BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 24.03.2021, AZ XII ZB 364/19, ECLI:DE:BGH:2021:240321BXIIZB364.19.0
Art 6 Abs 2 GG, § 1600 Abs 1 Nr 2 BGB, § 1600 Abs 2 BGB, § 1629 Abs 2 S 1 BGB, § 1629 Abs 2 S 3 BGB
Leitsatz
1. Im Vaterschaftsanfechtungsverfahren sind der mitsorgeberechtigte rechtliche Vater und die mit ihm verheiratete Mutter von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 – XII ZB 510/10, BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 und vom 2. November 2016 – XII ZB 583/15, FamRZ 2017, 123). Ist die Mutter hingegen mit dem rechtlichen Vater nicht (mehr) verheiratet, ist sie vom gesetzlichen Sorgerechtsausschluss nicht betroffen, sodass das Kind von ihr allein vertreten wird (Aufgabe von BGH, Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 53/71, FamRZ 1972, 498).
2. Die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ist unbegründet, wenn zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht, auch wenn eine solche zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags noch nicht vorlag (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16, FamRZ 2018, 275 und Senatsurteil vom 6. Dezember 2006 – XII ZR 164/04, BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538).
Verfahrensgang
vorgehend OLG Frankfurt, 8. Juli 2019, Az: 1 UF 1/19, Beschluss
vorgehend AG Frankfurt, 23. November 2018, Az: 477 F 23203/18 AB
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerden der weiteren Beteiligten zu 4 und 5 wird der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: 2.000 €
Gründe
I.
1
Der Antragsteller (Beteiligter zu 3) ficht im vorliegenden Verfahren als leiblicher Vater die Vaterschaft des Beteiligten zu 5 zu dem beteiligten Kind (Beteiligte zu 1) an und erstrebt die Feststellung seiner eigenen Vaterschaft.
2
Das Kind wurde am 10. November 2017 geboren. Die Kindesmutter (Beteiligte zu 4) hatte während der gesetzlichen Empfängniszeit sowohl mit dem Antragsteller als auch mit dem Beteiligten zu 5 Geschlechtsverkehr. Der Beteiligte zu 5 erkannte vor der Geburt des Kindes mit Zustimmung der Kindesmutter die Vaterschaft an. Durch Sorgeerklärungen vom 2. Juli 2018 begründeten die Kindesmutter und er die gemeinsame elterliche Sorge. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens schlossen sie die Ehe.
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Gegenüber dem Antragsteller hatte die Kindesmutter zunächst wahrheitswidrig erklärt, sie habe ihre ursprüngliche Schwangerschaft abgebrochen. Das Kind sei erst danach vom Beteiligten zu 5 gezeugt worden. Später klärte sie den Antragsteller darüber auf, dass ein Abbruch nicht durchgeführt worden war. Ein sodann von einem zertifizierten Labor im Einvernehmen der Beteiligten durchgeführter Vaterschaftstest vom 30. Mai 2018 ergab eine Wahrscheinlichkeit von 99,99 % für die Vaterschaft des Antragstellers. Am 12. Juni 2018 teilte die Kindesmutter dem Beteiligten zu 5 erstmals mit, dass er nicht der Vater des Kindes sei.
4
Der Antragsteller hat das vorliegende Verfahren durch am 27. August 2018 eingereichten Antrag eingeleitet. Ob zu diesem Zeitpunkt eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und Beteiligtem zu 5 bestand, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ebenfalls streitig ist, ob und ggf. in welcher Zeit eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Antragsteller und Kind bestand.
5
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und festgestellt, dass nicht der Beteiligte zu 5, sondern der Antragsteller Vater des Kindes ist. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerden der Kindesmutter und des Beteiligten zu 5 zurückgewiesen. Dagegen richten sich deren zugelassene Rechtsbeschwerden, mit denen sie weiterhin die Zurückweisung des Antrags erstreben. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat das Amtsgericht auf Anregung des Senats für das Kind einen Ergänzungspfleger bestellt.
II.
6
Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg.
7
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2019, 1872 veröffentlicht ist, liegen die Voraussetzungen der Vaterschaftsanfechtung vor. Die leibliche Vaterschaft des Antragstellers sei durch das einvernehmlich eingeholte Abstammungsgutachten eines zertifizierten Labors nachgewiesen. Da auch keine Einwände gegen den Ablauf der Testung erhoben worden seien, habe es einer weitergehenden Beweiserhebung nicht bedurft.
8
Zwischen dem Beteiligten zu 5 und dem Kind habe zum Zeitpunkt der Einleitung des Abstammungsverfahrens keine sozial-familiäre Beziehung bestanden. Maßgebender Zeitpunkt sei zwar grundsätzlich der Schluss der mündlichen Verhandlung. Bei der Auslegung des § 1600 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 2 BGB sei aber der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigte verfassungsrechtliche Rahmen zu beachten. Ein endgültiger Ausschluss des leiblichen Vaters vom Zugang zur rechtlichen Elternstellung sei danach nicht ohne weiteres gerechtfertigt, wenn zwischen rechtlichem Vater und Kind zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz zwar eine sozial-familiäre Beziehung bestehe, der leibliche Vater aber, als ihm die rechtliche Vaterschaft offenstand, alles getan habe, um die rechtliche Elternstellung zu erlangen. In dieser Konstellation sei das Interesse am Gleichlauf der rechtlichen Vaterschaft mit der sozial-familiären Beziehung regelmäßig nicht stark genug, um die erhebliche Härte zu rechtfertigen, die das endgültige Scheitern der rechtlichen Vaterschaft für den leiblichen Vater bedeute. Der Wortlaut des § 1600 Abs. 2 BGB stehe einer entsprechenden Interpretation nicht entgegen. Diese bringe zugleich in Sonderkonstellationen den grundrechtlich geschützten Anspruch des leiblichen Vaters auf ein hinreichend effektives Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung zur Geltung.
9
Nach diesen Maßstäben sei im vorliegend zu beurteilenden Einzelfall auf die Einleitung des Verfahrens als maßgebenden Zeitpunkt abzustellen. Zwar habe der Beteiligte zu 5 die Vaterschaft schon vor der Geburt anerkannt, so dass dem Antragsteller die rechtliche Vaterschaft vor Einleitung des Verfahrens nicht offengestanden habe. Dennoch habe der Antragsteller ab Kenntnis seiner leiblichen Vaterschaft alle Maßnahmen ergriffen, um tatsächlich und rechtlich die Position des Vaters einzunehmen. Die Kindesmutter habe ihn erst am 1. Mai 2018 darüber informiert, dass die Schwangerschaft nicht abgebrochen worden sei. Nach dem Vorliegen des Abstammungsgutachtens vom 30. Mai 2018 habe er sich unmittelbar um das Kind gekümmert, nachdem die Kindesmutter eine Beziehung mit ihm aufgenommen habe. Das vorliegende Verfahren habe er im August 2018 eingeleitet, nachdem er auf Feststellung der rechtlichen Vaterschaft bestanden und die Kindesmutter den Kontakt zu ihm abgebrochen habe.
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Der Antragsteller habe nachgewiesen, dass bei Einleitung des Verfahrens keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Beteiligten zu 5 und dem Kind bestanden habe. Ein gesetzlicher Regelfall nach § 1600 Abs. 3 BGB liege nicht vor. Zwar habe sich der Beteiligte zu 5 nach der Geburt jeweils vorübergehend im Haushalt der Kindesmutter aufgehalten und Versorgungsleistungen für das Kind übernommen. Er habe sich aber bereits ab Mai 2018 aus der tatsächlichen Betreuung des Kindes zurückgezogen. Der Antragsteller habe sich nachfolgend wesentlich häufiger im Haushalt der Kindesmutter aufgehalten und in höherem Umfang Versorgungs- und Betreuungsleistungen übernommen. Der Beteiligte zu 5 habe im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast nicht aufgezeigt, dass er trotz dieser Umstände bis zur Antragstellung tatsächlich für das Kind auf Dauer angelegt Verantwortung habe übernehmen wollen.
11
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Die Rechtsbeschwerden haben nicht schon aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg.
13
Ein Verfahrensfehler hinsichtlich der ordnungsgemäßen gesetzlichen Vertretung des beteiligten Kindes, der im Rechtsbeschwerdeverfahren gegebenenfalls von Amts wegen zu berücksichtigen ist (§ 72 Abs. 3 FamFG iVm § 547 Nr. 4 ZPO; vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2002 – XII ZR 345/00 – FamRZ 2003, 155), ist dem Oberlandesgericht nicht unterlaufen.
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aa) Das Kind kann im Abstammungsverfahren allerdings nicht durch den gerichtlich bestellten Verfahrensbeistand vertreten werden, wie es ausweislich des Rubrums des angefochtenen Beschlusses offenbar Auffassung des Oberlandesgerichts ist. Denn der Verfahrensbeistand ist gemäß §§ 174 Satz 2, 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG kraft ausdrücklicher Gesetzesanordnung nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 Rn. 18 und BGHZ 191, 48 = FamRZ 2011, 1788 Rn. 22).
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Dass das Bundesverfassungsgericht über die (einfach-)gesetzliche Regelung hinausgehend die Bestellung eines Ergänzungspflegers oder die Geltendmachung der Rechte des Kindes durch den Verfahrensbeistand in Verfahren über die Verfassungsbeschwerde als zulässig angesehen hat (vgl. BVerfG Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 1 BvR 1395/19 – juris Rn. 26 ff. mwN), kann für das vorliegende Verfahren schon wegen der für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren bestehenden, verfassungsrechtlich zur Wahrnehmung der Kindesinteressen ausreichenden Beschwerdebefugnis der Verfahrensbeiständin im eigenen Namen nicht erheblich werden.
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bb) Aufgrund der gemeinsamen elterlichen Sorge sind grundsätzlich die Eltern nach § 1629 Abs. 1 BGB gesetzliche Vertreter des Kindes. Da sich das Anfechtungsverfahren aber auf die Beseitigung der rechtlichen Vaterstellung des Beteiligten zu 5 richtet, ist dieser hier von der gesetzlichen Vertretung kraft Gesetzes ausgeschlossen. Der Vertretungsausschluss gilt dann nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB ebenfalls für die mit dem rechtlichen Vater verheiratete Kindesmutter (Senatsbeschluss BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 Rn. 15 ff.). Aufgrund der während des Rechtsbeschwerdeverfahrens erfolgten Eheschließung der Beteiligten zu 4 und 5 ergreift der Vertretungsausschluss auch die Beteiligte zu 4. Für das Kind ist dementsprechend ein Ergänzungspfleger bestellt worden.
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cc) Die Beteiligte zu 4 war vor der Eheschließung nicht schon aufgrund des bereits bestehenden gemeinsamen Sorgerechts der rechtlichen Eltern von der gesetzlichen Vertretung des Kindes ausgeschlossen.
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(1) Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei gemeinsamer elterlicher Sorge auch die nicht mit dem rechtlichen Vater verheiratete Kindesmutter kraft Gesetzes von der gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Kindes ausgeschlossen (BGH Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 53/71 – FamRZ 1972, 498). Daran hält der nunmehr zuständige Senat nach Überprüfung nicht mehr fest.
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Nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB können der Vater und die Mutter das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 BGB ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Nach § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB iVm § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB greift der Vertretungsausschluss unter anderem bei einem Rechtsstreit zwischen dem Kind und dem Ehegatten des Elternteils. Dementsprechend ist die mit dem (rechtlichen) Vater verheiratete Mutter im Vaterschaftsanfechtungsverfahren von der Vertretung kraft Gesetzes ausgeschlossen (Senatsbeschlüsse BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 Rn. 6 und vom 2. November 2016 – XII ZB 583/15 – FamRZ 2017, 123 Rn. 16).
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Darüber hinausgehend hat der Bundesgerichtshof die Mutter auch dann als von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen angesehen, wenn sie mit dem Vater nicht (mehr) verheiratet, aber gemeinsam sorgeberechtigt ist und die Eltern dementsprechend zur Gesamtvertretung befugt sind (BGH Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 53/71 – FamRZ 1972, 498, 499 f.; aA Gernhuber Familienrecht § 50 III 4 S. 570; Wangemann NJW 1961, 194).
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Er hat die Grundlage hierfür in § 1629 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB gesehen. Dieser Vorschrift liege, wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs zum Gleichberechtigungsgesetz ergebe und was wohl auch als der Wille des Gesetzgebers anzusehen sei, die Erwägung zugrunde, es liege nicht im Interesse des Kindes, dass der nicht ausgeschlossene Elternteil die Vertretung des ausgeschlossenen übernehme. Der nicht verhinderte Elternteil sei deshalb von der Vertretung ausgeschlossen, weil der andere wegen gesetzlich vermuteter Interessenkollision nicht vertreten könne und in diesen Fällen häufig eine Befangenheit beider Elternteile vorliege, die zu einem Missbrauch der elterlichen Sorge führen könne. Eine solche Befangenheit könne auch nach der rechtskräftigen Scheidung der Ehe der Eltern bestehen. Zwar sei die Bindung der Ehegatten durch die Scheidung der Ehe beendet. Aber die Interessenlage der rechtskräftig geschiedenen Eheleute im Verhältnis zu ihrem Kinde bleibe bestehen (BGH Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 53/71 – FamRZ 1972, 498, 499 f.).
22
(2) Dieser Auffassung sind Rechtsprechung und Schrifttum im Wesentlichen gefolgt (vgl. Senatsurteil BGHZ 180, 51 = FamRZ 2009, 861 Rn. 30; BGHZ 187, 119 = FamRZ 2010, 2065 Rn. 16; BGH Beschluss vom 16. April 1975 – V ZB 17/74 – FamRZ 1975, 480; zuletzt OLG Nürnberg FamRZ 2018, 356, 357; OLG Dresden NJW 2016, 1028, 1029; Staudinger/Lettmaier BGB [2020] § 1629 Rn. 184; NK-BGB/Kaiser 3. Aufl. § 1629 Rn. 63 mwN; Staudinger/Veit BGB [2020] § 1795 Rn. 90; andererseits vgl. Klinkhammer in Schnitzler Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 5. Aufl. § 31 Rn. 99). Sie ist indes schon nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes weder zwingend noch naheliegend und stellt sich im Ergebnis als vom Gesetz nicht gedeckter Eingriff in das Elternrecht der Mutter gemäß Art. 6 Abs. 2 GG dar.
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(a) Aus dem Wortlaut des § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB kann ein vom Gesetzgeber gewollter Ausschluss beider – nicht (mehr) verheirateter – Eltern von der gesetzlichen Vertretung im Fall, dass nur ein Elternteil vom Ausschlussgrund betroffen ist, nicht hergeleitet werden.
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§ 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB ist in seiner heutigen Fassung (seinerzeit als § 1629 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB) durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 (BGBl. I S. 609) eingeführt worden. Eine aus § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB und dessen Wortlaut („Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten […]“) hergeleitete zusammenfassende Betrachtung der Eltern im Hinblick auf den nur in Person eines Elternteils gegebenen Ausschlussgrund (vgl. BayObLG FamRZ 1960, 33, 35) kam schon deswegen nicht in Betracht, weil das Gleichberechtigungsgesetz keine Gesamtvertretung durch die Eltern vorsah. Das Gesetz führte mit § 1629 Abs. 2 BGB vielmehr die früher in § 1630 Abs. 2 BGB in der Ursprungsfassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthaltene Regelung fort. Das zuvor geltende Recht hatte eine Alleinvertretung des Kindes durch den Vater vorgesehen (§§ 1627, 1630 Abs. 1 BGB), was nach § 1630 Abs. 2 BGB im Fall des Vertretungsausschlusses entsprechend § 1795 BGB stets die Bestellung eines Pflegers nach § 1909 BGB erforderlich machte. Da die gesetzliche Regelung nach Art. 3 Abs. 2 GG iVm Art. 117 Abs. 1 GG seit dem 1. April 1953 nur noch mit modifiziertem – gleichberechtigungskonformem – Inhalt gegolten hatte und die Alleinvertretung durch den Vater nach seinerzeit nahezu allgemeiner Auffassung als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG angesehen wurde, hatte der Bundesgerichtshof für die vom 1. April 1953 bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes am 1. Juli 1958 geltende Regelung übereinstimmend mit der weit überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Urteil vom 5. Februar 1958 eine Gesamtvertretung angenommen, die bei Ausschluss des Vaters zur Alleinvertretungsbefugnis der Mutter erstarkte (BGH FamRZ 1958, 178; vgl. BVerfG 10, 59, 70 f. = FamRZ 1959, 416 mwN).
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Im Gegensatz dazu hielt das – schon vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erlassene – Gleichberechtigungsgesetz an der grundsätzlichen Alleinvertretung durch den Vater fest und verband diese mit der Befugnis des Vaters zum sogenannten Stichentscheid. Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 1628 BGB (Stichentscheid) und § 1629 Abs. 1 BGB (Alleinvertretung durch den Vater) in der Fassung des Gleichberechtigungsgesetzes mit Urteil vom 29. Juli 1959 wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG für nichtig (BVerfGE 10, 59 = FamRZ 1959, 416). In der Folgezeit ging die Rechtsprechung auch ohne eine gesetzliche Neuregelung wiederum von der Gesamtvertretung durch die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern aus (vgl. BT-Drucks. 8/2788 S. 46 f. mwN). Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Gesamtvertretung erfolgte erst durch das Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 24. Juli 1979 (BGBl. I S. 1061), das zum 1. Januar 1980 in Kraft trat.
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Vor diesem Hintergrund kann § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB neben dem Verweis auf die Ausschlussgründe nach § 1795 BGB nicht die gesetzgeberische Entscheidung entnommen werden, dass ein in der Person eines Elternteils verwirklichter Ausschlussgrund zugleich auch den anderen, nicht davon betroffenen Elternteil erfasst. Eine solche Wertentscheidung dem Gleichberechtigungsgesetz zu entnehmen ist nicht möglich, weil dieses, wie ausgeführt, eine Gesamtvertretung durch die Eltern noch nicht vorsah. Dementsprechend ist auch die Begründung des diesbezüglichen Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 2/224 S. 59), wonach im Fall der rechtlichen Verhinderung eines Elternteils nach § 1795 BGB auch der andere Elternteil die Vertretung nicht übernehme, zu Unrecht für das Gegenteil angeführt worden. Denn dieser Begründung, die vornehmlich auf das „gute Einvernehmen der Ehegatten“, also auf den Fall der bestehenden Ehe verwies, können lediglich die rechtspolitischen Motive zu der Frage entnommen werden, warum die Mutter im Fall des Ausschlusses des Vaters vom Gesetz auch nicht ersatzweise zur gesetzlichen Vertreterin des Kindes berufen sein sollte. Mit Blick auf § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB könnte die Heranziehung der angegebenen Gründe mithin allenfalls auf der Hypothese beruhen, welche Regelung der damalige Gesetzentwurf getroffen hätte, wenn er zu der vorgelagerten Frage der gesetzlichen Vertretung abweichend von dem hauptsächlichen, durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Regelungsinhalt eine Art. 3 Abs. 2 und 3 GG entsprechende gleichberechtigte Vertretung durch beide Eltern vorgesehen hätte.
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Damit nimmt die Entwurfsbegründung des später in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärten Gesetzes nicht an der Gesetzesbindung teil und vermag erst recht kein entsprechendes Verständnis vom Wortlaut des § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB zu begründen.
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(b) Ein Ausschluss der Mutter von der gesetzlichen Vertretung im Fall der Gesamtvertretung ist auch nicht aus Sachgründen geboten. Dass ein mit dem Vertretungsausschluss verbundener Eingriff in das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG insoweit vielmehr allein auf der vom Gesetz in §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB eröffneten Eingriffsgrundlage erfolgen kann, ergibt sich aus verfassungsrechtlichen Erwägungen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats handelt es sich beim gesetzlichen Ausschluss wie der gerichtlichen Entziehung der Vertretungsbefugnis um Eingriffe in das Elternrecht, die einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage bedürfen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 225, 184 = FamRZ 2020, 1171 Rn. 18 und BGHZ 191, 48 = FamRZ 2011, 1788 Rn. 18, 23 mwN). Das Gesetz geht dabei im Abstammungsverfahren von dem Grundsatz aus, dass die Mutter trotz bestehender Eigeninteressen in der Lage ist, das Kind seinen Interessen entsprechend im Verfahren zu vertreten (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 Rn. 20 und vom 2. November 2016 – XII ZB 583/15 – FamRZ 2017, 123 Rn. 18 f.).
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§ 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt damit für sich genommen bereits keine taugliche Eingriffsnorm für einen Ausschluss der elterlichen Vertretungsbefugnis der Mutter. Eine allenfalls mögliche entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften scheitert in der vorliegenden Fallkonstellation schon an der mangelnden Vergleichbarkeit zwischen der Ehe von Vater und Mutter und der lediglich bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge. Während die Ehe nach § 1353 BGB unter anderem die gegenseitige Rücksichtnahme gebietet, ist das gemeinsame Sorgerecht damit schon deswegen nicht vergleichbar, weil der Vater im Hinblick auf die gesetzliche Vertretung von der elterlichen Sorge gerade ausgeschlossen ist, die Mutter für das Kind also in eigener Verantwortung handeln kann und muss. Die Stellung der Mutter entspricht damit insoweit vielmehr dem Fall, dass sie – aufgrund Übertragung nach § 1628 BGB oder § 1671 BGB – allein sorgeberechtigt ist. Für diesen Fall ist aber ein gesetzlicher Ausschluss von der Vertretung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach zutreffender, nahezu einhelliger Meinung nicht gegeben (vgl. auch § 173 FamFG). Es kommt dann allenfalls eine gerichtliche Entziehung der Vertretungsbefugnis im Einzelfall aufgrund §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 2. November 2016 – XII ZB 583/15 – FamRZ 2017, 123 Rn. 13 ff. mwN). Somit steht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einem generellen Ausschluss der Mutter von der gesetzlichen Vertretung entgegen, weil insoweit das auf den Einzelfall bezogene Verfahren gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB jedenfalls als milderes Mittel anzusehen ist.
31
Auf die Frage, ob eine Entziehung der Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB hier wegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Mutter und Kind geboten gewesen wäre, kommt es nicht an, weil die Vertretungsbefugnis erst mit der Entziehung und nicht bereits mit dem Auftreten des Interessengegensatzes entfällt (vgl. Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538, 539). Soweit das Bundesverfassungsgericht für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde bereits aus dem Bestehen eines Interessenkonflikts oder schon aus dessen bloßer Möglichkeit einen Wegfall der Vertretungsbefugnis der Eltern kraft Gesetzes herleitet (vgl. zuletzt BVerfG FamRZ 2021, 104 Rn. 22 f. mwN), bezieht sich diese Rechtsprechung ausschließlich auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren.
32
(3) Im vorliegenden Fall war die Beteiligte zu 4 mithin im Beschwerdeverfahren nicht von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen. Dass das Oberlandesgericht sie im Rubrum des angefochtenen Beschlusses nicht auch in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin des Kindes aufgeführt hat, ist im Ergebnis unschädlich. Denn die Beteiligte zu 4 ist als Kindesmutter in sämtlichen Verfahrensabschnitten beteiligt worden und war vom jeweiligen Verfahrensstand stets vollständig informiert. Sie hat neben den von ihr selbst gestellten Anträgen – übereinstimmend mit dem nunmehr bestellten Ergänzungspfleger – keine Anträge im Namen des beteiligten Kindes gestellt. Auch war eine förmliche Zustellung der Antragsschrift (vgl. § 23 Abs. 2 FamFG) wie auch der in den Vorinstanzen erlassenen Endentscheidungen an das beteiligte Kind nicht geboten (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die nach § 41 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Bekanntgabe ist an die Beteiligte zu 4 erfolgt und wegen deren – noch für den Beschwerdebeschluss – bestehenden Vertretungsbefugnis auch für das betroffene Kind wirksam (vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 – XII ZB 167/20 – FamRZ 2021, 55 Rn. 13 zur Heilung der unterbliebenen Zustellung).
33
Da das Kind von den Vorinstanzen zutreffend als verfahrensbeteiligt behandelt worden ist und seine Interessen zudem durch die bestellte Verfahrensbeiständin ausreichend wahrgenommen worden sind, könnte ein Verfahrensfehler des Oberlandesgerichts allenfalls im Unterlassen der Aufklärung der Kindesmutter über ihre Stellung als gesetzliche Vertreterin des Kindes gelegen haben. Ein solches Unterlassen hat aber ersichtlich keinen Einfluss auf das Verfahren und die Entscheidung gehabt. Jedenfalls wäre ein diesbezüglicher Verfahrensfehler in der Rechtsbeschwerdeinstanz gemäß § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur auf eine entsprechende Rüge zu beachten, welche vom Ergänzungspfleger nicht erhoben worden ist.
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b) In der Sache begegnet der angefochtene Beschluss jedoch durchgreifenden Bedenken.
35
Die Anfechtung durch den Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) setzt gemäß § 1600 Abs. 2 BGB voraus, dass zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater gemäß § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 BGB keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist. Eine sozial-familiäre Beziehung besteht nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB, wenn der rechtliche Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung maßgebliche Zeitpunkt – abgesehen vom Fall des Todes des rechtlichen Vaters – der Schluss der letzten Tatsacheninstanz (Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16 – FamRZ 2018, 275 Rn. 19 mwN; Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538, 539). Eine Abweichung davon ist auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG FamRZ 2019, 124; FamRZ 2019, 1868) weder geboten noch zulässig.
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(1) Die vom Oberlandesgericht angenommene ausnahmsweise Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung stimmt mit der geltenden gesetzlichen Regelung nicht überein. Das ergibt sich aus einer Auslegung der Norm nach den anerkannten Auslegungsregeln.
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(a) Das vom Senat zugrunde gelegte Verständnis folgt vor allem aus dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik.
39
§ 1600 Abs. 2 BGB setzt für die Anfechtung voraus, dass keine sozial-familiäre Beziehung „besteht“. Die Formulierung im Präsens bedeutet, dass der im Anfechtungsverfahren zu erlassenden Entscheidung die jeweils aktuelle Sachlage zugrunde zu legen ist.
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Dies entspricht der allgemeinen verfahrensrechtlichen Systematik. Denn die für die Entscheidung maßgebliche Tatsachenlage ist aufgrund des Stands zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz oder – bei Verfahren ohne mündliche Verhandlung – nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz zu bestimmen. Daraus ergibt sich zugleich die Verpflichtung des Gerichts, alle bis zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Tatsachen bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Entsprechend ist auch für etwaige nachfolgende Verfahren eine Berücksichtigung weiterer Tatsachen nur zulässig, wenn diese nach dem maßgeblichen Zeitpunkt eingetreten sind, während zuvor eingetretene Tatsachen grundsätzlich präkludiert sind (vgl. §§ 323 Abs. 2, 767 Abs. 2 ZPO; § 238 Abs. 2 FamFG; vgl. auch Senatsurteil vom 30. Oktober 2002 – XII ZR 345/00 – FamRZ 2003, 155 f.; BGH Urteile vom 28. Juni 1985 – V ZR 43/84 – NJW 1985, 2825 f. mwN und vom 16. Oktober 2020 – V ZR 98/19 – zur Veröffentlichung bestimmt Rn. 18 ff. jeweils zu den objektiven Grenzen der Rechtskraft).
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Dass das Verfahren in Abstammungssachen seit dem 1. September 2009 nicht mehr Bestandteil der Zivilprozessordnung (§§ 640 ff. ZPO aF „Verfahren in Kindschaftssachen“), sondern des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 169 ff. FamFG) ist, hat insoweit zu keiner Änderung geführt. Insbesondere erwachsen die in Abstammungssachen ergehenden Entscheidungen nach wie vor in materielle Rechtskraft (vgl. §§ 182, 184 FamFG; §§ 640 h Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 641 h ZPO aF).
42
Wenn das Gesetz in bestimmten Fällen von den genannten allgemeinen Grundsätzen abweicht, enthält es regelmäßig eine dies zum Ausdruck bringende besondere Regelung, mit der etwa auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit oder Anhängigkeit des Verfahrens bzw. statt der Anhängigkeit auf die Antragstellung abgestellt wird (vgl. etwa § 122 Nr. 3 FamFG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Fehlt es hingegen an einer Bezugnahme auf einen früheren Zeitpunkt im Gesetz, so muss das Gericht auf die aktuelle Sachlage abstellen (vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 151, 63 – FamRZ 2002, 1182 zur internationalen Zuständigkeit in Kindschaftssachen und nunmehr dazu Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO). Entfällt das vom Kläger bzw. Antragsteller geltend gemachte Recht aufgrund eines nach Rechtshängigkeit bzw. Anhängigkeit eingetretenen Ereignisses, führt dies folgerichtig zur Erledigung des Rechtsstreits bzw. Verfahrens in der Hauptsache.
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Im vorliegenden Zusammenhang wird dies durch den weiteren in § 1600 Abs. 2 BGB geregelten Fall bestätigt, dass der rechtliche Vater verstorben ist. In diesem Fall steht aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts außer Zweifel, dass der maßgebliche Zeitpunkt im Sinne des Gesetzes der Zeitpunkt des Todes des rechtlichen Vaters ist. Ist der rechtliche Vater während des Verfahrens verstorben, wäre eine davon abweichende Auslegung, die statt des Zeitpunkts des Todes den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung als maßgeblichen Zeitpunkt ergäbe, mit § 1600 Abs. 2 BGB unvereinbar. Auf einer Besonderheit beruht diese Regelung nur insoweit, als es anstelle der aktuellen Sachlage auf den Zeitpunkt des Todes des rechtlichen Vaters als einen früheren Zeitpunkt ankommt, nicht aber im Hinblick auf die grundsätzliche Unmaßgeblichkeit des Zeitpunkts des Eintritts der Anhängigkeit oder eines anderen früheren Zeitpunkts.
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Der Gesetzeswortlaut ist demnach klar und im Zusammenhang mit der gesetzlichen Systematik insgesamt auch eindeutig (zutreffend Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1600 Rn. 41). Denn er entspricht der allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelungstechnik, deren sich der Gesetzgeber in § 1600 Abs. 1 Satz 2 BGB bedient hat. Zum Ausschluss der Anfechtung führt demnach eine zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz aktuell bestehende sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind oder eine solche, die zum Zeitpunkt des Todes des rechtlichen Vaters bestand.
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(b) Die Entstehungsgeschichte der Norm sowie ihr Sinn und Zweck führen zu keinem abweichenden Verständnis. Vielmehr bestätigen sie das aus Wortlaut und Systematik folgende Auslegungsergebnis.
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Die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ist durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 598) eingeführt worden. Der Gesetzgeber kam damit einer Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach, die dieses in seiner Entscheidung vom 9. April 2003 (BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816) getroffen hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte § 1600 BGB in der seinerzeit gültigen Fassung für insoweit mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, als er den leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos von der Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung ausschloss. Leiblicher Vater eines Kindes zu sein, mache diesen zwar allein noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundrechtsnorm schütze den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen. Ihm sei vom Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegenstehe (BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816, 818). Geht das Elternrecht des rechtlichen Vaters hingegen mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einher, ist es nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters, in die rechtliche Vaterstellung einrücken zu können, vorrangig (BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816, 818). Konkurriert demnach ein leiblicher Elternteil mit dem bisherigen rechtlichen Elternteil um die einfachrechtliche Zuweisung der Elternposition, kann das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum Kind von Verfassungs wegen über diese Zuweisung entscheiden, weil auch die soziale und personale Verbundenheit zwischen Eltern und Kind Voraussetzung dafür ist, entsprechend dem Elternrecht Verantwortung für das Kind tragen zu können (BVerfG FamRZ 2013, 521 Rn. 59).
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Daran hat sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien orientiert (BT-Drucks. 15/2253 S. 11; vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16 – FamRZ 2018, 275 Rn. 24 f.). Er hat mithin für die gerichtliche Feststellung einer sozial-familiären Beziehung bewusst auf die aktuelle Sachlage abgestellt. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung stimmt mit der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Abwägung des Elternrechts des rechtlichen mit dem lediglich grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters überein. Wenn das Elternrecht von einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind gedeckt ist, hat es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmslos Vorrang vor dem rechtlichen Interesse des leiblichen Vaters zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung.
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Etwas anderes kann auch nicht aus dem Anliegen hergeleitet werden, Manipulationen vorzubeugen, die das Anfechtungsbegehren des leiblichen Vaters durch die zwischenzeitliche Entstehung einer sozial-familiären Beziehung von rechtlichem Vater und Kind zum Scheitern bringen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1174, 1175; Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1600 Rn. 41a). Der Vermeidung von Manipulationen kann und muss auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelung vielmehr bei der Feststellung des Vorliegens einer sozial-familiären Beziehung Rechnung getragen werden. So kann eine etwa tatsächlich nicht ausgeübte, nur vorübergehende oder sogar vorgetäuschte Verantwortungsübernahme das Merkmal der sozial-familiären Beziehung nicht erfüllen und steht folglich der Vaterschaftsanfechtung nicht entgegen. Besteht dagegen eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung von rechtlichem Vater und Kind, kann diese ausgehend von der Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon ihrer Natur nach keinen Rechtsmissbrauch darstellen, denn sie wird als rechtlich fundierte und tatsächlich gelebte Eltern-Kind-Beziehung nicht nur vom Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG geschützt, sondern hat als solche auch Vorrang vor dem Interesse des leiblichen Vaters an der Erlangung der rechtlichen Vaterschaft.
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Durch eine Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunkts auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens würde zudem die Zielsetzung des Gesetzes teilweise auch zu Lasten des leiblichen Vaters verfehlt. Denn bei Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit des Anfechtungsantrags wäre der Anfechtungsantrag auch dann unbegründet, wenn zwar bei Eintritt der Anhängigkeit noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater bestand, zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz aber nicht mehr. Damit wäre das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Interesse des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft zu erlangen, nicht mehr gewahrt. Denn dieses muss sich nach der Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der darauf beruhenden gesetzlichen Regelung durchsetzen, wenn die rechtliche Vaterschaft nicht durch eine sozial-familiäre Beziehung gestützt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16 – FamRZ 2018, 275 Rn. 23 ff.). Da gerade dieses Anliegen mit der Einführung der Vaterschaftsanfechtung durch den leiblichen Vater verwirklicht werden sollte, liefe eine Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunkts auch insoweit dem Gesetzeszweck zuwider.
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(2) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kann auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht in zulässiger Weise zu einem anderen Ergebnis führen.
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Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es, im Wege der Auslegung einem nach Sinn und Wortlaut eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn beizulegen oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (BVerfGE 138, 296 = NJW 2015, 1359 Rn. 132 mwN; Senatsbeschlüsse vom 22. April 2020 – XII ZB 383/19 – FamRZ 2020, 1009 Rn. 27 und vom 1. Juli 2015 – XII ZB 89/15 – FamRZ 2015, 1484 Rn. 35).
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Letzteres wäre hingegen bei einer Vorverlagerung des für die sozial-familiäre Beziehung maßgeblichen Zeitpunkts der Fall. Wie ausgeführt, entspricht die zeitliche Fixierung des Vorliegens einer sozial-familiären Beziehung auf die aktuelle Sachlage bei Entscheidung dem klaren Wortlaut des § 1600 Abs. 2 BGB und der Gesetzessystematik. Sie deckt sich als bewusste gesetzgeberische Wertentscheidung auch mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie dessen Sinn und Zweck. Zu einer den so ermittelten Gesetzesinhalt korrigierenden Auslegung sind die Fachgerichte nicht befugt (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 437 zur Gesetzesbindung). Auch ein anderenfalls vorliegender Verfassungsverstoß lässt sich nicht zulässigerweise im Wege der Gesetzeskorrektur durch die Fachgerichte beheben. Vielmehr bleibt in diesem Fall lediglich die Möglichkeit der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG.
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Zudem unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. September 2018 (1 BvR 2814/17 – FamRZ 2019, 124) zugrunde liegenden Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat die Anfechtung der Vaterschaft trotz aktuell bestehender sozial-familiärer Beziehung nur für die Sonderkonstellation zugelassen, dass der leibliche Vater die gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft zu einem Zeitpunkt beantragt hat, in dem sie ihm ohne Weiteres offen stand und auch kein anderer Mann eine soziale Vaterstellung für seine Kinder eingenommen hatte (BVerfG FamRZ 2019, 124 Rn. 21 ff.). Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall bereits dadurch, dass die rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 5 schon bei der Geburt begründet war.
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(3) Nach der Rechtsprechung des Senats bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung (Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 Rn. 26 ff.; Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16 – FamRZ 2018, 275 Rn. 24). Daran hält der Senat übereinstimmend mit dem Bundesverfassungsgericht (vgl. zuletzt BVerfG Beschluss vom 29. Januar 2020 – 1 BvR 2715/18 – juris) fest. Eine Sonderkonstellation wie die der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. September 2018 (FamRZ 2019, 124) liegt, wie ausgeführt, nicht vor.
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3. Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG).
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Das Oberlandesgericht hat für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Beteiligten zu 5 und dem Kind zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens abgestellt. Das für die Entscheidung maßgebliche Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung hat es hingegen – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – als unerheblich angesehen. Da es insoweit an den erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen fehlt, ist dem Senat ungeachtet der zwischenzeitlichen Eheschließung durch die Beteiligten zu 4 und 5 eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt.
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Die Sache ist daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen nachzuholen hat.
- Dose
- Klinkhammer
- Günter
- Botur
- Krüger