BSG 13. Senat, Urteil vom 22.03.2021, AZ B 13 R 20/19 R, ECLI:DE:BSG:2021:220321UB13R2019R0
§ 24 Abs 1 SGB 4, § 24 Abs 2 SGB 4, § 25 Abs 1 S 1 SGB 4, § 1 S 1 Nr 4 SGB 6, § 1 S 4 SGB 6
Verfahrensgang
vorgehend SG Heilbronn, 6. April 2018, Az: S 15 R 4080/16, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 25. Oktober 2019, Az: L 8 R 1633/18, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Oktober 2019 wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen: Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Klägers gegen die unter der laufenden Nr 230 der Tabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen des D e. V. angemeldete Forderung der Beklagten unbegründet ist, soweit diese Forderung nicht über 79 718,09 Euro hinausgeht.
Der weitergehende Antrag des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird bis zum 12. November 2020 auf 79 718,09 Euro und ab dem 13. November 2020 auf 99 580,18 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für die Beigeladene.
2
Der ursprünglich klagende Insolvenzschuldner mit Sitz in S ist Trägerverein der D, einer evangelisch-pfingstlichen Freikirche. Er unterhielt im hier interessierenden Zeitraum jedenfalls in Deutschland sog Glaubenshäuser. Das damalige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg stellte mit Bescheid vom 10.7.1995 für den Zeitraum ab dem 1.1.1992 fest, dass dem Personenkreis des § 7 der damaligen Satzung des Insolvenzschuldners nach den Regeln der Gemeinschaft eine Anwartschaft auf die gemeinschaftsübliche Versorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert sei.
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Die Beigeladene war am 1.2.1972 mit 18 Jahren in das Glaubenshaus des Insolvenzschuldners in B aufgenommen worden, wo sie eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin absolvierte. In der Folgezeit lebte und arbeitete sie durchgehend in verschiedenen Glaubenshäusern des Insolvenzschuldners sowie in Glaubenshäusern anderer Träger im Ausland. Zuletzt war sie vom 1.12.2006 bis zum 13.3.2013 als Hausverwalterin/Heimleiterin in einem Glaubenshaus in der Schweiz tätig. Dieses verließ sie unter Erklärung ihres Austritts aus der D.
4
Jedenfalls hinsichtlich ihrer Tätigkeit in den Glaubenshäusern in Deutschland waren für die Beigeladene keine Rentenversicherungsbeiträge abgeführt worden. Nachdem die Beigeladene ein Kontenklärungsverfahren angestoßen hatte, forderte der beklagte Rentenversicherungsträger vom Insolvenzschuldner Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.2.1972 bis zum 30.11.2006 iHv 84 716,26 Euro
(Bescheid vom 12.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 11.3.2015).
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Der Insolvenzschuldner hat sich im dagegen angestrengten Klageverfahren ua auf Verjährung berufen. Die Beklagte hat sich mit angenommenem Teil-Anerkenntnis vom 6.4.2018 verpflichtet, unter Änderung der angegriffenen Bescheide auch für die früheren Zeiten der Auslandstätigkeit der Beigeladenen keine Nachversicherungsbeiträge zu erheben, wodurch sich ihre Forderung auf 79 718,09 Euro reduziert hat. Die verbliebene Klage hat das SG abgewiesen
(Urteil vom 6.4.2018). Die dagegen gerichtete Berufung des Insolvenzschuldners hat das LSG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Insolvenzschuldner sei aus § 233 Abs 2 iVm § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI zur Zahlung der zutreffend errechneten Nachversicherungsbeiträge verpflichtet. Die Beigeladene sei unversorgt aus der D ausgeschieden, für die sie während der noch streitigen Zeiträume einen nach § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI bzw unter Geltung des zuvor geltenden Rechts versicherungsfreien Dienst geleistet habe. Bei der D handle es sich um eine geistliche Genossenschaft oder eine ähnliche Gemeinschaft iS von § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI. Darunter zu verstehen sei unabhängig vom rechtlichen Status der verfestigte Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Gemeinschaft, der geistlich und religiös geprägt sei. Das treffe auf die D zu. In ihr hätten sich satzungsgemäß gläubige Menschen zu einer organisatorisch verfestigten Gemeinschaft zusammengefunden, die ihrer christlichen Überzeugung und inneren Berufung folgend eine auf Dauer angelegte ordensähnliche Glaubens- und Lebensgemeinschaft bilden, ihre zur Verfügung stehende Kraft aktiv für die Verwirklichung des Zwecks der Insolvenzschuldner einsetzen und sogar, ohne dass es hierauf ankomme, in den Glaubenshäusern zusammen wohnen und leben würden. Die Beigeladene sei bis zum 13.3.2013 satzungsmäßiges Mitglied der D gewesen. Keine Rolle spiele insoweit, dass sie ab Dezember 2006 in einem Glaubenshaus in der Schweiz gelebt und gearbeitet habe. Sie sei in die Gemeinschaft in Deutschland integriert und mit dieser organisatorisch verflochten geblieben und habe weiterhin für diese Dienst geleistet. Der Insolvenzschuldner könne sich daher auch nicht erfolgreich auf Verjährung berufen. Bei Erlass des angegriffenen Nachversicherungsbescheids sei die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV nicht abgelaufen gewesen. Denn die Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge knüpfe an das Ausscheiden der Beigeladenen aus dem Dienst der D am 13.3.2013 an. Zudem greife die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV, weil der Insolvenzschuldner zumindest bedingt vorsätzlich die Beiträge nicht rechtzeitig abgeführt habe
(Urteil vom 25.10.2019).
6
Mit seiner Revision hat der Insolvenzschuldner als Verfahrensfehler einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht und gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör sowie eine Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung gerügt. Fehlerhaft habe das LSG ein Ausscheiden der Beigeladenen aus seiner Glaubensgemeinschaft erst für 2013 angenommen. Ausgehend von einem Austritt bereits in 2006 sei Verjährung eingetreten, weil die 30-jährige Verjährungsfrist nicht zur Anwendung komme.
7
Am 1.6.2020 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Die Beklagte hat eine Forderung iHv 159 328,29 Euro zur Insolvenztabelle angemeldet. Als Grund der Forderung sind hinsichtlich 91 268,29 Euro der Bescheid vom 12.11.2014 und hinsichtlich 68 060 Euro Säumniszuschläge eingetragen worden.
8
Der Kläger hat die Forderung bestritten und am 13.11.2020 die Aufnahme des vorliegenden Rechtsstreits erklärt. Er rügt in materieller Hinsicht eine Verletzung des § 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI. Das LSG habe die Begriffe „geistliche Genossenschaften“ und „ähnliche Gemeinschaften“ ungenügend ausgelegt. Es habe nicht darauf abgestellt, ob deren Angehörige vergütete Dienste für die weltliche Gemeinschaft leisten würden und ob die Mitgliedschaft auf Lebenszeit ausgerichtet sei. Ferner rügt der Kläger, das LSG habe unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht einen Dienst der Beigeladenen für die D – statt für die Gemeinschaft in der Schweiz oder die internationale Gemeinschaft – angenommen.
9
Der Kläger beantragt,
es wird festgestellt, dass sein Widerspruch gegen die unter der laufenden Nr 230 der Insolvenztabelle in Höhe von 159 328,29 Euro angemeldete Forderung der Beklagten erheblich ist.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
12
Die Beigeladene hält das Berufungsurteil ebenfalls für zutreffend. Einen Antrag hat sie nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet
(§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
14
A) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.3.2015 in der Fassung des angenommenen Teil-Anerkenntnisses vom 6.4.2018. Bezogen hierauf ist über das Feststellungsbegehren des Klägers zu entscheiden. Der Kläger hat das vorliegende Klageverfahren, das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners unterbrochenen worden war
(§ 202 Satz 1 SGG iVm § 240 Satz 1 ZPO), wirksam aufgenommen und führt es zutreffend als Feststellungsklage weiter. Die Aufnahme richtet sich nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften
(vgl auch insoweit § 202 Satz 1 SGG iVm § 240 Satz 1 ZPO). Danach ist der Kläger vorliegend zur Verfahrensaufnahme befugt
(hierzu unter I.) und hat diese auch wirksam erklärt
(hierzu unter II.). Der Kläger konnte das bisherige Klagebegehren zulässigerweise auf ein Feststellungsbegehren umstellen
(hierzu unter III.).
15
I. Der Kläger ist im vorliegenden Prozess, mit dem die Insolvenzmasse in Anspruch genommen wird (Passivprozess), zur Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits befugt. Soweit für eine bestrittene Insolvenzforderung bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel vorliegt, obliegt die Aufnahme dem Bestreitenden
(§ 179 Abs 2 iVm § 180 Abs 2 Insolvenzordnung <InsO>). Der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.3.2015 in der Fassung des angenommenen Teil-Anerkenntnisses vom 6.4.2018, auf den die Beklagte ihre vom Kläger bestrittene Insolvenzforderung ua stützt, stellt einen solchen Schuldtitel dar. Jedenfalls sozialrechtliche Beitragsbescheide, die zwar noch nicht bestandskräftig, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber bereits ergangen sind, sind (vorläufig) vollstreckbare Schuldtitel iS von § 179 Abs 2 InsO
(Gerhardt in Jaeger, Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl 2010, § 179 RdNr 50; sogar für alle vollstreckbaren Verwaltungsakte: Zenker in BeckOK InsO, Stand: 15.10.2020, § 179 RdNr 11). Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit schon vor Eintritt der Bestandskraft grundsätzlich nicht durch die Einlegung von Rechtsbehelfen gehemmt wird
(§ 86a Abs 2 Nr 1 SGG) und dass ihre Vollstreckung zugunsten der erlassenden Behörde keiner Vollstreckungsklausel bedarf, wenn diese Verwaltungsvollstreckung nach Maßgabe von § 66 SGB X gewählt hat
(vgl etwa Eichenhofer in v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB X, 3. Aufl 2020, § 66 RdNr 5). In dieser Hinsicht sind sie mit noch nicht bestandskräftigen, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber bereits ergangenen Steuerbescheiden vergleichbar, die nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den (vorläufig) vollstreckbaren Schuldtiteln iS von § 179 Abs 2 InsO gehören
(vgl zur Vorgängerregelung in § 146 Konkursordnung <KO> BFH Urteil vom 23.2.2010 – VII R 48/07 – BFHE 228, 134 = juris RdNr 12 zu § 179 Abs 2 InsO und BFH Beschluss vom 10.8.1993 – VII B 46/91 – BFH/NV 1994, 293 = juris RdNr 3; zuletzt etwa BFH Beschluss vom 9.3.2016 – III B 103/15 – juris RdNr 11).
16
II. Der Kläger hat die Aufnahme des vorliegenden Rechtsstreits durch seinen Schriftsatz vom 12.11.2020 – eingegangen beim BSG am Folgetag – wirksam erklärt
(§ 202 Satz 1 SGG iVm § 250 ZPO, § 180 Abs 2 InsO). Dass der Rechtsstreit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits in der Revisionsinstanz anhängig gewesen ist, steht dem nicht entgegen
(vgl hierzu etwa BGH Beschluss vom 29.4.2004 – IX ZR 265/03 – juris RdNr 2; BFH Urteil vom 23.6.2015 – III R 26/12 – juris RdNr 16). Das Erfordernis einer vorherigen Durchführung des insolvenzrechtlichen Prüfverfahrens ist gewahrt
(vgl hierzu etwa BGH Urteil vom 3.7.2014 – IX ZR 261/12 – juris RdNr 9 f mwN). Der Kläger hat dies durch Vorlage eines beglaubigten Tabellenauszugs nachgewiesen
(vgl zu diesem Erfordernis etwa BGH Urteil vom 7.12.2017 – VII ZR 101/14 – BGHZ 217, 103 = juris RdNr 21 mwN).
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III. Zutreffend führt der Kläger den aufgenommenen Rechtsstreit als Feststellungsklage weiter. Darin liegt keine im Revisionsverfahren unzulässige
(§ 168 Satz 1 SGG) Klageänderung, sondern eine gemäß § 99 Abs 3 Nr 3 SGG zulässige Antragsanpassung an die insoweit maßgebenden Vorschriften der InsO „wegen einer später eingetretenen Veränderung“ – der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – ohne Änderung des Klagegrundes
(vgl für das zivilrechtliche Verfahren etwa BGH Beschluss vom 31.10.2012 – III ZR 204/12 – BGHZ 195, 233, juris RdNr 22 mwN).
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B) Der Senat kann über das Feststellungsbegehren allerdings nur entscheiden, soweit die von der Beklagten geltend gemachte Insolvenzforderung nicht über den Betrag von 79 718,09 Euro hinausgeht. Der darüberhinausgehende Antrag des Klägers ist unzulässig; insoweit bleibt die Beurteilung der Begründetheit seines Widerspruchs einem selbstständigen insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren vorbehalten. Die Aufnahme eines bereits anhängigen Rechtsstreits zur Feststellung einer Insolvenzforderung setzt nach § 180 Abs 2 InsO voraus, dass „die(selbe) Forderung“ den Gegenstand des Insolvenzfeststellungsverfahrens wie des aufzunehmenden Rechtsstreits bildet
(vgl zur Vorgängerregelung in § 146 Abs 3 KO BGH Urteil vom 23.6.1988 – IX ZR 172/87 – BGHZ 105, 34 = juris RdNr 14; vgl auch Graf-Schlicker in Graf-Schlicker, InsO, 5. Aufl 2020, § 180 RdNr 9; Gerhardt in Jaeger, Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl 2010, § 179 RdNr 64). Die von der Beklagten zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung deckt sich aber, soweit sie mit einer weiteren Dynamisierung der Nachversicherungsbeiträge
(hierzu unter I.) und aufgelaufenen Säumniszuschlägen
(hierzu unter II.) begründet wird, nicht mit der Nachversicherungsforderung iHv zuletzt 79 718,09 Euro, auf die sich der im vorliegenden Klageverfahren streitgegenständliche Bescheid bezieht.
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1. Soweit die Beklagte eine über 79 718,09 Euro hinausgehende Hauptforderung zur Tabelle angemeldet hat, stützt sie sich offensichtlich auf eine interne Neuberechnung der Nachversicherungsbeiträge bezogen auf eine Begleichung im Jahr 2020. Insoweit übersteigt die bestrittene Insolvenzforderung dem Betrag nach die Forderung aus dem vorliegend streitgegenständlichen Nachversicherungsbescheid. Zwar unterliegen die von der Beklagten im Bescheid vom 12.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.3.2015 in der Fassung des angenommenen Teil-Anerkenntnisses vom 6.4.2018 festgesetzten Nachversicherungsbeiträge der weiteren Anpassung gemäß § 181 Abs 4 SGB VI
(vgl zum Sinn und Zweck dieser sog Dynamisierung Entwurfsbegründung zum Rentenreformgesetz 1992 BT-Drucks 11/4124 S 187 zu § 176 Abs 4 SGB VI-E). Der Insolvenzschuldner wurde auch von der Beklagten im Bescheid vom 12.11.2014 darauf hingewiesen, dass die festgesetzten Nachversicherungsbeiträge bezogen auf eine Zahlung im Jahr 2014 berechnet wurden. Als bloße Berechnungsregelung bewirkt die Regelung in § 181 Abs 4 SGB VI jedoch keine Änderung eines bereits erlassenen Beitragsbescheids kraft Gesetzes. Hierfür bedarf es vielmehr einer Neufestsetzung der Beiträge durch Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen des § 96 Abs 1 SGG Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens werden würde. Ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG
(§ 163 SGG) hat die Beklagte einen solchen Änderungsbescheid nicht erlassen.
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2. Soweit die bestrittene Insolvenzforderung mit aufgelaufenen Säumniszuschlägen begründet wird, deckt sie sich schon dem Grunde nach nicht mit dem Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens. Der diesen bildende Nachversicherungsbescheid der Beklagten enthält keinen Verwaltungsakt zur Festsetzung oder Geltendmachung von Säumniszuschlägen, die Beklagte behielt sich dies darin lediglich vor. Eine Geltendmachung durch Verwaltungsakt war vorliegend auch nicht entbehrlich. Säumniszuschläge für eine Beitragsforderung, die wie in Nachversicherungsfällen (durch Bescheid) mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird
(§ 24 Abs 1 iVm Abs 2 SGB IV), bedürfen der Festsetzung durch einen Verwaltungsakt
(vgl BSG Urteil vom 29.11.2007 – B 13 R 48/06 R – BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1, RdNr 14). Nur dies trägt der Gesamtregelung in § 24 Abs 2 SGB IV Rechnung. Danach sind zur Vermeidung unbilliger Härten Säumniszuschläge dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung (durch Bescheid) mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird und der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte
(vgl hierzu BSG Urteil vom 12.2.2004 – B 13 RJ 28/03 R – BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 24 – juris RdNr 32). Dies bedarf einer behördlichen Beurteilung und Regelung im Einzelfall.
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C) Soweit im vorliegenden Klageverfahren über das Feststellungsbegehren zu entscheiden ist, bleibt die Revision erfolglos. Der Widerspruch des Klägers gegen die von der Beklagten geltend gemachte Insolvenzforderung ist jedenfalls unbegründet, soweit diese nicht über den Betrag von 79 718,09 Euro hinausgeht. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, ist der Bescheid vom 12.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.3.2015 in der Fassung des angenommenen Teil-Anerkenntnisses vom 6.4.2018, in dem die Beklagte eine Forderung in dieser Höhe festsetzte, rechtmäßig. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 181 Abs 5 Satz 1, § 185 Abs 1 Satz 1 iVm § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI, für Nachversicherungszeiträume vor dem 1.1.1992 zudem iVm § 233 Abs 2 Satz 1 SGB VI. Danach werden ua die Beiträge zur Nachversicherung von Personen, die wegen des Wegfalls ihres Versorgungsanspruchs gegen eine ähnliche Gemeinschaft iS des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI nach § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI nachzuversichern sind, von der betroffenen Gemeinschaft getragen und unmittelbar an den Rentenversicherungsträger gezahlt. Für die Beigeladene ist die Nachversicherung nach § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI durchzuführen
(hierzu unter I.). Dem von der Beklagten angenommenen Nachversicherungszeitraum begegnen keine Bedenken. Dies gilt auch für die Höhe der im Bescheid vom 12.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.3.2015 in der Fassung des angenommenen Teil-Anerkenntnisses vom 6.4.2018 festgesetzten Nachversicherungsbeiträge
(hierzu unter II.). Die Nachversicherungsforderung der Beklagten ist auch nicht verjährt
(hierzu unter III.).
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I. Die Beigeladene ist nachzuversichern. Das beurteilt sich für den gesamten Nachversicherungszeitraum nach § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI
(hierzu unter 1.), dessen Voraussetzungen in Bezug auf die Beigeladene erfüllt sind
(hierzu unter 2.).
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1. Für die Nachversicherung der Beigeladenen ist auch hinsichtlich des vor dem 1.1.1992 liegenden Nachversicherungszeitraums § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI
(idF des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 – BGBl I 3396) maßgeblich. Das ergibt sich aus § 233 Abs 2 Satz 1 SGB VI
(idF der Neubekanntmachung vom 19.2.2002 – BGBl I 754). Nach dieser Übergangsvorschrift werden ua Personen, die nach dem 31.12.1991 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach § 5 Abs 1 SGB VI versicherungsfrei waren, nach den vom 1.1.1992 an geltenden Vorschriften des SGB VI nachversichert; das gilt auch für die Zeiträume zuvor, in denen sie nach dem sinngemäß entsprechenden Recht versicherungsfrei waren. Die Beigeladene, für die nur ein Ausscheiden nach dem 31.12.1991 in Betracht kommt, war ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG sowohl nach § 5 Abs 1 SGB VI
(hierzu unter a) als auch nach dem vor dem 1.1.1992 anwendbaren Recht
(hierzu unter b) versicherungsfrei.
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a) Die Beigeladene war unter Geltung des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI
(im Nachversicherungszeitraum anzuwenden in der Ursprungsfassung vom 18.12.1989 – BGBl I 2261 -, der demgegenüber unveränderten Fassung der Neubekanntmachung vom 19.2.2002 – BGBl I 754 – sowie der bezüglich der vorliegend in Betracht kommenden Tatbestandsalternative weiterhin unveränderten Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21.12.2008 – BGBl I 2933 -) versicherungsfrei. Nach dieser Vorschrift sind ua satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, wenn ihnen nach den Regeln der Gemeinschaft eine Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist, in dieser Beschäftigung versicherungsfrei. Dabei gilt nach dem Rechtsgedanken des § 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI der Dienst für die Gemeinschaft als Beschäftigung im Sinne des Rechts der Rentenversicherung. Nach § 5 Abs 1 Satz 3 SGB VI entscheidet die oberste Verwaltungsbehörde des Landes, in dem die betroffene Genossenschaft oder Gemeinschaft ihren Sitz hat, über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit ihrer satzungsmäßigen Mitglieder bzw Angehörigen. Ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ist die Beigeladene im Nachversicherungszeitraum als Angehörige einer ähnlichen Gemeinschaft iS des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI anzusehen
(hierzu unter aa), der eine gesicherte Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung gewährleistet war
(hierzu unter bb).
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aa) Jedenfalls im Nachversicherungszeitraum wurde von den Personen, die nicht nur vorübergehend in den Glaubenshäusern des Insolvenzschuldners lebten, eine ähnliche Gemeinschaft iS des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI
(zum Begriff unter <1>) gebildet
(hierzu unter <2>), der die Beigeladene ab dem 1.2.1972 angehörte
(hierzu unter <3>).
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(1) Der Begriff der „ähnlichen Gemeinschaften“ iS des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI beschreibt einen Typus, der inhaltlich durch die Ähnlichkeit zu den in der Norm zunächst genannten geistlichen Genossenschaften und Diakonissengemeinschaften bestimmt wird
(vgl zur Rechtsfigur des Typus im Sozialrecht zuletzt BSG Urteil vom 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R – BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 23; zur ausreichenden Bestimmtheit des Typus „Beschäftigung“ BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.5.1996 – 1 BvR 21/96 – SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f = juris RdNr 7). Es ist dabei nicht erforderlich, dass stets sämtliche als idealtypisch erkannten Merkmale vorliegen, diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Entscheidend ist jeweils ihre Verbindung, die Intensität und die Häufigkeit ihres Auftretens im konkreten Einzelfall. Maßgeblich ist das Gesamtbild
(zum Ganzen BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.5.1996 – 1 BvR 21/96 – SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f = juris RdNr 7). Die typusbildenden Merkmale sind vorliegend der Verfasstheit der geistlichen Genossenschaften und Diakonissengemeinschaften zu entnehmen, die innerhalb des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI den „Normalfall“ bilden
(hierzu unter <a>). Damit erfasst der Typus Gruppen von Personen, die durch gemeinsame Anschauungen religiöser oder weltanschaulicher Art
(hierzu unter <b>) untereinander verbunden sind und die zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen religiösen bzw weltanschaulichen Ziele ein Leben führen, das mit demjenigen in geistlichen Genossenschaften und Diakonissengemeinschaften
(hierzu unter <c>) weitgehend übereinstimmt. Ob eine solche weitgehende Übereinstimmung besteht, ist Tatfrage und beurteilt sich nach dem Gesamtbild des von den Angehörigen der betroffenen Gruppe geführten Lebens. Ein starkes Indiz hierfür ist das Führen eines Lebens in Gemeinschaft
(hierzu unter <d>). Unerheblich ist hingegen, ob bei Aufnahme in die Gruppe Gelübde abgelegt werden, ob ihre Angehörigen zumindest auch einen Dienst „in der Welt“ leisten und wie selten oder schwierig ein Austritt aus der Gruppe ist
(hierzu unter <e>). Dies ergibt eine Auslegung des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI anhand des Wortlauts, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Norm, wie er sich den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm entnehmen lässt
(zu den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung vgl etwa BVerfG Urteil vom 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10 – BVerfGE 133, 168 RdNr 66 mwN).
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(a) Der Begriff der „ähnlichen Gemeinschaften“, deren Angehörige der Tatbestand des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI erfasst, wird hier nicht eigenständig definiert, ebenso wenig wie in § 1 Satz 1 Nr 4, § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI und § 4 Abs 1 Nr 3 SGB VII, in denen der Begriff ebenfalls Verwendung findet. Die den Typus der „ähnlichen Gemeinschaften“ bestimmenden Merkmale werden vielmehr durch den Bezug auf die zuvor genannten „geistlichen Genossenschaften“ und Gemeinschaften der „Diakonissen“ bestimmt.
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Das Adjektiv „ähnlich“ verdeutlicht, dass die betreffenden Gemeinschaften für die rentenversicherungsrechtliche Behandlung zwar nicht vollständig, jedoch in den maßgeblichen Merkmalen mit den zuvor genannten „geistlichen Genossenschaften“ und Gemeinschaften der „Diakonissen“ übereinstimmen müssen. Das auf alle drei in § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI genannten Alternativen gleichermaßen bezogene Wort „Gemeinschaft“ bezeichnet ua sowohl das Zusammensein oder Zusammenleben in gegenseitiger Verbundenheit als auch eine Gruppe von Personen, die durch gemeinsame Anschauungen oder Ähnliches untereinander verbunden sind
(vgl Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion, Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd 4, 3. Aufl 1999, Stichwort Gemeinschaft; ebenso https://www.duden.de/rechtschreibung/Gemeinschaft).
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Auch nach seiner Entstehungsgeschichte ist der Begriff der „ähnlichen Gemeinschaften“ stets in Bezug zu den geistlichen Genossenschaften und Diakonissengemeinschaften gesetzt worden. Erstmals eigenständig geregelt wurde die Versicherungspflicht von ua Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörigen ähnlicher Gemeinschaften bei der Rentenreform 1957
(vgl hierzu ausführlich BSG Urteil vom 17.12.1996 – 12 RK 2/96 – BSGE 79, 307 = SozR 3-2500 § 6 Nr 14, juris RdNr 25 ff). Nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 5 RVO idF des Art 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23.2.1957
(BGBl I 45) und § 2 Abs 1 Nr 7 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) idF des Art 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23.2.1957
(BGBl I 88) hing ihre Versicherungspflicht noch ua von Barbezügen oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts ab. Dabei fand zum ersten Mal der Begriff „ähnliche Gemeinschaften“ Verwendung, der auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozialpolitik zurückging, ohne dort allerdings weiter erläutert zu werden. In den Gesetzentwürfen, die in das ArVNG und AnVNG mündeten, wurde noch auf „Mitglieder geistlicher (…) Genossenschaften, Diakonissen (…) und ähnliche Personen“ abgestellt – wie bis heute in § 27 Abs 1 Nr 4 SGB III und § 6 Abs 1 Nr 7 SGB V – und deren Versicherungsfreiheit vorgesehen –
(vgl § 1229 Abs 1 Nr 7 RVO-E in BT-Drucks 02/2437 S 8 sowie § 2 Abs 1 Nr 3 AVG-E in BT-Drucks 02/2314 S 7). Demgegenüber empfahl der Ausschuss für Sozialpolitik die dann in § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 5 RVO und § 2 Abs 1 Nr 7 AVG aufgenommene Regelung zur Versicherungspflicht für „Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen (…) und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften“
(BT-Drucks 02/3080 S 6 und 7).
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In systematischer Hinsicht ergibt sich zudem die Notwendigkeit, den Begriff der „ähnlichen Gemeinschaften“ in § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI in Übereinstimmung mit § 1 Satz 1 Nr 4 und § 8 Abs 2 Satz 1 SGB VI auszulegen. Die Vorschriften ergänzen einander. Während § 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI die grundsätzliche Versicherungspflicht von Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörigen ähnlicher Gemeinschaften bestimmt, regelt § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI, unter welchen Voraussetzungen dieser grundsätzlich versicherungspflichtige Personenkreis bei Bestehen eines autonomen Versorgungssystems der betroffenen Gemeinschaft versicherungsfrei ist. Etwas anderes gilt nur für die vorliegend nicht betroffenen nicht-satzungsmäßigen Mitglieder geistlicher Genossenschaften wie insbesondere Postulanten und Novizen, für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht
(vgl BSG Urteil vom 17.12.1996 – 12 RK 2/96 – BSGE 79, 307 = SozR 3-2500 § 6 Nr 14 – juris RdNr 21 ff). § 8 Abs 2 Satz 1 SGB VI regelt die Nachversicherung der nach § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI versicherungsfreien Personen.
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(b) Nach dem Sinn und Zweck der betroffenen Regelungen erfasst der Typus der „ähnlichen Gemeinschaften“ in § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI – wie in § 1 Satz 1 Nr 4 und § 8 Abs 2 Satz 1 SGB VI – nur Gruppen von Personen, die durch gemeinsame Anschauungen religiöser oder weltanschaulicher Art untereinander verbunden sind. Mit Blick auf diesen Personenkreis sind die hier interessierenden gesetzlichen Regelungen geschaffen worden. Zur Begründung der erstmals in § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 5 RVO idF des ArVNG und § 2 Abs 1 Nr 7 AVG idF AnVNG geregelten Versicherungspflicht von ua Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörigen ähnlicher Gemeinschaften, auf die der – regelhaft Versicherungspflicht begründende – Arbeitnehmerbegriff nicht anzuwenden sei, wurde auf deren Schutzbedürftigkeit verwiesen
(zu BT-Drucks 02/3080 S 3). Gleichzeitig war das historisch gewachsene Eigenrecht der betroffenen Genossenschaften und Gemeinschaften zu berücksichtigen. In ihrer heutigen Ausgestaltung tragen die Regelungen einerseits dem in Art 140 GG iVm Art 137 Abs 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung verbürgten Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften und der ihnen gleichgestellten weltanschaulichen Vereinigungen Rechnung. Dieses Selbstverwaltungsrecht umfasst Regelungen zur Versorgung der eigenen Beschäftigten. Andererseits stellen die Regelungen sicher, dass der Rentenversicherungsschutz als Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips nur zurücktritt, wenn die Selbstregelung einen Mindeststandard sozialer Sicherung rechtlich und tatsächlich gewährleistet
(eingehend Fichte in Hauck, SGB VI, Stand: Lfg 3/09, Juni 2009, K § 5 RdNr 65 mwN; Listl in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl 1994, § 30 S 859 f; vgl zur Gewährleistung einer lebenslangen Versorgung als Voraussetzung der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung BSG Urteil vom 11.6.1990 – 2 RU 51/89 – BSGE 67, 73 = SozR 3-2200 § 541 Nr 1, juris RdNr 20 f).
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(c) Zur Erfassung der typusbildenden Merkmale kann auf das Ordensrecht, insbesondere dasjenige der katholischen Kirche, und auf die Erscheinungsformen der mit den evangelischen Kirchen verbundenen Diakonissengemeinschaften zurückgegriffen werden. Obgleich der Begriff der „ähnlichen Gemeinschaften“ neutral formuliert und staatskirchenrechtlich auf alle Religionsgesellschaften und die ihnen gleichgestellten weltanschaulichen Vereinigungen anwendbar ist, bezieht er sich typusbildend auf geistliche Genossenschaften, deren Ausgestaltung vor allem durch das Ordensrecht der katholischen Kirche geformt ist, sowie auf die durch das evangelische Selbstverständnis geprägten Gemeinschaften der Diakonissen.
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Das über Jahrhunderte ausgebildete Ordensrecht der katholischen Kirche ist insbesondere im Codex Iuris Canonici (CIC) kodifiziert. Der Begriff „geistliche Genossenschaft“ wird im CIC/1917 sowohl als Sammelbegriff für Gemeinschaften verwendet, in denen entweder die feierlichen (Orden) oder die einfachen Gelübde (Kongregation) abgelegt werden, als auch für die in c 673 ff CIC/1917 geregelten Gesellschaften des gemeinschaftlichen Lebens ohne Gelübde
(vgl Hallermann/Meckel/Droege/de Wall <Hrsg>, Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht, Bd 2, „Genossenschaft – Katholisch“, S 223 f; Henseler in Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Bd 2, Stand: Mai 1998, Terminologische Übersicht vor 573, 1). Im aktuellen CIC/1983 findet der Begriff allerdings keine Verwendung mehr. Orden und Kongregationen werden nunmehr unter den Begriff „Religioseninstitute“ gefasst. Die Gesellschaften des gemeinschaftlichen Lebens ohne Gelübde finden sich jetzt unter dem Begriff „Gesellschaften des apostolischen Lebens“. Umgangssprachlich werden sämtliche dieser Gemeinschaften ungeachtet der kirchenrechtlichen Differenzierung zumeist als Orden bezeichnet.
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Der ursprünglich Frauen vorbehaltene Beruf der Diakonisse ist im 19. Jahrhundert entstanden und jedenfalls traditionell mit dem Eintritt in eine Schwesternschaft verbunden. Da die evangelischen Kirchen kein Ordensrecht kennen
(vgl Hübner ua <Hrsg>, Evangelisches Soziallexikon, 9. Aufl 2016, Eintrag „Kommunitäten/Orden/Bruder- und Schwesternschaften“), ergeben sich die dabei geltenden Bestimmungen aus dem Eigenrecht der jeweiligen Schwesternschaft, das üblicherweise die Form von Satzungen oder Ordnungen aufweist
(vgl zu Ansätzen einheitlicher Rahmenbedingungen für das Diakonat Hübner ua <Hrsg>, Evangelisches Soziallexikon, 9. Aufl 2016, Eintrag „Diakon/Diakonisse/Diakonin“).
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(d) Ob eine Gruppe von Personen, die durch gemeinsame Anschauungen religiöser oder weltanschaulicher Art untereinander verbunden sind, zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen religiösen bzw weltanschaulichen Ziele ein Leben führen, das mit demjenigen in geistlichen Genossenschaften und Diakonissengemeinschaften weitgehend übereinstimmt, ist Tatfrage und nach dem Gesamtbild des in der betroffenen Gruppe geführten Lebens zu entscheiden. Ein starkes Indiz hierfür ist das Führen eines Lebens in Gemeinschaft, denn sowohl die geistlichen Genossenschaften entsprechend der früheren Bezeichnung im katholischen Ordensrecht als auch die Diakonissengemeinschaften, von denen der Typus der „ähnlichen Gemeinschaften“ ausgeht, zeichnen sich in aller Regel durch ein Leben in Gemeinschaft aus. Obgleich einige (katholische) Ordensverbände nach ihrem Eigenrecht Personen in die Gemeinschaft aufnehmen, die außerhalb einer Ordensniederlassung leben (zB Oblaten), ist unter Geltung des CIC/1983 sowohl für die „Religioseninstitute“ als auch für die „Gesellschaften des apostolischen Lebens“ weiterhin das gemeinsame Leben im Sinne eines brüderlichen bzw schwesterlichen Lebens in Gemeinschaft konstituierend
(vgl c 607 § 2 und c 731 § 1 CIC/1983). Dieses dient nach ordensrechtlichem Verständnis der gegenseitigen Hilfe und der Erfüllung der persönlichen Berufung
(c 602 Satz 1 und c 732 Halbsatz 2 iVm c 602 Satz 1 CIC/1983; vgl dazu, dass der Verweis auf c 602 auch für Gesellschaften des apostolischen Lebens nach c 732 Halbsatz 1 CIC/1983 gilt, die sich nicht auf die apostolischen Räte – Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam – verpflichtet haben, Aymans/Mörsdorf, Kanonisches Recht, Bd II, 13. Aufl 1997, § 92 S 571 f; Henseler in Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Bd 2, Stand: Mai 1998, 602, 1). In vergleichbarer Weise stellen die Diakonissengemeinschaften – zumindest traditionell – in Diakonissenhäusern und Diakonissenmutterhäusern zusammengefasste Glaubens-, Lebens- und Dienstgemeinschaften dar
(vgl Fichte in Hauck, SGB VI, Stand: Lfg 4/08, Mai 2008, K § 5 RdNr 68 mwN), auch wenn sie sich seit Ende der 1960er Jahre für weitere Personengruppen geöffnet haben
(vgl Hübner ua <Hrsg>, Evangelisches Soziallexikon, 9. Aufl 2016, Eintrag „Diakon/Diakonisse/Diakonin“) und von ihren Angehörigen inzwischen nicht mehr in jedem Fall ein Leben innerhalb der Gemeinschaft verlangen.
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Ein solches Leben in Gemeinschaft ist gekennzeichnet durch eine weitgehende Verflechtung von persönlichem Leben, einzeln oder gemeinsam durchgeführten religiösen oder weltanschaulichen Praktiken der jeweiligen Gemeinschaft und den ggf innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft erbrachten Diensten. Es beinhaltet eine Form von räumlichem Zusammenleben, die sich durchaus – wie in einer Klosteranlage – auf ein auch größeres Areal mit (privaten) Wohn- und Gemeinschaftsbereichen oder sogar – wie bei einem Orden mit verschiedenen Niederlassungen – auf mehrere solcher Areale beziehen kann.
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(e) Das Ablegen von Gelübden oder gar von solchen in einer bestimmten feierlichen Form ist hingegen im hier interessierenden rentenrechtlichen Zusammenhang weder für die geistlichen Genossenschaft noch die Diakonissengemeinschaften prägend. Bei den „Gesellschaften des apostolischen Lebens“ als Gesellschaften des Lebens in Gemeinschaft ohne Gelübde ist ein solches schon definitionsgemäß nicht vorgesehen. Nach dem evangelischen Selbstverständnis haben Gelübde ohnehin den Charakter freiwilliger Verpflichtungen
(vgl Hübner ua <Hrsg>, Evangelisches Soziallexikon, 9. Aufl 2016, Eintrag „Kommunitäten/Orden/Bruder- und Schwesternschaften“). Mit Blick auf den Schutzzweck der rentenrechtlichen Regelungen kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht darauf an, ob die Angehörigen der betroffenen Gruppe „in der Welt“ Dienst leisten. Ausgehend von der Grundregelung in § 1 Satz 1 Nr 4 iVm Satz 4 SGB VI gelten die Regelungen zur Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit und Nachversicherung von (satzungsmäßigen) Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörigen ähnlicher Gemeinschaften gerade für Personen, die ausschließlich Dienst für die Gemeinschaft leisten bzw geleistet haben
(vgl zur Versicherungspflicht der Mitglieder kontemplativer Orden BSG Urteil vom 17.12.1996 – 12 RK 2/96 – BSGE 79, 307 = SozR 3-2500 § 6 Nr 14, juris RdNr 24). Ebenso wenig ist maßgeblich, wie selten oder schwierig ein Austritt ist.
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(2) Die Feststellungen des LSG tragen seine im Ergebnis zutreffende Annahme, die Angehörigen der D, die nicht nur vorübergehend in den vom Insolvenzschuldner unterhaltenen Glaubenshäusern leben, jedenfalls im Nachversicherungszeitraum als eine ähnliche Gemeinschaft iS des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI anzusehen.
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Als Freikirche ist die D ein Zusammenschluss von Personen mit gemeinsamer religiöser Anschauung. Dass ihre Angehörigen, die nicht nur vorübergehend – etwa als Gäste – in den Glaubenshäusern des Insolvenzschuldners leben, dort zur Verwirklichung der gemeinsamen religiösen Ziele ein Leben in Gemeinschaft führen sollten, liegt schon deswegen nahe, weil der Insolvenzschuldner selbst diese Form des Zusammenlebens als „ordensähnliche Glaubensgemeinschaft“
(§ 2 Abs 3 Nr 2 Buchst a Satz 1 und 2 der Satzung idF vom 13.6.2011) bzw als „Orden der geistlichen Genossenschaft ‚S2′“
(§ 7 Art 1 Satzung idF vom 3.7.1970; 27.6.1986; 9.6.1995; 10.6.1999) bezeichnet. Nach den Feststellungen des LSG leben in den vom Insolvenzschuldner unterhaltenen Glaubenshäusern auch tatsächlich Angehörige der D, die – entsprechend dem Zweck der Glaubenshäuser und der darin lebenden Gemeinschaft, wie er sich zuletzt aus § 2 Abs 3 Nr 2 Buchst a Satz 1 der Satzung idF vom 13.6.2011 ergibt – ihrer christlichen Überzeugung und inneren Berufung folgen und ihre zur Verfügung stehende Kraft aktiv für die Verwirklichung des Zwecks der Freikirche einsetzen. Wie das LSG beispielhaft für die Beigeladene festgestellt hat, kommt es dabei zu einer sogar vollständigen Verflechtung von Arbeitsleben, persönlicher Lebens- und Glaubensgemeinschaft.
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(3) Die Feststellungen des LSG tragen auch seine weitere Annahme, dass die Beigeladene der ähnlichen Gemeinschaft angehörte, die jedenfalls im Nachversicherungszeitraum in den vom Insolvenzschuldner unterhaltenen Glaubenshäusern bestand. Sie lebte zumindest in den vorliegend streitigen Zeiträumen in Glaubenshäusern der Gemeinschaft. Dabei nahm sie am dortigen gemeinschaftlichen Leben teil und bildete es mit, denn nach den Feststellungen des LSG hatte sie sich dauerhaft in den Dienst der D gestellt und widmete dieser ihre gesamte Arbeits-, Lebens- und Glaubenskraft, was von der Gemeinschaft auch angenommen wurde. Der Insolvenzschuldner regelte in seiner Satzung idF vom 13.6.2011 zudem selbst, dass Personen, die – wie nach den Feststellungen des LSG die Beigeladene – ihrer christlichen Überzeugung und inneren Berufung folgen und in einer auf Dauer angelegten ordensähnlichen Glaubens- und Lebensgemeinschaft in einem Glaubenshaus leben, satzungsmäßige Mitglieder der „Kommunität der S3“ werden
(§ 2 Abs 3 Nr 2 Buchst a Satz 1 und 2 der Satzung idF vom 13.6.2011).
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An diese Feststellungen ist der Senat nach § 163 SGG gebunden, weil die dagegen erstmals vom Kläger nach Ablauf der am 20.1.2020 endenden Revisionsbegründungfrist vorgebrachte Verfahrensrüge unbeachtlich ist
(vgl zur Unbeachtlichkeit von Revisionsrügen, die erst nach Ablauf der Frist des § 164 Abs 2 Satz 1 SGG vorgebracht werden, BSG Urteil vom 24.10.1996 – 4 RA 27/95 – juris RdNr 24; lediglich bezogen auf weitere Verfahrensrügen BSG Beschluss vom 13.6.2018 – GS 1/17 – BSGE 127, 133 = SozR 4-1500 § 164 Nr 9, RdNr 38; wohl bezogen auf jegliches Vorbringen BSG Beschluss vom 27.2.2008 – B 12 P 1/07 R – juris RdNr 15). Im Übrigen ist sie auch deshalb unzulässig, weil der Kläger entgegen § 164 Abs 2 Satz 3 SGG keine Tatsachen bezeichnet hat, die den behaupteten Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht
(§ 103 SGG) ergeben würden. Hierfür muss ein Revisionsführer die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das Berufungsgericht von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem Berufungsgericht habe aufdrängen müssen, die Darlegung, zu welchem Ergebnis die für erforderlich gehaltenen (weiteren) Ermittlungen nach Auffassung des Revisionsführers geführt hätten, und die Darlegung, dass ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre
(vgl BSG Urteil vom 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R – BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 12 mwN; BSG Urteil vom 16.7.2019 – B 12 KR 6/18 R – BSGE 128, 277 = SozR 4-2400 § 7a Nr 12, RdNr 17). Diesen Anforderungen genügt der Kläger mit dem pauschalen Vorbringen, die Beigeladene habe allenfalls Dienst für die Gemeinschaft in der Schweiz oder die internationale Gemeinschaft geleistet, nicht.
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bb) Ausgehend von den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG war der Beigeladenen nach dem Eigenrecht des Insolvenzschuldners eine Anwartschaft auf eine in der Gemeinschaft übliche Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter gewährleistet, deren Erfüllung gesichert war. Ihr Dienst wurde für die Zeit ab 1.1.1992 – davor bestand schon keine grundsätzliche Versicherungspflicht
(s unter b) – von der generellen Gewährleistungsentscheidung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg im Bescheid vom 10.7.1995 erfasst; dieses war hierfür gemäß der Regelung im heutigen § 5 Abs 1 Satz 3 SGB VI zuständig. Die positive Entscheidung bezog sich auf alle Angehörigen der Gemeinschaft innerhalb der D, die der Insolvenzschuldner zuletzt als „ordensähnliche Glaubensgemeinschaft“
(§ 2 Abs 3 Nr 2 Buchst a Satz 1 und 2 der Satzung idF vom 13.6.2011) bezeichnete; sie ist grundsätzlich bindend für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
(vgl zu dieser Tatbestandswirkung BSG Urteil vom 11.6.1986 – 1 RA 51/84 – SozR 2200 § 1403 Nr 6, juris RdNr 26 mwN; BSG Urteil vom 5.11.1980 – 11 RA 118/79 – BSGE 50, 289 = SozR 2200 § 1232 Nr 9, juris RdNr 20).
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b) Für die demnach unter Geltung des § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI versicherungsfreie Beigeladene bestand auch vor dem 1.1.1992 keine Versicherungspflicht. Nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 5 RVO idF des Art 1 ArVNG und § 2 Abs 1 Nr 7 AVG idF des Art 1 AnVNG, die bei ihrem Eintritt in die Gemeinschaft am 1.2.1972 galten, waren Angehörige ähnlicher Gemeinschaften wie erwähnt nur versicherungspflichtig, wenn sie ua Barbezüge oberhalb eines bestimmen Schwellenwerts erhielten. Dieses Erfordernis bestand auch nach der zum 1.1.1973 bewirkten Änderung des § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 5 RVO und des § 2 Abs 1 Nr 7 AVG durch Art 1 § 1 Nr 2 Buchst a bzw Art 1 § 2 Nr 2 Buchst a des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16.10.1972
(BGBl I 1965), wenngleich mit verändertem Schwellenwert. Ausgehend von den Feststellungen des LSG erhielt die Beigeladene zu keinem Zeitpunkt Barbezüge in der erforderlichen Höhe.
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2. Indem die Beigeladene aus der D austrat und nicht länger in einem Glaubenshaus lebte, ist der Nachversicherungsfall eingetreten, der sich nach alldem für den gesamten Nachversicherungszeitraum nach § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI bestimmt. Nach dieser Vorschrift werden ua Personen nachversichert, die als Angehörige ähnlicher Gemeinschaften versicherungsfrei waren, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Beigeladene gehörte im Nachversicherungszeitraum wie ausgeführt einer solchen Gemeinschaft an und war in ihrem Dienst für diese versicherungsfrei. Ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG schied die Beigeladene am 13.3.2013
(hierzu unter a) unversorgt
(hierzu unter b) aus der Gemeinschaft aus, ohne dass ein Aufschubtatbestand gegeben war
(hierzu unter c).
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a) Die Feststellungen des LSG tragen seine Einschätzung, dass die Beigeladene erst am 13.3.2013 mit Beendigung ihrer Tätigkeit im Glaubenshaus in der Schweiz aus der ähnlichen Gemeinschaft ausschied. Für eine fortbestehende Anbindung an die dem Insolvenzschuldner zugeordnete Gemeinschaft spricht vor allem der Umstand, dass dieser der Beigeladenen weiterhin Sachbezüge für Wohnung, Nebenkosten und Verpflegung gewährte und ihre Beiträge zur deutschen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung übernahm. Im Übrigen wurde nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG auch das Glaubenshaus in der Schweiz vom Insolvenzschuldner unterhalten.
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Der Senat ist an diese Tatsachenfeststellungen des LSG gebunden. Die dagegen noch vom Insolvenzschuldner erhobenen Verfahrensrügen sind unzulässig. Der Insolvenzschuldner hat die die behaupteten Mängel begründenden Tatsachen nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Der Kläger hat insoweit im Schriftsatz vom 12.11.2020 nichts Ergänzendes vorgebracht, sodass der Senat dahinstehen lassen kann, ob ein lediglich ergänzendes Vorbringen trotz Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zu beachten wäre. Bezüglich des gerügten Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht
(§ 103 SGG) hat der Insolvenzschuldner keine Tatsachen bezeichnet, die einen solchen Mangel zu begründen in der Lage wären. Zur ordnungsgemäßen Erhebung der Rüge, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
(Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, hätte der Insolvenzschuldner darlegen müssen, dass das LSG mit seiner Annahme eines fortbestehenden Weisungsrechts der Gemeinschaft in Deutschland wesentliches klägerisches Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung gänzlich unberücksichtigt gelassen habe
(vgl hierzu zB BVerfG <Kammer> vom 20.2.2008 – 1 BvR 2722/06 – BVerfGK 13, 303, 304 = juris RdNr 9 ff mwN; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 31.3.2006 – 1 BvR 2444/04 – BVerfGK 7, 485, 488). Hieran fehlt es. Zur anforderungsgerechten Erhebung der Rüge, das LSG habe die Grenzen freier Beweiswürdigung
(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) verletzt, hätte der Insolvenzschuldner dartun müssen, dass das LSG einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt, einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz herangezogen habe oder dass es hinsichtlich des Austrittszeitpunkts nur eine einzige Folgerung habe ziehen können
(vgl hierzu BSG Urteil vom 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R – BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 16.7.2019 – B 12 KR 6/18 R – BSGE 128, 277 = SozR 4-2400 § 7a Nr 12, RdNr 18). Auch das ist nicht erfolgt.
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b) Zutreffend hat das LSG ein unversorgtes Ausscheiden der Beigeladenen angenommen. Es ist frei von Rechtsfehlern davon ausgegangen, dass das Angebot des Insolvenzschuldners, die Beigeladene bei Eintritt eines Versorgungsfalls zu versorgen, wenn sie in eines seiner Glaubenshäuser zurückkehre, keine aufrechterhaltene Versorgungsanwartschaft beinhalte. Hierfür hätte die Anwartschaft gerade für den Fall aufrechterhalten werden müssen, dass die Beigeladene nicht länger in der Gemeinschaft lebt. Nach den Feststellungen des LSG, gegen die Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben worden sind, verblieb der Beigeladenen nach ihrem Austritt weder ein Anspruch noch eine Anwartschaft auf eine Versorgung gegen den Insolvenzschuldner oder einen Dritten.
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c) Ausgehend von den bindenden Feststellungen des LSG kommt das Vorliegen eines Aufschubtatbestands nach § 184 Abs 2 SGB VI nicht in Betracht.
49
II. Die Nachversicherung umfasst gemäß § 8 Abs 2 Satz 2 SGB VI alle vorliegend streitigen Zeiträume; in diesen war die Beigeladene versicherungsfrei. Zudem bestehen keine Bedenken gegenüber der Höhe der festgesetzten Nachversicherungsbeiträge. Solche sind vom Kläger auch nicht vorgebracht worden.
50
III. Zutreffend hat das LSG die Nachversicherungsforderung der Beklagten bei Erlass des Bescheids vom 12.11.2014 als nicht verjährt angesehen; seitdem ist die Verjährung gehemmt
(§ 52 Abs 1 Satz 1 SGB X). Ausgehend von seinen für den Senat bindenden Feststellungen war bei Erlass des Nachversicherungsbescheids selbst die vierjährige Verjährungsfrist
(§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV) nicht abgelaufen. Diese beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die beanspruchten Beiträge fällig geworden sind. Nachversicherungsbeiträge werden fällig, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere keine Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nach § 184 Abs 2 SGB VI gegeben sind
(§ 23 Abs 4 SGB IV iVm § 184 Abs 1 Satz 1 SGB VI). Vorliegend sind die Nachversicherungsvoraussetzungen in Ermangelung eines Aufschubtatbestands bereits mit dem unversorgten Ausscheiden der Beigeladenen aus der Gemeinschaft der Personen, die nicht nur vorübergehend in den vom Insolvenzschuldner unterhaltenen Glaubenshäusern lebten, eingetreten. Nach den bindenden Feststellungen des LSG erfolgte dies am 13.3.2013, sodass die dadurch entstandene Beitragsforderung der Beklagten am Folgetag fällig wurde
(vgl hierzu BSG Urteil vom 12.2.2004 – B 13 RJ 28/03 R – BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 – juris RdNr 30 mwN) und die Verjährungsfrist erst am 1.1.2014 zu laufen begann.
51
D) Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese keinen Antrag gestellt hat.
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E) Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 GKG sowie § 185 Satz 3 iVm § 182 InsO. Die Festsetzung erfolgt mittels eines sog Stufenstreitwerts separat für die Zeiträume vor und nach der Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Revisionsverfahrens, weil vorliegend nicht sämtliche erstattungsfähigen Gebühren bereits vor der Unterbrechung entstanden sind. Jedenfalls die (fiktive) Terminsgebühr im Revisionsverfahren
(§ 3 Abs 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz <RVG> iVm Nr 3213 und dem entsprechend geltenden Satz 1 Nr 1 der Anmerkungen zu Nr 3106 Vergütungsverzeichnis <VV> zum RVG) ist erst mit der Entscheidung entstanden
(vgl Vorbemerkung 3 Abs 3 Satz 1 VV zum RVG). Für die Streitwertbestimmung im Zeitraum nach Aufnahme des Rechtsstreits gilt § 182 InsO, der eine von § 40 GKG abweichende Bestimmung enthält und über § 185 Satz 3 InsO auch im Verfahren vor den Sozialgerichten anwendbar ist
(vgl für das finanzgerichtliche Verfahren BFH Beschluss vom 26.9.2006 – X S 4/06 – BFHE 214, 201 – juris RdNr 20). Danach bestimmt sich der Wert des Streitgegenstands einer Klage auf Feststellung einer bestrittenen Forderung nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Der Senat setzt hierfür im Wege der Schätzung 99 580,18 Euro an
(vgl zu dieser Schätzungsbefugnis BGH Urteil vom 9.9.1999 – IX ZR 80/99 – juris RdNr 8). Bezogen auf die von der Beklagten angemeldete Insolvenzforderung entspricht das dem Mittelwert der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse zu erwartenden Quote, die der Kläger schlüssig mit einer Spanne von 25 bis 100 Prozent angegeben hat.