des ACCC, der im Rahmen der Begleitung der Novellierung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes entstanden ist (ACCC, Report of the Compliance Committee, Compliance by Germany with its obligations under the Convention, 31. Juli 2017, ECE/MP.PP/2017/40), keine Konventionswidrigkeit des konzentrierten Rechtsschutzkonzepts des § 15 Abs. 3 NABEG zu entnehmen.

71

Nach den Ausführungen des ACCC (Rn. 39) macht Art. 9 Abs. 3 AK „keine Vorgaben, auf welcher Verfahrensstufe ein Akt kontrolliert werden muss“. Soweit die Antragsteller einwenden, dies gelte nur für solche Pläne und Programme, die nicht SUP-pflichtig seien, überzeugt ihre Argumentation nicht. Die zitierte Passage betrifft zwar nur Pläne und Programme, die nicht SUP-pflichtig sind. Dieser Bezugspunkt stellt aber keine inhaltliche Einschränkung der allgemeinen Aussage dar, sondern dient im konkreten textlichen Zusammenhang lediglich der Abgrenzung zu solchen SUP-pflichtigen Plänen und Programmen, für die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG bereits direkter Rechtsschutz eröffnet ist, so dass sich insoweit die Frage nach der Zulässigkeit inzidenten Rechtsschutzes nicht stellte (vgl. ACCC, a.a.O. Rn. 37).

72

Dass die Aarhus-Konvention auch in Bezug auf SUP-pflichtige Pläne und Programme nicht vorgibt, auf welcher Verfahrensstufe Rechtsschutz stattfinden muss, stellt das ACCC zudem unter Rn. 43 seines Berichts im Zusammenhang mit konkreten Ausführungen zu dem Ausschluss direkten Rechtsschutzes in § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG durch einen Verweis auf die allgemeine Aussage aus Rn. 39 des Berichts klar. Eine inzidente Kontrolle von SUP-pflichtigen Plänen oder Programmen im Rahmen der Überprüfung einer nachfolgenden, konkretisierenden Entscheidung („downstream decision“), wie § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG sie vorsieht, kann demnach angemessen sein (vgl. ACCC, a.a.O. Rn. 43). Ein Ausschluss prinzipaler Kontrolle ist aus Sicht des ACCC allerdings bedenklich, wenn keine anfechtbaren Entscheidungen nachfolgen, oder wenn eine inzidente Kontrolle im Rahmen der nachfolgenden Entscheidungen nicht stattfindet (vgl. ACCC, a.a.O. Rn. 39).

73

In Anwendung dieser Maßstäbe hat das ACCC in seinem Bericht vom 31. Juli 2017 festgehalten, ihm lägen keine speziellen Informationen vor, die belegten, dass die Möglichkeiten inzidenten Rechtsschutzes gegen die Pläne und Programme nach § 15 Abs. 3 NABEG unzureichend seien (ACCC, a.a.O. Rn. 43). Soweit das ACCC ausführt, es verblieben „Unsicherheiten“ (vgl. ACCC, a.a.O. Rn. 43) dürfte dies darauf zurückzuführen sein, dass dem ACCC eine detaillierte Überprüfung der Effektivität der inzidenten Kontrolle nach § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG aufgrund der fehlenden Informationen über deren konkrete Ausgestaltung nicht möglich war. Dies hinderte es allerdings nicht an der Feststellung, die Bundesrepublik Deutschland habe ihre Verpflichtung erfüllt (ACCC, a.a.O. Rn. 43).

74

In Anbetracht der konkreten Ausgestaltung des inzidenten Rechtsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG ist das Rechtsschutzkonzept auch mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 und 4 AK nicht zu beanstanden. Die inzidente Kontrolle der Bundesfachplanung ist ausreichend effektiv, denn nach dem Rechtsschutzkonzept des § 15 NABEG entfaltet die Bundesfachplanungsentscheidung keine Bestandskraft. Durch sie werden weder rechtlich noch tatsächlich irreversible Tatsachen geschaffen. Zudem unterliegt ihre Rechtmäßigkeit der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die abschließende Zulassungsentscheidung zu einem Zeitpunkt, in dem das Vorhaben typischerweise noch nicht verwirklicht ist. Eine Präklusion von Einwendungen gegen die Bundesfachplanungsentscheidung ist dabei ausgeschlossen.

75

3. Unionsrecht steht der Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG und § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG ebenfalls nicht entgegen. Das Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 NABEG steht offenkundig mit unionsrechtlichen Anforderungen in Einklang. Weder aus der SUP-Richtlinie und dem Gebot ihrer praktischen Wirksamkeit (a) noch aus Art. 47 GrCh i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK (b) folgt ein Anspruch der Antragsteller auf unmittelbaren Rechtsschutz gegen die angegriffene Bundesfachplanungsentscheidung.

76

a) Bei der Bundesfachplanung, die zwar keiner Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), aber gemäß § 5 Abs. 7 NABEG einer strategischen Umweltprüfung (SUP) unterliegt, handelt es sich um einen „Plan“ oder ein „Programm“ im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung von Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie, ABl. L 197 S. 30).

77

Die SUP-Richtlinie enthält zwar Beteiligungsrechte für das Verwaltungsverfahren (vgl. Art. 6 Abs. 2 SUP-Richtlinie), aber – anders als die für bestimmte Projekte geltende Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie, ABl. 2012 L 26 S. 1) – keine speziellen Anforderungen an den Rechtsschutz (vgl. auch EuGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – C-41/11 [ECLI:EU:C:2012:103], Inter-Environnement Wallonie – NVwZ 2012, 553 Rn. 42). Sie wurde nicht in den Anwendungsbereich der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie einbezogen (Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. L 156 S. 17), mit der die Rechtsschutzanforderungen von Art. 9 Abs. 2 und 4 AK u.a. für die UVP-Richtlinie umgesetzt wurden (vgl. Art. 1 Buchst. b sowie Erwägungsgründe 9 und 11 der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie).

78

Allerdings müssen die Mitgliedstaaten auch im Anwendungsbereich der SUP-Richtlinie aufgrund des unionsrechtlichen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, damit sämtliche Pläne und Programme, die erhebliche Umweltauswirkungen im Sinne der SUP-Richtlinie haben können, vor ihrer Annahme Gegenstand einer Umweltprüfung gemäß den von dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrensmodalitäten und Kriterien sind (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – C-41/11 -, Inter-Environnement Wallonie – NVwZ 2012, 553 Rn. 42 f.). Die SUP-Richtlinie verlangt insofern – wie das Europäische Umweltrecht insgesamt – eine möglichst frühzeitige Einhaltung und Umsetzung des Umweltrechts.

79

Daraus folgt aber nicht, dass die gerichtliche Kontrolle bereits vor der abschließenden Zulassungsentscheidung während des laufenden Verwaltungsverfahrens im Sinne eines „phasenbegleitenden“ Rechtsschutzes einsetzen muss. Die Mitgliedstaaten sind durch den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beheben. Diese Verpflichtung trifft im Rahmen seiner Zuständigkeiten jedes Organ des betreffenden Mitgliedstaats. Ist eine nach der SUP-Richtlinie erforderliche Umweltprüfung unterblieben, obliegt es auch den nationalen Gerichten, dem abzuhelfen (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – C-41/11 -, Inter-Environnement Wallonie – NVwZ 2012, 553 Rn. 43 ff.).

80

Wie und wann die gerichtliche Abhilfe erfolgen muss, gibt das Unionsrecht jedoch nicht vor. Das Unionsrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen dem Verwaltungsverfahren und der gerichtlichen Kontrolle (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Oktober 2009 – C-263/08 [ECLI:EU:C:2009:631], Djurgarden – NVwZ 2009, 1553 Rn. 38 f. und vom 14. Januar 2021 – C-826/18 [ECLI:EU:C:2021:7], LB u.a. – juris Rn. 56). Die Beteiligung am umweltbezogenen Entscheidungsverfahren hat eine andere Zielsetzung als die gerichtliche Anfechtung, „da sich die gerichtliche Anfechtung gegebenenfalls gegen die am Ende dieses Verfahrens ergehende Entscheidung richten kann“ (EuGH, Urteile vom 20. Dezember 2017 – C-664/15, Protect – NVwZ 2018, 225 Rn. 62 und vom 14. Januar 2021 – C-826/18 – juris Rn. 56). Auch Verfahrensvorschriften müssen nicht notwendig bereits während des noch laufenden Verwaltungsverfahrens isoliert einklagbar sein (vgl. zu den Voraussetzungen für eine nachträgliche Fehlerheilung z.B. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – C-196/16, C-197/16 [ECLI:EU:C:2017:589], Comune di Corridonia u.a. – NVwZ 2017, 1611 Rn. 34 ff. m.w.N.).

81

Die Verfahrensmodalitäten für die gerichtliche Kontrolle von SUP-pflichtigen Plänen oder Programmen sind nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – C-41/11, Inter-Environnement Wallonie – NVwZ 2012, 553 Rn. 45). Hierunter fällt auch die Entscheidung, ob die Wahrung der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte inzident gewährleistet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 13. März 2007 – C-432/05 [ECLI:EU:C:2007:163], Unibet – NJW 2007, 3555 Rn. 41).

82

Gegenteiliges folgt entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Protect“ (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-664/15 – NVwZ 2018, 225). Aus dieser Entscheidung geht nicht hervor, dass – wie die Antragsteller meinen – gerichtlicher Rechtsschutz bereits „im Zeitpunkt der Anwendung des Unionsrechts“ gewährt werden muss. Das Urteil betrifft nicht den Zeitpunkt des gerichtlichen Rechtsschutzes, sondern dessen unionsrechtswidrigen Ausschluss durch die Verknüpfung des Gerichtszugangs mit der Beteiligtenstellung im Verwaltungsverfahren, die dem betreffenden Umweltverband vorenthalten war. Soweit in dem Urteil die Rede ist vom „Zeitpunkt der Anwendung des Unionsrechts“, bezieht sich die maßgebliche Textstelle auf die Folge der Unionsrechtswidrigkeit der einschlägigen nationalen Vorschrift für die gerichtliche Rechtsanwendung. Insofern gilt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-664/15, Protect – NVwZ 2018, 225 Rn. 57). Eine Aussage über den erforderlichen Zeitpunkt des Rechtsschutzes ist damit nicht verbunden.

83

Bestehen somit im Anwendungsbereich der SUP-Richtlinie keine speziellen Vorgaben für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes, so sind gleichwohl die allgemeinen Vorgaben des Unionsrechts zu beachten. Danach dürfen die Verfahrensmodalitäten für den gerichtlichen Rechtsschutz nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. EuGH, Urteile vom 28. Februar 2012 – C-41/11, Inter-Environnement Wallonie – NVwZ 2012, 553 Rn. 45 m.w.N. und vom 18. April 2013 – C-463/11 [ECLI:EU:C:2013:247] – NVwZ-RR 2013, 503 Rn. 38 und 45).

84

Diesen Anforderungen genügt § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG, da die gerichtliche Kontrolle der Bundesfachplanungsentscheidung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG nicht unterbleiben oder umgangen werden kann. Vielmehr unterliegt die Rechtmäßigkeit der Bundesfachplanungsentscheidung der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung, ohne dass hieraus rechtliche oder tatsächliche Nachteile resultieren: Die gerichtliche Inzidentkontrolle erfolgt noch vor dem Vollzug des Vorhabens und hat rechtlich denselben Umfang wie er bei direkter Anfechtbarkeit der Bundesfachplanungsentscheidung bestünde.

85

b) Nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteile vom 20. Dezember 2017 – C-664/15, Protect – NVwZ 2018, 225 und vom 14. Januar 2021 – C-826/18 – juris Rn. 64 ff.) folgen außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 9 Abs. 2 AK zudem Anforderungen an die Ausgestaltung des Rechtsschutzes aus Art. 47, Art. 52 Abs. 1 GrCh i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK (aa). Auch mit den hieraus folgenden Vorgaben ist das konzentrierte Rechtsschutzkonzept des § 15 Abs. 3 NABEG vereinbar (bb).

86

aa) Art. 9 Abs. 3 AK verpflichtet i.V.m. Art. 47 GrCh die Mitgliedstaaten dazu, „einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts“, zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-664/15, Protect – NVwZ 2018, 225 Rn. 45 m.w.N.). Daraus folgt, dass dem in Art. 9 Abs. 3 AK vorgesehenen Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, nicht die praktische Wirksamkeit genommen werden darf, indem zugelassen wird, dass durch im innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien bestimmte Kategorien der „Mitglieder der Öffentlichkeit“, erst Recht der „betroffenen Öffentlichkeit“ wie Umweltorganisationen, die die Voraussetzungen von Art. 2 Nr. 5 AK erfüllen, der Zugang zu den Gerichten gänzlich verwehrt würde. Kriterien, die derart streng sind, dass es für Umweltorganisationen praktisch unmöglich ist, Handlungen und Unterlassungen im Sinne von Art. 9 Abs. 3 AK anzufechten, sind nicht zulässig (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-664/15, Protect – NVwZ 2018, 225 Rn. 46 ff.).

87

Der Spielraum der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes ist im Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 AK allerdings größer als unter Geltung des Art. 9 Abs. 2 AK (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Januar 2021 – C-826/18 – juris Rn. 62 m.w.N.). Dementsprechend können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beispielsweise Ausschlussregelungen, die im Verwaltungsverfahren unterlassene Teilnahmen sanktionieren (d.h. Präklusionsregelungen), zulässig sein. Eine Ausschlussregelung stellt zwar eine Einschränkung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 GrCh dar, sie kann aber nach Art. 52 Abs. 1 GrCh gerechtfertigt sein, „wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, den Wesensgehalt dieses Rechts achtet und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und den von der Europäischen Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht“ (EuGH, Urteile vom 20. Dezember 2017 – C-664/15, Protect – Rn. 90 und vom 14. Januar 2021 – C-826/18 – juris Rn. 64).

88

bb) Nach diesen Maßstäben ist der Ausschluss direkten Rechtsschutzes gegen die SUP-pflichtige Bundesfachplanung mit Art. 9 Abs. 3 AK i.V.m. Art. 47 GrCh vereinbar, denn durch den konzentrierten Rechtsschutz in § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UmwRG i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG wird der Öffentlichkeit der Zugang zu den Gerichten weder rechtlich „gänzlich verwehrt“ noch „praktisch unmöglich“ gemacht. Vielmehr wird der Rechtsschutz ohne Einbußen nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens inzident im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung gewährt.

89

Soweit in der – gesetzlich durch vorgegebene Fristen für den Verfahrensablauf begrenzten und daher überschaubaren – zeitlichen Verzögerung des Rechtsschutzes eine Einschränkung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 GrCh gesehen werden könnte, wäre dieser jedenfalls nach Art. 52 Abs. 1 GrCh gerechtfertigt, da der Gesetzgeber damit in nicht zu beanstandender Weise das Ziel einer Beschleunigung des Netzausbaus verfolgt.

90

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG.